Wachsamkeit und Begehren D
er Aufruf dieser Edition erwähnt keine Leerstelle als Frage oder eine Behauptung als These, sondern postuliert lediglich ‚Begehren‘. Diese Strategie markiert, dass das Schreiben situiert und positioniert stattfindet, weil es als solches erst angeboten werden muss. Das Angebot meines Schreibens wird eine de-ontologische Besprechung des Begehrens sein, für die meine Signatur als Rechtfertigungssymbol Verantwortung zeigen muss. Um Verantwortung zu manifestieren, darf dieser Text jedoch nicht bei einer de-ontologischen Abhandlung des Begehrens stehen bleiben, sondern muss meine spezifische Situiertheit ansprechen: „Wachsamkeit ist absolut nötig“ (Spivak 2011: 136).
Den Ursprung des Begehrens zu benennen, würde sich in Reiterationen verlieren, ähnlich der ‚Drawing Hands‘ von M. C. Escher, die in ihrem aporetischen durcheinander Verschlungensein nur auf sich, jedoch nicht auf Außer-Textuelles, d.h. Ursprüngliches, verweisen können. Die Besprechung des Begehrens soll nicht damit enden, dass ich in diesem Text etwas – das Eine – präsentiere. Ich kann keinen Text über den Sinn des Begehrens überreichen und will demzufolge im Allgemeinen kein Wort über das Begehren verlieren. Die Krux wird es nun sein, zwei Punkte zu verbinden: einerseits ein de-ontologisches Denken, welches dem Begehren die Zusicherung der Metaphysik der Substanz, d.h. das Begehren als etwas Außer-Textuelles abspricht, andererseits die Inschrift meiner Situiertheit, die auf meine Einbettung in eine bestimmte Lokalität hinweist, die ich aber nie gänzlich einholen (wollen) kann. Meine erste Antwort formuliert somit einerseits eine Defensivhaltung gegen die traditionell-heroische und phallozentrische Philosophie, die sich auf die Suchwanderung nach dem Ursprung begibt und andererseits ein Misstrauen gegenüber meinem eigenen Standort. Ich sehne mich nicht nach dem Abenteuer des
engagée | 99