business im Breisgau

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Wirtschaft

Mai 2022 Ausgabe Nr. 32

Im Fokus: Mobilität der Zukunft

Militärisches Musterländ

In BW arbeiten 120 Konzerne für die Rüstung – auch in Freiburg Kriminalität

Start-ups

Kapitalmarkt

Die Abfangjäger vor den Recyclinghöfen

Twicky Sticky, Zündstoff und der Baden-Campus

Der DAX stürzt ab – was Experten jetzt raten



Editorial

Der Schrott, der Krieg und der DAX Von einer Recherche mit kurzem Ende

W

wirklich am Ende illegal auf der berühmt-berüchtigten Deponie Agbogbloshie in Accra? An einem der verseuchtesten Orte der Erde? Oder irgendwo in Osteuropa?

Wir bauten einen GPS-Tracker in ein altes Mischpult, nachdem wir mit unserem alten Redaktionsmonitor kein Interesse bei den Elektroschrottsammlern geweckt hatten. Und dann verfolgten wir am Rechner die Reise des Geräts. Es ist eine kurze. Bis zum Redaktionsschluss lag das Teil in einer Lagerhalle in St. Georgen. Lassen wir die Geschichte also bleiben? Nein. „Der Handel mit EDV ist so groß und schlimm wie der mit Waffen“, erzählt uns Hans-Michael Ganter, der den größten Freiburger Recyclinghof St. Gabriel leitet. Und wir erfahren: Schrott in fremde Hände zu geben, auch das ist illegal. Till Neumann erzählt die ganze Geschichte. In unserer Titelgeschichte hat Philip Thomas recherchiert, dass allein in Baden-Württemberg 120 Firmen direkt oder indirekt für die Rüstungsindustrie arbeiten – auch in Freiburg. Experten gehen davon aus, dass auch im Ukraine-Krieg Waffen aus dem militärischen Musterländ zum Einsatz kommen. Dazu setzen wir in dieser Ausgabe einen Schwerpunkt auf die Automobilität. Vor allem auf die Zukunft derselben. Bei

einer Veranstaltung des baden-württembergischen Wirtschaftsrats stellte der viel gefragte Mobilitätsexperte Peter Fuß die These auf, dass es in gar nicht so ferner Zukunft gar nicht mehr aufs Auto, aufs Design, auf die Pferdestärken ankommen wird. Sondern auf die Software. Gewagt? Nun, Fuß weiß durchaus, wovon er spricht. Das lässt sich auch über die Kapitalmarkt-Referenten sagen, die bei der GFA Invest vor gut 150 Interessieren gesprochen haben. Der DAX hat in den vergangenen sechs Monaten stolze 2600 Punkte verloren. Verkaufen? Halten? Auf lange Sicht ist ein realer Werterhalt ohne Aktien nicht möglich, war eine der Kernbotschaften. Wir wünschen auch in diesen Zeiten anregende Lektüre. Bleiben Sie zuversichtlich. Foto: © Neithard Schleier

ir wollten es wirklich wissen. Wo landet der Elektroschrott, den die Abfangjäger vor den Freiburger Recyclinghöfen aus den dort wartenden Autos begehren? Landet er

Herzlichst Ihr Lars Bargmann | Chefredakteur Anzeige

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Inhalt Nachhaltigkeit

Titel

Der Krieg und die Rüstung: In Baden-Württemberg arbeiten rund 120 Unternehmen direkt oder indirekt für die Waffenindustrie – auch in Freiburg 6-8

Kriminalität

Freiburgs illegale Müllsammler: Mit dem GPS-Tracker der Redaktion verfolgt 10-11

Verbände

Online versus stationär: Wie der Handelsverband Südbaden aktuelle Statistiken interpretiert

Ausgezeichnet: Premium Automobile gewinnen Autoscout-Award

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Start-ups 12

Vollversammlung: HWK fordert Ende der Abhängigkeit von russischem Gas und Öl 13 Grenzverkehr: IHK kritisiert französische Bürokratie beim Entsenden von Arbeitnehmern 14

Locations

Wie sich drei Frauen mit dem sWohnzimmer einen Traum verwirklichten 15

Automobil

So war die Veranstaltung des Wirtschaftsrats zur Zukunft der Mobilität 16 Das Škoda-Autohaus Sütterlin baut Ladepark an der Tullastraße

Jubiläum: Autohaus Schmolck blickt auf 75 Jahre zurück 18

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Baden-Campus: Besuch im Gründerzentrum in Breisach

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Twicky Sticky: Essbare Kunst made in Freiburg

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Faire Klamotten: Zündstoff eröffnen zweites Ladengeschäft 22

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Pflanzliche Milchprodukte auf dem Vormarsch: Mitspielen oder Zuschauen?

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Messewesen: FWTM bringt Anfang Juni zwei Jobmessen in die Hallen

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Menschen & Meldungen

Brauerei Rothaus investiert 40 Millionen Euro in Klimapositivität / Waldhaus gewinnt Top-Job-Award / FWTM zeichnet Entrepreneure aus / Hummel AG steigert Umsatz stark / Avnet feiert Spatenstich / Land fördert Tourismusprojekte in der Region / Sparkasse Freiburg in Sachen Förderkredite beste im Land / ZentgrafGruppe übernimmt FMK 32-35

Unternehmen in der Region Sick AG bilanziert bärenstark

Finanzwelt

GFA Invest: Was renommierte Vermögensverwalter in diesen Zeiten empfehlen 24-25

Medizintechnik

Warum die Intuitive Surgical Deutschland in Freiburg mindestens 60 Millionen Euro investiert 26

10

Badenova investiert 150 Millionen Euro und weist GreenwashingVorwürfe zurück

Arbeitsmarkt

Frühjahrsaufschwung light: Arbeitslosenquote sinkt leicht zum März, aber massiv zum Vorjahr

Fakten bitte

Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen

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Chefredaktion: Lars Bargmann

Ein Unternehmen der

Redaktion: Philip Thomas, Till Neumann, Pascal Lienhard

Herausgeber: chilli Freiburg GmbH Paul-Ehrlich-Straße 13 79106 Freiburg fon: 0761-76 99 83-0 fax: 0761-76 99 83-99 bargmann@chilli-freiburg.de www.business-im-breisgau.de

Titelcollage: Sven Weis; © freepik, istock.com/ ilyast

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Geschäftsführung: Michaela Moser (V.i.S.d.P.)

Autoren: Johanna Stortz, Katharina Thoma

Fotos: pixabay, dpa, freepik, unsplash, iStock Grafik: Sven Weis (kombinat79) Lektorat: Beate Vogt Anzeigen: Christoph Winter (Leitung), Giuliano Siegel, Jennifer Patrias, Fredrik Frisch Druck: Hofmann Druck, Emmendingen

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Themenheft 05.2022 Das business im Breisgau-Themenheft erscheint im Freiburger Stadtmagazin chilli

IMPRESSUM business im Breisgau

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Titel

»Militärisches Musterländle«

Experten gehen davon aus, dass Waffen aus Süddeutschland auch in der Ukraine zum Einsatz kommen

Foto: © freepik.com

N

achkriegsdeutschland bemüht das Mantra „Nie wieder Krieg“. Wirtschaftlich profitiert die Bundesrepublik jedoch von bewaffneten Konflikten: Sie ist der viertgrößte Waffenexporteur der Welt. In Baden-Württemberg produzieren knapp 120 Konzerne an 70 Standorten für die Rüstungsindustrie. Wo das Gerät landet, ist nicht immer nachvollziehbar. Experten vermuten aber, dass auch in der Ukraine Waffen aus dem Südwesten abgefeuert werden.

Vergangenes Jahr genehmigte die vorherige Bundesregierung WaffenExporte im Wert von rund neun Milliarden Euro – so viel wie noch nie. Das meiste Gerät, darunter Luftabwehrsysteme und Fregatten, landete laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in Ägypten. Einem Land, das nicht nur bekannt ist für Pyramiden, sondern auch für Menschenrechtsverletzungen. Vielleicht auch deswegen schrieb sich die neue Ampelregierung eine „restriktivere Rüstungspolitik“ in den

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Koalitionsvertrag. Man setze sich ein für ein nationales Rüstungsexportkontrollgesetz. Schaffen soll es sowohl Transparenz als auch Reglementierung. Allerdings: In Deutschland entscheidet der Bundessicherheitsrat (BSR) über Rüstungsexporte. Und dieser tagt geheim. Zwar muss der BSR den Bundestag seit 2014 über Art, Umfang und Empfängerland des Exports „unverzüglich unterrichten“. Zu Fragen rund um den Sicherheitsrat darf die Öffentlichkeit vom Bundestag jedoch nicht informiert werden. „So können


Titel

Russland: 61

China: 252

NATO-Mitglieder: 1106

65.700

Illustrationen: © freepik.com, Sven Weis

Militärausgaben im Jahr 2020 in Milliarden Dollar.

deutsche Kriegswaffen in beträchtlichem Umfang quasi ganz legal an zahlreiche menschenrechtsverletzende Staaten geliefert werden“, erklärt der Freiburger Jürgen Grässlin, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft. Deutsche Rüstungsexportberichte nennen in vielen Fällen lediglich den Waffentyp, dessen Export genehmigt wurde. „Zum Beispiel Panzer oder Gewehre“, so Grässlin. Lediglich Großwaffensysteme, deren Ausfuhr dem Waffenregister der Vereinten Nationen unterliegt, bildeten die Ausnahme. Laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI stehen auf den Lieferscheinen deutscher Waffenfirmen neben anderen NATO-Mitgliedern wie den USA oder Spanien auch die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate. Laut Andreas Seifert, Vorstandsmitglied der Informationsstelle Militarisierung (IMI) mit Sitz in Tübingen, ist der Export von Waffen in der Regel keine Frage von Wirtschaft, sondern von Politik: Das Gros der gefährlichen Güter unterliegt daher dem sogenannten Kriegswaffenkontrollgesetz. „Wer Waffen exportieren möchte, muss beim Bundeswirtschaftsministerium anfragen“, erklärt der 55-Jährige. Dabei wird auch der Endverbleib geklärt. Nicht

120

... Arbeitnehmer·innen beschäftigt die deutsche Waffenindustrie.

61 Rund 120 Firmen in BadenWürttemberg arbeiten direkt oder als Zulieferer für die Waffenindustrie

Rüstungskonzern Rheinmetall mit Standorten in Baden-Württemberg: Gewinn 1. Quartal 2022 (in Mio. Euro).

immer sei dieser eindeutig: „Abhörsoftware kann beispielsweise zur Kriminalitätsbekämpfung eingesetzt werden – oder gegen arglose Bürger.“ In jedem Falle ist es ein lukratives Geschäft – oft mit dem Tod. „Diese Industrie hat ausschließlich Staaten zum Kunden“, kommentiert Seifert. Laut SIPRI setzten die 100 größten Waffenhersteller im Jahr 2020 trotz Pandemie weltweit 470 Milliarden

IMI. Hinter hohen Mauern und Zäunen arbeiten demnach rund 120 Firmen direkt oder als Zulieferer für die Waffenindustrie. „Das ist ein verwobenes Konstrukt, eine Besonderheit dieser Industrie“, sagt Seifert. Die Firmen seien stark spezialisiert: „Panzer und Flugzeuge bestehen aus unendlich vielen Komponenten. Und alles muss einzeln zertifiziert werden. Die Frage ist jedoch nicht, wo Waffen in Baden-Württemberg produziert werden. Interessant ist, wer in die Produktion involviert ist – und in welche Projekte.“ In Freiburg etwa ist das Unternehmen Litef ansässig. Laut SIPRI gehört es zum fünftgrößten Militärunternehmen der Welt: Northrop Grumman. Vergangenes Jahr setzte der US-Konzern rund 35 Milliarden Euro um. Litef entwickelt Navigationssysteme für Heer, Luftwaffe und Marine. „LitefProdukte sind weltweit im Einsatz, das Anwendungsspektrum reicht von der zivilen und militärischen Luftfahrt über Land- und Marineanwendungen bis hin zu industriellen Applikationen“, so Silvia Puckl, Team Leader Marketing und Communications. Laut IMI werden Litef-Systeme auch in Lenkwaffen eingesetzt und sind un-

Raketen vom Bodensee in die Ukraine? Euro um. „Gemessen an dem, was Deutschland insgesamt exportiert, ist die Waffenindustrie aber eine kleine Nummer“, sagt Seifert. Auch volkswirtschaftlich sei diese Branche vernachlässigbar. Ein BMWK-Bericht aus dem Jahr 2014 taxiert den deutschen Branchenumsatz auf 20,4 Milliarden Euro. Insgesamt 65.700 Beschäftigte zählt der Sektor hierzulande. Viele von ihnen arbeiten im Südwesten, zahlreiche Waffenschmieden haben einen Sitz in Baden-Württemberg. Knapp 70 solcher Standorte zählt die

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Titel

ter anderem im „Meteor“-Flugkörper verbaut, mit dem auch der Eurofighter bestückt ist. Der Trend geht Richtung Hightech und Software. „Früher gab es in Deutschland 15.000 Panzer, heute sind das ein paar Hundert“, so Seifert. Kann Kriegsmaterial in diesem Netz aus Produzenten und Lieferanten verloren gehen? „Schon um Unfälle zu vermeiden, ist jede Patrone exakt dokumentiert“, sagt Seifert. Was nach der Produktionsphase passiert, steht jedoch auf einem anderen Blatt. „In den Rüstungsexportberichten der Bundesregierung kommt etwas Licht ins Dunkel deutscher Waffendeals. Jedoch bleibt vieles oberflächlich, manches „Menschen werden jeden Tag verstümmelt, verkrüppelt und traumatisiert“: fehlt völlig“, sagt Grässlin. Friedensaktivist Jürgen Grässlin So stellte sich heraus, dass der norddeutsche Waffenhersteller SIG zwischen 2009 und 2011 mehr als Diehl BGT Defence mit Sitz in Über40.000 Pistolen an eine Schwesterfirma lingen am Bodensee exportiert jährlich in die USA geliefert hatte. Davon wie- Zehntausende Lenkflugkörper. derum gingen 38.000 Schießeisen nach Genau lassen sich die Wege der WafKolumbien. Genehmigt war allerdings fen jedoch nicht nachzeichnen. Vieles nur die Ausfuhr in die Vereinigten Staa- unterliegt der Geheimhaltung. Verteiditen. Der baden-württembergische Waf- gungsministerin Christine Lambrecht fenhersteller Heckler und Koch lieferte (SPD) betont, dass die Geheimniskräzwischen 2006 und 2009 insgesamt merei auf Wunsch der Ukraine gesche4219 Sturmgewehre sowie weiteres Ma- he. Angreifer Russland solle keinen terial nach Mexiko. Wegen Menschen- militärischen Vorteil schöpfen. rechtsverletzungen hätte das nicht geschehen dürfen, urteilte das Stuttgarter Landgericht im Jahr 2019 und verhängte Bewährungsstrafen gegen zwei Ex-Angestellte. Werden im Krieg in der Ukraine Waffen aus Baden-Württemberg abge- Ob das von Bundeskanzler Olaf feuert? „Es ist vorstellbar, dass die ein Scholz (SPD) wenige Tage nach dem oder andere Rakete ihren Weg vom Bo- russischen Angriff auf die Ukraine andensee nach Osteuropa gefunden hat“, gekündigte „Sondervermögen Bundessagt Seifert. Laut Grässlin spricht vieles wehr“ von 100 Milliarden Euro der dafür, dass Kriegswaffen und Rüs- deutschen Rüstungsindustrie zugutetungsgüter „aus dem militärischen kommt, ist für Seifert ebenfalls noch Musterländle Baden-Württemberg im nicht klar. Der Rüstungskonzern und Russland-Ukraine-Krieg zum Einsatz Autoteilelieferant Rheinmetall, der kommen“. Der 64-Jährige listet auf: Litef auch in Baden-Württemberg Standorte aus Freiburg stellt Navigationssysteme unterhält, rechnet aber bereits mit eifür Flugabwehrsysteme und Kampf- nem erfolgreichen Geschäftsjahr 2022: panzer her. Heckler und Koch expor- 15 bis 20 Prozent soll der Umsatz laut tiert Sturmgewehre auch ins Baltikum. dem Vorstandsvorsitzenden Armin

