Bachelorarbeit
Industriepalast und Rotunde. Übereinstimmung von Form und Inhalt. gelesen von Ao. Univ. Prof. DI Dr. Caroline Jäger-Klein
eingereicht von Neubauer Michael 1125910 e1125910@student.tuwien.ac.at
am Institut für Kunstgeschichte, Bauforschung und Denkmalpflege
unter der Betreuung von Ao. Univ. Prof. DI Dr. Caroline Jäger-Klein Ao. Univ. Prof. Dr. Sabine Plakolm-Forsthuber
Wien, am 04. September 2014
Kurzfassung Thema der vorliegenden Bachelorarbeit ist der Industriepalast und die Rotunde und deren Übereinstimmung von Form und Inhalt. Bei dem Industriepalast handelt es sich um den größten Ausstellungsbau der Wiener Weltausstellung von 1873 und war der zentrale Hauptausstellungsort aller teilnehmenden Länder. Der mit Ziegel verkleidete Eisenkonstruktionsbau, wurde nach Plänen der eigens gegründeten Bauabteilung, unter der Leitung von Carl Freiherr von Hasenauer, in 17 Monaten verwirklicht. Nach einer Idee des englischen Schiffsbauingenieurs John Scott Russell war die Rotunde nicht nur eine Attraktion der Wiener Weltaustellung, sondern darüberhinaus, über Jahrzehnte, der größten Kuppelbau weltweit. Die Arbeit beinhaltet eine überblicksmäßige Beschreibung des Bauwerks und eine kurze Erläuterung über Messearchitekturen. Im Anschluss daran wird die Formfindung und Konstruktion näher behandelt.
Abstract The topic of this thesis is the Palace of Industry and the Rotunda and their correlation of form and content. The Palace of Industry was the largest exhibition building of the Vienna World Exhibition of 1873 and it was the central main exhibition hall of all participating countries. The building which was an iron structure with disguised bricks, was realized according to the plans of the building department, specially established under the direction of Carl Freiherr von Hasenauer, in 17 months. Followed by an idea of the English ship civil engineer John Scott Russell, the Rotunda was not only an attraction of the Vienna World Exhibition, but in addition, for decades, the worldwide largest domed structure. The work includes a short description of the structure and a brief explanation about trade fair architectures. Thereafter, the shape and structure will be illustrated.
Inhalt Einleitung
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1. Baubeschreibung des Industriepalastes mit der Rotunde
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2. Abriss über Messearchitekturen: Deren Formen und Funktionen
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3. Der Industriepalast
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3.1. Formfindung
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3.2. Die Ausstellungshalle - Das Fischgrätensystem
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3.3. Die Rotunde - Die Hauptattraktion
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3.4. Der Baustil
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3.5. Die Probleme in der Planungsphase:
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4. Konstruktion und Montage des Industriepalastes
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4.1. Die Haupt- und Seitengalerien
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4.2. Überdeckung der Hofräume
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4.3. Rotunde
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4.4. Montage der Rotunde
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Schlussbemerkung
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Literaturverzeichnis
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Anhang
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Einleitung Mit dem Titelthema: "Prater - Wiener Weltaustellung 1873 - Krieau und Freudenau" eröffnete sich im Zuge des Wahlseminars der Abteilung Architektur- und Kunstgeschichte ein vielfältiges Angebot an Themenfelder. In dieser Arbeit lege ich meinen Fokus auf folgende Aufgabenstellung im Zusammenhang mit der Weltausstellung: Wesentliche Einzelbauten: Industriepalast und Rotunde: Bautyp und Baustruktur, Konstruktion, Funktion, also Übereinstimmung von Form und Inhalt. Konkret versuche ich herauszufinden, wie die Form zustande kam, wie und mit welchen Mitteln diese ausgeführt bzw. konstruiert worden war. Dabei dienten als Primärquellen Pläne und deren Beschreibungen bzw. Artikel aus Zeitschriften des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins. Die Fotos der Baustellendokumentation durch die „Wiener Photographen Association“ stammten aus den Archiven des Technischen Museums in Wien, bzw. sind diese aus dem Katalog „Welt ausstellen: Schauplatz Wien 1873". Als Überblickswerke bzw. zur Einführung zum Thema der Wiener Weltausstellung waren die Publikationen von Jutta Pemsel und von Karlheinz Roschitz, unersetzlich. Des Weiteren fasste die 2008 erschienene Dissertation „Der Blechhaufen von Wien“ von Stefan Konrath die Zusammenhänge rund um die Weltausstellung zusammen. Das 2004 erschienene Werk „Messe Wien – Vienna Fair“ von Kristian Markus, Peichl Gustav und Stalzer behandelte hauptsächlich den jetzigen Messebau, enthielt aber dennoch einen interessanten Abriss über die Ausstellungswesen nach der Weltausstellung 1873. Jedoch wurden in den sekundären Quellen die Konstruktion, insbesondere Berichte, Art und Ausführung kaum behandelt. Diese Versäumnisse versuche ich in dieser Arbeit durch die oben erwähnten Primärquellen und Pläne aufzuarbeiten. Zusätzlich lieferten ein Ausstellungsbesuch des Wien Museums am Karlsplatz zu der Großaustellung: Experiment Metropole - 1873: Wien und die Weltausstellung, der Besuch des Fachvortrags von Dr. Richard Kurdiovsky zu "Carl von Hasenauer und die Wiener Weltausstellung 1873" sowie eine Fahrradexkursion in den Prater und in die Krieau, wertvolle Hintergrundinfos. In der Arbeit möchte ich mich mit folgenden Fragen auseinandersetzen:
Was versteht man unter einem Welt-Ausstellungsbau, bzw. nach welchen Kriterien wurden und werden diese geplant? Welche Faktoren beeinflussten die Form? Welche funktionalen Vorzüge unterschieden diese von vorhergehenden Bauten? Wie wurde das Gebäude konstruiert und in dieser kurzen Zeit montiert?
Im ersten Teil der Arbeit möchte ich näher auf die Form und Funktion des Hauptgebäudes der Weltausstellung eingehen. In einem kurzen Abriss wird auf die Messearchitektur, deren Ausformulierungen und Funktionen eingegangen. In weiterer Folge wird das Zustandekommen der Form unter Berücksichtigung der damaligen Verhältnisse und des Zeitgeistes beschrieben. Im zweiten Abschnittwerden die Konstruktion des Industriepalastes und insbesondere die Montierung der Rotunde erläutert.
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1. Baubeschreibung des Industriepalastes mit der Rotunde Bei dem zu beschreibenden Gebäudekomplex handelt es sich um das zentrale Ausstellungsgebäudeder Wiener Weltausstellung von 1873, den Industriepalast mit der Rotunde. Der gesamte Ausstellungsbau wurde von der kaiserlichen Ausstellungskommission, repräsentiert von Dr. Wilhelm Schwarz-Senborn, dem Chefarchitekten Carl von Hasenauer, in Auftrag gegeben.
Abb. 1 Industriepalast und Rotunde, Ansicht von der Kaiserallee
Der Industriepalast bildete mit der Rotunde (lat. Rundbau 7) in der Mitte, den zentralen Hauptpavillon der Wiener Weltausstellung von 1873. Mit seiner beachtlichen Form und Größe war dieses Gebäude der Hauptanziehungspunkt für die Besucher der Weltausstellung. Im Inneren des Industriepalastes verbarg der Messekomplex die Exponate der ausstellenden Länder. Wurden zunächst die Schmelz, die Simmeringer Haide, der Parade- oder Exerzierplatz auf dem Josefstädter Glacis als Weltausstellungsareal diskutiert8, so wurde letztlich der Prater als Ausstellungsort festgelegt. Das gesamte Messeareal war nordöstlich orientiert und grenzte am Würstelprater und der damals neu regulierten Donauan 9. Innerhalb des Messekomplexes bildete der Industriepalast das Zentrum der umliegenden Pavillons. Mit der Wahl der Weltausstellung im Prater konnte Wien die bis dato größte Weltausstellung ausrichten. Schließlich beinhaltete das gesamte Ausstellungsareal eine Fläche von ca. 2,3 Millionen m²,also die Terrains, aller vorhergehenden Weltausstellungen zusammen11. Wie bereits erwähnt, bildete der Industriepalast als größtes zusammenhängendes Gebäude das Zentrum des gesamten Areals. Gemäß diesem waren alle weiteren Gebäude um jenen Komplex, axial angeordnet.
