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DENKRAUM Winter 2017/18
Du Idiot! biiiep
Hass, Beleidigung, Drohungen: Die Sprache im Alltag und im Netz wird zunehmend aggressiver. Auch viele Schüler haben sich einen kruden Ton angewöhnt. Über die Konsequenzen streiten Experten.
von Dirk Seifert
„Aggressive Sprache macht unsere Kinder anfällig für Gewalt.“ Diese Aussage von Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), gibt zu denken. Hasskommentare im Internet, demütigende Äußerungen in der Politik, Ausgrenzung und Beleidigung – eine Untersuchung der Universität Freiburg belegt es inzwischen sogar wissenschaftlich: Die Sprache verroht, der Umgang miteinander wird zunehmend aggressiver. Von einer regelrechten „Aggressivierung der Sprache“ ist bereits die Rede. Denn Worte wirken auf das Gehirn, Sprache beeinflusst Menschen, aggressive Sprache leistet einen nicht unerheblichen Beitrag zu Aggressionsbereitschaft und Gewalt. Eine Ursache für die sprachliche Verrohung liegt sicher auch in dem zunehmend rüden Ton in Politik und Medien, allen voran in den sozialen Netzwerken. Was junge Menschen dort sehen, hören und lesen, geht nicht spurlos an ihnen vorbei. Aber auch die Art und Weise, wie in den Familien kommuniziert wird, und vor allem auch, was dort kommuniziert wird, prägt sie. Nun sind Beleidigungen, Schimpfwörter, vulgäre Sprache bei Kindern und Jugendlichen sicher kein neues Phänomen, sondern hat es immer gegeben. Kinder leben im Hier und Jetzt. Sie denken noch nicht darüber nach, was die gesagten Worte bei ihren Mitmenschen auslösen. Welche Wörter „schlimm“ sind, wissen sie meistens schon, und diese Wörter werden
„Maßstäbe für den Umgang untereinander ergeben sich aus den Erfahrungen während der Kindheit. Maßgeblich dafür ist das Beispiel der Älteren in der Familie, sind die Schulen, ist aber auch das Fernsehen.“
Richard von Weizsäcker
auch wie Statussymbole im Kreise der Freunde benutzt: „Das Wort kenne ich schon und ich trau mich auch, es zu benutzen.“ Das ist in diesem Rahmen noch völlig normal und gab es auch schon zu allen Zeiten. Der Unterschied heute ist, dass die Kinder viel größeren Einflüssen durch die Medien und soziale Netze ausgesetzt sind. Die Verbreitung von aggressiver Sprache ist schneller und deutlicher als vor der Zeit des Internets. Die Wortschöpfungen sind kreativer, brutaler und vulgärer geworden und verbreiten sich schneller. Selbst in der Politik hält diese aggressive Sprache leider immer mehr Einzug und wird durch sehr prominente Protagonisten gesellschaftsfähig gemacht. Die roten Linien werden immer wieder und immer selbstverständlicher überschritten.