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Kleine Zeitung Unabhängige Tageszeitung Graz, am 09.08.2020, 312x/Jahr, Seite: 18-19 Druckauflage: 232 553, Größe: 89,19%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 13043102, SB: Ischgl
MIT ABSTAND BETRACHTET Eine sommerliche Interview-Serie zur Frage, was wir – in ganz unterschiedlichen Bereichen – aus der Coronakrise lernen können und müssen. Teil 3: Tourismus Alle Teile auf www.kleinezeitung.at
„Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge“ INTERVIEW. Berater Wolfgang Eltner sieht den Tourismus am Wendepunkt. Winterurlaub müsse künftig mehr sein als Skifahren. Von Ernst Sittinger
U
nser Winter- und Sommertourismus feierte in den letzten Jahren Rekorde. Kann das trotz Corona so weitergehen? Oder bleibt kein Stein auf dem anderen? WOLFGANG ELTNER: Diese Frage
kann niemand seriös beantworten. Wir sind alle in der Hand des Schicksals, nicht nur in Österreich, sondern global. Aber für den Winter müssen die Betriebe ja von irgendwelchen Annahmen ausgehen.
Die Branche selber rechnet mit Umsatzeinbußen von 20 bis 30 Prozent. Doch die Hoteliers wissen, dass es auch mehr sein kann. Der erste Lockdown war ja gnädig mit uns, weil er fast genau zum Ende der Wintersaison begann und zeitgleich mit der Zwischensaison endete. Jetzt ist das anders. Die Wintertourismusorte wissen nicht, wie es weitergeht. Sie sitzen wie das Kaninchen vor der Schlange, sie sind paralysiert und erschöpfen
sich darin, dass sie sich Hygienemaßnahmen und Sanitärkonzepte überlegen. Aber das wird nicht reichen. Gefragt sind demnach mehr Alternativen zum klassischen Winter-Alpinski-Angebot.
Wir brauchen den klassischen Wintertourismus nach wie vor, wir brauchen die Seilbahnen und eine bestimmte Grundfrequenz. Aber wenn ich als Marketingverantwortlicher weiß, dass heuer 30 Prozent weniger Gäste kommen, dann muss ich mir ein alternatives Business suchen. Wenn ich weiß, dass nur 18 Prozent der Deutschen überhaupt Ski fahren, dann habe ich einen Markt von 82 Prozent, die nicht Ski fahren, die aber im Winter vielleicht auch gerne urlauben möchten. Und dann muss ich überlegen: Wie sind meine Winterwanderwege, meine Loipen beinander, wie ist mein Skitourenangebot, mein Brauchtumsangebot, mei-
ne Kulinarik? Und dann mache ich ein Alternativ-Winterpaket für diese Gästegruppe. Wird es im Winter überhaupt das gewohnte Après-Ski geben?
Nein, das wird so nicht mehr gehen. Aber als Betrieb, der normalerweise ein Après-Ski mit 200 Leuten macht, muss ich mir halt etwas überlegen. Vielleicht muss man alles nach draußen verlagern und Stehpulte und hundert Fackeln aufstellen. Oder sonstige Lösungen finden. Die Menschen sind ja kreativ. Die neuen Abstandsregeln bedeuten oft weniger Kunden und weniger Umsatz pro Zeiteinheit. Ist das nur ein Mengenproblem oder reicht das tiefer?
Es geht um mehr. Die Anbieter
zählt als: 4 Clips, erschienen in: Steiermark gesamt (Weiz, Ennstal, Graz, Leoben, Murtal, Mürztal, Süd-, Südwest-, Südost, - Ost-, Weststmk) Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. Digitale Nutzung gem PDN-Vertrag des VÖZ voez.at. Anfragen zum Inhalt und zu Nutzungsrechten bitte an den Verlag (Tel: 0316/875*0). Pressespiegel Seite 16 von 48
stehen vor der Wahl, mit einigen Anpassungen so weiterzumachen wie bisher, oder ihr Geschäft radikal umzudrehen. Es ist ja zum Beispiel nicht gesagt, dass alle Hotelgäste im Frühstücksraum frühstücken müssen. Warum können nicht alle im Zimmer frühstücken? Dazu muss ich aber mein Service umstellen, vielleicht Frühstückspakete anbieten. Oder: Wenn ich einen Seminarraum habe und weiß, dass mindestens ein Jahr lang keine Seminare stattfinden, dann muss ich diesen Raum anders nützen. Zum Beispiel als Virtual-Reality-Raum. Dort spiele ich dann ein 3D-Video von der Bärenschützklamm ein, weil die Leute sich mit ihren Kindern dort momentan nicht hintrauen.
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