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Vgl. Hans Koepf/ Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur, Stuttgart, 1985, S. 388 Vgl. Karlheinz Roschitz: Wiener Weltausstellung 1873, Wien, 1989, S. 60. 9 Ebd. 11 Vgl. Pemsel 1989, S. 35. 8
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Abb. 2 Vogelperspektive des Ausstellungsgeländes siehe Pemsel
Das Bauwerk grenzte sich von den umliegenden Ausstellungsbauten mittels breiten Flaniermeilen, bzw. Parkanlagen ab. Die Haupterschließung bzw. der Hauptzugang erfolgte über das Südportal, durch das man in die Rotunde und somit zum Zentrum und Ausgangspunkt der Ausstellung gelangte. Im Grundriss wurde der Rundbau in näherer Umgebung von einem Quadrat eingefasst. Durch diese symbolhafte Anordnung sollte noch einmal das Zentrum hervorgehoben werden. Die Galerien des umschließenden Quadrates werden über Verbindungsgalerien in Form eines Kreuzes entlang der Hauptachsen der Rotunde erschlossen. Entlang der Ost-West-Achse, erschloss ein einziger ca. ein Kilometer langer Mittelgang beiderseits die an den Mittelgang angeschlossenen Querschiffen. Die gesamte Einheit ergab eine sogenannte "Fischgrätenstruktur" mit der Rotunde in ihrem Zentrum. Durch diesen kegelförmige Rundbau wurde die Monotonie des Langbaues durchbrochen und stellte einen besonderen Schauwert für die Besucher dar. Mit dem Bau der quadratischen Eckpavillions endete die Hauptachse des Industriepalastes. Sowohl Haupt- als auch Querschiffe waren mit einem Tonnendach versehen. Dabei wurde der Hauptgang mit der Erhöhung des Daches noch weiter hervorgehoben. Jede Seitengalerie hatte einen eigenen Eingang, jedoch waren die Nord- und Süd-Hauptportale des Industriepalastes in einer Achse zum Mittelpunkt der Rotunde orientiert. Die Belichtung des Haupt- und der Querschiffe erfolgte über längliche Oberlichtöffnungen im oberen Drittel der Wände. Der kreisförmige Kuppelbau bestand aus einem konisch geformten Dach, einer größeren und einer kleineren zweiten Laterne. Als oberster Abschluss fungierte die vergrößerte Nachbildung der Kaiserkrone. Die Arkaden, Skulpturen und die weitere Ausgestaltung waren dem Stil der Renaissance nachempfunden. Ebenso wurde die innere Verkleidung der Eisenkonstruktionen der Rotunde in jenem Stil ausgestattet. Im Gegensatz dazu waren die Innenräume der Galerien spärlicher geschmückt. Weil Ausstellungsbauten nur für begrenzte Zeit geplant wurden und diese oft nach der Ausstellung wieder abgebaut wurden, bestand das Gebäude hauptsächlich aus teilweise verkleideten Eisenkonstruktionen. 3
Als alles beherrschende Element nahm der Industriepalast das gesamte großzügig ausgestattete Areal ein. Mit dem schieren Ausmaß des Komplexes und der Rotunde, war der Industriepalast, die unumstrittene Hauptattraktion der Weltausstellung. Mit der klassizistischen Formensprache sollte der Bau dem zeitgenössischen Stilempfinden entsprechen. Dennoch wirkte die Rotunde überdimensioniert, als wollte diese den gesamten Industriepalast erdrücken. Ebenso musste das Publikum über ihre schieren Ausmaße gestaunt haben. Insbesondere die Weitläufigkeit der Innenräume und die Größe des Innenraums der Rotunde konnten wohl so manchen überraschten Besucher beeindrucken. Obwohl es zu Problemen und zu Verzögerung kam, konnte der Bau seit Vertragsabschluss am 17. Oktober 1871 bis 8. März 1873, in nur 17 Monaten realisiert werden 12. Aufgrund des Rückstandes konnte die Innenausgestaltung erst kurz vor der Eröffnung abgeschlossen werden, bzw. wurde diese später vervollständigt13 14.
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Vgl. Zeitschrift des Österreichischen Architekten- und Ingenieurvereins: Über den eisernen Centralbau für die Weltaustellung in Wien, von Heinrich Schmidt, Wien, 1873, S.137. 13 14
Vgl. Wiener Weltaustellungszeitung vom 30. April 1873, Nr. 139, S. 2. Vgl. Wiener Weltaustellungszeitung vom 1. Mai 1873, Nr. 140, S. 3 ff.
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2. Abriss über Messearchitekturen: Deren Formen und Funktionen Ausstellungsbauten und Messebauten treten in vielfältiger Art und Weise auf. Die Formenvielfalt reicht von zeltartigen Überdachungen über Stände, Pavillons, Hallen aller Größenordnungen bis zum Geschoßbau. Im Unterschied zu Architekturausstellungen, bei denen die Pavillons für sich selbst als Kunstwerk stehen, haben Messepavillons die Aufgabe für ein bestimmtes Produkt zu werben, bzw. auf ein bestimmtes Produkt aufmerksam zu machen. Da diese zeitgemäße/moderne Produkte beherbergen, hat die dazugehörige Architektur auch "modern" und "zukunftsorientiert" zu sein 15. Im Gegensatz einer Weltausstellung zur sonstigen Messearchitektur ist dabei die Präsentation des Landes selbst das Produkt16. Bereits seit Beginn des 19.Jhdts stellten teilnehmende Länder ihre nationale Identität lieber zur Schau, als dass diese ihre neusten Produkte präsentieren 17. Viel mehr rücken die kulturellen Produkte in den Vordergrund, als die neuesten technischen Innovationen (militärischer oder industrieller Natur). Dabei konnte der "Vielvölkerstaat" Österreich eine besondere Rolle als Vermittler zwischen den Kulturen einnehmen18. Dennoch bleibt die Grundaufgabe der Weltausstellung, mit den ausgestellten Produkten und Architekturen zu überzeugen20. Messebauten gehören zu den ephemeren Bauten. Das heißt, diese Architekturen sind nur für einen begrenzten Zeitraum gedacht. Aus diesem Grund können einzigartige und innovative Bauten, deren Abtragung sowieso nach einem gewissen Zeitraumgeplant ist, realisiert werden21. Um die auszustellenden Produkte optimal präsentieren zu können, war die Belichtung der Innenräume mit natürlichem Licht von besonderer Bedeutung. Dabei wurden Ausstellungsbauten mit hochgezogenem Seitenlicht bevorzugt, da es die natürlichste Beleuchtung von Innenräumen garantiert22. Oberlichter dagegen sind eher ungeeignet als alleinige Belichtungsform und werden für Oberlichtsäle, wie im Pavillon des Amateurs, für Monumentalgemälde und Skulpturen verwendet23. Diese Grundsätze der Belichtung bestimmen noch heute die Gestaltung von Messebauten. Um riesige Ausstellungshallen fertigen zu können, benötigte man dafür Baukonzepte, die es neu zu entwickeln galt. Das für den damaligen Ingenieursbau bevorzugte Material war Eisen. Eisenkonstruktionen trugen nicht nur größer Spannweiten, sondern waren auch in der Herstellung sowie im Auf- und Abbau einfach, schnell und billig. Im Gegensatz zu damaligen Steinbauten hatten Glas und Eisenkonstruktionen ein geringeres Eigengewicht, wirkten leichter und transparenter. Obwohl mit dem Material Eisen neue Ingenieursleistungen vollbracht wurden, dekorierte man die Tragwerke meist im Stile des Klassizismus24. So wandte man sich nach einer kurzen Epoche eines
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Vgl. Kristan 2004, S. 128. Vgl. Caroline Jäger-Klein: Österreichische Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts, Wien², 2010, S. 373. 17 Vgl. Mattie, 1998, S. 8. 18 Ulrike Felber Rapp, Elke Krasny, Christian: Smart Exports. Österreich auf den Weltausstellungen 1851-2000, Wien, 2000, S. 8. 20 Vgl. Mattie, 1998, S. 8. 21 Vgl. Kristan, 2004, S. 128. 22 Vgl. Kristan, 2004, S. 128. 23 Vgl. Würtinger, 2011, S. 163. 24 Vgl. Erik Mattie: Weltausstellungen, Stuttgart, 1998, S. 9. 16
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reinen Funktionalismus (wie zuvor bei dem Crystal Palace) wieder den ornamental-dekorativen, historisierenden Stilmitteln, zu25.
