BOLÉRO
![](https://assets.isu.pub/document-structure/230424082503-55ae946b0c6a39c71c7c79f6290679d4/v1/d141f5e4bb46384d29da1155e243ec32.jpeg)
24. MAI 2023
19.30 UHR STADTCASINO
PROGRAMM-MAGAZIN NR. 9
SAISON 22/23
Sinfonieorchester Basel
Behzod Abduraimov, Klavier
Pierre Bleuse, Leitung
24. MAI 2023
19.30 UHR STADTCASINO
PROGRAMM-MAGAZIN NR. 9
SAISON 22/23
Sinfonieorchester Basel
Behzod Abduraimov, Klavier
Pierre Bleuse, Leitung
Die Dynamik macht den Unterschied. Als dynamischster SUV von Mercedes-Benz verkörpert der neue GLC modernen und sportlichen Luxus in allen Details. Dabei ist er auf jedem Terrain zuhause: ob onroad oder offroad – überall überzeugt er mit Komfort und Agilität.
Unsere musikalische Reise mit dem ‹Soundatlas› neigt sich langsam dem Ende zu. Im vorletzten Abonnementskonzert möchten wir Sie dazu einladen, in farbenfrohe Klanglandschaften zwischen französischer Eleganz und spanischer Leidenschaft einzutauchen. Tänze mit spanischen Rhythmen und faszinierenden Instrumentalfarben ziehen sich wie ein roter Faden durch das Programm – angefangen bei Manuel de Fallas Ballettmusik Der Dreispitz bis zu Claude Debussys Images pour orchestre und dem Boléro von Maurice Ravel. Letzteres Werk hat inzwischen Kultstatus. Dabei besteht der Boléro streng genommen nur aus einem einzigen rhythmischen Model, das insgesamt 169 Mal wiederholt wird. Die ekstatische Wucht, die daraus entsteht, begeistert im Konzertsaal immer wieder.
Wir freuen uns sehr auf zwei Debüts. Nachdem der junge Dirigent Aziz Shokhakimov im vergangenen Oktober Debussys La Mer dirigiert hat, wird mit dem Pianisten Behzod Abduraimov ein weiterer prominenter Künstler aus Usbekistan nach Basel kommen. Abduraimov wird dabei das berühmte 1. Klavierkonzert von Pjotr Iljitsch Tschaikowski interpretieren. Ausserdem dirigiert Pierre Bleuse erstmals unser Orchester.
Mehr Einzelheiten und Hintergründe zum Programm können Sie in der neuesten Ausgabe unseres ProgrammMagazins erfahren. Wir wünschen Ihnen bei der Lektüre viel Vergnügen.
HansGeorg Hofmann Ivor Bolton Künstlerischer Direktor ChefdirigentBehzod Abduraimov, Solist in Tschaikowskis Klavierkonzert Nr. 1 bMoll
VORVERKAUF
Bider & Tanner – Ihr Kulturhaus in Basel
Aeschenvorstadt 2, 4051 Basel +41 (0)61 206 99 96
ticket@biderundtanner.ch
Billettkasse Stadtcasino Basel
Steinenberg 14 / Tourist Info
4051 Basel
+41 (0)61 226 36 30
tickets@stadtcasinobasel.ch
Sinfonieorchester Basel
+41 (0)61 272 25 25
ticket@sinfonieorchesterbasel.ch www.sinfonieorchesterbasel.ch
Das Stadtcasino Basel ist rollstuhlgängig und mit einer Induktionsschleife versehen. Das Mitnehmen von Assistenzhunden ist erlaubt.
PREISE CHF 105/85/70/55/35
ERMÄSSIGUNGEN
• Junge Menschen in Ausbildung: 50 %
• AHV/IV: CHF 5
• KulturLegi: 50 %
• Mit der Kundenkarte Bider & Tanner: CHF 5
• Begleitpersonen von Menschen, die für den Konzertbesuch eine Begleitung beanspruchen, haben freien Eintritt. Die Anmeldung erfolgt über das Orchesterbüro.
Das Sinfonieorchester Basel verwendet geschlechtergerechte Formulierungen und weist Autor*innen bei der Vergabe von Text aufträgen im Vorfeld darauf hin. Es steht den Autor*innen jedoch frei, ihre Texte individuell zu gestalten.