Foto: © Fotostudio Seeh Stern

»Deutschlands tödlichstes Unternehmen«

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Papperger steigen. Im ersten Quartal stieg der Nettogewinn bereits um drei auf 61 Millionen Euro. Bei Mitbewerber Heckler und Koch kletterte der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 22 Prozent auf 77,5 Millionen Euro. Für Grässlin sind das keine guten Nachrichten: „Gemessen an den Opferzahlen ist die Oberndorfer Firma zweifelsfrei Deutschlands tödlichstes Unternehmen“, betont er. Wie der Waffenhersteller Mauser produziert auch Heckler und Koch in Oberndorf – also im Regierungsbezirk Freiburg. Laut Grässlin sterben in Kriegen und Bürgerkriegen jeden Tag durchschnittlich mehr als hundert Menschen durch Kleinwaffen aus Oberndorf oder einer Lizenzfabrik in etwa 15 Staaten: „Mehr als dreibis vierhundert weitere Menschen werden jeden Tag mit Heckler-und-KochWaffen verstümmelt, verkrüppelt und traumatisiert.“ Das Waffenunternehmen selbst kommentiert diese Zahlen gegenüber business im Breisgau nicht. Unternehmenssprecher Marco Seliger gibt stattdessen zu Protokoll, dass „Heckler und Koch seine Waffen ausschließlich an Staaten der NATO und EU sowie der NATO gleichgestellte Länder sowie einige wenige sicherheitspolitische Partner Deutschlands liefert.“ Und es dürften mehr Lieferungen werden. Die Zeichen stehen auf Aufrüstung. Durch die vom Bundeskanzler am 27. Februar angekündigte „Zeitenwende“ wird Deutschland – rein rechnerisch – nach den Vereinigten Staaten und China zur drittgrößten Militärmacht der Welt aufsteigen. Seifert sieht in der Diskussion um Militär und Waffen bereits jetzt ein Ungleichgewicht: Nach eigenen Angaben investierten NATO-Mitglieder 2020 insgesamt 1106 Milliarden Dollar in ihr Militär. China gab laut SIPRI umgerechnet 252 Milliarden Dollar aus, Russland schätzungsweise 61 Milliarden Dollar.

Philip Thomas



Übergabe: Diesem Sammler drehen wir am Recyclinghof an der Carl-Mez-Straße ein Mischpult mit eingebautem GPS an.

Freiburgs illegale Müllsammler Was steckt hinter den »Abfangjägern« vor Recyclinghöfen?

S

ie stehen regelmäßig vor Recycling­höfen. Am Straßenrand bitten sie um Elektrogeräte. Was sie damit machen? Unklar. Das chilli hat daher ein GPS-Gerät in ein altes Mischpult gebaut und einem Müllsammler gegeben. Dass selbst diese Übergabe illegal ist, ist den meisten ebenfalls unbekannt. Über eine Recherche, bei der vieles anders kommt als geplant. Vor fünf Jahren habe ich eine HifiAnlage ausrangiert. Vor dem Recyclinghof stand eine Gruppe Männer, die mich beim Ausladen sah. Sie fragten in gebrochenem Deutsch: „Brauchst du das noch?“ Ich dachte mir: Besser reparieren und weiternutzen als wegwerfen. Und gab ihnen, was sie wollten. Im Nachhinein: naiv. Dass meine spontane Abgabe verboten ist? Wusste ich nicht.

Vier Jahre später fahre ich für eine Recherche auf Freiburgs größten Recyc­ linghof St. Gabriel. Wie geht es da in Corona-Zeiten zu? Wie kommt das Team mit dem Riesenandrang zurecht? Nebenbei erzählt Hans-Michael Ganter vom Problem mit den Müllsammlern am Eingang. „Abfangjäger“ nennt der Recyclinghof-Chef die Dauergäste vor seinen Höfen. Sie seien Teil eines riesigen Netzes. „Der Handel mit EDV ist so groß und schlimm wie der mit Waffen“, sagt Ganter. Wer vor den Höfen stehe, sei nur ein kleines Teil im großen Ganzen: „Arme Kerle.“ Wir wollen rausfinden, was dahintersteckt. Bei der Redaktionskonferenz beschließen wir, einen GPS-Tracker in einen alten Monitor zu bauen. Damit können wir in Echtzeit am Rechner verfolgen, wohin der Bildschirm kommt. Afrika? Osteuropa? Das sind Ziele, die

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Experten nennen. Die aufrüttelnde Doku „Welcome to Sodom“ zeigt das Problem: Sie porträtiert Arbeiter auf „Europas größter Mülldeponie“ Agbogbloshie im ghanaischen Accra, einem giftigen Inferno. Landet dort unser Monitor? Über Kleinanzeigen finden wir einen alten bleischweren PC-Bildschirm. Mit Redaktionskollege Philip Thomas schraube ich ihn auf, wir bauen den Tracker ein. Dann geht’s zum Recyclinghof: Wir wollen so tun, als würden wir den Monitor entsorgen, geben ihn aber den Abfangjägern. Doch Fehlanzeige: kein Sammler weit und breit. Am nächsten Tag dasselbe. Kommende Woche auch. Über Kontakte erfahren wir, dass das Team des Recyclinghofs die Sammler vertreiben konnte. Pech. Wir müssen also warten und rufen Experten an: Wie groß ist das Müllsammel-Problem? Die Pressestelle des Frei-


Fotos: © tln, welcometosodomstills

Kriminalität

burger Polizeipräsidiums teilt mit, dass sie dazu nicht viel sagen kann. Sie könnten nur eingreifen, wenn Sammler den Verkehr behindern. „Dazu liegen in jüngster Vergangenheit keine Fälle vor“, sagt Sprecher Özkan Cira. Tatsache ist: Die Abgabe des Mülls vorm Recyclinghof ist nicht erlaubt. „Das Verbot zur Abfallabgabe an Unberechtigte steckt hinter dem Schlagwort Überlassungspflicht in Paragraph 17 Kreislaufwirtschaftsgesetz“, informiert Peter Krause, Sprecher der Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Freiburg (ASF). Die Ausmaße des Sammelns kennt Andreas Habel vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE). „Das ist bundesweit organisiert – seit Jahren schon.“ Ein Dorn im Auge sei das dem Verband, sagt Habel. „Altgeräte, die nicht mehr gebrauchsfähig sind, dürfen nicht exportiert werden.“ Dafür gebe es in Deutschland die Infrastruktur, „die das Auseinandernehmen fachgerecht regelt“. Habel beruft sich auf Zahlen des Umweltbundesamtes: „Wir verlieren durch die illegalen Sammler 150.000 Tonnen Elektroschrott im Jahr.“ Für ihn liegt die Verantwortung bei der vor Ort zuständigen Abfallwirtschaftsbehörde. „Die kann jemanden schicken und fragen: ,Was machen Sie damit?‘“, so Habel. Das passiere aber viel zu wenig. In Freiburg ist damit die ASF gemeint. Die tut das mittlerweile offenbar tatkräftig. Sonst könnten wir unseren Monitor an den Mann bringen. Also warten wir. Und warten. Nach rund einem halben Jahr landen wir doch einen Treffer: Vor dem Recyclinghof an der Carl-Mez-Straße in Freiburg-Haslach entdecke ich einen Sammler. Er steht am Straßenrand und spricht die Autofahrer an, die auf den Hof fahren wollen. Also nichts wie heim und den Monitor holen. Mit dem Kollegen Thomas fahren wir mit dem Auto zum Recyclinghof – den präparierten Monitor auf dem Beifahrersitz. Der Mann winkt uns zu, schaut den Bildschirm an und winkt ab. Offenbar ist er zu alt, zu schwer. Uninteressant. Also fahren wir noch mal nach Hause. GPS ausbauen, neues Gerät su-

chen. Im Schrank finde ich ein altes DJ-Mischpult. Da passt der Tracker gerade so rein. Rund 15 Minuten später sind wir wieder am Recyclinghof und bieten die Ware erneut an. Jetzt greift er zu. Treffer. Mit seinem Motorroller fährt er kurz darauf weg.

»Ein Netzwerk wie bei Dealern« In der Redaktion öffnen wir die Tracking-Karte. Das Gerät liegt in einer Lagerhalle in St. Georgen. Die Route lässt sich metergenau auslesen. Jetzt heißt es wieder warten. Wir sind gespannt. Vielleicht können wir das Pult ja sogar bei einem Freiburger Gebrauchtwarenhändler wieder zurückkaufen? Auch Rolf Buschmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) kennt sich mit dem Problem aus: „Das ist ein Netzwerk wie bei Dealern, die Struktur ist schwer durchdringbar“, erzählt der Abfallexperte. Die Sammler kämen meist aus osteuropäischen Ländern und hätten großes Interesse an Edelmetallen. Auf keinen Fall solle man ihnen etwas geben. Unter widrigsten Umständen würde das Edelmetall in Afrika rausgeholt. In Osteuropa würde es wenigstens noch einigermaßen verwertet. Dennoch versteht Buschmann auch Kritik am deutschen Recycling: Ob Sachen wiederverwendet werden könnten, würde oft nicht geprüft. Soziale Initiativen, die das auf Recyclinghöfen machen wollen, bekämen meist keinen Zutritt. Auch der Zoll kennt das schmutzige Geschäft: „Die Problematik des illegalen Exports von Elektroschrott ist dem Zoll bekannt“, sagt André Lenz. Der Pressesprecher der Generalzolldirektion in Bonn erklärt: „Die Dienststellen sind diesbezüglich sensibilisiert und berücksichtigen entsprechende Erkenntnisse im Rahmen der Risikoanalyse.“ Das heißt konkret: Sofern sich bei der Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs der Verdacht auf einen Verstoß gegen abfallrechtliche Bestimmungen ergibt,

schalten die Zolldienststellen die zuständige Landesbehörde ein. Ob das auch bei unserem Mischpult passiert? Es liegt seit dem 20. Januar in Freiburg-St Georgen und bewegt sich keinen Millimeter. Wurde es aussortiert? Oder das GPS rausgeholt? Oder geht es erst später auf Reisen? Wir wissen es nicht. Nach vier Monaten Warten haben wir beschlossen, den Artikel dennoch zu veröffentlichen. Das Abfangjäger-Netzwerk bleibt undurchsichtig. Sicher ist: Den mal nett, mal offensiv fragenden Jägern gibt man besser keine Ware. Till Neumann

Die Route: Laut GPS-Tracker ist das Gerät nicht weit gekommen.

Eingebaut: Redakteur Philip Thomas baut das GPS in den Schrott-Monitor.

Inferno: Die Doku „Welcome to Sodom“ zeigt, wie unser Elektroschrott in Ghana zum Horror wird.

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Verbände

Online-Handel gewinnt 14 Milliarden Euro dazu E-Bikes bremsen normale Räder aus: HV Südbaden mit aktuellen Zahlen

D

Quelle: HDE-Berechnungen und Schätzungen auf Basis Destatis *ohne Kfz, Tankstellen, Brennstoffe, Apotheken

ie Lage im Einzelhandel ist angespannt, zum Teil alarmierend – doch es gibt Hoffnungsschimmer: So lassen sich Rückblick auf 2021 und Erwartungen für 2022 zusammenfassen, die der Handelsverband Südbaden (HV) unlängst vor Journalisten vorstellte. Auch wenn der im Einzelhandel erwirtschaftete Umsatz steigt, bleiben einige Branchen außen vor. Klarer Gewinner ist der Online-Handel – zum Teil auf Kosten des stationären Handels. 587,8 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete der Einzelhandel im vergangenen Jahr deutschlandweit. Das sind rund 10 Milliarden mehr als im Vorjahr. Die Angaben sind ohne Kfz, Tankstellen, Brennstoffe, Apotheken. „Ich würde nicht unbedingt sagen, dass das ein Grund zum Feiern ist“, erklärt Peter Spindler, Hauptgeschäftsführer sowie Abteilungsleiter Recht beim HV Südbaden auf Nachfrage der Redaktion. „Schließlich sind die verschiedenen Bereiche unterschiedlich aufgestellt.“ Das zeigt der geschätzte Umsatz nach Branchen. Zu den Gewinnern zählen deutschlandweit Geschäfte mit Spielwaren (plus 4 Prozent), Technik (plus 3,1 Prozent), Schmuck (plus 5,4 Prozent) sowie E-Bikes (plus 25 bis 30 Prozent). Verlierer sind etwa der Handel mit Uhren (minus 4,1 Prozent) und klassischen Fahrrädern (minus 20 bis 25 Prozent). Ambivalent sind die Zahlen des Bundesverbands BTE, der die Branchen Textil-, Schuh- und Lederwaren umfasst: Der Umsatz mit Bekleidung und Textilien stieg um rund 5 Prozent, der Einzelhan-

del mit vorwiegend Bekleidung sank um 5 Prozent – und das auf Basis eines historischen Umsatzminus von 25 Prozent aus dem Jahr 2020. Die Umsätze im Nonfoodhandel lägen teilweise dramatisch unter dem Niveau der Vor-Corona-Zeit. Wichtigster Wachstumstreiber sei der Online-Handel. Obwohl dessen Umsatz im vergangenen Jahr um fast 14 Milliarden Euro (19,2 Prozent) zunahm, sank der des stationären Handels „nur“ um 3,5 Milliarden (0,7 Prozent). Demnach haben die Deutschen also im vergangenen Jahr 10,4 Milliarden mehr im Handel ausgegeben. Zu beobachten sei aber eine starke Abnahme an Geschäften. „Der Online-Handel kann eine Chance sein“, sagt Spindler. Auch kleinere und mittlere Unternehmen nutzten ihn. Gleichwohl könne es ein Unternehmen aus zehn oder zwölf Mitarbeitern nicht mit Amazon aufnehmen.