Abb. 3 Crystal Palace, geplant von Joseph Paxton, Londoner Weltausstellung von 1851
Trotz der immensen Investitionen und den hohen wirtschaftlichen Verlusten, ging mit den Weltausstellungen auch immer ein Fortschritt einher. Denn bei dieser Gelegenheit wurden auch erhebliche Summen in die ausstellende Stadt, deren Infrastruktur, öffentlichen Anlagen, Einrichtungen und Unterbringungen investiert26. So auch in Wien, wo bereits im Vorfeld städtebauliche Projekte fokussiert, geplant und parallel zur Weltausstellung, ausgeführt wurden.
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Pemsel, 1989, S. 39. Vgl. Mattie, 1998, S. 8.
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3. Der Industriepalast 3.1. Formfindung "Die Frage, welches ist das zweckmäßigste Ausstellungs-Gebäude?"28 Für die Wiener Weltausstellung versuchte man aus den Fehlern der vorhergehenden Weltausstellungen zu lernen und prüfte verschiedenste Ausstellungsysteme, wie jenes Konzept eines elliptischen Galeriesystems für Paris von Frédéric Le Plays und einem Pavillonsystem, bei dem die ausstellenden Länder ihre Bauten selbst finanzieren und errichten sollten 29. Aus den Verfehlungen der vorangegangen Weltausstellungen musste schließlich ein Konzept entwickelt werden, um diesen vorzubeugen. Als Reaktion auf die letzte Weltausstellung in Paris, wurde zunächst die Maschinenhalle von der Industriehalle entkoppelt. Darüber hinaus wurde die gesamte Kunstabteilung in einem eigenen Gebäude (Kunsthof) untergebracht. Dadurch konnte man die Ausstellungsstücke und insbesondere die Kunstobjekte fern von störenden Umwelteinflüssen betrachten 30.
Abb. 4 Pariser Weltausstellung von 1867
Grundsätzlich sollte einer der größten Mängel, ähnlich wie er bei der Weltausstellung im Jahr 1867 in Paris auftrat, vermieden werden. Das Gebäude sollte gegen Eindringen von Regenwassergeschützt werden. Letztlich scheiterte man bereits an diesem, selbst auferlegten Kriterium in einem besonders regenreichen Jahr31. Da die Bleche der Dachhaut dieser Kassettenreihen nicht bündig gewesen waren, sondern der Länge nach über-und untereinander verlegt wurden, ließen die Horizontalringe zwischen jedem zweiten Dachblech Zwischenräume. In diesen Zwischenräumen sammelte sich Wasser und sickerte bis in den Zentralraum der Rotunde durch 32. 28
Zeitschrift des Österreichischen Architekten- und Ingenieurvereins, zit. nach Wilhelm Schwarz-Senborn: Die Weltausstellung, Vortrag von Sr. Excellenz Freiherrn von Schwarz-Senborn, Wien, 1872, S.65. 29 Vgl. Roschitz, 1989, S. 61-62. 30 Vgl. Schwarz-Senborn, Wien, 1872, S.68. 31 Vgl. Schwarz-Senborn, Wien, 1872, S.66. 32 Vgl. Konrath, 2008, S. 76.
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Außerdem wurde die Belichtung der vorhergehenden Weltausstellungen beanstandet, da diese mangelhaft bzw. ungleich verteilt war. So hatten einige Räume ungünstiger Weise zu viel Licht, andere lagen wiederum im Schatten 33. Ein weiterer Punkt war der Mangel an Toren. So mussten bei den vorhergehenden Weltausstellungen einige Ausstellungsobjekte, mehrere Tage vor den Hallen lagern, da im Inneren noch nicht genügend Raum geschaffen werden konnte und die bereits leeren Kisten dementsprechend nicht schnell genug entsorgt werden konnten. Darüber hinaus waren die Ausstellungshallen bisher so konzipiert, dass Waren durch die Räume einer anderen Nation transportiert werden, oder dass eine verloren geglaubte Kiste in einer anderen Abteilung gesucht werden musste. Nicht zuletzt führte dies zu einer Verzögerung in der Eröffnungsphase34. Zudem wurden auf Galerien verzichtet, da diese viel Staub aufwirbelten, teuer und schwierig bei der Herstellung waren. Obendrein waren bei den vorhergehenden Weltausstellungen die Galerien weniger besucht als die darunter liegenden Räume. Letztendlich wurde auf eine innenliegende Galerie in der Rotunde aber nicht verzichtet. Diese bot den Besuchern einen imposanten Eindruck vom Inneren der Rotunde 35.
3.2. Die Ausstellungshalle - Das Fischgrätensystem Um die Vorgaben einzuhalten, erinnerte sich Dr. Wilhelm Schwarz-Senborn bei der Formfindung an eine Idee eines Ausstellungskonzepts für eine Gewerbeausstellung von Eduard van der Nüll und August Sicardsburg36. Die Grundidee dieser Ausstellungskonzeption war, dass sich an einem großen Mittelschiff Quergalerien anschlossen. Falls weiterer Raum, aufgrund eines Ausstellerandrangs benötigt wurde, konnte das System an einem Ende mit weiteren Querschiffen einfach ausgebaut werden. Daraus entwickelte sich ein "Fischgrätensystem", bei der die langgestreckte Haupthalle durch mehrere Querschiffe durchbrochen wurde. Die zwischen den Quergalerien liegenden Innenhöfe, die sich aus dem Fischgrätensystem entwickelten, konnten später verbaut und eingedeckt werden. Der Industriepalast schloss mit zwei Endbauten, welche als rechteckige Höfe ausgebildet waren, ab. Diese Höfe schufen die Voraussetzung für eine gleichmäßige Beleuchtung durch hohe Seitenlichter, welche darüber hinaus die Lüftung der Räumlichkeiten erleichterten. Das System ermöglichte auch, zu allen Räumen trockenen Fußes zu gelangen.
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Vgl. Schwarz-Senborn, Wien, 1872, S. 66. Vgl. Schwarz-Senborn, Wien, 1872, S. 66. 35 Vgl. Roschitz, 1989, S. 76. 36 Vgl. Pemsel, 1989, S. 35. 34
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Abb. 5 Industriepalast kurz vor Fertigstellung
Die einzelnen Länder wurden der geographischen Lage entsprechend in den Ausstellungshallen verteilt. Im Osten mit dem Orient beginnend(China und Japan) endete die Ausstellung schließlich im Westen mit den amerikanischen Staaten. Jedes Land konnte so in ihren Räumlichkeiten nach ihren eigenen Wünschen präsentieren. Sollte theoretisch ein Land abwesend sein, konnte man eine Seitengalerienotfalls einfach absperren, ohne aber, dass der Besucher behindert wird, den Rest der Ausstellung zu besuchen.
3.3. Die Rotunde - Die Hauptattraktion Um der Monotonie der letzten Weltausstellung von Paris 1867 zu entgehen und schließlich den nicht enden wollenden Hallentyp zu unterbrechen, beschloss Schwarz-Senborn, die Idee einer Rotunde des Schiffbauingenieurs Scott Russel zu übernehmen. Letzen Endes war es jene Idee, die im Nachhinein für weiteres Kopfzerbrechen, Spott und Kritik sorgte.
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Abb. 6 Süd-Ost Ansicht der Rotunde, vor ihrer Fertigstellung
Mit der Rotunde wurde kein neuer Gebäudetypus erschaffen, dennoch war die Idee eines runden Bauwerks mit einer Kuppel für eine Messearchitektur neu. Vorbildwirkung hatten die Entwürfe der Bauten von Jacques Ignace Hittorff, die er für die Pariser Ausstellung 1855 geplant hatte37.