Manuel de Falla (1876–1946): Suite Nr. 2 aus Der Dreispitz (1919)
I. Los vecinos (Seguidillas)
II. Danza del molinero (Farruca)
III. Danza final (Jota)
Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840–1893):
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 bMoll, op. 23 (1874)
I. Allegro non troppo e molto maestoso
II. Andantino semplice
III. Allegro con fuoco
Claude Debussy (1862–1918): Images pour orchestre (1912)
I. Gigues
III. Rondes de printemps
Maurice Ravel (1875–1937): Boléro (1928)
18.30 Uhr: Konzerteinführung mit Lea Vaterlaus im Musiksaal
Sinfonieorchester Basel
Behzod Abduraimov, Klavier
Pierre Bleuse, Leitung
ca. 12’
ca. 32’
ca. 16’
ca. 13’
Konzertende: ca. 21.30 Uhr
Während des 1. Weltkriegs erhielt das neutrale Spanien einen belebenden Zustrom
ausländischer Künstler*
innen, die auf der Suche nach Alternativen zu den Kunststädten Paris, Berlin und Wien waren. Unter ihnen befanden sich auch der Impresario Sergei Djagilew und seine Ballets Russes, die sich zu besonderen Lieblingen von König Alfons XIII. entwickelten. Djagilew und Manuel de Falla besprachen mehrere mögliche Projekte und einigten sich auf eine Adaption der komischen Novelle El sombrero de tres pico s (Der dreizackige Hut) des Schriftstellers Pedro Antonio de Alarcón.
De Falla komponierte zunächst die Bühnenmusik für eine Pantomime, El corregidor y la molinera, als welche die Novelle zunächst aufgeführt wurde – nach einem Stück in zwei Szenen, das von seinen bewährten Mitarbeiter*innen, dem Ehepaar Gregorio Martínez Sierra und María Lejárraga, geschrieben worden war.
Alarcóns Novelle enthält eine verwirrende Menge an Ereignissen, aber der zentrale Erzählstrang folgt den traditionellen Charakteren eines eifersüchtigen Müllers, sei ner schönen jungen Frau und eines lüster nen Corregidors (der örtliche Magistrat, dessen Position durch seinen dreizackigen Hut markiert ist). Der tölpelhafte, aber hartnäckige Corregidor wird auf Schritt und Tritt ausgebremst, von seinen eigenen Wachtmeistern fälschlicherweise verhaftet und in einem Finale der allgemeinen Heiterkeit einem bäuerlichen Brauch entsprechend mit einer Bettdecke beworfen. Für Djagilew vergrösserte de Falla das Orchester und strich einige Neben figuren aus dem zweiten Teil, während er ein Solo speziell für Leonid Massine hinzufügte, der das neue Ballett choreografierte und die Rolle des Müllers tanzte. Pablo Picasso entwarf das Bühnenbild und die Kostüme, und auf seinen Wunsch hin schrieb de Falla eine Einleitung und ein Sololied, die aufgeführt wurden, bevor sich der von Picasso gestaltete Vorhang hob. Das Ballett wurde
als Le tricorn e 1919 mit grossem Erfolg in London uraufgeführt und begründete den internationalen Ruf von de Falla.
Die 2. Suite beginnt damit, dass sich die Nachbarn des Müllers versammeln, um das Johannisfest zu feiern und Seguidillas zu traditionellen Melodien zu tanzen, darunter eine, die auch in Jerónimo Giménez’ Zarzuela La boda de Luis Alonso verwendet wurde. Schliesslich hat der Müller sein Solo, eine dunkle und feurige Flamenco-Farruca, der erdigste Tanz des Balletts. Die vielen Themen der Komposition werden in der abschliessenden Jota zusammengeführt, die chaotischer Höhepunkt und jubelnde Auflösung in einem ist.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Los Angeles Philharmonic Association
Suite Nr. 2 aus Der Dreispitz
BESETZUNG
2 Flöten, Piccolo, 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug, Harfe, Celesta, Streicher
ENTSTEHUNG
1916–1919
URAUFFÜHRUNG
22. Juli 1919 im Londoner Alhambra Theatre mit Sergei Djagilews Ballets
Russes
DAUER ca. 12 Minuten
BEHZOD ABDURAIMOV im Gespräch
Der Vergleich hinkt natürlich. Aber wenn sich Behzod
Abduraimov am Klavier
immer weiter den Tasten entgegenneigt und beim Atmen fast schnaubt, muss man unwillkürlich an Glenn Gould denken. Der Stil des 32jährigen Pianisten ist ein ganz anderer, sicher. Und im Gespräch begegnet man einem humorvollen, zuweilen selbstironischen jungen Mann, der keinerlei Ticks pflegt und am liebsten vor Publikum spielt. Überhaupt ist er gerne unter Menschen, vor allem an einer grossen Tafel, so wie in seiner Heimat Usbekistan. Ein Austausch über Kraftmeierei und
Balance, Blumenberge und Tschaikowskis 1. Klavierkonzert, das er mit dem Sinfonieorchester Basel aufführen wird.