Umsatz Einzelhandel insgesamt in Mrd. Euro* 577,4

587,8

+1,8%

2020

2021

Laut einer Umfrage unter rund 300 baden-württembergischen Betrieben des Einzelhandels vermelden mehr als 50 Prozent für das zweite Halbjahr 2021 weniger Gewinn als im Vorjahreszeitraum. Auf die Frage nach der erwarteten Umsatzentwicklung für das erste Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, erklären über 22 Prozent mit einem leichten, über 19 Prozent mit einem deutlichen und fast 19 Prozent mit einer nicht veränderten Umsatzentwicklung zu rechnen. Gleichwohl wird die aktuelle Geschäftslage der jeweiligen Unternehmen von fast 45 Prozent als schlecht eingestuft, von rund 40 Prozent als befriedigend, nur 15 Prozent beschreiben sie als gut. Zuversichtlich gibt sich der Verband in Bezug auf den Handel mit Kunden aus Frankreich und der Schweiz. Neben Lockerungen wird ein günstiger Frankenkurs begrüßt. Pascal Lienhard

Umsatz stationärer Handel 504,6

501,1

507,0

2020

2021

2022

Umsatz Onlinehandel 86,7 72,8

98,4

2020

2021

Ambivalent: Während der Onlinehandel zunimmmt, haben es viele stationäre Einzelhändler schwer.

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2022


Verbände

»Investition in Putins Angriffskrieg« Ende der russischen Abhängigkeit von Öl und Gas

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er Krieg in der Ukraine war eines der prägenden Themen der Frühjahrs-Vollversammlung der Handwerkskammer Freiburg (HWK). „Die Geschehnisse in der Ukraine sind nicht in Worte zu fassen“, konstatierte dabei HWK-Präsident Johannes Ullrich. Den Krieg in der Ukraine spüre das südbadische Handwerk vor allem an den gestiegenen Energie- und Materialpreisen.

Maurermeister Josef Ganter (beide aus Freiburg) und der Elektroinstallateur­ meister Ralf Quandt (Schopfheim) erhielten die Goldene Ehrennadel. Die Nadel in Silber bekam der Zentralheizungs- und Lüftungsbauermeister Bernd Wölfle (Lauf).

Zudem wurde beschlossen, dass die Bauwirtschaft Baden-Württemberg und das Berufsbildungswerk der südbadischen Bauwirtschaft die bisher bei der Gewerbe Akademie der HWK angesiedelte überbetriebliche Ausbildung im Baubereich übernehmen. bib Anzeige

Die Abhängigkeit vom russischen Öl und Gas erschwere es den Betrieben zunehmend, wirtschaftlich zu arbeiten. „Es liegt alleine an der Politik, diese teilweise selbstgemachte Abhängigkeit zu beenden und sie muss enden, so viel steht fest“, sagt Ullrich. Jede einzelne Überweisung für russische Energie, egal ob in Euro oder Rubel, sei eine Investition in Putins Angriffskrieg. Das Handwerk könne als starker Partner der Energiewende einen wertvollen Beitrag zu dieser Unabhängigkeit leisten. Allerdings stünden die Betriebe hierbei vor einer nahezu unlösbaren Gleichung. „Eigentlich ist es einfach: Ohne Fachkräfte kein starkes Handwerk. Ohne starkes Handwerk keine Energiewende. Ohne Energiewende keine echte eigene Unabhängigkeit.“ In dieser Gleichung stehe und falle alles mit der Fachkräftesituation. Und die sei alles andere als rosig. Überall fehlten passende Fachkräfte. Das Handwerk habe seine Anstrengungen zwar deutlich verstärkt. Ein Umdenken müsse aber in der gesamten Gesellschaft stattfinden. Die Kammer zeichnete auf der Versammlung mehrere Ehrenamtsträger aus: Der Fleischer Frank Hug, der chilli | business im Breisgau | 05.2022 | 13


Verbände

Fordern weniger Bürokratie: Dieter Salomon, Stefanie Blum, Monika Roob, Pascale Mollet und Antonyo Hummel.

»Bürokratisch gelähmt« IHK präsentiert Ergebnisse der Umfrage zur Frankreich-Entsendung

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Foto: © Natalie Butz/IHK Südlicher Oberrhein

chicken deutsche Unternehmen ihre Mitarbeitenden nach Frankreich, etwa, um Dienstleistungen zu erbringen oder Kunden zu besuchen, müssen sie Meldepflichten und umfangreiche arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtliche Formalitäten beachten. Zwar hatte die Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein (IHK) schon in der Vergangenheit die eine oder andere Erleichterung erzielt, doch reichen die in der tagtäglichen Praxis längst noch nicht aus. Das ergab eine neue Mitgliederumfrage der Kammer. Viele Betriebe sind mittlerweile frustriert, 40 Prozent wollen ihre FrankreichGeschäfte reduzieren oder ganz aufgeben. „30 Prozent der 260 befragten Betriebe wollen ihre Frankreich-Geschäfte reduzieren, zehn Prozent denken gar über eine Einstellung nach“, sagte Stefanie Blum, die stellvertretende Leiterin Geschäftsbereich International der IHK. Und das sei auch verständlich: „Die Betriebe müssen diesen Aufwand zusätzlich bepreisen, das lässt ihre Angebote teurer werden, und damit sind sie gegenüber französischen Anbietern nicht mehr konkurrenzfähig.“ Als die größten Herausforderungen bei den EntsendeFormalitäten nannten die Unternehmen die Übersetzung deutscher Dokumente wie medizinische Atteste, Lohn- und Stundenzettel oder Arbeitsverträge ins Französische sowie die Benennung eines französischsprachigen Vertreters. Blum: „Eine solche Person oder die Übersetzung sorgen für zusätzliche Kosten.“ Auch die Weitergabe von datenschutzrelevanten Informationen an Dritte bei der Entsendung sehen viele kritisch. 14 | chilli | business im Breisgau | 05.2022

Knapp 90 Prozent wünschen sich, dass die Meldepflicht bei kurzzeitigen Einsätzen entfällt. Blum: „Wünschenswert wäre, wenn Frankreich die EU-Richtlinie weniger streng auslegen würde.“ Etwa so wie Dänemark, wo alle Arbeitseinsätze unter acht Tagen nicht gemeldet werden müssen. Oder wie in Österreich, wo es bei Arbeiten von geringem Umfang oder geringer Dauer keine Meldepflicht gibt. Solche Auslegungen wünschen sich auch Monika Roob und Antonyo Hummel von der Firma MSG Krandienst aus Kehl. „Wir haben seit 2017 einen Betrieb in Frankreich, aber es ist einfacher, wenn ein Arbeitnehmer für zwei Jahre nach Paris geht, als für einen Arbeitseinsatz wenige Stunden nur auf die andere Rheinseite“, konstatierte Roob. Hummel: „Wir sind bürokratisch gelähmt.“ Roob erzählte ein besonders absurdes Beispiel: „Habe ich einen neuen Mitarbeiter in Kehl, der im Elsass lebt, darf ich ihn im ersten Monat nicht nach Frankreich entsenden.“ IHK-Hauptgeschäftsführer Dieter Salomon betonte, dass es nicht grundsätzlich um die Richtlinie gehe. „Könnten Firmen zu Dumpingpreisen in Frankreich arbeiten, würde das ja ebenfalls unseren Betrieben schaden.“ Er fordert aber einfachere Lösungen: „Warum könnte die Akkreditierung nicht über die IHKs oder die Handwerkskammern laufen? Die IHK werde nun erneut mit den Umfrageergebnissen auf die französische Verwaltung zugehen, um Erleichterungen einzufordern. „Wir sind außerdem bereits in Kontakt mit den Ministerien in Baden-Württemberg“, informierte Pascale Mollet, Leiterin Stabsstelle für grenzüberschreitende Zusammenarbeit. bib


Locations

Franz Josef auf dem Klo Kreativraum sWohnzimmer öffnet seine Türen

Mit Strauß vor der Klotür: Karoline Serediuk (von links), Nadja Stiefel und Lisa-Marie Ganter wollen mit der neuen Location im Industriegebiet Nord nichts verdienen. Ihr Motto: Gemeinsam etwas schaffen.

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Fotos: © Alissia Ingra, tln

rei Frauen haben sich einen kleinen Traum verwirklicht: Sie haben an der Tullastraße einen Zweiraum-Kreativkosmos geschaffen, der ab sofort für Workshops, Seminare oder visuelle Kunst offensteht. Mit wenig Budget, aber vielen Ideen hat das Trio eine Wohlfühloase geschaffen. Das Industriegebiet mit Fastfoodketten und Rotlichtpalast wirkt wenig einladend. Wer zum Gebäude an der Tullastraße 69 kommt, ahnt nicht, was ihn dort erwartet. Im Erdgeschoss stehen alte Autos in einer improvisierten Werkstatt. Über eine Metalltreppe geht’s nach oben. Nur ein Holzpapagei in einem Vogelkäfig lässt vermuten, dass dort keine grauen Wände sind. Wer eintritt, ist meist baff, berichten die Macherinnen Lisa-Marie Ganter (33), Nadja Stiefel (34) und Karoline Serediuk (35). Durch die erste Tür geht’s in einen Wohnbereich mit Sofa,

Plattenspieler, schicker Küche und einem großen Holztisch. An der Wand leuchtet ein rosa Schild mit dem Schriftzug sWohnzimmer. Eine Tür weiter steht eine Werkbank, daneben ein kleines Bad in Rosa und Gold – über der Toilette hängt ein Vogel Strauß. Sie nennen ihn „Franz Josef“. Die Macherinnen sitzen vor dem Gebäude in der Sonne und plaudern. Das Trio hat sich 2021 zusammengetan, um etwas zu schaffen, das ihnen in Freiburg fehlt: ein Raum, an dem man sich für Kreatives regelmäßig und ungezwungen treffen kann. Ganter knüpft Makramees, Serediuk steht auf 3D-Stickerei mit „Punch Needles“, Stiefel bereitet gerne alte Möbel auf. Zu ihren Leidenschaften möchten sie niederschwellige Workshops anbieten. „Wir wollen nicht so von den Profis lernen, wir wollen lieber gemeinsam lernen“, sagt Stiefel. Jeder könne etwas von den anderen mitnehmen. Der Austausch soll in den Räumen

im Vordergrund stehen. Die Teilnahme und Raumnutzung sollen erschwinglich sein. „Wir wollen damit nichts verdienen“, erklärt Serediuk. Bisher war ein Dinner, ein zweitägiger Achtsamkeitsworkshop und ein HipHop-Videodreh in den Räumen. Die Möglichkeiten sind für das Trio groß. Was genau dort alles steigt, möchten sie auf sich zukommen lassen. Bisher gibt’s die Infos zum Raum über die Instagramseite swohnzimmerfreiburg. Auch Workshop-Anmeldungen laufen dort. Für die Einrichtung hat das Team rund 3000 Euro hingelegt und unzählige Stunden investiert. DIY ist die Devise. „Nur die Vorhänge sind neu“, erklärt Ganter. Der Rest ist gebraucht oder gesponsert. Ihre Idee: Gemeinsam etwas schaffen, das gemeinsam genutzt wird, um sich zu entfalten. Bei dem schicken Ambiente dürfte das ankommen. Zum Start laden sie zum Kickoff-Flohmarkt ein. Er steigt am 14. Mai ab 13 Uhr.

Till Neumann

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Mobilität

»Epochale Veränderungen« So war die Wirtschaftsratsveranstaltung „Zukunft der Mobilität – wie ändern sich die Geschäftsmodelle?“

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Illustration: © freepik.com

s bedarf epochaler Veränderungen bei der Mobilität.“ So stieg Peter Fuß, Mobilitäts­ experte beim Beratungsunternehmen Ernst & Young, in seinen Vortrag zur Zukunft der Mobilität ein, eine Veranstaltung des badenwürttembergischen Wirtschaftsrats im Autohaus Schmolck in Emmendingen. Epochal ist ein großes Wort, wenn Fuß beschreibt, dass künftig mehr die Software in der Hardware als die Hardware selbst über die Kundschaft entscheidet, dann ist es ein durchaus taugliches Adjektiv. Denn dann hieße der Slogan eines Herstellers nicht mehr „Das Auto“, sondern der eines Programmierkonzerns „Die Software“. Für Fuß ist das wichtigste Thema für die Zukunft der Mobilität die Konnektivität. Die größte Sorge der Hersteller sei daher aktuell: „Wie schaffen wir es, führend in der Konnektivität zu werden?“

Autonomes Fahren Dem autonomen Fahren käme dabei eine Schlüsselrolle zu. „Wenn sich das Fahrzeug um mich kümmert, wird der Innenraum zum Lebensraum.“ Dann sei die Frage: Wer bietet mir da das schönste Mobilitätserlebnis? Die Kundschaft werde mehr und mehr für den Service und die Software und nicht mehr für die Hardware, das Auto, das Design, die PS an sich bezahlen. Fuß prophezeit daher „eine riesige Verschiebung von den Herstellern zu den Software-Unternehmen“. Genau deswegen stelle sich für Hersteller, aber auch andere Marktteilnehmer die Frage, wohin fließen wann und warum bei welchen politischen Rahmenbedingungen welche Investitionen. Für den Individualverkehr sieht Gerald Penner, Geschäftsführer Streck Transport­gesellschaft mbH, das autonome Fahren noch skeptisch: „Für die Lkws wäre autonomes Fahren auf Langstrecken wie Autobahnen eigentlich kein Problem. Wenn nur die Pkws

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nicht wären, die sich immer wieder in Lücken drängeln.“ Elektro-Autos Was hat der Mobilfunk der Automobilbranche voraus? Ein Handy kann man etwa schon lange ohne Kabel laden, ein Auto nicht. „Das induktive Laden von E-Autos muss das Ziel sein, daran arbeitet die Industrie auch bereits“, erzählte Fuß vor rund 100 Interessierten. Für Fuß zeigt die von BMW auf der IAA 2021 vorgestellte Studie „i Vision Circular“ den Weg in die Zukunft. Ein E-Auto mit dem Ziel, null Gramm Kohlendioxid zu erzeugen, verbaut werden ausschließlich recyclebare Materialien: „Da wird die Reise hingehen.“ Bei der Alternative Wasserkraft sei die Bilanz heute immer noch zu schlecht: „Dafür brauche ich viel zu viel Energie und auch viel zu viel Geld.“ Penner rechnete konkret vor: Aus fünf Kilowattstunden (kWh) Strom kann man eine kWh Wasserstoff gewin-


Mobilität

Carsharing – kein Klimaretter Zur Zukunft der Mobilität zählt sicher auch das Carsharing. Seit den Anfängen Ende der 80er-Jahre ist die Zahl der Nutzer in Deutschland auf heute über zwei Millionen angestiegen. In über 670 Städten und Gemeinden gibt es rund 165 Anbieter. Wer aber glaubt, dass dies nennenswert positive Auswirkungen aufs Klima hätte, dem sei eine gemeinsame „share“-Studie des Freiburger Öko-Instituts und des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) empfohlen. Demnach hat das Carsharing selbst dann nur wenig Einfluss auf den CO2-Ausstoß, wenn die geteilte Flotte rein elektrisch betrieben wird. Die Analysen zeigten sogar, dass im Vergleich zur Zeit vor der Anmeldung beim Carsharing nicht weniger, sondern mehr Strecken mit dem Auto zurückgelegt wurden. Auch auf die Nutzung des ÖPNV konnte durch vermehrtes Carsharing kein Einfluss festgestellt werden. Und: Nur drei Prozent der share-Studienteilnehmenden trennten sich tatsächlich von ihren eigenen Autos. „Es ist nicht so, dass Carsharing den Fahrzeugbestand verringern würde, im Gegenteil, der erhöht sich einfach nur“, sagte Gast­ geber Bernhard Schmolck. Der weltweite Autobestand wuchs nach Angaben des Umweltbundesamts von 275 Millionen im Jahr 1978 auf 1,24 Milliarden im vergangenen Jahr. Prognosen gehen davon aus, dass es 2050 etwa zwei Milliarden sein werden. Angesichts dieser Zahl sind epochale Veränderungen in der Mobilität der Zukunft unabdingbar. Lars Bargmann

Kräftig investiert Škoda Sütterlin baut kleinen Ladepark

Foto: © Sütterlin

nen. „Wir müssten unser 80.000 Quadratmeter großes Firmengelände komplett mit Solarmodulen bestücken, um drei Lkws laden zu können.“ Für Thomas Lüth, Vize-Präsident Redox Flow Batteries, ist die Frage nach den Antrieben der Zukunft „keine technische, sondern eine politische“. Die Nachfrage nach Speichermedien nehme aktuell jedenfalls schon „gigantische Ausmaße“ an.

