ÖH Magazin Winter WS21

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Fixes that fail? Oder: Warum der Lobautunnel wenig Sinn macht. Der Bau der Nordostumfahrung und des Lobautunnels ist hochkontrovers diskutiert. Während manche das Projekt als notwendig erachten, blockieren Aktivist*innen die Umsetzung der dazugehörenden „Stadtstraße“. Doch wie sinnvoll ist das Vorhaben? Ein Kommentar. Autorin: Rebekka Jaros / Foto: System Change not Climate Change

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eit Jahren streiten sich Politiker*innen, Umweltschützer*innen und Vertreter*innen der Privatwirtschaft um die Umsetzung der sogenannten Nordostumfahrung der Stadt Wien. Die geplante Umfahrung soll nach Angaben der Stadt den „Regionenring“ um Wien schließen und somit die durch die Stadt verlaufende A23 entlasten. Das Vorhaben schließt die Errichtung eines unterirdischen Tunnels durch die Lobau – und damit durch den Nationalpark Donauauen – mit ein.

Im letzten Jahr hat das Projekt wieder vermehrt Einzug in die Medien gehalten: So hat Umweltministerin Leonore Gewessler letzten Sommer bekanntgegeben, anstehende Autobahn- und Schnellstraßenprojekte der ASFINAG1 einem „Klimacheck“ unterziehen zu wollen.2 Tatsächlich wird im Gutachten zur Umweltverträglichkeitsprüfung des Projekts davon ausgegangen, dass in Prognosen für das Jahr 2025 die Gesamtemissionen auf der S1, zu welcher die geplante Umfahrung gehört, ohne zusätzliche Maßnahmen um rund 38 000 Tonnen CO2-Equivalente pro Jahr steigen würden.3 Andere Schätzungen gehen von einer Wien-weiten Zunahme von etwa 100 000 Tonnen pro Jahr aus.4 Diese Tatsache hat im letzten Jahr viele Menschen auf die Straße getrieben. Seit August besetzen Aktivist*innen zudem die Baustelle, an der die „Stadtstraße“, eine Verbindung zwischen der Seestadt Aspern und der Nordostumfahrung,

entstehen soll.5 „Eine Politik, die ohne Rücksicht auf Verluste alles dafür tut, um mit Vollgas in die Klimakrise zu rasen – und das, obwohl Autoverkehr der Klimakiller Nummer eins ist, werden wir nicht zulassen!“, schreiben die Fridays for Future auf ihrer Homepage.6 Neben dieser erschreckenden Klimabilanz gibt es aber noch weitere Argumente gegen das Projekt: Einem Factsheet der „Scientists for Future“ zufolge könne die Umsetzung des Projektes den Grundwasserspiegel in der umliegenden Gegend absenken und somit Ökosysteme und Landwirtschaft gefährden. Zudem gehe der Bau der Autobahn mit einer großräumigen Flächenversiegelung einher.7 Was spricht nun also angesichts dieser Tatsachen für die Durchführung des Vorhabens? Ein häufig gebrachtes Argument der Befürworter*innen des Projektes ist die Entlastung der Südosttangente als östlichen Abschnitt des Regionenringes sowie der A23, welche durch die Stadt verläuft und seit Jahren stark überlastet ist. Vom Bau der Umfahrung erhofft man sich eine Beruhigung des Stadtverkehrs. So schreibt die Stadt Wien auf ihrer Homepage: „Laut einer Studie namhafter Expert*innen bringt die Nordostumfahrung Wiens inklusive einer Vielzahl weiterer Maßnahmen, wie dem flächendeckenden Parkpickerl, welches mit März 2022 eingeführt wird, und dem Öffi-Ausbau, eine Reduktion - 14 -

Anmerkung der Autorin: Der Artikel wurde vor dem 1.12.2021 verfasst. Klimaministerin Leonore Gewessler hat an diesem Tag in einer Pressekonferenz bekannt gegeben, den Bau der S1 und des Lobautunnels aufgrund der als „Klimacheck“ bekannten Evaluierung zu stoppen. Neben Verkehrssicherheit, wirtschaftlichen- und Regionalentwicklungsaspekten sei Klimaschutz ein zentraler Evaluierungsaspekt gewesen. Bürgermeister Ludwig hat angekündigt, die Entscheidung anzufechten. Die Stadtstraße sowie die S1-Spange sind vom Baustoppausgeschlossen und könnten aufgrund ihrer rechtlichen Voraussetzung für zukünftige Siedlungsgebiete noch gebaut werden. (Der Standard 2.12.2021: Ludwig will Aus für Milliardenprojekt Lobautunnel bekämpfen)

von rund 77.000 Pkws täglich auf der Südosttangente.“8 Der Bau des Lobautunnels wird zudem mit dem raschen Wachstum der Stadt Wien begründet. Insbesondere im 21. und 22. Bezirk steigen die Einwohner*innenzahlen fortlaufend an. Während in den meisten anderen Bezirken die Zahl der Autos vom Bevölkerungswachstum entkoppelt ist, nimmt sie im 22. Bezirk


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