HANS RIEDER
KULTUR & KUNST
„Bsundra Leit“ Hans Rieder aus Steinhaus hat bereits einige sehr interessante Geschichten über das harte Leben von damals geschrieben. Er lässt Zeitzeugen vorwiegend aus dem bäuerlichen Umfeld zu Wort kommen, deren Aussagen die Not, die Armut und die Mühen des Alltags erahnen lassen. Für sein neuestes Werk sammelte er Lebensgeschichten von besonderen Leuten: „Bsundra Leit“ eben, die auch heute noch Gesprächsstoff liefern, mit Erinnerungen und Episoden aus ihrem Leben. Ein solcher Mensch ist Vitus Marcher, der „Locha Vitus“ aus dem Ahrntal. Ein Portrait von Hans Rieder aus seinem neuen Werk „ Bsundra Leit“
Von seinem Vater gleichen Namens erbt der Vitus das kleine Anwesen in St. Peter. Im Jahre 1925 heiratet er seine Anna Maurberger, die Hoferbin vom Lacher in St. Jakob. Das Feld liefert Futter für einige Kühe, dazu hält man beim Lacher immer ein Schwein und Hennen. Ein Zubrot verdient sich der Vitus als Handwerker. Er ist ein geschickter Fachmann, wenn es um die Herstellung von Arbeitsgeräten für die Feldarbeit geht. Die handgeflochtenen Tragkörbe, die er in allen Größen herstellt, sind im Dorf und darüber hinaus besonders gefragt. So brennt in seiner Werkstatt oftmals bis spät in den 68
PZ 23 | 1 9. N OV E M B E R 2020
Bsundra Leit
A
Rieder
Einfach war das bäue rliche Leben nie. Der harte Lebensall tag, oft gepaart mit persönlichen Schicksalsschlägen , prägte die Mensche n und formte besondere Leute – bsun dra Leit eben, die auf unterschiedlichste Art und Weise ihr Leben meis terten. Die heute oft kaum mehr vorstellbaren Geschichten hinter den Mensche n lassen erkennen, mit welchem Gottvertrauen und welcher Tüchtigkeit den Hindernissen begegnet wurde … athes ia-tap peiner .com
24,90 € (I/D/A)
uffallend groß, hager, ein Mann und Bauer mit kantigem Gesicht, immer gut gelaunt und neugierig, was im Dorf geschieht oder was gerade Tagesgespräch ist. So gestaltet sich der erste Eindruck eines Mannes, der über Jahrzehnte aus dem Dorfleben von St. Jakob nicht wegzudenken ist. Der Vitus Marcher, do Locha Vitus, wird im Jahre 1902 beim Stegler in St. Peter geboren. Dort wächst er auf, verbringt seine Jugendjahre am Hof und packt bereits in jungen Jahren bei der Arbeit am heimatlichen Hof und bei den Bauern im Dorf an. Zu der Zeit werden die Lebensmittel fast ausschließlich am Hof erzeugt, der Bauer ist Selbstversorger. Die Ansprüche bleiben bescheiden, Geld, um sich zusätzlich etwas kaufen zu können, ist kaum oder gar nicht verfügbar. Für Tagschichten bei Nachbarn gibt es keine Bezahlung, sondern sie werden vielfach ougidient, das heißt, der Dienst wird in Form von Arbeit rückerstattet. Mit wenig auszukommen, arbeitsam zu sein und trotzdem immer zuversichtlich nach vorne zu blicken, prägt zeitlebens die Grundeinstellung von Vitus. In die Lebenszeit von Vitus fallen auch die beiden Weltkriege. Obwohl er als Soldat nie einberufen wird, spürt er die Wirren des Krieges, den Hunger, die Armut und erlebt, wie Menschen aus dem Tal in den Krieg ziehen müssen und nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren.
Autor Hans Rieder: Ein neues Buch geschrieben.
Bsundra Leit
Hans Rieder
Abend das Licht, bis ins hohe Alter werkelt do Vitus in seiner Mochhitte.
DER INHALT
VATER, FAMILIENMENSCH UND BAUER
Frühere Zeiten, spannende Geschichten: gelebt von Generationen, die über Jahrhunderte die Bauernkultur prägen und Lebensräume gestalten. Der Inhalt des Buches „Bsundra Leit“ spiegelt diesen Alltag wider, veranschaulicht mit vielen alten Bildern. Das Buch ist im Athesia-Tappeiner Verlag erschienen. //
Wie damals üblich, kommen auch beim Lacher in St. Jakob viele Kinder zur Welt und wachsen dort auf. Die Not ist groß, die hungrigen Mäuler müssen irgendwie gestopft werden. Oftmals ist wenig da, dann grämt sich die Mutter Anna. Sie weiß nicht, wo sie das Mehl zum Kochen hernehmen soll. Insgesamt werden ban Locha in den Jahren zwischen 1925 und 1943 14 Kinder geboren. Zwei davon sterben bereits im Kindesalter, die Regina erliegt mit 17 Jahren einer unheilbaren Krankheit. Wie damals üblich, werden die Kinder bereits im Kindesalter aus dem Haus geschickt. Sie kommen auf größere Höfe in der Umgebung, übernehmen früh verschiedene Arbeiten und gehen von dort aus zur Schule. Meistens sind sie als Hüterbuben eingesetzt, die Mädchen helfen bei den verschiedenen Arbeiten, die im Haus anfallen. Damit entgehen sie der ärgsten Not daheim, sie bekommen das Essen und finden andernorts eine Bleibe. Nicht immer geht es diesen Kindern in ihrem neuen Zuhause gut. Aber es gibt keine Alternative: Die Kinder haben dort zu bleiben, wo für sie ein Platz und das Essen da ist.
Wie großherzig die Locha sind, zeigt ein anderer Umstand. Obwohl kaum genug für die eigenen Kinder da ist, nehmen sie noch zwei Ziehkinder, Johanna Enz und Kurt Ungericht, bei sich auf und geben ihnen ein Zuhause. Derweil kümmert sich der Vitus um einen Zusatzverdienst. Er hilft bei verschiedenen Bauern aus, ist oft als Togewercha (Taglöhner) auf anderen Höfen unterwegs. Auch führt er kleinere Zimmermannsarbeiten aus, richtet und hackt das Holz. Damit steuert er zusätzlich etwas zum Einkommen der Großfamilie bei, zu wenig wirft der Kleinhof für alle ab. Wie groß die Not am Hof ist, zeigt sich auch daran, dass für die vielen Kinder nicht genug Sonntagsschuhe da sind. So behilft man