Kann im Schnitt jedes Jahr 80.000 Kilowattstunden sauberen Strom liefern: die neue PV-Anlage auf dem Sütterlin-Dach.

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as Skoda-Autohaus Sütterlin hat 350.000 Euro ins Thema Elektromobilität investiert. Die Absatzzahl der Stromer und Hybride wächst kontinuierlich, damit auch der Ladebedarf. Ab August können aber nicht nur Kunden, sondern auch Private auf dem rund 8000 Quadratmeter großen Areal an der Tullastraße auftanken. Marcus Sütterlin hat sich schon vor vielen Jahren als Referenzpartner für Škoda im Rahmen eines E-ReadinessProgramms Gedanken über die Elektro­ mobilität gemacht. Da hatte er noch gar keinen Stromer auf dem Hof. Ende 2019 kam der CITY GO e iV, ein Jahr später der ENYAK iV. „Im Fokus stand damals die Frage, welche Bedarfe ein Händler überhaupt hat. Aus heutiger Sicht war das damals alles noch sehr defensiv gedacht.“ Offensiv ist er in den vergangenen Monaten ans Thema gegangen, hat auf dem 1200 Quadratmeter großen Dach des Ausstellungshauses eine Solaranlage mit fast 100 Kilowatt-Peak installiert, jeweils vier Ladepunkte mit 11 und 22 kW bestellt, wird auch noch einen dy-

namischen High Power Charger mit maximal 240 kW aufs Gelände stellen und hat bereits einen 90.000 Kilowattstunden fassenden Pufferspeicher eingebaut. Mit dem kann er den kompletten Betrieb elektrifizieren, Autos laden, überschüssige Energie aber auch ins Netz einspeisen. An das er weiter angeschlossen bleibt und aus dem er ebenfalls bis zu 135 kW Strom beziehen kann. Auch, um etwa den Speicher wieder zu füllen. „Um all diese Funktionen auf möglichst intelligente Art zu ermöglichen, haben wir auch noch mal kräftig in die Haustechnik investiert.“ Insgesamt 350.000 Euro steckte das Unternehmen in die Steckdosen-Offensive. Weitere Nachrüstungen sind dabei strukturell bereits mitgedacht. Fast 640 Škodas hat Sütterlin im vergangenen Jahr verkauft, fast jeder dritte von 333 Neuwagen hatte schon einen Elektro­motor, nur 29 noch einen zusätzlichen Verbrenner. Sütterlin wäre gerne auch beim eigentlichen Geschäft, dem Handel mit Fahrzeugen, so autark wie bei seiner Energieversorgung. Doch dort ist der Mangel aktuell das determinierende Moment. Knapp 300 Kunden warten aktuell auf ihren Wunschwagen. bar

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Automobil

»Häutungsprozesse erfolgreich gemeistert« Autohaus Schmolck feiert 75-jähriges Bestehen

Drei Generationen: Bernhard, Hansrudolf und Pascal Schmolck. Fürs Familienunternehmen arbeiten heute fast 300 Menschen.

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Foto: © bar

s waren keine einfachen Jahre kurz nach Kriegsende. Aber Emil Schmolck fasste sich am 19. Dezember 1946 ein Herz, unterzeichnete einen Kaufvertrag für den Schlossereibetrieb Otto Gerber und verkaufte ab dem 1. Januar 1947 Traktoren, Mähdrescher und kleinere Landmaschinen. Der Grundstein für eine Firma, die heute fast 300 Menschen Arbeit bietet, im vergangenen Jahr 56 Millionen Euro umgesetzt und rund 2000 Fahrzeuge verkauft hat. Und in der mittlerweile mit Pascal Schmolck schon die vierte Generation am Werk ist. 1954 kaufte Emil Schmolck dann das bis dahin gemietete Gelände über der Elz, verkaufte im selben Jahr seinen ersten Unimog, schon zwei Jahre später eröffnete er eine Niederlassung in Müllheim – in einer Scheune. Erst übernahm sein Sohn Hansrudolf das Ruder, der die verheerenden Bombenangriffe auf den Emmendinger Groß-

betrieb Ramie mit eigenen Augen gesehen hatte, dann dessen Sohn Bernhard Schmolck, der heute zusammen mit Sohn Pascal Schmolck die Geschäfte führt. Bernhard Schmolck erinnerte daran, dass es 1991, just als er in den Betrieb eingestiegen war, die letzte Landmaschinenausstellung in Emmendingen gab. „Damit brach ja plötzlich auch die Hälfte des Umsatzes weg.“ Mercedes hatte die Lust am „dreckigen“ Geschäft mit Treckern und Co. verloren, die Schmolcks hingegen machten sich die Hände sodann bildlich gesprochen durchaus dreckig und stiegen auch ins Kommunaltechnikgeschäft ein. Im Gegenzug gab es allerdings von Benz einen Vertrag, der den Verkauf und die Reparatur von Mercedes-Benz-Pkws, Lastern und Transportern erlaubte – keine Randnotiz für die Zukunft der Firma. 1998 war der erste Neubau am Elzdamm fertig, zehn Jahre später dann das Nutzfahrzeugzentrum. Durch die globale Wirtschaftskrise kam Schmolck

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gut durch, vor allem, weil das Werkstattgeschäft brummte. Was der benachbarte Kannenberg-Betrieb nicht auf die Kette bekam. Schon 2010 hatte ein Škoda-Vertreter an der Tür geklingelt, 2015 folgte die Baden-Auto-Insolvenz, dann war die Zeit gekommen, die VW-Tochter ins Programm zu nehmen. Erst im Altbau, dann wurde 2020, mitten in der Corona-Krise, das jüngste Schmolck-Autohaus allein für Škoda bezogen. Rund 22 Millionen Euro hat die Familie seit Ende der 90er-Jahre in ihre Neubauten gesteckt. Von den 2000 Fahrzeugen, die 2021 an den Mann und die Frau gebracht wurden, tragen schon 800 das ŠkodaEmblem. Zwei Drittel waren gebraucht, ein Drittel nagelneu. Das jüngste Kind in der Fahrzeugflotte ist nun der e.Go, einer, der die Lücke, die das Produktionsende des Smart reißen wird, füllen soll. Und nach erstem Anschein auch kann. Simon Kaiser, Geschäftsführer für Aus- und Weiterbildung bei der IHK


Automobil

Südlicher Oberrhein, übergab unlängst vor Journalisten eine 75-Jahre-Urkunde: „Schmolck hat immer wieder Mut gezeigt und einige Häutungsprozesse erfolgreich gemeistert.“ Die Zukunftsthemen heißen nun Digitalisierung, Fachkräfte, Antriebe und Vertriebsmodelle. Der rein online getriebene Verkauf spielt für Schmolck allenfalls eine Nebenrolle: „Während der Pandemie hat sich zwar viel ins Internet verlagert, aber jetzt ist der Online-Verkauf ja schon fast wieder zurück auf null.“ Die immer weiter zunehmende Komplexität der Autos erfordere intensive Beratung: Wie ist das Auto ins Internet integriert? Was kann es eigentlich alles? Wie und warum kommunizieren die Autos mit der Werkstatt? „Die Menschen kommen zu uns, wollen das Auto anfassen, Probe fahren, mit einem Verkäufer sprechen.“ Mercedes will seine Händler im kommenden Jahr zu reinen Agenturen machen, die nicht mehr selber Autos kaufen und verkaufen, sondern Provisionen für Verkäufe bekommen. Damit bestimmt der Hersteller auch die Preise. Auch davon hält Bernhard Schmolck – positiv formuliert – wenig. Auch das aber ist eine Herausforderung für das breit aufgestellte Familienunternehmen: Neben dem Verkauf und dem Service für Mercedes, Škoda, e.GO und Mercedes-Trucks baut das Team auch Aufbauten (Kran, Kühlhaus, Kipper), hat einen 24/7-Service, einen Bosch-Dienst, eine 100 Fahrzeuge umfassende Mietwagenflotte, liefert Teile bis ins Elsass, betreut im Rechenzentrum andere Autohäuser, lagert bis zu 16.000 Kundenräder ein, hat allein in Emmendingen jedes Jahr 25.000 Werkstattjobs. Insgesamt gibt es elf Firmenbereiche. Womöglich würde sich Emil Schmolck angesichts dessen erneut ans Herz fassen.

Lars Bargmann

Am 9. Juli lädt Schmolck zum großen Food-&-Vine-Testival. Zum 75. verlost Schmolck zwei Fahrzeuge im Wert von 75.000 Euro.

Kollinger holt 5Sterne-Auszeichnung Premium Automobile zählen zu den Besten

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ür die AutoScout24-Nutzer zählt die zur Kollinger-Gruppe gehörende Premium Automobile Freiburg GmbH zu den besten Autohäusern Deutschlands. „Eine 5-Sterne-Auszeichnung ist in diesen bewegten Zeiten etwas sehr Besonderes“, so Firmenchef Ralph Kollinger. Er hat in der Corona-Krise keinen einzigen Mitarbeitenden in Kurzarbeit geschickt.

geblieben. „Was wir hätten schaffen können, haben wir natürlich nicht erreicht. Aber wir waren 2020 und 2021 besser, als nur eine nur schwarze Null zu schreiben.“ 80 Prozent vom Umsatz machen Volvo, Jaguar und Landrover aus, etwa 1500 Autos wurden verkauft, rund 60 Prozent waren gebraucht. Digital gestützt seien heute 90 Prozent der Verkäufe. Rein digital abgewickelt aber bei Neufahrzeugen nur rund fünf, bei Gebrauchten maximal „Trotz Pandemie ist es uns gelungen, zehn Prozent. „Unsere Kunden wollen unseren Kunden auch im ganzen Jahr die Autos auf dem Hof sehen, anfassen, 2021 stets ausgezeichneten Service zu sich beraten lassen, Probe fahren.“ Vor bieten. Somit konnten wir unser heraus- allem die Beratung, die es bei digitalen ragendes Resultat aus dem Vorjahr aber- Geschäften nicht gibt, sei entscheidend: „Oft genug braucht es heutmals bestätigen“, sagt zutage fünf PlanungsgespräKollinger. Solche Ausche, bis das Wunschauto so zeichnungen seien heute konfiguriert ist, wie es der auch fürs Recruiting Kunde will.“ wichtig: „Und wir brauAuf den Tischen seiner chen Verstärkungen.“ Verkaufsteams liegen aktuKeinen Tag Kurzarbeit ell 250 schwebende Bestelfür die 124 Beschäftiglungen. 250 Kunden, die ten? Eine Besonderheit Ralph Kollinger auf Autos warten. 250, die in der Branche. „Wir haanrufen, informiert werben von der ersten Sekunde nach dem ersten Lockdown den müssen. Im vergangenen Jahr unsere Ziele formuliert. Keine Sub­ habe man noch vom üppigen Bestand stanz verlieren, Einbußen so gut wie profitiert, aber der sei mittlerweile möglich bekämpfen und ermöglichen, auch knapper. Hinzu kommen die dass jeder Mitarbeiter auch in der Pan- Lieferprobleme, der Krieg, die offene demie wertschöpfend fürs Unterneh- Frage, was der kommende Herbst in Sachen Corona bringe. men tätig sein kann.“ Das habe man Woche für Woche kon- „Wir sind zwar für 2022 optimistisch, trolliert, und heute ist er froh, dass „wir aber dieses Jahr wird sicher noch allen die Kurzarbeit ersparen konnten“. schwerer als die beiden vorangegangeEin alter Werkstattmeister hatte mal nen.“ Die Themenbreite der Unsichergesagt: Ein Werk zu schließen, ist ein- heiten und Unklarheiten sei enorm. fach. Es wieder hochzufahren, unfass- Inflation, Halbleiterkrise, Rohstoffbar schwierig. So war es für beide Seiten preise, Long Covid, Ukraine, Elektropreise, Bestell-Stopps „und das alles eine Win-win-Entscheidung. Der Umsatz – die Gruppe setzt jährlich auf einen vorerkrankten Organismus“. rund 50 Millionen Euro um – sei stabil bar chilli | business im Breisgau | 05.2022 | 19


Start-ups

Geballte Kompetenz: Im Baden-Campus werden junge Gründer unterstützt

Es muss nicht Berlin sein Baden-Campus in Breisach unterstützt aufstrebende Gründer