CS Behzod Abduraimov, wie kommt ein Kind in Usbekistan – einem Land der Karnay und der Trommeln – darauf, Klavier zu spielen?
BA Mit einer Klavierlehrerin als Mutter. Doch ich gehörte sicher nicht zu den Kindern, die sich mit drei, vier Jahren zum Instrument quengeln. Erst als ich sechs war, hat mir meine Mutter die Grundlagen beigebracht. Und dann ging es in Taschkent auch bald weiter bei Tamara Popowitsch.
CS Die Russische Klavierschule scheint durch die einstige Anbindung an die Sowjetunion eine grosse Rolle zu spielen.
BA Absolut! Viele wissen gar nicht, dass das Leningrader Konservatorium während des 2. Weltkriegs nach Taschkent evakuiert wurde. Es kamen also viele Musiker*innen, Lehrer*innen, Professor*innen, und einige davon sind nach dem Krieg einfach geblieben. Ich sass quasi an der Quelle!
CS Gehört Pjotr Iljitsch Tschaikowski deshalb zu Ihren Favoriten?
BA Da bin ich nun wirklich nicht allein. Aber klar, bei einer russisch geprägten Ausbildung kommt man an diesem Komponisten und dem zentralen bMollKonzert nicht vorbei.
CS Wie nähert man sich diesem Stück, das jeder kennt?
BA Das TschaikowskiKonzert ist das am meisten gespielte Klavierkonzert. Und wie bei Beethovens 5. Sinfonie weiss jeder schon mit den ersten Tönen, was kommt. Ich selbst habe das bMollKonzert mindestens 300 Mal gespielt, und man könnte denken, das wird Routine, es stellt sich vielleicht sogar ein gewisser Überdruss ein. Im Gegenteil! Meine Interpretation hat sich in den letzten Jahren ständig weiterentwickelt und ver ändert. Sobald ich am Klavier sitze und die Hörner diese ikonische Eröffnung spielen, reisst mich das mit, und ich habe immer das Gefühl, es ist das erste Mal.
die er zufällig auf der Strasse gehört hatte. Das mögen keine sonderlich eleganten Tänze sein, aber sie sind spannungsgeladen und kraftvoll.
CS Ausgerechnet Tschaikowskis Freund und Mentor Nikolai Rubinstein war der Meinung, das Konzert sei «armselig» komponiert.
BA Verrückt, oder? Dafür fand es Hans von Bülow formvollendet, er hat das Klavierkonzert 1875 ja auch in Boston uraufgeführt. Balsam für Tschaikowskis Seele! Allein die Vorstellung, wie er da sass und dem so bewunderten Rubinstein das Konzert vorspielte – stolz, erwartungsvoll – und dann diese beleidigenden Kommentare über sich ergehen lassen musste: «völlig unspielbar» oder «vulgär». Glücklicherweise beschloss Tschaikowski, nichts zu ändern.
CS Am Ende hat er das Konzert dennoch überarbeitet.
BA Mehrmals sogar, allerdings nicht grund legend, sondern nur Details.
CS Technische Hürden nehmen Sie mit links. Gehören Sie zu diesen Musiker*innen, für die das Üben Genuss ist?
CS Man braucht eine Menge Kraft, aber es gibt auch ganz zarte, lyrische Passagen. Wie finden Sie die richtige Balance?
