PZ23_19.11.2020

Page 12

SOZIALES & GESUNDHEIT

DIE GEMEINSCHAFT BRAUCHT EUCH

Ihr seid alle wichtig Wir haben als Menschheit ein enormes wissenschaftliches, organisatorisches und politisches Wissen gesammelt. Das hilft uns, Probleme zu verstehen und damit umzugehen. Die weltumspannenden Auswirkungen von Covid 19 sind unvorstellbar, doch gleichzeitig arbeiten weltweit hoch engagierte Menschen zusammen, um dazu beizutragen, diese schwierige Zeit zu überwinden.

I

n zahlreichen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens gibt es neben Erfolgen bei der Problemlösung auch Schwachpunkte, einer davon ist der Mensch selbst. Durch Bildung und persönliche Einsicht ist es viele Male gelungen, dass Menschen problematische Verhaltensweisen geändert haben. Soziale und weniger soziale Medien, aber auch die Politik, bedienen sich der Angst. Angst, kollektive oder individuelle, macht uns ohnmächtig und sie beeinflusst unser Verhalten. Angst vor der Krankheit, Angst vor dem Kontrollverlust, Angst vor einer unsicheren Zukunft oder dass die Freiheit wieder eingeschränkt wird. Angst ist ansteckender als das Virus selbst, sie drückt sich unterschiedlich aus, in Aggression oder in Versuchen, eigene Erklärungen zu finden, um das Ganze einordnen zu können. Soziale und weniger soziale Medien, aber auch die Politik, bedienen sich der Angst, weil mit ihr Geschäfte gemacht werden und weil Angst die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Aus dem unrealistischen Streben nach Sicherheit, wie es etwa laut Prognosen in einem Monat ausschauen wird - im Moment kann das niemand seriös voraussagen - werden persönliche und gesellschaftliche Entscheidungen getroffen, manche davon sind unnötig und ungerechtfertigt. Es ist ja viel leichter, sich als Opfer zu fühlen als selber Verantwortung zu übernehmen.

12

PZ 23 | 1 9. N OV E M B E R 2020

Niemand nimmt es uns ab, uns selber zu informieren, was wahr und was falsch ist. Einfacher ist es für manche, sich in den sozialen Medien „schlau“ zu machen. Dort ist es leicht, sich einen Schuldigen auszudenken und ihn für die Corona Krise verantwortlich zu machen. Es ist ja viel leichter, sich als Opfer zu fühlen als selber Verantwortung zu übernehmen. Wir können das nur ändern, wenn wir beim Menschen anfangen und auf seine Entwicklung, Bildung und Beteiligung Wert legen. Wer nicht dazu gehört, will sich gesellschaftlich auch nicht verpflichten. Menschen, die innerlich oder äußerlich dagegen arbeiten, drücken auch Fehler der Vergangenheit aus. Wenn die Vergangenheit zu viele Verlierer hervorgebracht hat, ist es in der Krise schwierig, an einem Strang zu ziehen. Wer ist vergessen worden? Was war falsch? Was wollen wir ändern? Diese Fragen werden wir uns zu stellen haben. Hier besteht ein großer Bedarf miteinander zu reden. Wenn wir das überspringen, werden wir es nicht schaffen, eine Solidarität unter den Menschen herzustellen. In der Krise braucht es andere Werkzeuge als die üblichen der „zivilisierten“ Gesellschaften: Profitgier, Konkurrenz, Raubbau an der Natur, Misstrauen und Heimlichkei-

ten. Die BürgerInnen, aber auch Vereine und Betriebe sind in vielen Ländern das erste Objekt des Misstrauens von Verwaltung und Politik, auch bei uns ist dieser Ansatz bekannt. Durch diese Krise muss ein neues Verständnis der Gleichwürdigkeit von allen entstehen. Macht, Disziplinierung und Bewertung ermöglichen nicht Innovation und Entwicklung. Wir brauchen Offenheit, Dialog, Toleranz und Respekt vor dem Leben. Gehorsam und Strafandrohung sind Methoden aus einer vergangenen Zeit. Wenn Menschen kooperieren sollen, braucht es Einsicht und Dialog. Vor der zweiten Welle haben wir erkannt, dass sich die Verbreitung des Virus vor allem im privaten Kontext vollzogen hat. Je mehr Kontrolle, desto heimlicher findet manches statt. Aus Fehlern in der Anfangsphase lernen wir erst, wenn wir offen mit ihnen umgehen können und nicht nur verurteilen. Was wir jetzt brauchen, ist etwas ganz anderes als Kontrolle. Es braucht von uns allen eine starke persönliche Haltung von Mitgefühl für die Menschen, die besonders gefährdet sind. Wenn sich aber zu viele als Verlierer fühlen, kann das nicht entstehen. Jeder Einzelne soll sich als wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft fühlen dürfen. Hier besteht ein großer Bedarf miteinander zu reden.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.