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Fotos: © pl, Baden-Campus

m 2018 eröffneten Breisacher Baden-Campus findet sich alles, was das Start-up-Herz höherschlagen lässt: Workshop- und Eventräume, Plätze für Co-Working in modernem Ambiente und natürlich der obligatorische Tischkicker. Hier werden junge Unternehmerinnen und Unternehmer bei ihren Gründungen unterstützt. Es weht ein Hauch von Großstadt durch die Räumlichkeiten am Rand der Kleinstadt. Warum gerade Breisach, das doch eher Historiker als Gründer anzieht? Das hat mehrere Gründe, wie Kirsten Sink erklärt. Sie ist beim Baden-Campus Consultant im Bereich Innovationsmanagement und Start-up-Förderung sowie fürs Marketing verantwortlich. „Wir sind eine 100-prozentige Tochter der Badenova-Gruppe, der das Gebäude, eine ehemalige Lagerhalle, gehört“, sagt sie. Zudem finde Fortschritt nicht nur in Großstädten statt, auch in ländlicheren Regionen hätten die Leute gute Ideen. Breisach ist zwar Haupt­ standort des Baden-Campus, doch die unterstützten Start-ups kommen aus ganz Deutschland und sind oft das Ergebnis langjähriger Forschung an einer Uni. Aktiv ist der BadenCampus in ganz Südbaden, er arbeitet darüber hinaus auch mit Start-up-Ökosystemen in Frankreich und der Schweiz. Das Herzstück der Arbeit der 14 Beschäftigten ist der Accelerator. Der Begriff ist Englisch und bedeutet Beschleuniger. „Wir helfen Gründer·innen, ihre Ideen schnell und effizient an den Markt zu bringen“, erklärt Sink. Schließlich fehle es vielen nicht an Ideen, sondern eher an Know-how und Kontakten. Das will das Team mit Expertise und einem breiten und ständig wachsenden Netzwerk mit Unternehmen, Hochschulen und 20 | chilli | business im Breisgau | 05.2022

Kommunen bereitstellen. Unterstützt wird der Accelerator durch die Stadt Breisach, die Freiburger Wirtschaft, Touristik und Messe GmbH (FWTM), die Technologiestiftung BioMed, die Wirtschaftsregion Freiburg (WRF) sowie das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau des Landes. Bewerben können sich für den Accelerator bevorzugt Gründer aus dem Deep-Tech-Bereich mit den Schwerpunkten Industrie 4.0, Smart City und Health Tech. Gerade ist der diesjährige Accelerator angelaufen. Zugelassen wurden 14 Teams, ein Großteil ist überregional. Am Ende des Programms wird im Herbst ein Gewinner gekürt. „Das ist aber nur das i-Tüpfelchen“, erklärt Sink. Schließlich profitieren alle Teams von den Inputs und den neuen Kontakten. Doch der Baden-Campus ist mehr als der Accelerator. Seit 2019 wurde über 20 Start-ups zur ersten Finanzierung verholfen. Beim Projekt „Start-up trifft Kommune!“ beispielsweise sollen nachhaltige innovative Lösungen für den Klimaschutz in der Region durch Kooperation und Vernetzung von Start-ups und Kommunen gefunden werden. Das „Start-up-Lab“ hingegen befasst sich diesen Mai mit der Automatisation in der Produktion. Der Baden-Campus ist eine Open-Innovation-Plattform, das heißt, unterschiedliche Akteure lernen sich über die Plattform kennen und arbeiten miteinander an einem gemeinsamen Ziel. So soll Innovatoren geholfen werden, das Potenzial von Technologie für eine positive gesellschaftliche Zukunft zu entfalten. Hierfür werden Kommunen, Start-ups, kleine und mittlere Unternehmen, Studierende und Wissenschaftler miteinander verbunden. Es zeigt sich: Start-ups brauchen mit ihren Ideen nicht nach Berlin. Breisach tut es auch. Pascal Lienhard


Start-ups

Sticker für die Schaumkrone

Twicky Sticky entwerfen »essbare Kunst« für den Kaffee

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Fotos: © Twicky Sticky

affee trinkt fast jeder. Doch die Schaumkronen sehen meist gleich aus. Das will das Freiburger Start-up Twicky Sticky ändern. Die Gründer Burhan Yalcin und Peter Scherer kreieren „essbare Kunst“. 10.000 Sticker verkaufen sie im Monat. Die Herstellung ist aufwendig, doch auch Gold soll bald verarbeitet werden. Kaffee steht für Genuss. Twicky Sticky will das i-Tüpfelchen dazu liefern: essbare Kaffeesticker, die jeder auf seinen Schaum legen kann. Das ist „weltweit einzigartig“, sagt Burhan Yalcin. Der 33-Jährige hatte 2016 die Idee, das Heißgetränk optisch aufzuwerten. „Ich will nicht immer denselben Anblick, das geht schöner“, sagte er sich. Wochenlang habe er zu Hause experimentiert. Unter anderem mit Zuckerguss und Fondant. Doch das Ergebnis überzeugte nicht. Schließlich sollen sich die Sticker auflösen und auch noch gut schmecken. Dann stieß er auf Reisstärke. Die kombinierte er mit Zucker, Lecithin und Farbstoffen. So passte es. 2018 lernte er Peter Scherer (27) an der Universität in Freiburg kennen. Sie studierten BWL und VWL, arbeiteten am selben Lehrstuhl. 2020 meldeten sie ihr Unternehmen an und bezogen

ihre Geschäftsräume in FreiburgMunzingen. Auf 100 Quadratmetern produzieren sie mittlerweile in steigender Stückzahl. 10.000 Sticker ihrer „edible Art 2.0“ verkaufen sie nach eigenen Angaben im Monat. Ab 20.000 wären sie im Gewinnbereich.

Kreative Kaffee-Nerds: Peter Scherer und Burhan Yalcin „I love you“ steht auf den Stickys. Oder „Lieblingsmensch“. Oder „Freiburg“. Auch Spezialanfertigungen sind möglich – zum Beispiel für Firmen. Der Vertrieb läuft über ihren Onlineshop. Fünf Stickys gibt’s da ab 5,95 Euro inklusive Versand. Und ein Tool zum Selbstgestalten der Aufkleber. 100 Stickys mit eigenem Motiv kosten etwa 100 Euro. „Bei einer größeren Stückzahl wird’s günstiger“, sagt Scherer. Auch aus dem europäischen Ausland kommen Bestellungen, berichten die Unternehmer. Sie investieren viel Zeit in die Kaffeschaumkronen-Verschönerer. „Rund

drei Tage dauert die Herstellung“, berichtet Scherer. Erst mischen sie die „Formulierung“ an, dann wird beschichtet, gedruckt, beschnitten und verpackt. Die Maschinen dafür haben sie sich auf dem Weltmarkt zusammengesucht. Sie kommen aus der Pharmaindustrie, der Luftfahrttechnik und der Druckindustrie, erzählt Yalcin. Da so ein Vorhaben noch kein anderer umgesetzt habe, sei die Recherche schwierig. Rund 300.000 Euro haben sie bis jetzt investiert. Für die nächsten Schritte suchen sie Investoren. An Ideen fehlt es nicht: „Wir wollen goldene und glitzernde Sticker machen“, verraten die beiden. Was so ein Gold­sticker kosten könnte, wissen sie selbst noch nicht. Nur so viel: Gold sei teuer und müsste extra geraspelt werden. In einigen Wochen schon könnte die Edelvariante da sein. Zwölf, dreizehn Stunden am Tag stecken die beiden in ihre Geschäftsidee. Dass sie aufgeht, davon sind sie überzeugt. Auch wenn ein Experte ihnen kürzlich gesagt habe: „Das ist das komplexeste Start-up, das ich gesehen habe.“ Die Anwendung für Kunden ist dafür einfach: auspacken, abziehen und drauflegen. Das Motiv hält nur ein paar Sekunden. Aber für ein Foto und einen besonderen Moment kann das reichen. Till Neumann

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Start-ups

Mehr Zündstoff für Freiburg Fair-Fashion-Modegeschäft eröffnet zweiten Laden

Mut in der Krise bewiesen: Mathias Rau (l.) und Sascha Klemz haben mit einem Onlineshop angefangen. Nun bereichern sie den stationären Handel gleich doppelt.

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Fotos: © Jonas Conklin

it einem Onlineversand hatte 2006 alles angefangen. Heute betreiben die Gründer Mathias Rau (44) und Sascha Klemz (44) zwei faire FashionLäden in Freiburg. Ihr erstes Geschäft an der Moltkestraße 31 fokussiert sich nun ganz auf Kleider. Der Schwerpunkt des zweiten an der Belfortstraße 27 liegt auf Schuhen, Socken und Rucksäcken. Anfangs wollten die Zündstoff-Gründer faire und ökologische Kleidung auf den Markt bringen, die ihnen gefällt. 2006 gingen sie mit der Idee ins Netz. 2008 professionalisierten sie den Onlineshop, vier Jahre später eröffneten sie das Modegeschäft an der Moltkestraße. Seit 2014 können sie gut davon leben. „Wir dachten, dass die Bedingungen in der Textilindustrie ein heiß diskutiertes Thema sind“, sagt Klemz. Sie fanden, dass sie „eine zündende Idee“ hatten. Stoff liege bei Textilien zudem nahe. Seit dem 1. April gibt es den zweiten Standort an der Belfortstraße 27. Der Zufall habe es so gewollt: „Wir hatten nicht vor, in der Corona-Krise einen zweiten Laden aufzumachen. Wir dach-

ten, dass das erst mal noch ein bis zwei Jahre Zeit hat“, berichtet Klemz. Dann wurde ein paar Häuser weiter ein Laden frei. Sie nutzten die Gelegenheit. Schuhe, Socken und Rucksäcke sind der Schwerpunkt des neuen Standorts. Bisher seien sie eher untergegangen. Es fehlte der Platz. Eine Erweiterung in Corona-Zeiten war schwierig: „Natürlich mussten wir einen Kredit aufnehmen, um den Laden einzurichten und das Sortiment aufzustocken“, sagt Klemz. Einfach sei die Pandemie nicht gewesen: „Im letzten Frühjahr wusste ich nicht, ob es uns im Winter noch geben wird.“ Dank treuer Kunden und dem Onlineshop hätten sie die Krise aber ganz gut überstanden. Zündstoffs Kund•innen sind altersmäßig bunt gemischt. Doch eins haben sie laut Klemz gemeinsam: „Ich glaube, dass sich viele, die zu uns in den Laden kommen, schon mal mit dem Thema nachhaltige Textilien auseinandergesetzt haben beziehungsweise zumindest etwas mit den Begriffen fair und bio anfangen können.“ In den vergangenen Jahren hat sich Zündstoff auf Jeans spezialisiert. Grund dafür seien die guten Lieferanten. Hier könne das Team auch seine Kern-

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kompetenzen ausspielen. „Wir versuchen, die Leute gut zu beraten und sie nicht im Laden allein zu lassen, vor allem nicht vor unserer großen Jeanswand.“ Neben Jeans gebe es für einen so kleinen Laden ein großes Sortiment. Circa 900 Teile sind in den Regalen. Das Angebot wechsle teilweise saisonal. BasicShirts bekommt der Kunde ab 15 Euro, Sweatshirts ab 60 Euro, Schuhe und Jeans ab 100 Euro. Gerade die Hosenvielfalt würde Zündstoff von anderen abheben. „Wir haben tatsächlich mit Abstand die größte Auswahl an nachhaltigen Jeans in Freiburg. Ich würde vermuten, wahrscheinlich sogar in ganz Süddeutschland“, sagen die Betreiber. Und wie ökologisch ist das? „Bei uns sind alle Sachen sowohl aus nachhaltigen Materialien als auch unter kontrollierten Arbeitsbedingungen hergestellt“, erklärt Klemz. „Die meisten Marken von uns sind in bestimmten Bereichen sehr innovativ.“ Diese würden sich nicht auf dem „ja, das ist jetzt aus Biobaumwolle“ oder „ja, das ist jetzt unter guten Arbeitsbedingungen produziert worden“ ausruhen, sondern versuchten, führend in ihrem Bereich zu sein. Johanna Stortz


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Finanzwelt

Ist die Dividende der neue Zins?

Zum GFA-Invest im Europa-Park kamen 150 Interessierte

Fotos: © GFA Finanzberatung GmbH

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it gleich vier Experten hochkarätiger Fondsgesellschaften startete die GFA Finanzberatung GmbH aus Ettenheim nach zweijähriger Corona-Zwangspause ihren ersten Live-Event. Ins Hotel Colosseum im Europa-Park kamen rund 150 Interessierte. „Die wachsende Unsicherheit unserer Kunden in Bezug auf ihre Geldanlagen brachte uns im vergangenen Herbst auf die Idee, Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie ihr Geld gewinnbringend und risikoarm anlegen können“, 24 | chilli | business im Breisgau | 05.2022

Mario Künzel: Kapitalmärkte überwinden die Krisen

so Initiator und GFA-Geschäftsführer Pirmin Bender. Das Marktumfeld ist aktuell heftig in Bewegung: Die Pandemie, der Ukraine-Krieg, die Inflation auf Rekordniveau, die rasant steigenden Zinsen, die Rohstoffknappheit, gerissene Lieferketten – die Liste ist lang. Kapitalmarktstratege Thomas Lehr von der Flossbach von Storch AG aus Köln (sie verwaltet aktuell rund 80 Milliarden Euro Privatvermögen) wies angesichts der aktuellen politischen und damit auch wirtschaftlichen Umstände eindringlich auf eine gewisse Langfristigkeit der Kapitalanlage hin. Seine Kernbotschaft an die Interessier-

Foto: © Tanja Cammerlander

Investiert nachhaltig: Christoph Annen von Ökoworld

Foto: © Ökoword AG

Thomas Piltz: „Die Dividende ist der neue Zins.“

Foto: © Deutsche AM

Kapitalmarktstratege Thomas Lehr von Flossbach von Storch: „Ohne Aktien kein Werterhalt.“


Finanzwelt

wand“ in der Analyse betreibe. Das macht die AG, und Ökoworld-Anleger seien eben dann auch nicht von Krisen wie Deepwater Horizon oder Fukushima betroffen. Bender bilanzierte den Abend so: „Wir legen großen Wert auf eine unabhängige Anlageberatung. Deswegen wollten wir unseren Kunden einen Querschnitt ihrer Anlagemöglichkeiten aufzeigen. Das haben wir erreicht.“ bar Anzeige

Der Initiator: Pirmin Bender

ten aber war trotz aller Aktualität nicht neu: Ohne eine gewisse Aktienquote im Portfolio wird ein realer Werterhalt des Ersparten nicht mehr möglich sein. Mario Künzel von der DJE Kapital AG, die aktuell 17,4 Milliarden Euro Vermögen verwaltet, zeigte auf, welche Folgen etwa die Angebotsengpässe beim Nickel – Russland ist der Hauptexporteur – für die Automobilindustrie haben. Oder wie der Weizenpreis nach Kriegsausbruch explodiert ist. Seine Botschaft aber war: cool bleiben. Weder die LCTM-Krise 1998 (ausgelöst durch den Hedgefonds Long Term Capital Management), noch der Anschlag aufs World Trade Center 9/11, noch Eurokrise (2011) und Finanzkrise (2008/09) oder auch die Corona-Krise konnten der Aktienentwicklung langfristig etwas anhaben. Im Gegenteil: Seit 1990 legten die weltweiten Aktien im Schnitt um 8,6 Prozent an Wert zu – jährlich. „Lassen Sie sich nicht zu sehr von Kurseinbrüchen schrecken.“ Künzel empfahl dem Rund aktiv gemanagte und keine indexgekoppelten ETF-Fonds. Es käme mehr denn je auf eine gute Selektion von guten Unternehmen an. Genauso sah das auch Thomas Piltz von der DWS International AG, die derzeit mehr als 900 Milliarden Euro Vermögen verwaltet. Er lenkte den Fokus dabei aber auch auf die Dividenden dieser guten, erfolgreichen Unternehmen: „Die Dividende ist der neue Zins.“ Diese Dividenden könnten künftig einen Inflationsausgleich für alle Anleger bieten. Von der 1975 gegründeten Ökoworld AG aus Luxemburg angereist war Fondsmanager Christopher Annen. Natürlich profilierte er die Aktiengesellschaft als konsequent nachhaltig (das Fondsvolumen liegt derzeit bei rund 775 Millionen Euro) und zeigte dabei auf, dass Klimaschutz und Geldanlage nur dann sehr gut vereinbar sind, wenn man strikten, nachhaltigen Regularien folgt und einen „gewissen Auf-

Vorkrisenniveau erst 2024 erwartet

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Medizintechnik

Drei Menschen und ein Roboter: Martin Horn (l.), Dirk Barten, Hanna Böhme und der da Vinci-Roboter.