BA Das ist eine Gratwanderung, gerade im 1. Satz, der gleich mit den wuchtigen Doppelgriffakkorden beginnt. Was für ein starkes Statement! Doch donnern allein führt nicht weiter. Nie. Denn auf der anderen Seite gibt es diese sehr melancholischen Passagen voller Poesie. Für mich ist das wie ein Konflikt, der auf sehr verschiedenen Ebenen ausgetragen wird. Im Zusammenspiel mit dem Orchester ist das wie richtig gute Kammermusik im grossen Massstab. Die Dramatik, die Tschaikowski in dieses Werk gelegt hat, ist absolut genial. Alles hat Sinn, weil jedes Detail der Musik dient. Dann haben wir das erhabene Thema des 2. Satzes, das Zwischenspiel der Holzbläser, das Cello – wieder komme ich auf die Kammermusik. Das Besondere des 3. Satzes ist schliesslich der Tanz. Tschaikowski übernahm ganze Melodiefolgen aus ukrainischen und russischen Volksliedern,
BA Nein! Ich muss wirklich malochen, um in guter Form zu sein. Meine Lehrerin Tamara Popowitsch hat es verstanden, Kinder zu unterrichten. Mit ihren Methoden muss man nicht immer einverstanden sein, doch sie sagte ganz klar: «Solange Du Dich mit der Technik aufhalten musst, machst Du keine Musik, Behzod.» Für mich war das der richtige Rat. Und dann wechselte ich zu einem Lehrer, der mir die musikalische Seite vermittelt hat, die unterschiedlichen Interpretationsstile, das Entwickeln einer eigenen Handschrift, auch den Umgang mit dem ganz grossen Klang, der leicht zur Kraftmeierei wird.
CS Sie sind 2006 mit nur 16 Jahren in die USA gegangen – alleine?
BA Ganz allein, meine Tasche war wahrscheinlich grösser als ich selbst und alles vollkommen neu. Aber ich war auf dieses Abenteuer vorbereitet. Meine Lehrerin hat mir im Alter von zehn, elf Jahren klargemacht, dass ich ins Ausland muss, um ein guter Konzertpianist zu werden. In Kansas
«Donnern allein führt nicht weiter.»
City hat mich dann Stanislav Ioudenitch unterrichtet, der selbst aus der Ukraine kam. Es war also nicht ganz so schwierig, und Stanislav wurde zur Ersatzfamilie. Da hatte ich viel Glück. Wir sind bis heute in Verbindung, und ich schätze seinen Rat!
CS Immerhin haben Sie zwei Jahre später die International London Piano Competition gewonnen.
BA Für meine Karriere war das ganz entscheidend, sie ist tatsächlich durch diesen Wettbewerb international angestossen worden. Ich wollte immer in den grossen Konzertsälen mit den besten Orchestern spielen. Und nun konnte ich gleich mit dem London Philharmonic in der Royal Festival Hall auftreten. Ein Traum!
CS Wie reagiert das Publikum, wenn Sie in Ihrer Heimat auftreten?
BA Man spürt eine grosse Dankbarkeit, die Wertschätzung ist enorm. Und die Menschen bringen Berge von Blumen mit.
CS Darf Ihre Mutter Sie noch kritisieren?
BA Na klar! Aber sie ist ziemlich stolz auf mich. Wenn sie mich kritisiert, dann für ganz andere Dinge, die mit der Musik überhaupt nichts zu tun haben. Alltägliches, wie in allen Familien.
CS Sie kommen aus einem Land, in dem der Rhythmus und der Tanz eine grosse Rolle spielen. Auf jedem Fest wird man sofort animiert mitzutanzen. Hat Sie das als Kind geprägt?
BA Ich kann von mir wirklich nicht behaupten, dass ich viel tanze, aber diese Tradition hat mich bestimmt beeinflusst, mir sogar eine gewisse Ausdauer vermittelt. Der Rhythmus trägt einen ja, und vielleicht sitzt er bei mir in den Knochen.
CS Welche Rolle spielt die klassische westliche Musik im öffentlichen Leben Usbekistans?
BA Die Tradition ist noch nicht so alt, aber die klassische Musik war durch den 2. Weltkrieg plötzlich da, und das in einer sehr intensiven, hochkarätigen Form. Es gibt in Taschkent eine Oper, mindestens vier Orchester, drei Kammerorchester, und es kommen auch internationale Künstler und Orchester nach Usbekistan. Wir sind also gut versorgt mit klassischer Musik. Und die Säle sind voll! Gerade unter den jungen Leuten gibt es viele Fans.
«Der Rhythmus trägt einen ja, und vielleicht sitzt er bei mir in den Knochen.»
