Rheuma Management, Ausgabe März/April 2022

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Rheuma MANAGEMENT | März/Apr 2022

STREITTHEMA IN DER RHEUMATOLOGIE

Biosimilars: Kommt der Austausch durch die Apotheken? Vor allem in der Rheumatologie nimmt die Bedeutung biotechnologisch hergestellter Arzneimittel (Biologika) zu. Um Kosten zu sparen, werden die Vertragsärzte dabei angehalten, die in der Regel preisgünstigeren Nachahmerpräparate (Biosimilars) zu verordnen. Das klappt auch ganz gut. So sind nach Auskunft der Arbeitsgemeinschaft Pro Biosimilars allein im Jahr 2020 durch die Verordnung von Biosimilars Einsparungen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro erzielt worden.* Dennoch beauftragte der Gesetzgeber in § 129 Abs. 1a Satz 3 SGB V den Gemeinsamen Bundesausschuss (G­-BA), Hinweise für die Austauschbarkeit von Biologika durch Biosimilars zu geben, und zwar durch Apotheken! Ein entsprechender Beschluss soll bis August 2022 vorliegen.

Zwar kann bei allen Biosimilars, die mit Bezug auf dasselbe Referenzarzneimittel die Zulassung erhalten haben, auf Grundlage der Prüfung von Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit durch die Zulassungsbehörde grundsätzlich von einer therapeutischen Vergleichbarkeit ausgegangen werden. Dennoch besteht bei einer Umstellung ein erhöhter Beratungs- und Aufklärungsbedarf gegenüber dem Patienten.

Problemfelder Beratung, Erklärung und Nachverfolgbarkeit

Gegen diese Form der Austauschbarkeit regt sich jedoch massiver Widerstand, und zwar sowohl aus der Ärzteschaft als auch aus Apothekerkreisen. Sehen die Ärzte vor allem die Kontinuität der Patientenbehandlung in Gefahr, dürften sich bei einem automatischen Austausch vor allem die Apotheker mit haftungsrechtlichen Fragen konfrontiert sehen.

Gegenwind von Ärzten und Apothekern Beide Seiten verweisen darauf, dass Biosimilars nicht mit Generika vergleichbar sind. Letztere werden beispielsweise bei Vorliegen eines Rabattvertrages bedenkenlos anstelle eines Originalpräparats ausgegeben. Hingegen ist die therapeutische Vergleichbarkeit von Biosimilars und ihren Referenzarzneimitteln nicht hundertprozentig gegeben. Da die Wirkstoffe von biologischen Arzneimitteln in lebenden Zellen von Tieren und Pflanzen oder gentechnisch veränderten Organismen gewonnen werden, sind Biosimilars nicht immer völlig identisch mit dem Original(wirkstoff ). Zum einen gibt es beim Einsatz von lebenden Zellen natürliche Abweichungen und zum anderen können bereits minimale Veränderungen der Herstellungsparameter Einfluss auf den Produktionsprozess haben.

Dies ergibt sich auch aus der Neufassung der Arzneimittelrichtlinie (AMRL). Gemäß § 40a Abs. 3 Satz 4 AMRL soll der behandelnde Arzt den Patienten über die Gründe der Umstellung auf ein Biosimilar informieren. Liegen dabei patientenindividuelle medizinische Gründe vor, die gegen den Wechsel auf ein anderes, „biosimilares“ Präparat sprechen, wie beispielsweise erwartbare Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten oder auch eine bestehende instabile Therapiesituation, so hat die Umstellung zu unterbleiben. Darüber hinaus soll nach § 40a Abs. 3 Satz 5 AMRL bei Wirkstoffen, die von Patienten allein appliziert werden, die Handhabung der Applikation des neuen Arzneimittels von dem behandelnden Arzt oder vom medizinischen Fachpersonal demonstriert werden. Werden nun jedoch die Apotheken dazu berechtigt bzw. verpflichtet, die Umstellung in eigener Verantwortung durchzuführen, stellt sich die Frage, ob die in § 40a AMRL genannten Pflichten auf sie übergehen. Um diese jedoch erfüllen zu können, müssten die Apotheker wissen, welche patientenindividuellen Besonderheiten vorliegen. Wie soll das funktionieren? Schließlich haben die Apotheker keinen Einblick in die Patientenakte. Zudem muss die Umstellung auf ein Biosimilar dem Patienten erklärt werden. Den Apothekern wird dabei eine Beratung übertragen, welche die Qualität eines „Arzt-Patienten-Gespräches“ erreichen soll. Wo soll dieses Gespräch stattfinden? Im Verkaufsraum der Apotheke? Oder im Aufenthaltsraum der


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