100 neue Arbeitsplätze geschaffen Intuitive Surgical gewinnt Preis und investiert in Freiburg

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Foto: © FWTM/Michael Spiegelhalter

obmotor-Preis gewonnen, Spatenstich für Neubauten mit deutlich über 60 Millionen Euro vor der Brust: Die 1998 gegründete Intuitive Surgical Deutschland GmbH (ISD) besticht zwar mit minimalinvasiver Intelligenz, drückt aber maximal aufs Gaspedal der Expansion – vor allem in Freiburg. Dirk Barten, Geschäftsführer der ISD und in Personalunion auch fürs Europageschäft zuständig, erzählt im Gespräch mit dem business im Breisgau die Gründungsgeschichte des ISD-Erfolgsmodells, das auf den Namen da Vinci hört und roboterbasierte Operationen ermöglicht. Demnach hatte das US-Militär ursprünglich in eine Technik investiert, die ermöglichen sollte, dass irgendwo in den USA ein Chirurg sitzt, der einen verletzten Soldaten an irgendeiner Kriegsfront ferngesteuert operieren kann: „Dieser Fall hat zwar nie stattgefunden, aber die Basis-Patente dafür waren die Keimzelle von da Vinci.“ Heute arbeiten bereits 6700 dieser Systeme in 69 Ländern auf der ganzen Welt. Tendenz steigend. In Deutschland sind es 210, in Freiburg hat das Uniklinikum zwei, das Lorettokrankenhaus eines. Das starke Wachstum wurde durch die Pandemie zwar deutlich abgebremst – statt des geplanten ISD-Umsatzes von 132 Millionen Euro waren es nur knapp

100. Die „Delle ist aber nicht tragisch“, sagt der gebürtige Freiburger Barten. Viele Krankenhäuser hätten planbare Operationen verschieben müssen und es ist nicht selten, dass die Finanzierungsmodelle so aufgestellt wurden, dass die ISD bei jeder Operation mitverdient. „Wir verleasen die Systeme, wir finanzieren sie, wir verkaufen sie, es gibt viele Möglichkeiten“, sagt der 55-Jährige. Von der da Vinci-Technik, die siebenstellige Investitionen erfordert, profitieren die Operateure, vor allem aber die Patienten: Wenn sie früher nach einer Operation im Bauchraum erst nach vier, fünf Tagen wieder mobil waren, können sie heute häufig schon nach einer Nacht wieder nach Hause. Minimalinvasive, robotergestützte Operationen sind fehlerreduzierter als händische, verursachen zudem nur ein minimales Schadensbild und verringern damit auch die Menge an Schmerzmitteln, die die Patienten postoperativ schlucken müssen. Zwar könnte der Operateur im Prinzip auch in Mailand sitzen und einen Patienten in Helsinki operieren. In der Regel sind aber beide in einem Raum. „Wenn bei der OP irgendetwas nicht Planbares passiert, kann das Team vor Ort sofort eingreifen“, erzählt Barten. Er hatte am Technischen Gymnasium in Freiburg sein Abi gemacht, an der Fachhochschule in Ulm Medizintechnik studiert, war ein paar Jahre in Schweden, kam

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zurück nach Freiburg, arbeitete für den Hellige-Nachfolger GE Healthcare in Freiburg, dann für Schölly Fiberoptic in Denzlingen. 2019 hatte die Intuitive Surgical das Robotik-Endoskopie-Geschäft von Schölly übernommen, so landete auch Barten bei der ISD. 2019, als der Sitz der Gesellschaft von Essen nach Freiburg verlegt wurde und die Firma am Flugplatz in Freiburg und in Emmendingen Gebäude anmietete, hatte sie 39 da Vincis ausgeliefert. Im ersten Pandemiejahr waren es dann noch 32. Der Umsatz sackte ab, nach Zinsen und Steuern blieben immerhin 1,2 Millionen Euro Ergebnis. In 2021 werden die Zahlen „deutlich darüber liegen“, so Barten. Für die ISD arbeiteten in Freiburg zum Jahresende 143 Menschen, in Emmendingen 221. Für mindestens 600 ist der Neubau an der Hermann-Mitsch-Straße geplant. 22.000 Quadratmeter Nutzfläche waren die Zielmarke im vergangenen Juni – es werden wohl deutlich mehr werden. Ob die veranschlagten 60 Millionen Euro bei der Preisexplosion auf dem Bau reichen, ist unwahrscheinlich. Bauen wird die Vollack-Gruppe aus Karlsruhe. Den Jobmotor-Preis gab es, weil die ISD allein im vergangenen Jahr in Südbaden knapp 100 neue Arbeitsplätze geschaffen hat. Weltweit arbeiten für den Konzern 9700 Menschen. Lars Bargmann


Nachhaltigkeit

150 Millionen Euro für mehr Nachhaltigkeit Badenova will bis 2035 klimaneutral sein – und begegnet Greenwashingvorwürfen

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er südbadische Energieversorger Badenova AG will bis 2035 klimaneutral sein. Das verkündete Vorstand Heinz-Werner Hölscher unlängst vor Journalisten. Dafür hat das Unternehmen jetzt unter anderem ein eigenes Klimakonto eingerichtet, mit dem Projekte zur CO2-Vermeidung oder -Verminderung finanziert werden sollen. Um Klimaneutralität zu erreichen, will sich die Badenova den Stempel „CO2-neutral“ nicht durch Zertifikate erkaufen, Ein Quartett von Nachhaltigkeitsarbeitern: sondern in sich selbst investieren. „Die Mittel sind sehr gut an- Angela Hinel, Fabian Burkard, Heinz-Werner Hölscher gelegt, da sie im Sinne der sozio-ökologischen Nachhaltigkeit und Leonie Bank. dem Unternehmen, der Gesellschaft und der Umwelt zugute kommen“, so Hölscher. Jahr für Jahr würden dafür – in Ab- Die eigenen Handlungsfelder liegen größtenteils im Behängigkeit vom CO2-Preis – interne Budgets gebildet. Höhere reich der Erneuerbaren und der Wärmeerzeugung. Das Projekt Ausgaben dafür könnten aber auch geringere Auszahlungen an Erdwärme Breisgau, das regenerative Wärme aus der Tiefe die kommunalen Gesellschafter – die Stadt Freiburg hält ein holen will, hat das größte Potenzial, weil es fossiles Erdgas ersetzen hilft. Die verstärkte Nutzung von industrieller Abknappes Drittel der Aktien – bedeuten. Die Badenova will nun auch peu à peu weg vom Erdgas. wärme, der Ausbau von Windkraft-, Photovoltaik- und „Der Umbau unserer Energieversorgung ist nicht nur sozio- Biogasanlagen stehen ebenfalls weiter auf der Agenda. ökologisch zwingend notwendig, sondern auch ein aktiver Bei der Beschaffung will die Badenova künftig nur noch Beitrag zur europäischen Sicherheitspolitik“, sagte Höl- Materialien nach definierten Nachhaltigkeitsstandards einkaufen. Für die Kreislaufwirtschaft würscher. Rund 150 Millionen Euro werde den produktbezogene Mechanismen wie man in den Ausbau der Fernwärmenetze Sharing, Recycling und Wiederaufbereiund die Erdwärme investieren. Eine Wietung untersucht. Auch die Leitbilder „Bederinbetriebnahme der Gaskugel (wir bewusstseinsbildung“ und soziale „Vielfalt“ richteten) ist auf Nachfrage aber kein seien wichtig, weil letztlich auch die BelegThema an der Tullastraße. Neue Erdgasanschlüsse für Neubauten soll es indes nur noch bei Nach- schaft dazu beiträgt, dass der Arbeitgeber seine Ziele ereichen verdichtungen geben. Dennoch müssen weiter kann. Für die Biodiversität wurden Standorte so umgestaltet, dass sie für Vögel und Insekten wertvoller sind. Millionenbeträge in die vorhandenen Erdgasnetze fließen. Das neue Nachhaltigkeitskonzept hat sechs Leitbilder: Aktivist•innen von Extinction Rebellion Freiburg werfen Klimaneutralität, Biodiversität, Vielfalt, Kreislaufwirtschaft, dem Unternehmen derweil Greenwashing vor. Mitte April nachhaltige Beschaffung und Bewusstseinsbildung. Alle sei- verbrannten sie vor dem Rathaus – mit Pappmasken von en mit messbaren Zielen und Maßnahmen versehen. Ein Wladimir Putin und dem Badenova-AufsichtsratsvorsitzenBeispiel für nachhaltiges Handeln ist der Innovationsfonds den Martin Horn vor den Gesichtern – eine Erdkugel mit für Klima- und Wasserschutz. Seit der Gründung vor 20 Jah- Erdgas. Sie kritisieren, dass sich die Badenova nicht komplett ren verzichten die Anteilseigner auf drei Prozent des Unter- vom Erdgasbezug verabschieden will und sich damit weiter nehmensgewinns. Seit 2001 sind so 33 Millionen Euro in von Russland und anderen nicht-demokratischen, kriegstreimehr als 300 Umweltprojekte investiert worden. Das zweite berischen Ländern abhängig mache. Den Greenwashing-VorInstrument ist die Schwarzwald-Crowd. Über die werden seit wurf weist Hölscher zurück. Alle Kunden könnten Ökostrom 2019 kleinere, lokale Initiativen mit ökologischen, sozialen kaufen. Viele gewerbliche aber wählten – noch – den günstigeren Graustrom. Den bietet Badenova auch weiter an. bar oder gesellschaftlichen Zielen unterstützt.

Foto: © Badenova / Jonas Conklin

Peu à peu weg vom Erdgas

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Nachhaltigkeit

Andreas Helm: Er liked Velike und Haferdrinks

»Eine regionale Superfrucht«

Hinweis: Sofern nicht anders deklariert, stammen Angaben zu Marktanteilen und Verbraucher·innenzahlen in diesem Artikel von statista.com. Fotos: © Black Forest Nature GmbH

Wie Haferanbau in der Region Milchersatzprodukte noch nachhaltiger machen kann

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mmer mehr Menschen in Deutschland entscheiden sich zugunsten des Umweltschutzes und des Tierwohls für vegane Milchalternativen. Produkte wie Hafer-, Soja-, Reis- und Mandeldrinks schneiden je nach Rohstoffart und -herkunft in puncto Nachhaltigkeit allerdings unterschiedlich ab. Zwischen 2018 und 2020 hat sich der Absatz von pflanzlichen Milchprodukten im deutschen Lebensmitteleinzelhandel verdoppelt. Der Trend der veganen Milchalternativen soll Prognosen zufolge nicht abreißen. Viele Konsument·innen ernähren sich nicht ausschließlich vegan, sondern nutzen pflanzliche Alternativen als Ergänzung zu tierischen Milchprodukten. Das zeigen Zahlen des Marktanalyse-Unternehmens Statista.

Die Drogeriekette dm bietet seit 2002 Milchersatzprodukte an. Die Strategie macht sich bezahlt: „In unserem Sortiment entwickeln sich Milchersatzprodukte überdurchschnittlich gut“, bestätigt dm-Geschäftsführerin Kerstin Erbe. Vegane Produkte machen drei Viertel der Eigenmarke dmBio aus. Damit begegnet das Unternehmen dem Interesse an pflanzlichen Alternativen, das in Freiburger dm-Märkten überdurchschnittlich hoch sei. Umfragen zufolge werden Milchprodukte am häufigsten aus Gründen des Umwelt-, Klima- und Tierschutzes vermieden. Bei der Betrachtung von Faktoren wie CO2-Emissionen, Wasserverbrauch und Auswirkungen auf das lokale Ökosystem sind pflanzliche Alternativen meist nachhaltiger als Kuhmilch, wie der WDR aus einer Oxford-Studie berichtet. Doch die

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Basisprodukte unterscheiden sich teils deutlich: So liegt der Wasserverbrauch von Mandel- und Reisdrinks sogar über dem der Kuhmilch, während Hafer- und Sojaprodukte ihn um ein Vielfaches unterbieten. Außerdem müssen einige Rohstoffe importiert werden, was die Umwelt stärker belastet. „Warum einen veganen Drink aus skandinavischen oder sogar kalifornischen Rohstoffen kaufen und nicht den, der aus der Region kommt?“, fragt Andreas Helm, Geschäftsleiter der Black Forest Nature GmbH. Seit März 2020 bietet die Tochter der Schwarzwaldmilch GmbH Freiburg mit den Velike!-Milchersatzprodukten aus Bioland-Hafer aus dem Schwarzwald und angrenzenden Regionen eine Alternative. „Hafer ist eine regionale, traditionelle Superfrucht“, schwärmt Helm. Gemahlen wird der Hafer in