Abb. 7 Cirqued'été, geplant von Jacques Hittorff
Die Rotunde, welche für einige als 8. Weltwunder galt, wurde ebenso als "architektonisches Monstrum", "plumper Koloß", „umgekehrter Blechtrichter", "riesiger Narrenturm“ oder einfach nur als "Guglhupf" bezeichnet. Dabei war die Rotunde mit einer Spannweite von 108 m bis 1957 der größte Kuppelbau der Welt und übertraf den Durchmesser vergleichbarer Kuppelbauten ihrer Zeit (siehe Abb. 8.)38. Mit einer Höhe von 84 m maß der Bau nur um 15 m weniger als die Höhe der 37 38
Vgl. Mattie, 1998, S. 28. http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_gr%C3%B6%C3%9Ften_Kuppeln_ihrer_Zeit abgerufen am 20.5.2014.
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Türme, der zur selben Zeit entstandenen Votivkirche. Die aus Eisenplatten bestehende trichterförmige Zeltdachkonstruktion wurde von 32 Säulen von je 24 m Höhe getragen39. 1 Rotunde 2 Kuppel des Londoner Weltausstellungsgebäudes von 1862 3 Kuppel des St. Peter Doms in Rom 4 Kuppel der St. Pauls Kathedrale in London
Abb. 8 Größenvergleich des Innenraums der Rotunde mit anderen Kuppelbauten
Die Wahl der Rotundenform erweist sich bei genauerem Hinsehen, als Weiterführung traditioneller Bauformen des Klassizismus41. Renate Wagner-Rieger hat in einer Analyse der Herkunft historischer Wiener Bauformen darauf hingewiesen, dass Scott-Russels lampenschirmartige Rotundenkuppel eigentlich die traditionelle Dachlösung des josephinischen Lusthauses im Prater wiedergibt, eines Werks Isidore Canevales im Geiste des Revolutionsklassizismus, und dass auch die Formen des Wiener Bachschen Zirkus mit seiner viel bestaunten Glaskuppel aufgegriffen werden, eines Zentralbaus, den vermutlich Joseph Kornhäusel 1808 errichtet hatte 42.
Abb. 9 Johann Ziegler: Das Lusthaus im Prater, Kupferstich, 1783
Abb. 10 Circus Gymnasticus von Christoph de Bach, zeitgenössichscher Stich
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Vgl. Pemsel, 1989, S.36-37. Vgl. Roschitz, 1989 S. 73. 42 Vgl. Roschitz, 1989 S. 74. 41
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Um einen Blick auf das gesamte Ausstellungsgelände und Wien zu erhalten, ist ein Aufstieg an der Außenseite des Daches bis auf die Spitze der Rotunde errichtet worden. Durch die Benützung der zwei hydraulischen Aufzüge, konnte der Aufstieg leichter bewältigt werden. Wobei der „Ascenseur“ des Ingenieurs und Maschinenbauers Léon Edoux aus Paris nur als Schauobjekt diente, musste der Besucher den zweiten Aufzug des Maschinenfabrikanten Johann Haag aus Augsburg zur Besteigung der Rotunde benutzen. Beide Aufzüge wurden, ähnlich wie die Treppen, zwischen einem Säulenpaar eingestellt43. Von der Galerie aus konnte man schließlich auf das Dach und über Steigleitern bis zur Spitze und zur Krone klettern 44.
Abb. 11 Dachbesteigung der Rotunde, Xylographie von Franz Kollarz
Die Eisenkonstruktion war im Stil der florentinischen Renaissance verkleidet und bestand aus vorgeblendetem Mauerwerk, Holz und Gips. Die innere Verkleidung der Eisenkonstruktion setzte sich aus Holz und Gips zusammen. Eine Konstruktion, die der Rotunde letztlich zum Verhängnis werden sollte. Als 1937 ein Feuer ausbrach45, konnte es sich aufgrund der kaminartigen Hohlräume hinter den hölzernen Pfeilerverkleidungen rasend schnell ausbreiten46. Aufgrund der ständigen Verzögerungen und der daraus resultierenden, verspäteten Fertigstellung des Gebäudes wurde auf eine aufwendige Innenausgestaltung verzichtet. So war der Springbrunnen des französischen Gießers Antoine Durenne das einzige Prachtstück in dem sonst prunklos gestalteten Innenraum der Rotunde47.
43
Vgl. Konrath, 2008, S. 72. Vgl. Roschitz, 1989, S. 77. 45 Die Rotunde geriet am 17. September 1937, aus nicht feststellbarer Ursache in Brand. Besonders zwischen den Hohlräumen zwischen Blech und Stuck konnten sich die Flammen leicht ausbreiten. Erschwerend gestaltete sich die Brandbekämpfung, da durch die blecherne Verkleidung, kaum Löschwasser zu den betroffenen Bauteilen gelang. Quelle: Vgl. http://www.firefighter.at/site/historisches/article/230.html, abgerufen am 10.6.2014 um 22:15. 46 Vgl. Edgard Haider: Verlorene Pracht, Geschichten von zerstörten Gebäuden, Hildesheim, 2006, S. 106. 47 Vgl. Konrath, 2008, S.72. 44
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Abb. 12 Blick in die Rotunde
Da der Industriepalast innen und außen ebenso besonders schlicht gestaltet war, erhielten nur die Hauptportale eine künstlerisch-dekorative Form. Dennoch hinterließ der Innenraum mit seinen gigantischen Dimensionen bei den Besuchern einen derartigen Eindruck, dass die Rotunde in Anspielung auf sakrale Vorbilder "Unsere neue Heilige" und "Santa Rotunda" genannt wurde48. Dennoch, oder vielleicht wegen der zurückhaltenden Ausgestaltung konnte mehr Interesse auf die Ausstellungsgegenstände gerichtet werden.
3.4. Der Baustil Die Gebäude der Wiener Weltausstellung kennzeichnet die Verwendung historisierender Stilformen, die die Stahl-Eisenkonstruktionen hinter die Fassade zurückdrängten. War der „Crystal Palace“ zunächst im Stil des Funktionalismus errichtet, so orientierten sich die darauffolgenden Weltausstellungsbauten wieder an den vorhergehenden historisierenden Stilen. Die Eisenkonstruktion als klare Architektursprache ist also hinter einer Hülle aus historisierender Formen zurückgedrängt worden49. Nur durch Verkleidung mittels traditioneller Baumethoden, konnte die "Reinheit des Stils" bewahrt werden.51. Der Rückgriff auf die italienische Renaissance für Expositionshallen hatte Vorbilder wie das im Anschluss an die Londoner Weltausstellung errichtete South Kensington Museum (seit 1899 Victoria & Albert Museum) oder das Dresdner Museum. Gottfried Semper erachtete ,als Vertreter des Neoklassizismus, die griechische und römische Baukunst als ideale Bauform, die die damaligen Ansprüche am besten erfüllen sollte52. So sollte die Wahl des Stils den imperialen Machtanspruch der Doppelmonarchie ausdrücken. 48
Vgl. Pemsel, 1989, S. 37. Vgl. Pemsel, 1989, S.39. 51 Vgl. Renate Wagner-Rieger: Wiens Architektur im 19. Jahrhundert, Wien, 1970, S. 152. 52 Vgl. Pemsel, 1989, S. 39. 49
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Mit den pompös ausgestalteten Eingangsportalen, die im Stil antiker Triumphbögen gebaut wurden, versinnbildlicht sich eine weitere Zurschaustellung des imperialen Machtanspruchs des Kaiserreiches53.
Abb. 13 Süd- und Ostportal der Rotunde
Innerhalb des Tores umfasst ein übergeordneter Bogen, eine eingefügte Arkadur, welche sich in den anschließenden Galerien fortsetzt. Mit den sich fortsetzenden Arkaden als weitere Formensprache, entsteht ein Widerpart zur alles dominierenden Kuppel, der Rotunde. So übernahm Hasenauer das Motiv auf, das schon vorher im Theaterbau (Theater in Avignon von Feuchére, Abb. 14) oder beim Industrieausstellungsbau in Paris 1855 verwendet worden war (siehe Abb. 15)54.
