ZWEIFELSFREI IN DEN POLIZEIDIENST
Zweifelsfrei in den Polizeidienst Eine Studie zu Zweifeln am Berufsziel «Polizist*in» im Bewerbungsund Ausbildungsprozess
Martin Bettschart *
Benjamin Wolf **
Marcel Herrmann ***
Veronika Brandstätter ****
* Postdoktorand, Universität Zürich, Psychologisches Institut, Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie (Motivation) ** Postdoktorand, Universität Zürich, Psychologisches Institut, Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie (Motivation) *** Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Departement Angewandte Psychologie, Psychologisches Institut, Fachgruppe Diagnostik und Beratung **** Lehrstuhlinhaberin, Universität Zürich, Psychologisches Institut, Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie (Motivation)
Zusammenfassung Unser Leben wird stark von unseren Zielen bestimmt. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Berufsziel zu (z. B. Polizist*in zu werden). Trotz anfänglicher Entschlossenheit kann es aber manchmal nötig werden, sich von einem Ziel abzuwenden. Doch bevor dies gelingt, durchleben Menschen eine Phase des Zweifelns. In drei Studien untersuchten die Autor*innen, wie sich Zweifel im Bewerbungs- und Ausbildungsprozess der Polizei entwickeln. Sie gingen davon aus, dass Zweifel mit der Annäherung an das Berufsziel und höherer Erfül-
lung der psychologischen Grundbedürfnisse (sozialer Anschluss, Autonomie, Kompetenz) abnehmen würden. Dies wiederum sollte zu geringerer Fluktuation und höherer Arbeitszufriedenheit führen. In der Tat zeigten Aspirant*innen weniger Zweifel als Bewerbende und blieben ihrem Berufsziel eher treu. Zudem wurden die Grundbedürfnisse in der Ausbildung überwiegend gut erfüllt. Daher könnten Massnahmen zur Erfüllung der Grundbedürfnisse die Bindung an das Berufsziel weiter stärken.
Ziele sind ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Sie geben unserem Alltag Struktur und unserem Handeln eine Richtung. Besonders wichtig für das eigene Wohlbefinden sind langfristige Ziele, wie beispielsweise Berufsziele. Gerade in unserer westlichen Kultur kommt Berufszielen eine besondere Stellung zu: Sie haben eine identitätsstiftende Wirkung, d. h. liefern Antworten auf Fragen wie «Wer bin ich?» oder «Was macht mich aus?» (z. B. «Ich bin Polizist*in.»). Allerdings kann es vorkommen, dass sich ein Berufsziel als nicht erreichbar erweist. So ist beispielsweise nicht jede*r geeignet, Polizist*in zu werden – sei es aufgrund
körperlicher Voraussetzungen, des Alters oder fehlender Fähigkeiten. Entsprechend erhalten nur wenige, die sich bei der Polizei bewerben, auch eine Anstellung (siehe z. B. M. Huber, 2015). Umgekehrt kann sich ein Berufsziel auch als nicht «das Richtige» für eine Person herausstellen, weil es z. B. nicht zu den eigenen Werthaltungen oder Vorlieben passt. Aus diesen Gründen ist es umso wichtiger, Ziele aufgeben zu können. Nur: Wie schaffen es Menschen, sich von einem persönlich bedeutsamen Ziel abzuwenden und sich anderen Vorhaben zu widmen? Genau mit dieser Frage befasst sich unsere Forschungsgruppe am Lehr-
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