Messewesen

Lahr, der Drink entsteht in Offenburg, abgefüllt wird das Produkt in Freiburg. Mit Hafer-Milchersatzprodukten im umweltschonenden Mehrwegglas sei Velike! Vorreiter in Deutschland. „Velike!-Produkte haben einen geringeren CO2-Fußabdruck als vergleichbare Produkte mit deutlich längeren Transportwegen”, so der Geschäftsleiter. Dafür müssen Kund•innen tiefer in die Tasche greifen: 2,49 Euro kostet der Haferdrink natur im Glas oder 2,29 Euro im Getränkekarton. „Unsere Flexibilität ist aufgrund unserer regionalen Herkunftsgarantie bei der Hafer-Beschaffung geringer als bei einem Konzern wie beispielsweise Oatly, der sich den Anbieter mit dem niedrigsten Preis suchen kann”, erklärt Helm. Durch die Bioland-Preisstruktur und weitere Zuschläge zahle die GmbH überdurchschnittliche Haferpreise an die Bauern. Die Produkte im Glas brächten zudem einen höheren Logistik-Aufwand mit sich. Dennoch: Zu Beginn sei die Nachfrage so hoch gewesen, dass sie mit der kalkulierten Hafermenge gar nicht habe bedient werden können. Im ersten Jahr hätten sich die Absatzzahlen im Vergleich zur Ursprungsplanung verdreifacht, im Folgejahr hätten die Absätze verdoppelt werden können. Spitzenreiter ist der Haferdrink natur. Die Zahl der pro Jahr verkauften Liter Haferdrink liege im mittleren einstelligen Millionenbereich, mit wachsender Tendenz. Demnächst soll das Velike!-Sortiment um To-go-Produkte erweitert werden, gefolgt von weiteren Produktneuheiten in diesem Herbst. Details will der Geschäftsleiter noch nicht verraten. Die Milchbranche spürt den VeganTrend. Bereits jetzt geriete der Gesamtmarkt in Bezug auf die Abnahme­mengen unter Druck, stellt Helm fest: „Da stellt sich die Frage: Spielt man bei diesem Spiel mit oder schaut man nur zu und sieht die Marktanteile wegschwimmen?“ Vegane Alternativen würden Milchprodukte aber nie komplett ablösen, prognostiziert der 45-Jährige. „Es wird ein sich ergänzendes Nebeneinander geben.“ Katharina Thoma

Foto: © FWTM / Klaus Polkowski

Beruf oder Berufung? FWTM bringt Job-Start-Börse und Jobmesse Gesundheit & Pflege

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ie Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH bietet am 1. und 2. Juni in der Freiburger Messe gleich zwei Veranstaltungen im Paket an: die Job-StartBörse und die Jobmesse Gesundheit & Pflege. Die Job-Start-Börse ist die Plattform für Jugendliche, die einen Ausbildungs-, Praktikums- oder dualen Studienplatz suchen. Mehr als 140 regionale Ausbildungsbetriebe, berufsbildende Schulen und Anbieter dualer Studiengänge zeigen mit 200 Ausbildungsberufen und 91 dualen Studiengängen Wege in einen unkomplizierten Berufseinstieg auf. „Die zukünftigen Schulabgänger können direkt vor Ort ihre Bewerbung abgeben und in einem persönlichen Gespräch überzeugend darstellen, was sie an ihrem Berufswunsch fasziniert und was sie als Bewerber qualifiziert“, sagt FWTM-Geschäftsführer Daniel Strowitzki. Vertreten sind etwa die Testo Industrial Services GmbH, die Vitra Service GmbH, die TDKMicronas GmbH oder auch die Schwarzwaldmilch GmbH. Auch Bildungseinrichtungen wie die VWA Business School, die Akademie für Kommunikation in Baden-Württemberg oder die öffentlichen beruflichen Schulen der Stadt Freiburg sind

am Start. Unter den Handwerksfirmen sind etwa die Holzbau Bruno Kaiser GmbH, die Fielmann AG, die Walther Keune-Bau GmbH & Co. KG oder die Kestenholz GmbH vertreten. Zudem gibt es wieder das Speed-Dating, bei dem die Bewerber ihr Wunschunternehmen ohne Anmeldung in einem zehnminütigen Gespräch von sich überzeugen können. Und vielleicht mit dem Ausbildungsvertrag in der Hosentasche wieder nach Hause gehen. Wer sich nicht so schnell entscheiden kann, der kann seine schriftliche Bewerbung am Stand der Agentur für Arbeit kostenfrei checken lassen. In Halle 1 startet gleichzeitig die Jobmesse Gesundheit & Pflege, wo rund 30 Aussteller aus dem Gesundheitswesen, Kliniken, Pflegeeinrichtungen, ambulante Pflegedienste, Ausbildungsinstitutionen und Bildungsträger auf Interessierte treffen, die sich über Berufsbilder, deren Besonderheiten, Ausund Weiterbildungen, Studienangebote, Praktika und Freiwilligendienste informieren können. „Die Gesundheitswirtschaft ist eine Zukunfts- und Wachstumsbranche mit beruflicher Perspektive, denn der Bedarf an Fachpersonal ist enorm und wird weiter steigen“, so Strowitzki. Für manche ist es „nur“ ein Beruf, für andere eine Berufung. bar

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Menschen und Meldungen

Rothaus will 2030 klimapositiv sein Foto: © Brauerei Rothaus

Staatsbrauerei investiert 40 Millionen Euro

Bald klimapositiv: die Brauerei Rothaus

ROTHAUS. Die 1791 gegründete Brauerei Rothaus hat sich sehr ambitionierte Nachhaltigkeitsziele gesetzt: Sie will bis 2030 nicht nur klimaneutral sein, sondern sogar klimapositiv. Und nimmt dafür 40 Millionen Euro – aus eigenen Mitteln – in die Hand. Die Einzelheiten der Strategie stellten Rothaus-Vorstand Christian Rasch, der Aufsichtsratsvorsitzende und Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk, und Finanzminister Danyal Bayaz unlängst vor. Das Ziel ist, im gesamten Prozess von der Rohstoffgewinnung bis zur Bierflasche mehr Kohlenstoffdioxid (CO2) einzusparen als zu verbrauchen. „Damit geht Rothaus als Landesunternehmen in einer Vorreiterrolle voran und setzt ein starkes Zeichen, wie nachhaltiges Wirtschaften und Klimaschutz Hand in Hand gehen können“, sagte Landwirtschaftsminister Hauk. Die Brauerei, für die aktuell 240 Menschen arbeiten, wird dafür noch in diesem Jahr eine 9000 Quadratmeter große Photovoltaikanlage in Betrieb nehmen und im kommenden

eine anaerobe Kläranlage fertigstellen. Damit spare das Unternehmen jährlich mehr als 100.000 Liter Heizöl und den Ausstoß von 300 Tonnen CO2. Der Fuhrpark wird schon seit vergangenem Jahr umgestellt. Mehr als 25 Diesel-Fahrzeuge und AchtTonnen-Stapler werden peu à peu durch Elektroautos ersetzt. Rothaus beziffert den positiven CO2-Effekt dabei auf 500 Tonnen jährlich. „Konsequenter Klimaschutz macht ökologisch und ökonomisch Sinn. Das können wir als Industrieland zeigen und so zum Vorbild für andere werden. Rothaus geht diesen Weg und hat die volle Unterstützung des Landes“, kommentierte Bayaz. Auch die benötigten Mengen an Malz, Gerste und Glas sollen künftig klimaneutral angebaut und produziert werden. Rothaus strebt an, dass sich alle Zulieferbetriebe regelmäßig zertifizieren lassen, um den Nachweis der Klimaneutralität zu erbringen. Bereits 2020 hat die Brauerei gemeinsam mit der Hochschule Rottenburg eine eigene Treibhausgasbilanz erarbeitet. Und betreibt die größte Holzhackschnitzelanlage im deutschen Brauereiwesen. „Das Ziel Klimapositivität ist für uns die logische Konsequenz aus unserem Handeln und aus unserer Verantwortung für die Umwelt. Klimaschutz muss von uns allen aktiv gestaltet werden“, so Rasch. Grund zur Freude haben auch die Biertrinker: Die Preise sollen übers ganze Jahr 2022 stabil bleiben. Die Brauerei setzte 2020 rund 68 Millionen Euro um und wies 8,5 Millionen Euro Gewinn aus. bar

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Avnet feiert Spatenstich ESCHBACH. Der Hamburger Projektentwickler Ixocon baut im Gewerbepark Breisgau für die Freiburger Avnet Embedded GmbH eine 18.500 Quadratmeter große Produktions- und Lagerimmobilie. Am 5. Mai wurde auf dem rund 33.000 Quadratmeter großen Grundstück der Spatenstich gefeiert. Bis zum kommenden Frühjahr sollen eine rund 8000 Quadratmeter große Produktionshalle, circa 7200 Quadratmeter Lagerfläche sowie 3000 Quadratmeter Büro- und Sozialfläche nach dem umweltfreundlicheren BEG 40 Standard entstehen. „Wir sehen weltweit das Embedded-Geschäft als Wachstumsmotor der Zukunft und bauen deshalb unsere Entwicklungs- und Fertigungskapazitäten für industrielle Elektroniksysteme ständig weiter aus“, sagte Avnet-VicePresident Dominik Ressing. Mit dem neuen Werk gehe man einen großen Schritt, um das gut zweistellige Wachstum auch in den nächsten Jahren zu realisieren.

Hummel AG steigert Umsatz um 30 Prozent DENZLINGEN. Die Hummel AG steigerte ihren Umsatz im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um stolze 30 Prozent auf 91 Millionen Euro. „Das ist ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis, und wir haben damit sogar unsere ambitionierten Planungen deutlich übertroffen“, bilanzierte der Vorstandsvorsitzende Michael Nörr. Das Unternehmen mit aktuell 601 Beschäftigten unterhält weltweit zehn Niederlassungen und Vertriebsbüros, ein großes Netz an Handelspartnern und produziert an den Standorten Denzlingen und Waldkirch mit rund 360 Mitarbeitern Kabelverschraubungen und Rundsteckverbinder für die Industrie sowie Komponenten für Heizungen und Trinkwasseranlagen. In Europa ist das Geschäft um 29 Prozent gewachsen, in Asien mit dem wichtigsten Markt in China um 30 Prozent, in Nord- und Südamerika um 41 Prozent. „Das ist eine hervorragende Basis für 2022 und


Menschen und Meldungen

Erfolgreiches Förderkreditgeschäft der Sparkasse FREIBURG. Die Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau hat im vergangenen Jahr von allen Sparkassen in BadenWürttemberg mit mehr als 260 Millionen Euro die größte Summe an öffentlichen Förderkrediten ausgezahlt. Für die erfolgreiche Beratung ihrer Kunden wurde sie von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) nun mit dem Preis für das größte Finanzierungsvolumen und dem Titel „Premium-Partner Förderberatung 2021“ ausgezeichnet. Aktuell betreut die Sparkasse knapp über eine Milliarde Euro Förderkredite für ihre Kunden. „Platz 1 und die erneute Auszeichnung ist ein Beleg für die hervorragende und um-

Vier Männer und ein Münsterturm: Frank Wenz (LBBW, 2. v.r.) mit den Sparkassen-Verantwortlichen Markus Hildmann (r.), Klaus-Dieter Sauer (l.) und Bernd Rigl. fassende Beratung ihrer gewerblichen und privaten Kunden in allen Finanzierungsfragen“, sagte Frank Wenz, Leiter des Förderkreditgeschäfts der LBBW, bei der Überreichung der Auszeichnung.

»Optimismus und Stärke«

Staatssekretär Rapp bei Ganter Foto: © Wolfgang Mieske

eröffnet uns mittelfristig eine nachhaltige Wachstumsperspektive“, so Nörr.

Im Sudhaus: Patrick Rapp (l.) und Detlef Frankenberger FREIBURG. Staatsekretär Patrick Rapp stattete kürzlich der Freiburger Brauerei Ganter einen Besuch ab. Geschäftsführer Detlef Frankenberger berichtete über die beiden vergangenen Jahre, die eine „große Portion Geduld, Optimismus und Stärke“ gebraucht hätten. Die CoronaPandemie und die damit verbundenen Beschränkungen, die insbesondere die Gastronomie- und Veranstaltungsbranche hart trafen, führten für die Brauerei zu einem bis dato unvorstellbaren Umsatz- und Absatzeinbruch. Dadurch wurde es erforderlich, das unternehmerische Handeln und die strategische Ausrichtung zu überdenken, um das Fortbestehen der Brauerei sicherzustellen. Trotzdem sieht die Brauerei optimistisch in die Zukunft: Projekte im Bereich der Nachhaltigkeit werden vorangetrieben. Die Rohstoffe kämen mittlerweile fast ausschließlich aus der bar unmittelbaren Region.

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Menschen und Meldungen

Land fördert Tourismusprojekte STUTTGART. Das Land BadenWürttemberg fördert die Tourismusinfrastruktur im Regierungsbezirk Freiburg mit 4,8 Millionen Euro. Aus der Region profitieren Bad Bellingen, Feldberg und Titisee-Neustadt. Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer: „Mit den geförderten Investitionen

stärken wir nicht nur den Tourismus in unserer Region, sondern auch ein lebenswertes, attraktives Umfeld für die einheimische Bevölkerung.“ Bad Bellingen bekommt für die Sanierung des Foyers im Kurhaus 170.000 Euro, Feldberg für einen wichtigen Parkplatz an der Passhöhe 136.000, Titisee-Neustadt für eine bessere touristische Beschilderung 133.000 Euro.

Waldhaus gewinnt Top Job-Siegel

Sigmar Gabriel würdigte Privatbrauerei

VDI regio Career am 16. Juli FREIBURG. Nach zweimaliger Verschiebung findet die 4. Ausgabe der Messe VDI regio Career nun am 16. Juli im Zentralfoyer der Messe Freiburg statt. Durch den Mangel an qualifizierten Fachkräften müssen Unternehmen einen deutlich größeren Aufwand bei der Personalgewinnung betreiben. Veranstaltungsformate wie die VDI regio Career stehen daher hoch im Kurs. Denn sie bieten die Gelegenheit, mit potenziellen neuen Mitarbeitenden persönlich ins Gespräch zu kommen. Die VDI regio Career ist die einzige grenzüberschreitende Karrieremesse für Ingenieurinnen, Techniker und Informatiker. Mehr Infos: www.vdi-schwarzwald.de/regio-career/

Foto: © Waldhaus

Zentgraf übernimmt FMK

In Feierlaune: Dieter Schmid feiert die Auszeichnung mit seinem Team.