Pjotr Iljitsch Tschaikowskis
1. Klavierkonzert ist eine der gelungensten Kompositionen dieser Gattung und zweifellos das berühmteste Instrumentalkonzert des 19. Jahrhunderts. Fast so berühmt wie der legendäre Anfang des Konzerts ist seine Entstehungsgeschichte. Denn die selbstverständliche Regelmässigkeit, mit der es auf heutigen Spielplänen zu finden ist, war dem Konzert nicht in die Wiege gelegt. Im Gegenteil: Tschaikowskis allererste Präsen
tation des Werks im privaten Rahmen für seinen Förderer und Gönner Nikolai
Rubinstein war Anlass für eine der kapitalsten Fehlein
die Musiker*innen je widerfahren sind.
Doch der Reihe nach: Tschaikowski begann im Winter 1874/75 mit der Arbeit an seinem Klavierkonzert und war zu dieser Zeit noch wenig erfahren im Umgang mit dem Klavier. Schriftliche Notizen und Pläne für das Werk gibt es kaum; erst Jahre später formulierte er seine Vision in einem Brief an seine enge Vertraute Nadeschda von Meck: «Das Verhältnis von Klavier und Orchester ist ein Kampf zweier ebenbürtiger Kräfte.» Es gehe um ein «gewaltiges, an Farbenreichtum so unerschöpfliches Orchester, mit dem sich der kleine, unscheinbare, doch geistesstarke Gegner auseinandersetzt und auch siegt, wenn der Pianist begabt ist.» Auch wenn die Ausformulierung dieser Au ffassung erst später erfolgte, so komponierte Tschaikowski sein Klavierkonzert doch ganz aus dieser Haltung heraus: als noblen Wettstreit.
Ursprünglich war das Werk dem Pianisten Nikolai Rubinstein zugedacht, seinem Förderer und Direktor des Moskauer Konservatoriums. Dem Treffen mit dem berühmten Musiker fieberte Tschaikowski entgegen; umso grösser war die Bestürzung darüber, dass Rubinstein kaum ein gutes Haar an dem Konzert liess. Aus einem weiteren Brief an Nadeschda von Meck wissen
wir von Tschaikowskis Gefühlen während dieses Treffens: «Da ich kein Pianist bin, wollte ich meine Kompositionen einem Klaviervirtuosen zeigen, damit er mir sage, ob alles aufführbar, effektvoll und dankbar sei. Ich wusste, dass Nikolai Rubinstein nicht verfehlen würde, seine Launen spielen zu lassen. Da er aber der grösste Pianist von Moskau ist, entschloss ich mich doch, ihn zu bitten, mein Konzert anzuhören. Er wäre auch sehr beleidigt gewesen, wenn ich einen anderen Pianisten aufgesucht hätte. Ich spielte ihm den ersten Satz vor. Kein Wort, keine Bemerkung! Wenn Sie wüssten, wie dumm man sich vorkommt, wenn der Freund die für ihn zubereitete Speise einfach verzehrt und dann schweigt! […] Ich nahm mich indessen zusammen und spielte bis zum Ende. […] Rubinstein fing an zu reden, zunächst leise, dann immer lauter werdend bis zum Jupiterton. Er sagte, mein Konzert sei schlecht, unspielbar, die Läufe abgedroschen und ungeschickt, die Erfindung schwach. Gestohlen hätte ich auch hier und dort. Ich war erstaunt
und beleidigt. Schweigend ging ich hinaus. Ich war einfach wütend. Später sagte er mir, er wäre bereit, mein Konzert zu spielen, wenn ich dies und jenes ändern wollte. Ich ändere keine einzige Note, erwiderte ich ihm, das Konzert bleibt so, wie es ist.» Was immer auch den grossen Nikolai Rubinstein zu seiner Meinung veranlasst haben mochte – er blieb glücklicherweise einer der ganz wenigen, die das Werk ablehnten. Und noch glücklicher dürfen wir uns schätzen, dass der sonst zu Änderungen und Kompromissen durchaus bereite Tschaikowski hier nicht nachgab und an seiner Konzeption des Konzerts festhielt. Die Widmung wurde kurzerhand aus der Partitur gestrichen, Tschaikowski bot das Werk dem Pianisten und Dirigenten Hans von Bülow an, der sich überaus erfreut und dankbar zeigte, das Werk am 25. Oktober 1875 in Boston zur Uraufführung zu bringen. Es wurde ein grosser Erfolg. Nach drei Jahren erlebte das Klavierkonzert seinen endgültigen Durchbruch in Europa. Es ist das bis heute am meisten auf Tonträger verkaufte Instrumentalkonzert.