53
Vgl. Pemsel, 1989, S. 40. Vgl. Gerhart Egger/ Renate Wagner-Rieger: Architektur in Wien, Reihe: Geschichte der Stadt Wien, Neue Reihe, Bd.7, Verein für Geschichte der Stadt Wien(Hrsg.), Wien, 1973, S. 182. 54
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Abb. 14 Le théâtre d'Avignon
Abb. 15 Ansicht des Haupteingangs, Allgemeine Bauzeitung 1856, Tafel 22.
Die Entwürfe zu sämtlichen figuralen Schmuck lieferte der Professor für dekorative Malerei an der Kunsthochschule in Wien, Ferdinand Laufberger. Sie zeigten Figuren des Wohlstands, Friedens und Überflusses. Diese allegorische Darstellungsweise unterstrich den repräsentativen, völkerverbindenden Charakter der Ausstellung. Mit der Kaiserkrone als alles überragende Autorität stellte das Kaiserreich die gesamte Weltausstellung unter imperialen Schutz 55.
3.5. Die Probleme in der Planungsphase: Um den bevorstehenden Bau möglichst umfassend rasch bewältigen zu können, wurde neben Hasenauer als „Chef-Architekten“ [sic.] Wilhelm Ritter von Engerth als „Chef-Ingenieur“ [sic.] gewonnen, der zur Durchführung des Zentralbaus eine „Ingenieur-Section“ [sic.] neben der bereits gegründeten „Bau-Section“ [sic.] kreierte. Weiters wurde neben einer „Bau-Abtheilung“ [sic.] eine „Maschinen-Abtheilung“ [sic.]und eine „Administrative und technische RechnungsAbtheilung“[sic.]gegründet57. Nachdem der Generaldirektor Schwarz-Senborn die Idee der Rotunde von Scott-Russel für zweckentsprechend befand, wurde dieser nach Wien eingeladen, um sein Projekt vorzustellen. Dabei gab er eine mündliche Stellungnahme zu seinen Ideen, ohne aber Konstruktionspläne vorzuweisen. Darüber hinaus erklärt er sich nach einem Einwand am ursprünglichen Entwurf bereit, anstatt des vorgesehenen gemauerten Rundbaus, diesen durch eiserne Pfeiler zu ersetzen. Nachdem der Generaldirektor Scott Russel das Versprechen gab, dass die Rotunde nach seiner Idee ausgeführt werden sollte, wurde er mit der Verfassung von Plänen und Baubeschreibungen beauftragt. Statt der angeforderten Unterlagen erschien Scott-Russel lediglich mit drei Skizzen, einer unvollständigen Baubeschreibung und einer summarischen Gewichtsangabe ohne Konstruktionsberechnungen. Da die Zeit drängte, wurden anhand dieser Skizzen, der Baubeschreibung und einer äußeren Ansicht der Rotunde, Offert-Ausschreibungen veranlasst. Von den zehn Angeboten wurde das Günstigste von 55 57
Vgl. Pemsel, 1989, S. 40. diese Abteilungen führte, die gesamte Korrespondenz in drei Sprachen.
15
J. C. Harkort ausgewählt. Da die Daten zur Ausführung der Rotunde unvollständig waren, wurde die Bau-Abteilung mit der Ausarbeitung des Projekts, samt vollständiger statischer Berechnung der Konstruktion beauftragt. Bei diesen Arbeiten stellte sich aber heraus, dass die von Scott-Russel angegebenen Gewichte der Eisenkonstruktion nicht richtig waren. So wurde die Konstruktion meist zu schwach und unausführbar, teilweise unnötig stark bemessen. Die Grundidee eines schirmförmigen Daches wurde aufgrund der Berechnungen als fehlerhaft in Frage gestellt. Nach Scott-Russels Idee sollte die Blechhaut, den Hauptteil der Kräfte tragen. Dass die Berechnung falsch war, zeigte später die Durchbiegung eines 10 m² großen Blechfeldes zwischen den Radialsparren, das sich 7-10 mm durchbog. Dadurch, dass der Vertrag mit Harkort bereits verhandelt war, wurde das Prinzip soweit geändert, dass anstatt der Dachhaut die Radialsparren mit ihren konzentrischen Ringen die Haupttragkonstruktion bildete. Zudem wurde die unausführbare Montierung, die sich Scott-Russel vorstellte, verworfen und in Übereinstimmung mit dem Bauunternehmer Harkort und der Bau-Abteilung, eine andere Montageart vorgenommen. Nach dem Projektvorschlag von Scott-Russel lagen die Rippen der Rotunde nach außen. Die BauAbteilung deutete an, dass es aus konstruktiver Sichtweise einfacher wäre, die Traggerippe nach innen zu legen, da sich in den außerhalb liegenden Kassetten Schnee und Eis anhäufen könnte und diese zu einem erhöhten Reinigungs- und Erhaltungsaufwand führen würden. Dieser Vorschlag der Bau-Abteilung wurde schließlich von Schwarz-Senborn abgewiesen. Für die große Laterne, bestand die Bau-Abteilung auf ihren Änderungsvorschlag, die Konstruktion nach innen zu legen, wodurch das Gewicht der Konstruktion vermindert werden konnte. Um die Materialausdehnungen bei wechselnder Witterung zu reduzieren, sollte nach Scott-Russels Vorstellung das Dach mit Wasser berieselt werden. Da zu diesem Zweck Wasserhebewerke nötig gewesen und die Ausdehnung bei den angenommen Differenzen zu gering wäre, wurde auf diesen Antrag nicht weiter eingegangen. Im Jahr 1872 waren die Pläne soweit ausgearbeitet, dass diese dem Bauunternehmer Harkort übermittelt und auf den neuen Berechnungen basierend Material bestellt werden konnte. Aufgrund der Steigerung der Eisenpreise in Deutschland, England und Belgien, war es schwierig rechtzeitig Eisen zu erhalten. Mit 1. Mai wurde mit Harkort ein neuer Nachtragsvertrag abgeschlossen. Neben neueren Lieferfristen, wurde dem Unternehmen für das 2200 Tonnen übersteigende Mehrgewicht, eine mäßige Preiserhöhung zugestanden 58.
58
Martin Paul: Ausstellungsgebäude. Rotunde ,in Österreichischer Ingenieur- und Architekten-Verein (Hrsg.): Wien am Anfang des XX. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung, Wien², 1906, S. 463.
16
4. Konstruktion und Montage des Industriepalastes 4.1. Die Haupt- und Seitengalerien Der Grundriss des Industriepalastes bestand aus einer 25,263 m breiten und 22,882 m hohen Hauptgalerie. Normal zu dieser Hauptgalerie standen je 16 Seitenhallen von je 15,263 m Breite und 14,275 m Höhe59.
Abb. 16 Industriepalast, Bau des östlichen Endpavilions
Ursprünglich waren die Hallen komplett aus Holzfachwerk, mit stichbogenförmigen Dächern aus Holzfachwerk und eisernen Zugstangen konzipiert. Aufgrund der Tatsache dass zu dem damaligen Zeitpunkt bei der Projektausschreibung zu hohe Preise für Zimmererarbeiten und im Gegenzug bei der Vergabe der Ausschreibung an der Rotunde sehr niedrige Eisenpreise angeboten wurde, entschied man sich für die eiserne Unterkonstruktion. Darüberhinaus hatte eine Eisenkonstruktion bei Wiederverwertung einen höheren Wert als eine Holzkonstruktion, welche nur mehr als Brennholz zu verwerten gewesen wäre60.
59 60
Vgl. Schmidt, Wien, 1873, S.137. Vgl. Schmidt, Wien, 1873, S.143.
17
Abb. 17 Innenraum der Haupthalle, des Industriepalastes
Die Haupthallen des Industriepalasts bestanden aus 68 großen Dachgespärren, die Seitenhalle setzte sich aus 444 kleineren eisernen Dachgespärren zusammen. Diese Fachwerkkonstruktionen, ebenfalls von der Firma Harkort hergestellt, wurden bereits vorgefertigt und auf der Baustelle zusammengesetzt und aufgestellt61. Die gusseiserne Fußplatte der Gespärre lag auf Schwellen, die ihrerseits auf eingerammten Piloten lagen. Die gesamte Fußbodenkonstruktion aus Holzdielen ruhte ebenso auf oben erwähnten Schwellen (Abb. 33). Die Gespärre wurden durch hölzerne Fachwerkkonstruktionen und eiserne Zugglieder ausgesteift. Diese hölzernen Fachwerkkonstruktionen dienten als Unterkonstruktion für das vorgeblendete Ziegelmauerwerk. Die Dachhaut bestandaus einem sich überlappenden Zinkblech, welches auf Holzsparren befestigt wurde. Die spärlichen Elemente der Innenverkleidung wurden mit bemalten Holz und Stuckarbeiten sowie durch dekorative Gusseisenelemente, auf der nach innenliegenden Seite des Fachwerks besonders betont. Um die Malerarbeiten zügig voranzutreiben, wurden Laufgerüste aus Holz entwickelte, die auf Pferdeeisenbahnschienen zu den einzelnen Abschnitten gezogen werden konnten.