WALDHAUS. Der ehemalige Vizekanzler Sigmar Gabriel hat neulich als Schirmherr der Privatbrauerei Waldhaus das „Top Job“-Siegel für herausragende Arbeitgeberqualitäten übergeben. Die Arbeitgeberanalyse „Top Job“ vom Zentrum für Arbeitgeberattraktivität, ZEAG GmbH, ist auf die mittelständischen Tugenden zugeschnitten. Eine eigens hierfür entwickelte, wissenschaftlich fundierte Mitarbeiterbefragung bewertet die Kultur der Unternehmen. Im Feedback der Belegschaft wurden herausragende Qualitäten im Personal­ management festgestellt. Brauereichef Dieter Schmid gelinge es mit seinem Führungsteam hervorragend, eine lebenswerte, gesunde und von Wert-

schätzung geprägte Arbeitswelt für die 60 Mitarbeiter zu schaffen. „Arbeitgeberattraktivität ist ein entscheidendes strategisches Thema für jedes Unternehmen, das langfristig erfolgreich sein will“, sagte G ­ abriel. „Es macht mich sehr stolz, dass Waldhaus als ‚bester Arbeitgeber‘ ausgezeichnet wurde und ich freue mich riesig! Nicht nur über das Siegel, sondern auch und vor allem über das einzigartige Feedback unserer Mitarbeiter·innen. Ihnen gilt mein Dank, denn sie machen den ‚Top Job‘ für Waldhaus, sie sind für unser Familienunternehmen das, was der Naturhopfen für unser Bier ist: einfach unersetzlich“, kommentierte Schmid. bar

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FREIBURG. Der Freiburger Mittelstandskongress (FMK) hat in seiner 17-jährigen Vergangenheit zahlreichen Unternehmern und Führungskräften aus der Region Managementwissen aus verlässlichen Quellen vermittelt und innovative Antworten auf die verschiedensten wirtschaftlichen Herausforderungen präsentiert. Am 12. Oktober wird nun ein neues Kapitel angefangen: Die Freiburger Mittelstandskongress GmbH wird Teil der Zentgraf Gruppe, die in den Bereichen Marketing, Eventorganisation und Personalvermittlung tätig ist. Die Geschäftsführer Philipp Zentgraf und Leif Mutschler treten damit die Nachfolge des langjährigen FMK-Geschäftsführers Günter Monjau an.

Julabo plant Neubau auf Flugplatz LAHR. Der Seelbacher Temperiertechnik-Spezialist Julabo plant einen zweiten Produktionsstandort in Lahr direkt neben dem Zalando-Gebäude auf dem startkLahr Airport & Business Park. Im ersten Halbjahr 2023 soll zunächst mit dem Bau eines rund 5000 Quadratmeter großen Gebäudes gestartet werden. Das kräftige Wachstum lasse sich in Seelbach nicht mehr bewältigen. „Die globalen Megatrends befeuern verschiedene Branchen, in denen unsere Kunden


Menschen und Meldungen

Eingerahmt von Daniel Strowitzki und Hanna Böhme sowie Martin Horn (2. v. r.) freuen sich die Entrepreneure über die Anerkennung.

FREIBURG. Die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH hat beim fünften Freiburger EntrepreneurPreis das MUNDOLGIA-Festival, die Schwarzwaldmilch GmbH Freiburg und das Best Western Premier Hotel Victoria ausgezeichnet. Den undotierten Preis gibt es für Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich in besonderer Weise für den Wirtschaftsstandort Freiburg eingesetzt und verdient gemacht haben. Überreicht wurden die

unterwegs sind. Darum erwarten wir eine steigende Nachfrage für qualitativ hochwertige Temperiergeräte“, begründet Julabo-Geschäftsführer Markus Juchheim. Aktuell beschäftigt das Familienunternehmen rund 400 Mitarbeiter. Mit denen setzte es im vergangenen Jahr 60 Millionen Euro um.

Foto: © Felix Groteloh

FWTM zeichnet Entrepreneure aus

Auszeichnungen durch den FWTM-Aufsichtsratsvorsitzenden und Oberbürgermeister Martin Horn sowie die FWTM-Geschäftsführer Hanna Böhme und Daniel Strowitzki. Empfangen haben sie Tobias Hauser und David Hettich fürs Mundologia-Festival, Andreas Schneider für die Schwarzwaldmilch sowie Astrid und Bertram Späth vom Best Western Premier Hotel Victoria. bar Anzeige

120 neue Stellen bei Schott MÜLLHEIM. Der Mainzer Technologiekonzern Schott hat am 6. Mai den 11.000 Quadratmeter großen Erweiterungsbau in seinem Werk im Ortsteil Hügelheim eröffnet. 120 neue Arbeitsplätze sollen entstehen. Dann wären 500 Beschäftigte vor Ort. Im Neubau werden Kunststoffspritzen für den Weltmarkt produziert.

Handwerk spürt drastisch steigende Preise FREIBURG. Die teilweise „exorbitanten“ Preissteigerungen bei Rohstoffen und Materialien wirken sich extrem auf die Arbeit der südbadischen Handwerksbetriebe aus. Das ist die Kernbotschaft der Frühjahrsumfrage der HWK in Freiburg. Über 90 Prozent meldeten gestiegene Einkaufspreise und fast 90 Prozent rechnen mit noch weiter steigenden Einkaufspreisen. Die Materialknappheit sorge für zusätzliche Unsicherheit. Teilweise könnten keine Angebote mehr abgegeben werden, weil die Kosten unkalkulierbar geworden seien. „Die Situation unserer Betriebe ist angespannt“, kommentierte Kammerpräsident Johannes Ullrich. bib chilli | business im Breisgau | 05.2022 | 35


Bilanzen

Die Corona-Krise gut überstanden: Sick-Vorstandsvorsitzender Mats Gökstorp

»Produzieren nicht für militärische Zwecke« Sick AG legt Rekordzahlen vor

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Foto: © SICK AG

er Sensor-Spezialist Sick blickt auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2021 zurück. 1,96 Milliarden Euro setzte das Unternehmen weltweit um, 16 Prozent mehr als im Vorjahr (1,7 Milliarden). Der Auftragseingang erhöhte sich um 34 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro (2020: 1,7 Milliarden). Einen Einstieg in das Waffengeschäft schloss der Vorstand bei der Bekanntgabe der Rekordzahlen aus. „Wir haben Engpässe überwunden“, sagte der Vorstandsvorsitzende Mats Gökstorp auf einer virtuellen Pressekonferenz angesichts unterbrochener Lieferketten, fehlender Schiffscontainer und Materialknappheit. Unterm Strich steht im Geschäftsjahr 2021 ein Umsatz von 1,96 Milliarden Euro (Vorjahr: 1,7 Milliarden Euro) und ein Gewinn nach Steuern und Zinsen von 148 Millionen Euro. 2020 waren es 101 Millionen Euro. In Deutschland setzte der Sensor-Hersteller die Rekordsumme von 326 Millionen Euro um und übertraf damit Prognosen in sämtlichen Geschäftsbereichen. Anteil daran hat laut Gökstorp vor allem der Bereich Fabrik-Automation. Die größere Steigerung macht Sick in Nord-, Mittel- und Südamerika aus. 450 Millionen Euro setzte die AG dort um.

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2020 waren es noch 387 Millionen Euro. In Europa, dem Nahen Osten und Afrika klettern die Umsätze von 601 Millionen Euro auf 677 Millionen Euro. In der Region AsienPazifik waren es insgesamt 511 Millionen Euro (2020: 428 Millionen Euro). „Wir kamen mit dem Einstellen teilweise nicht hinterher“, kommentierte Vorstandsmitglied Markus Vatter. Bundesweit kletterte die Zahl der Mitarbeiter von 5961 auf 6292. Zum Jahresende 2021 arbeiteten weltweit 11.022 Menschen im Konzern (Vorjahr 10.433). Sick wurde dieses Jahr bereits zum 20. Mal in Folge als einer der besten Arbeitgeber Deutschlands vom Great Place to Work® Institut ausgezeichnet. „Wir werden alle Krisen in der Welt meistern. Das merken wir am Umsatz und den Auftragsbüchern“, fasst Gökstorp die Situation zusammen. Waffen stehen laut Vorstand nicht darin. „Wir produzieren nicht für militärische Zwecke“, betont Gökstorp vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine. Überdenken sollte die Bundesregierung laut Vatter derweil die aktuelle Priorisierung von Gaslieferungen für Privathaushalte vor der Wirtschaft: „Wir leben von der Industrie. Es bringt nichts, wenn wir es zu Hause schön warm – aber keinen Job mehr haben.“ Philip Thomas


Arbeitsmarkt

Gedämpfter Frühjahrsaufschwung Freiburger Arbeitslosenquote bleibt bei 4,7 Prozent

D Illustration: © freepik.com

ie Zahl der Arbeitslosen ist im Bezirk der Agentur für Arbeit Freiburg im April weiter gesunken. Im Gegensatz zu den Kreisen Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald bleibt die Quote in der Stadt Freiburg allerdings unverändert. Ende April waren in der Stadt Freiburg sowie den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen 12.330 Frauen und Männer ohne Beschäftigung, 222 weniger als Ende März. Die Arbeitslosenquote sinkt damit um 0,1 Punkte auf 3,3 Prozent. Bei den unter 25-Jährigen liegt s ie bei 2,0 Prozent. Während die Quote im Kreis Emmendingen um 0,2 Punkte auf 2,4 Prozent und im Breisgau-Hochschwarzwald um 0,1 Punkte auf 2,6 Prozent gesunken ist, liegt sie im Stadtkreis Freiburg weiterhin bei 4,7 Prozent. Im April 2021 waren noch insgesamt 15.619 Arbeitsfähige ohne sozialversicherungspflichtigen Job. Für den Rückgang der Arbeitslosenquote sind laut Agentur für Arbeit Freiburg vor allem saisonale Gründe verantwortlich. „Der Frühjahrsaufschwung ist im April gedämpft ausgefallen“, sagt Andreas Finke, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Freiburg. „Der Arbeitsmarkt ist aber weiter sehr stabil und die Arbeitskräftenachfrage noch immer auf hohem Niveau.“ Den eher verhaltenen Rückgang führt Finke darauf zurück, dass bereits der Februar und der März einen Teil der für April erwarteten Entwicklung vorweggenommen hätten. In diesem Zeitraum war die Quote stärker als üblich gesunken. Anhaltspunkte, dass sich Unternehmen angesichts der weltpolitisch unsicheren Lage mit Einstellungen zurückhalten könnten, sieht Finke noch nicht: „Die Betriebe suchen weiter händeringend Fachkräfte und melden viele Stellenangebote.“ Darüber

hinaus gebe es ein großes Interesse an ukrainischen Arbeitskräften. Der Freiburger Agenturleiter hat jüngst mit dem Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden eine enge Zusammenarbeit bei der Vermittlung von Geflüchteten aus dem Krisengebiet vereinbart. Dass es an Arbeit nicht mangelt, sondern eher fehlende Arbeitskräfte Sorgen bereiten, dokumentiert ein Rekordstellenbestand von erstmals über 6000 Vakanzen im Agenturbezirk. Die Unternehmen meldeten im April 1317 neue offene Stellen, 19,2 Prozent mehr als vor einem Jahr. Besonders groß ist der Bedarf weiter im Gesundheits- und Sozialwesen mit 220 offenen Stellen. Positiv bewertet Finke, dass die Zahl an Langzeitarbeitslosen binnen eines Jahres um über 20 Prozent gesunken sei. „Die Unternehmen stellen wieder mehr Menschen ein, die länger arbeitslos waren“, sagt er. „Ihre Zahl erholt sich schneller von der Corona-Krise, als das zu erwarten war.“

Pascal Lienhard

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Fakten

Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen Füllstand deutscher Gasspeicher am 6. Mai 2020 (in %) �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 79,4 Füllstand deutscher Gasspeicher am 6. Mai 2021 (in %) ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 25,2 Füllstand deutscher Gasspeicher am 6. Mai 2022 (in %) ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������37,5 Inflationsrate in Deutschland im April 2021 (in %) ����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� +2 Inflationsrate in Deutschland im April 2022 (in %) �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������+7,4 Wert von einem russischen Rubel in Euro am 23. Februar 2022 ����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 0,011 Wert von einem russischen Rubel in Euro am 23. April 2022 ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 0,012 Weizenpreis je Tonne im Mai 2020 (in Euro) ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 200 Weizenpreis je Tonne im Mai 2022 (in Euro) ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 400 Preissteigerung von Gurken 2022 im Vergleich zum Vorjahr (in %) ����������������������������������������������������������������������������������������������������������������30,3 Preissteigerung von Sonnenblumenöl 2022 im Vergleich zum Vorjahr (in %) ������������������������������������������������������������������������������������������� 28,9 Preissteigerung von Tomaten 2022 im Vergleich zum Vorjahr (in %) ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������27 Preisrückgang von Möhren 2022 im Vergleich zum Vorjahr (in %) ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 13,6 Preisrückgang von Weintrauben im Vergleich zum Vorjahr (in %) ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 3,4 Preisrückgang von Nudelfertiggerichten 2022 im Vergleich zum Vorjahr (in %) ��������������������������������������������������������������������������������������� 1,4 Durchschnittlicher qm-Preis einer Neubauwohnung in Freiburg im Jahr 2021 (in Euro) ���������������������������������������������������������������7456 Durchschnittlicher qm-Preis einer Neubauwohnung in Freiburg im Jahr 2020 (in Euro) �������������������������������������������������������������� 6539 Anteil der Neubauwohnungen an allen verkauften mit einem m2-Preis von bis zu 4000 Euro im Jahr 2009 (in %) �������������94 Anteil der Neubauwohnungen an allen verkauften mit einem m2-Preis von bis zu 4000 Euro im Jahr 2021 (in %) ��������� 0 Zahl der verkauften Neubauwohnungen in Freiburg im Jahr 2021 �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 288 Zahl der verkauften Neubauwohnungen in Freiburg im Jahr 2020 ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������357 Zahl der in Freiburg gemeldeten Arbeitslosen im April 2021 ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 7350 Zahl der in Freiburg gemeldeten Arbeitslosen im April 2022 ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������5979 Durchschnittlicher Preis für einen Liter Diesel in Deutschland im Mai 2021 (in Cent) �����������������������������������������������������������������113,1 Durchschnittlicher Preis für einen Liter Diesel in Deutschland im Mai 2022 (in Cent) ���������������������������������������������������������������� 207,5 Länge des Radnetzes in Freiburg im Jahr 2018 (in Kilometern) �����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������470 Länge des Radnetzes in Freiburg im Jahr 2021 (in Kilometern) ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 487 Anzahl erfasster Rauschgiftdelikte in Deutschland im Jahr 2020 von Cannabis ��������������������������������������������������������������������������������31.961 Anzahl erfasster Rauschgiftdelikte in Deutschland im Jahr 2020 von Amphetamin ���������������������������������������������������������������������������5581 Quote pflegebedürftiger Menschen in Deutschland im Jahr 2019 (in %) ������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 5 Quote pflegebedürftiger Menschen in Baden-Württemberg im Jahr 2019 (in %) ������������������������������������������������������������������������������������ 4,3 7-Tage-Inzidenz des Coronavirus in Deutschland am 1. Mai 2020 ����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������11,3 7-Tage-Inzidenz des Coronavirus in Deutschland am 1. Mai 2021 ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 152,5 7-Tage-Inzidenz des Coronavirus in Deutschland am 1. Mai 2022 ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 725,3

pt, bar/Idee: Brandeins

Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Bundeskriminalamt, Börse Frankfurt, Gas Infrastructure Europe, Statistisches Bundesamt, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, freiburg.de 38 | chilli | business im Breisgau | 05.2022




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