Im 1. Satz (Allegro non troppo e molto maestoso) wird mit hellen Fanfarenklängen eine der berühmtesten Eröffnungen des klassischen Konzertrepertoires vorgetragen. Dass die Melodie aus der russischen Provinz stammt, würde man niemals erraten. Tschaikowskis Bruder Modest wusste aber zu berichten, dass Pjotr während eines Sommeraufenthalts in Kamenka einer Gruppe von blinden Bettlern beim Musizieren zuhörte und diese Melodie sofort notierte. Tschaikowski bearbeitete das ursprünglich breit und episch angelegte Volkslied und veränderte es in eine leicht schwebende Melodie, die ihren kapriziösen Reiz im Dialog zwischen Klavier und Holzbläsern entfaltet, ehe sie sich in den Oktavklängen des Soloinstruments verliert.
Der 2. Satz (Andantino semplice) hebt mit einer von der Flöte intonierten lyrischzarten Weise an, die eine kontemplative Stimmung erzeugt. Violoncello und Oboe nehmen das Thema auf, das vom Klavier mit hellen Arabesken umspielt wird. Im schnellen ScherzoMittelteil huscht ein Walzer vorüber, der auf ein französisches Chanson zurückgeht, das von Tschaikowski und seinen Brüdern gern angestimmt
wurde: «Il faut s’amuser, danser et rire» (Man muss sich amüsieren, tanzen und lachen). Dieser sich in einem FortissimoSchlag entladende Übermutsausbruch bildet den scherzohaften Kontrapunkt zur anmutigen, kammermusikalisch zarten Gesamtanlage des Satzes, einem gelösten Zusammenspiel von Orchester und Solist, einem gegenseitigen Zusingen, Zuhören, Abnehmen und Aufgreifen der musikalischen Gedanken. Es handelt sich um zwei Optionen der Selbstvergessenheit: sich in dialogischer Zweisamkeit zu verlieren oder sich ins Amüsement zu stürzen. Schwärmerisch klingt der Satz aus.
Das Finale (Allegro con fuoco) setzt wild und ungestüm ein. In RondoForm präsentieren sich zwei Themen; das erste ein ukrainisches Frühlingslied, das zweite dem Volkston frei nachempfunden. Klavierpart und Orchestertutti verhalten sich wie ein solistischer Vorsänger und der ihm antwortende Chor. Auch im Finale weiss sich das zweite Thema durchzusetzen, führt zu einer hymnischen Steigerung und zu einem die Themen synthetisierenden Finale. Es kündet von der glücklichen Übereinstimmung des Einzelnen mit dem Ganzen.
Hans von Bülow, der das Konzert uraufführte, schrieb: «Die Ideen sind so originell, so edel, so kraftvoll, die Details, welche trotz ihrer grossen Menge der Klarheit und Einigkeit des Ganzen durchaus nicht schaden, so interessant. Die Form ist so vollendet, so reif, so stilvoll – in dem Sinne nämlich, dass sich Absicht und Ausführung überall decken. Ich würde ermüden, wollte ich alle Eigenschaften Ihres Werkes aufführen, Eigenschaften, welche mich zwingen, dem Komponisten sowie allen denjenigen, welche das Werk ausführend oder aufnehmend geniessen werden, in gleichem Masse meine Gratulation darzubringen.»
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 bMoll
BESETZUNG
Klavier solo, 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken, Streicher
ENTSTEHUNG
1874
URAUFFÜHRUNG
25. Oktober 1875 in Boston (USA) unter der Leitung von Benjamin Johnson Lang und mit Hans von Bülow als Solist
DAUER ca. 32 Minuten
Die Mobiliar hat gemeinsam mit Partnern mitten in Basel die City Lounge eröffnet. Im Fokus steht alles rund um Wohnen und Vorsorge: ein Kompetenzcenter mit zukunftsgerichtetem Konzept. Denn persönliche Beratung bleibt ein Bedürfnis.