61
Vgl. Schwarz-Senborn, Wien, 1872, S. 143.
18
Abb. 18 Seitengallerie kurz vor Fertigstellung
4.2. Überdeckung der Hofräume Die Bereiche zwischen den Galerien wurden je nach Nation unterschiedlich genutzt. So entstanden auf jenen Flächen kleinere eigenständige Einzelbauten, Gärten bis hin zu kompletten Überdeckungen der Zwischenräume. Speziell die Konstruktion der Überdeckung der französischen Abteilung wurde mehrfach angewendet. Bei der Überdeckung handelt es sich um einen Holzbau, welche aus einem erhöhten Mittelschiff und zwei Seitenteilen besteht. Bei dem Ständerbau kamen im Mittelteil der Überdeckung Bohlenbögen zum Einsatz, die die einwirkenden Kräfte auf einen gewöhnlichen Bogen am geeignetsten aufzunehmen schien. Die Bögen bestanden aus zwei Bretterpaaren in der Mitte und einem Bretterpaar welche der Form folgend mit Schraubenbolzen verbunden wurden. Mit dieser Konstruktion konnten Holzbögen durch die gebogenen Bretterpaare auch für größere Spannweiten verwendet werden. Auf diesen Holzbögen lagerte die Pfettendachkonstruktion auf. Um den Seitenschub auszugleichen, wurden durch an die Vertikalstütze angebrachte Holzzangen und Eisenschließen aufgenommen. Der Bogen war aus Eichenholz, während die übrigen Holzteile des Baues aus Tannenholz hergestellt wurden. Die innere Schalung bestand aus gehobelten Brettern, deren Fugen durch Holzleisten überdeckt wurden. Der Fußboden war ähnlich dem des Industriepalastes aus schmalen Halbpfosten ausgeführt worden 62(Abb. 35).
62
Vgl. Radda, Wien, 1872, S. 93-94.
19
4.3. Rotunde Die Rotunde bestand aus 32 im Kreis aufgestellten, parallelepipedischen eisernen Säulen, auf welchen das kegelförmige Dach ruhte. Auf diesem wiederum standen zwei Laternen übereinander, von welchen letztere eine Krone trug, die den Abschluss des Zentralbaus bildete(Abb. 31). Der Durchmesser des Säulenkreises betrug, von Säulenmitte zu Säulenmitte gemessen, 108,832 m. Jede Säule war 1,22 m breit und hatte eine Tiefe von 3,048 m. Die Säulen waren oben schief abgeschnitten und mit kurzem Bogen versehen. Dieser schloss an das Dach mit einer Schräge von 31° an. Jede Säule maß in der Mittelachse 24,4 m in der Höhe. Die Pfeiler wurden mit einem kastenförmigen Ring von 3,548 m Breite und einer Höhe von 1,5 m überdeckt und zusammengehalten. Von diesem Zugring gingen 30 Radialsparren aus, die in einer Höhe von 48,185 m, von einem Druckring zusammengehalten wurden. Dieser Druckring besaß ein Plateau von 4,076 m Breite, auf welchem die 1,524 m breiten Säulen der Laterne aufgestellt waren, sodass nach innen eine Galerie von 1,126 m und nach außen eine Galerie von 1,426 m übrig blieb. An der Innenseite der Hauptpfeiler, in 23,1 m Höhe, war eine weitere, 1,43 breite Galerie angebracht, zu welcher man über zwei Stiegen und zwei Aufzügen gelangen konnte, die zwischen zweier enger gestellten Säulen eingebaut worden waren. Von den 30 Radialsparren gingen jeweils 28 von einer Säule aus, die auf kurzen Anschlussbogen gestützt, mit den Pfeilern verbunden waren. Die beiden übrigen Sparren stützten sich auf den Zugring in der Mitte zwischen den Stützen63(Abb. 36).
Abb. 19 Fertigstellung der umlaufenden Galerie. Moment vor Hebung der Radialsparren.
63
Vgl. Schmidt, Wien, 1873, S. 137.
20
Die Radialsparren waren Blechträger, welche an ihrem unteren Ende beim Zugring eine Höhe von 1,5 m und am oberen Ende bei dem Druckring eine Höhe von 0,61 m, hatten64. Ein Sparren hatte, gemessen vom Zug- bis zum Druckring, eine Länge von 41,42 m. Zwischen den Radialsparren wurden vier horizontale Spannringe in einem Abstand von je acht Meter angeordnet65. Diese wurden durch drei nach oben laufende Dreiecke gehalten und abgesteift, sodass auf die unter dem tragenden Dachgerippe liegende schwere Dachhaut von diesen Versteifungsdreiecken teilweise noch getragen wurde66. Oberlichter waren in der Decke nicht angebracht. Die auf dem Hauptbau aufgesetzte Laterne hatte einen Durchmesser von 30,9 m von Säulenmitte zu Säulenmitte67. Sie bestand aus 30 Pfeilern, welche in der Achse gemessen, je 10,48 m hoch waren. Das Dach mit einer Schräge von 31° hatte eine Höhe von 8,13 m, womit eine Gesamthöhe der Laterne von 18,61 m erreicht wurde. Anders als bei dem Hauptdach lag die 5,6 mm starke Dachhaut über der tragenden Dachkonstruktion. Die Unterkonstruktion bestand aus 30 Radialsparren, einem Zug- und Druckring, sowie drei dazwischenliegenden 4,5 m voneinander abstehenden Horizontalringen. Die erste Laterne hatte ebenfalls keine Dachlichter, sondern nur Seitenfenster, durch welche das Licht in die Rotunde fiel. Im Druckring war wieder ein 3,07 m breites Plateau ausgebildet, auf welchem die zweite Laterne stand. Alle 30 Säulen der Laterne waren an den Knotenpunkten der 30 Sparren des Hauptdaches angebracht. 10 Stück von ihnen wurden stärker ausgeführt als die übrigen, wobei die stärkeren dazu bestimmt waren, die Lasten der zweiten, kleineren Laterne, aufzunehmen 68. Die zweite Laterne hatte einen Durchmesser von 7,44 m Säulenmitte zu Säulenmitte69, eine Höhe von 9,005 m bis zum Dachanfang und ein überhöhtes Kuppeldach von 4,15 m, sodass eine Gesamthöhe von 13,215 m erreicht wurde. Die gesamte Höhe des Zentralbaues vom Fußboden bis zum Kuppeldach betrug 85,3 m70. Um den Zentralbau zog sich ein Rundgang von 11 m lichte Weite und 16,15 m Höhe bis zum Dachanfang. Die Seitenfenster des Rundganges waren11,8 m hoch und 6 m breit. Durch diese und durch die Öffnungen der Laterne fiel Licht in die Rotunde. Für das Dach des Rundgangs waren48 Halbbogen, 4 Querträger zwischen den Rotundensäulen, 8 Diagonalbogen für die Dachkehlen mit 6 Zwischenstücken erforderlich. Diese Dachbogen waren sehr stark konstruierte, massive Blechbogen mit Winkelversteifungen. Die Konstruktion der Galerie war ähnlich wie die der Haupt- und Seitengalerien ausgeführt worden 71. 64
Die Obergurten der Sparren bestanden aus 10 Millimeter starken Blechen, welche in der Breite von unten nach oben, von 600 bis 400 Millimeter, abnahmen. 65 Die Höhe der Spannringe entsprach jeweils der Höhe des Radialträgers am jeweiligen Befestigungsort (siehe Fig. I -IV). 66 Deren Blechdicke von oben abnehmend 12,11 und Zehn Millimeter betrug. 67 einen inneren lichten Durchmesser von 29,38 Meter und Außendurchmesser von 32,43 Meter. 68 dabei standen die schwächeren Laternensäulen, mit ihren geometrischen Achsen aber nicht gleich weit entfernt, um die dekorative Verkleidung der gleich breiten Fenster zu ermöglichen. Ihre Konstruktionsachsen hatten aber die gleiche Entfernung voneinander. 69 einen inneren lichten Durchmesser von 6,948 Meter und Außendurchmesser von 7,932 Meter. 70 ohne der gußeisernen Krone die mit vier Meter Durchmesser und 5,29 Meter Höhe, betrug die Gesamthöhe 80,01 Meter. 71 Vgl. Zeitschrift des Österreichischen Architekten- und Ingenieurveriens: Über den eisernen Centralbau für die Weltaustellung in Wien, von Heinrich Schmidt, Wien, 1873, S.137-138.
