Belle Époque Prunkvolle Boulevards, Weltausstellung, der Eiffelturm, rauschende Feste, verkannte Künstler, die Bohème des Montmartre, weibliche Aktmodelle, Kabaretts und Tanzlokale. Frankreich im 19. Jahrhundert war eine widersprüchliche und abenteuerliche Welt. Ein bürgerlicher Werte- und Normenkanon erfasste alle Bereiche des Lebens, definierte einen spezifischen, noch heute aktuellen Freiheitsbegriff, die „eingezäunte Freiheit", und gab vor, wie die Bürgerin und der Bürger sich zu kleiden, zu bewegen und zu kommunizieren hatten. Der Wiener Geschichtsprofessor Thomas Hellmuth geht diesen Phänomenen nach, taucht dabei ein in die ländlichen Gesellschaften, die zunehmend verbürgerlicht wurden, und begibt sich auf die Spuren der bunten literarischen, künstlerischen und politischen Bewegungen. Den Lesern eröffnet sich ein faszinierender und vielschichtiger Einblick in das so genannte „bürgerliche Zeitalter". Frankreich im 19. Jahrhundert - Eine Kulturgeschichte, Thomas Hellmuth, V & R Verlag, D 45 ISBN 9783205210382
Auslese Neue Bücher, Filme und mehr. VON ANNEKE WARDENBACH
Karl Lagerfeld Geschäftsmann, Arbeitstier, Privatmann, Mode-Star – wer war der Mensch hinter der Maske mit Sonnenbrille? Modejournalist Alfons Kaiser geht dem Mythos auf den Grund und hat einige spannende Details ausgegraben. Über das Elternhaus, den Start in Paris, seinen Aufstieg zum Star bei Chanel, seine Freundschaft und später Fehde mit Yves Saint Laurent. Karl Lagerfeld war nicht nur ein Meister der Mode-Zunft, sondern auch der Selbstinszenierung. Von seiner Geschichte und seinem Privatleben ist meist nur so viel bekannt, wie er es eben wollte. „Mir war wichtig, Karl Lagerfelds Leben nüchtern, sachlich und historisch korrekt zu schildern. Wertungen wollte ich möglichst vermeiden“, so der Autor. Der Leser soll mit Hilfe der von ihm recherchierten historischen Tatsachen seine eigenen Schlüsse über den 2019 verstorbenen Designer ziehen. Karl Lagerfeld – Ein Deutscher in Paris, Alfons Kaiser C.H. Beck Verlag, D 26 ISBN 9783406756306
94 FRANKREICH MAGAZIN
Sanfte leise Liebe Zwei Menschen entscheiden – spät – ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Paul, 46, ist Bauer in der Auvergne, mitten im Nirgendwo auf 1000 Metern Höhe. In einer tristen Industriestadt am anderen Ende Frankreichs hat Annette, 37, gerade eine gescheiterte Beziehung mit einem straffälligen Alkoholiker hinter sich. Einen Vater im Gefängnis möchte sie ihrem elfjährigen Sohn Éric nicht auch noch zumuten. Sie reißt die Annonce aus der Zeitschrift aus. Die Ankunft der Fremden in der bäuerlichen Bergwelt verlangt allen Beteiligten etwas ab. Trotz allem entfaltet sich eine leise Liebe. In flüssigen, bisweilen gedichtartigen Sätzen und mit viel Gespür für Seelenzustände beschreibt MarieHélène Lafon ihre Figuren messerscharf, ohne sie zu verurteilen. Für ihren voraussichtlich 2022 auf Deutsch erscheinenden Nachfolgeroman hat die hochgelobte Autorin im November den Prix Renaudot 2020 erhalten. Marie-Hélène Lafon, Die Annonce Rotpunkt Verlag, D ISBN 9783858698889