Eine Wohnung suchen, die Finanzierung fürs Eigenheim und die Vorsorge klären, den Umzug planen oder den Hausrat versichern: Die neue City Lounge an der Eisengasse 10 in Basel ist ein Kompetenzcenter rund ums Thema Wohnen und Vorsorge.
für zwei Kaffees in unserer City Lounge gegen Vorzeigen des Programm Magazins.
Cit y Lounge – 4 i n 1
• Versicherungsagentur
• Dienstleistungen rund um Wohnen und Vorsorge mit Raiffeisen und Settelen sowie weiteren Partnern
• Lounge für die 90 000 Kundinnen und Kunden aller Partner
• Mietlokalität für Workshops und Events im Zentrum von Basel
Fast wie im Wohnzimmer: die City Lounge Basel. Eintreten ist erwünscht.
Generalagentur Basel
Beat Herzog
Aeschengraben 9
4051 Basel
T 061 266 62 70
basel@mobiliar.ch
mobiliar.ch/basel
Agentur City Lounge Basel
Eisengasse 10
4051 Basel
T 061 266 62 70
basel@mobiliar.ch
Die Musik des 20. und nun auch des 21. Jahrhunderts ist fester Bestandteil der Biografie des französischen Dirigenten Pierre Bleuse. Er ist Chefdirigent des dänischen Odense Symphony Orchestra, Co Leiter des Genfer Lemanic Modern Ensemble und übernimmt diesen Sommer die Leitung des Ensemble Intercontemporain Paris. Bleuse, der erstmals das Sinfonieorchester Basel dirigiert, äussert sich im Gespräch dazu, welch wichtige Inspirationsquelle Volksmusiken für viele Komponist*innen sind.
CF Im Video, in dem sich das Odense Symphony Orchestra mit Ihnen als Chefdirigent vorstellt, nennen Sie das Sinfoniekonzert eine «Party of Sound» – ein Fest des Klangs also für Publikum, Orchester und Dirigent?
PB Im Konzertsaal fühlen wir die Energie, die von der Musik ausgeht. Es gibt Momente, da treten wir in Beziehung zur Seele des Publikums. Gerade nach der CovidTragödie erfuhren wir wieder, wie wichtig für uns Musiker*innen die Beziehung zu den Menschen ist. In einem Saal mit guter Akustik kann das Publikum im Konzert gar zu einem Teil des Orchesters werden.
CF Ist nicht gerade auch Maurice Ravels Boléro ein Fest des Klangs, der Rhythmen?
PB Für Ravel war das Stück, das er für die Tänzerin Ida Rubinstein geschrieben hatte, eine Art Übung in Orchestration. Er selbst war überrascht vom Erfolg. Der Boléro ist ein schamanisches, ein rituelles Stück, das vom Rhythmus mit seiner Wirkung auf unseren Körper, unseren Geist lebt. Ravel zeigt in der Orchestration, wie modern er ist.
«Ravel zeigt in der Orchestration, wie modern er ist.»
CF Aber die vordergründig einfache Musik verlangt viel vom Orchester, eine stete sich steigernde Spannung, um den Effekt der Ekstase zu erreichen … PB Wir müssen die unterschiedlichen Klangfarben genau herausarbeiten. Einerseits verlangt der Boléro hohe Präzision und Sicherheit, andererseits müssen wir die Musik laufen lassen. Es gilt, die ganze Energie in eine Richtung zu lenken, um mit der steten Modulation den Effekt von Befreiung zu erzeugen.
CF Sie dirigieren in Basel neben dem spanischen Tanz Boléro auch Manuel de Fallas Suite Nr. 2 aus Der Dreispitz. Die Affinität französischer Komponisten und auch Dirigenten zur spanischen Musik ist gross … PB Das ist eine lange Geschichte, die ins späte 19. Jahrhundert zurückgeht. Um 1900 kamen Juan Miró, Pablo Picasso, Manuel de Falla, Isaac Albéniz und andere Spanier nach Paris, in die Stadt, die das Zentrum der Künste war. Sie pflegten enge Beziehungen zur französischen Szene. Freund
schaften entstanden wie jene von de Falla und Debussy. Die Spanier brachten ihre Musik nach Frankreich. Spanien ist reich an traditioneller Musik mit einer prägnanten Rhythmik. Sie bildete eine wichtige Inspiration und wurde auch als eine Art Befreiung wahrgenommen.