21
Auf die innere Galerie führten zwei Stiegen, von wo aus man auf das Dach des Rundganges gelangen konnte72. Ab diesem führten wieder zwei Wendeltreppen auf das Dach der Rotunde, von wo aus gerade, auf dem Radialsparren liegende Stiegen bis zum Druckring angelegt wurden. Diese Stiegen waren mehrmals unterbrochen und liefen horizontalzwischen zwei Radialsparren. Vom unteren Teil des Druckringes führten zwei Wendeltreppen auf das darüber liegende Plateau. Ab da führten jeweils Wendeltreppen auf die einzelnen Dächer der Laterne. An einer Steigleiter konnte man bis zur Krone gelangen73. Für die Berechnung der Dachkonstruktion musste eine Last von 300 kg/m² angenommen werden, wobei auf das Eigengewicht alleine 100 kg/m² und für die zufällige Last (Schnee, Eis und Wind) 200 kg/m² entfielen74.
Für jede der 32 Säulen war ein Betonfundament hergestellt worden, welches an seiner Oberfläche fünf Meterlang und zwei Meterbreit war, sich nach allen vier Seiten mit etwa ein Drittel Anzug abböschte und bis auf die Schotterschichte reichte, die in Tiefen von drei bis fünf Meter getroffen wurde. Die Betonfundamente wurden im Oktober 1871 hergestellt. Da der Beton noch nicht vollständig erhärtet und im November bereits eine empfindliche Kälte eintrat, wurde im März die Tragfähigkeit einzelner Fundamente mit Eisenbahnschienen getestet. Dabei wurde weder eine Veränderung der Form, noch eine Kompression des Untergrunds festgestellt75, womit die Tragfähigkeit der Fundamente gewährleistet werden konnte.
72
Die Treppen waren 80 cm breit und mit Brustgeländer versehen. Vgl. Schmidt, Wien, 1873, S. 138. 74 Vgl. Schmidt, Wien, 1873, S. 139. 75 Vgl. Paul, 1906, S. 462. 73
22
4.4. Montage der Rotunde Auf den Betonfundamenten wurden die mit Winkeleisen eingerahmten Fußplatten der Säulen versetzt und diese mit in den Beton eingelassenen Steinschrauben befestigt. Zunächst wurden nur die Köpfe der Säulen mit den Bogenansätzen in diesen Fußplatten eingestellt. Der verbindende Ring wurde teilweise aufgelegt und vernietet.
Abb. 20 Auflegen des Druckrings auf Betonfundamente. Kurz vor Hebung des Druckringes.
Zunächst wurden auf der äußersten Seite der Säulenstücke Konsolen (mit Zapfenlagern und Zapfen von 130 mm Durchmesser) angeschraubt (siehe Fig. 1-8 Abb. 37). An die Konsolen wurden bewegliche Bügel gesteckt, welche durch Drehen der entsprechenden Schraubenmutter mittels eines Hebels das gesamte Ringstück mit den Säulen anhob. Jede Säule hing somit an zwei Stahlschrauben, welche mit vier Meter langen Hebeln mit Sperrhaken, ähnlich einer Bohrrätsche, an der Mutter versehen wurden.
Abb. 21 Der Ring vor dem vierten Hebevorgang.
23
Da das Gerüst nur eine 180° Drehung zuließ, hob sich der Zugring pro Drehgang um 6,5 mm. Nach einer Hebung von 1,7 bis 1,8 m wurde den Säulen, gut von Kreuzbalkenlagen und Keilen unterstützt, ein Kettenglied zwischen Bügel und Schraube herausgenommen. Daraufhin wurde die Schraube zurückgedreht und das nächste Kettenglied wieder eingehängt. Nach drei Auswechslungen der Kettenglieder war die Konstruktion um 6,3 m angehoben worden und es konnte ein neues Säulenstück von 6,08 m Höhe auf die Lagerplatte untersetzt werden. Daraufhin wurden die aufeinander gesetzten Säulenstücke mit Überlaschungsplatten verbunden, vernietet und Sicherungswinkel eingesetzt. Wiederholt wurde die Konsole am untersten Säulenstück befestigt und der oben beschriebene Vorgang fünfmal wiederholt, bis zuletzt das 3,335 m hohe Fußstückuntergeschoben und vernietet worden konnte.
An jedem der 64 Hebel arbeiteten zuerst drei und zuletzt sechs Mann, um das gesamte System (Ring samt Säulen, mit einem Gesamtgewicht von 1600 Tonnen im letzten Stadium), gleichzeitig und gleichmäßig anzuheben. Alle 300 bis 500 mm Hebung wurden der Stand jeder Säule genau vermessen und eventuelle Differenzen in der Höhenlage ausgeglichen, um Verbiegungen und ungleiche Drücke auf die Gerüste zu vermeiden. Die erste Hebung war bezüglich der Stabilität des Systems die ungünstigste, da die Schwerpunkte der Säulen am weitesten von den Angriffspunkten der hebenden Kräfte entfernt waren und die letzteren somit einen größeren Hebelarm hatten. Dies übte einen ungünstigen Druck auf den noch nicht geschlossenen Ring, und Zug auf die Galerieträger aus.
Abb. 22 Letzte Hebung
Nachdem die ersten Säulenstücke unterschoben worden waren, wurde ein Spannring aus Winkeleisen angebracht, der die Hebekräfte zum Angriffspunkt zu der Lage des Schwerpunkts des Systems begünstigen sollte. Das bewirkte, dass sich die Säulen nur um 1:260 ihrer Länge nach außenschief stellten. Während der Hebungsarbeiten wurde das Mittelgerüst für die Montierung des Druckringes hergestellt und obiges zusammengesetzt. Die Radialsparren wurden in Stücken vor Ort zusammengenietet und über Hebewerkzeuge und Flaschenzüge an ihren Bestimmungsort gebracht. Es wurden immer zwei Sparren zugleich gehoben, wobei die ersten sechs so verteilt wurden, dass der Druckring zentriert blieb.
24
Abb. 23 Druckring bereits auf fertige Höhe. Beginn mit Heben der Radialsparren
Nach dem Aufziehen des Sparrens wurde das auf dem Zugring laufende Gerüst bis zur nächsten Stelle verschoben und die Flaschenzüge am oberen Ende des Druckringes ebenfalls umgehängt. Es wäre an jedem Ende ein Flaschenzug ausreichend gewesen, zur Sicherheit wurden jedoch zwei verwendet.
Abb. 24 Verbindung des Druck und Zugringes mit einzelnen Radialsparren
25
Nach der Entfernung der Gerüste am Druckring war eine Drehung des Plateaus um 24 mm und eine Senkung auf der Südseite beobachtet worde. Diese Umstände wurden dadurch erklärt, dass die Unterstützung der Montierung und Nietarbeiten weniger sorgfältig erfolgte als auf der Südseite. Die Drehung entstand, weil bei den Unterkeilungen immer nur in eine Richtung gearbeitet werden konnte. Diese löste sich, nachdem die Unterklotzungen losgeschlagen und die Dachkonstruktion sich selbst frei überlassen wurde76.
Abb. 25 Ostansicht Rotunde
76
Vgl. Schmidt, Wien, 1873, S. 139-142.
