Fondation Beyeler
Niko Pirosmani 17.09.2023 – 28.01.2024
A
ls Abschluss und Höhepunkt des Jahres präsentiert die Fondation Beyeler eine Ausstellung des legendären georgischen Malers Niko Pirosmani (1862–1918), eines rätselhaften Einzelgängers und zugleich einflussreichen Vorboten der modernen Kunst. Obwohl unter Kunstliebhaber:innen fast schon kultisch verehrt wie auch in seinem Heimatland als Volksheld gefeiert, wartet Pirosmani noch darauf, von einer breiten Öffentlichkeit entdeckt zu werden. Mit rund 50 Hauptwerken ist dies die bisher bedeutendste internationale Pirosmani-Ausstellung. Pirosmanis Bilder vermögen Alltägliches in Aussergewöhnliches zu verwandeln. Sie sind ebenso direkt wie faszinierend und geheimnisvoll. Meist sind sie mit präzisen Pinselstrichen in leuchtenden Farben auf schwarzes Wachstuch gemalt, das ihm gleichzeitig als Hintergrund und Vordergrund diente. Sowohl Pirosmanis Maltechnik und Malstil als auch seine Farbpalette und die Motive sind in der modernen Kunst in ihrer Kombination einzigartig. Pirosmani malte meist Tiere oder aber Menschen aus dem Volk, etwa eine Mutter mit Kindern, einen Fischer oder einen Koch. Manchmal handelt es sich um Porträts konkreter Personen wie bei jenem der Schau-
spielerin Marguerite de Sèvres. Daneben gibt es epische, multiperspektivische Landschaften mit simultanen Darstellungen zeitversetzter Ereignisse wie Trinkgelagen, Jagden und Prozessionen. Stillleben mit kulinarischen Köstlichkeiten entstanden oft im Auftrag, unter anderem für Tavernen. Darüber hinaus finden sich Bilder von Feierlichkeiten und Festen, die in der georgischen Kultur eine besondere Bedeutung haben. Bei all ihrer Alltäglichkeit haftet vielen der Werke doch auch etwas Gleichnishaftes an, indem sie auf Grundsätzliches und Allgemeingültiges verweisen. Pirosmanis Kunst ist immer auch von Spiritualität getragen und gleichzeitig legt sie auch dokumentarisches Zeugnis ab von einem Land zwischen Westen und Orient und von der Stadt, Tbilissi, die als das «Paris des Ostens» galt. Die menschlichen wie die tierischen Akteure sind liebe- und würdevoll dargestellt. So auch die Giraffe. Die Proportionen sind falsch, wie auch die Farbe des Fells. Dafür scheint jedoch ihr Wesen erfasst. Der Blick mit geneigtem Kopf wirkt sanftmütig. Sie ist gross, aber nicht monumental dargestellt, mit ihren zarten Hufen wirkt sie elegant und eher scheu. Setzte Pirosmani gar eine Träne in den Winkel ihres Auges?
Artinside | 25 | Herbst 2023