26
Schlussbemerkung Die erste und einzige Wiener Weltausstellung konnte mit dem Industriepalast und insbesondere mit der Rotunde neue Akzente in der Architekturlandschaft setzten. Insbesondere der Terminus „Industriepalast“ für das Hauptausstellungsgebäude wurde seinem Namen gerecht. Ebenso ähnlich eines Palastes, wartete der Ausstellungsbau mit der pompösen Formensprache eines Prachtbaues auf und erfüllte den Zweck eines offensichtlichen Repräsentationsbaus. Bei dem Bau des Industriepalastes bestimmten erstmals vor allem die Funktionalität und konstruktiven Vorbestimmungen den Bau. Dabei zeichnete sich der Industriepalast besonders durch seine Anordnung, Gliederung und Logik aus und grenzte sich so von den vorhergehenden Weltausstellungen ab. Dabei waren es einzelne Neuerungen, die wesentliche Verbesserungen zu den Vorgängerbauten brachten. So wurde mit den Fischgrätensystem, eine optimale Form, bzw. die Lösung für eine Baustruktur gefunden, die alle relevanten Funktionen eines Ausstellungsbaus beinhaltet. Neben den positiven Effekten der besseren Zugänglichkeit und Belichtung war es jenes System, das mit seiner logischen Konstruktion Ordnung und Orientierung in die Formensprache brachte. Aufgrund dieser Idee konnte ein hoher Grad von Funktionalität und Nutzungsvariabilität geleistet werden. Mit den Haupt- und Seitengalerien des Industriepalastes entstand eine weitere Reminiszenz auf den Schloss- und Palastbau, bei dem ähnliche, einzelne Baukörper als Pavillons stärker hervorgehoben werden.So konnte mit der Platzierung von ganzen Nationen in eigenen, in sich abgeschlossenen Abteilungen, eine zukünftige Entwicklung vorweggenommen werden. Dies war somit der Beginn der zukünftigen (Welt-)Ausstellungspraxis indem dem die Ausstellerländer ihr Areal frei gestalten konnten, woraus schließlich das gegenwärtige Pavillonsystem auf Weltausstellungen entstand. Der damals größte Kuppelbau, repräsentierte nicht nur die Kaiserliche Monarchie, sondern war auch ein Zeugnis des kulturellen und technischen Fortschritts jener Zeit. Mit der Rotunde als reiner Repräsentationsbau wurde ein Gegenpart zu der eher schmucklosen und gleichförmig gestalteten Ausstellungshalle geschaffen. Jedoch wirkte sich Scott-Russels Vision, vor allem durch dessen unvollkommene Vorplanung eher störend auf die Grundstruktur aus. So sollte der Zentralbau mit mangelhafter Belichtung, undichten Stellen, und aus der Konzeption hervorgetretenen, konstruktiven Fehlern in Erinnerung bleiben. Verständlich ist, dass mit den überdimensionierten Ausmaßen des Baus kein organisches Gesamtbild entstehen konnte, und dies seinerzeit die Gemüter erhitzte.
Obwohl der Bau und die Konstruktion des Industriepalastes mit dem technisch fortschrittlichsten Material umgesetzt wurde, sollte sich das Stilempfinden der letzten Jahre fortsetzten. Während man im Ausstellungsbau zunächst mit der Glas-Eisenkonstruktion maßgeblich zu Entmaterialisierung und Transparenz beitrug, entschied man sich bedauerlicherweise für den Rückgriffauf eine bekannte Formensprache und somit zur Verkleidung der darunterliegenden Konstruktion. Einzige Ausnahmen bildeten die Galerien, indem die innere Fachwerkkonstruktion
27
ersichtlich und auch verziert wurden, und der gewaltige untere Teil der Kuppel, indem die Struktur der Sparren besonders zum Ausdruck gebracht wurde. Aus diesem Grund sollte aber besonders Scott-Russels Idee, die Konstruktion "unverhüllt" nach außen hin zu zeigen, honoriert werden, auch wenn diese an der konstruktiven Ausformulierung scheiterte. Letztendlich war es vermutlich die inkonsequente Umsetzung einer Leitidee, dass die Rotunde im Gegensatz zum gesamten Industriepalast steht und diesen inhomogen wirken lässt. Dennoch kann gesagt werden, dass mit dem Industriepalast ein architektonisches Unikat geschaffen wurde, mit dem es gelang, Macht und Glanz der Monarchie nach Wien zu holen und diese in die ganze Welt zu expandieren. Insbesondere die Rotunde, ein Ergebnis der eher durchwachsenen Weltausstellung, ließ diesen Effekt noch lange nachwirken und prägte das Stadtbild für Jahrzehnte.
28
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30
Abbildungen: Abb. 01: http://blog.mak.at/wp-content/uploads/Foto1.jpg, Zugriff 10.06.2014. Abb. 02 aus: PEMSEL, Jutta:Die Wiener Weltausstellung von 1873: das gründerzeitliche Wien am Wendepunkt, Böhlau, 1989, S. 41. Abb. 03: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f0/Crystal_Palace.PNG, Zugriff 10.06.2014. Abb. 04: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/8/8d/Vue_officielle_a_vol_d%27oiseau_de _l%27exposition_universelle_de_1867.jpg/1280pxVue_officielle_a_vol_d%27oiseau_de_l%27exposition_universelle_de_1867.jpg, Zugriff 10.06.2014. Abb. 07: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/44/Cirque_d%27%C3%A9t%C3%A9%2C_aux_Ch amps-Elys%C3%A9es%2C_XIXe_si%C3%A8cle.jpg, Zugriff 10.06.2014. Abb. 08: http://static.habsburger.net/files/styles/large/public/originale/johann_ziegler_das_lusthaus_im_prat er_kupferstich_1783_original_1.jpg,Zugriff 10.06.2014. Abb. 09 aus FRIEBE, Wolfgang: Architektur der Weltausstellungen: 1851 bis 1970, Stuttgart, 1983, S.52. Abb. 10: http://de.wikipedia.org/wiki/Circus_gymnasticus_(Wien)#mediaviewer/Datei:Bachszirkel1.JPG, Zugriff 10.06.2014. Abb. 11: PEMSEL Jutta, 1989, S. 62. Abb. 12: http://www.wiener-weltausstellung.at/tl_files/Album/Bauten_Rotunde_innen-mitBaeumen.jpg, Zugriff 10.06.2014. Abb. 13: PEMSEL Jutta, 1989, S. 73. Abb. 14: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/74/Th%C3%A9atre_municipal_d'Avignon.JPG, Zugriff 10.06.2014. Abb. 15: aus Allgemeine Bauzeitung 1856, Tafel 22. Abb. 5,6, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25 aus dem Bildarchiv der Wiener PhotographenAssociation des Technischem Museums in Wien. Abb. 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40: Plantafeln aus: Zeitschrift des österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins, Wien, 1872-1874. Abb. 41: aus: FALKE, Jacob: Die Kunstindustrie auf der Wiener Weltaustellung 1873, Wien, 1873, S. 442.
31
Anhang
32
Abb. 26 Scott Russels Skizzen 1
Abb. 27 Scott Russels Skizzen 3
1 Abb. 28 Scott Russels Skizzen 2
Abb. 29 Grundriss und Ansicht des Industriepalastes
2
Abb. 30 Schnitt durch Haupt- und Seitengallerie, Seitenansicht (Ost) des Industriepalastes
3
Abb. 32 Darstellung des Mittelgerüstes mit Druck-Zugringen und Radialträger der Laternen
Abb. 31Korrigierter Schnitt durch Rotunde, Horizontalschnitt durch Laternen mit eingezeichnetem Aufgang zu den Laternen
4
Abb. 33 Schnitt durch Haupt und Seitengallerie
5
Abb. 34 Schnitt kleines Gespärre, mit Anschluss Details
6
Abb. 35 Konstruktionszeichnungen der Hofüberdeckung der französischen Abteilung
7
Abb. 36 Details Anschlüsse an Druck- und Zugring und Anschluss Blechträger Abb. 37 Konstruktionsskizze der Pfeiler
8
Abb. 39 Diagramm zur erläuterung des Hebeprinzips
Abb. 38 Diagramm: Erläuterung der Montage der Radialsparren, mittels Hebekräne
9
Abb. 40 Umgebungsplan der Wiener Weltausstellung
10
Abb. 41 Situationsplan der Wiener Weltausstellung
11