CF Der 1. Satz von Debussys Images pour orchestre, Gigues, gründet auf englischer, der 3. Satz, Rondes de printemps auf französischer Volksmusik …
PB Bei Images fühle ich mich wie auf einem Gang durch ein Museum, bei dem ich verschiedene Bilder anschaue. Die Musik ist voller schöner Momente und reich an Fantasie.
«Bei Image s fühle ich mich wie auf einem Gang durch ein Museum.»
CF Und im RondoSatz von Pjotr Iljitsch Tschaikowskis 1. Klavierkonzert finden sich Spuren russischer Volkstänze. Verwandelt auch er eigene folkloristische Traditionen in Kunstmusik?
PB Es gibt sie in allen Kulturen, die Einflüsse traditioneller Musiken der jeweiligen Bevölkerung auf Komponist*innen. Wir finden sie auch bei Michail Glinka oder Alexander Borodin. Musik ist so immer auch Ausdruck der eigenen Kulturgeschichte, und sie ist Ausdruck von Menschlichkeit. Von der Basis der eigenen Tradition ausgehend schaffen Komponist*innen eigene, wunderbare Kunstmusik.
CF Sie haben einen engen Bezug zur Moderne wie zur zeitgenössischen Musik. Soeben sind Sie zum neuen künstlerischen Leiter des Ensemble Intercontemporain Paris gewählt worden –meine Gratulation!
PB Die musikalische Gegenwart ist wichtiger Teil meines Musikerlebens, in dem ich zuerst Violinist war. Mein Vater Marc Bleuse war Komponist und hatte enge Beziehungen zur Szene der Neuen Musik. Für das musikalische Leben ist es essenziell zu hören, was die Erfinder von Musik erzählen. Das exzellente Ensemble Intercontemporain arbeitet in engem Kontakt mit Komponist*innen. Das erinnert mich wiederum an die Arbeitsweise von Debussy und Ravel mit ihren Verbindungen zu Musiker*innen.
CF Und Sie engagieren sich in der Ausbildung junger Musiker*innen, haben in Toulouse die Orchestra Academy gegründet …
PB Wir haben eine Verantwortung gegenüber der Jugend. In der Akademie vermitteln wir unser Wissen über Musik, über die Künste. Und die jungen Menschen geben uns wiederum Energie. Sie kommen zu uns nach Toulouse in dem Moment, in dem sie zwischen Hochschule und dem eigenständigen Berufsleben stehen.
Images pour orchestre
VON KERSTIN UNSELD
Das Bildhafte faszinierte
Claude Debussy: Neben
seinen Images pour Orchestre hatte er bereits zwei Klavierbände mit Images
komponiert, in denen das Schillern der Goldfische in einem Teich ebenso wie die Lichtbrechungen auf der Fassade einer Kathedrale zu hören/sehen sind.
Für Debussy, dem die Bezeich nung ‹impressio
nistisch› für seine Musik
überhaupt nicht gefiel, hatte das ‹Malen› in Musik
viele Vorteile gegenüber
dem Malen auf Leinwand:
Ein Musikstück entsteht in der Zeit, kann einen Prozess beschreiben. Das Bild an der Wand kann das nicht.
Im Februar 1906 riet Debussy seinem Stiefsohn, dem Komponisten Raoul Bardac: «Sammeln Sie Eindrücke. – Beeilen Sie sich nicht, diese sofort aufzuzeichnen … Die Musik ist der Malerei insofern überlegen, als sie die verschiedenen Variationen der Farbe und des Lichtes zusammenbringen und in einem Werk vereinen kann. Eine Wahrheit, die trotz ihrer Einfachheit oft übersehen worden ist.»
Images pour Orchestre entstand genau in dieser Zeit und bildete nicht nur Debussys Freude am Entstehenlassen von (Orchester) Farben, sondern auch seine Faszination für die spanische Musik, Landschaft und Folklore ab.
Im Programmheft der Uraufführung am 26. Januar 1913 konnten die Zuhörer*innen – oder soll man sagen: Zuschauer*innen? – lesen: «Wirkliche Bilder, wo sich der Musiker bemüht, für das Ohr die Eindrücke des Auges zu übersetzen; er beeilt sich, die beiden Arten von Sinneseindrücken zu verschmelzen, um sie zu intensivieren; die Melodie mit ihren unendlich vielen Rhythmen entspricht den vielfältigen Strichen einer Zeichnung, das Orchester ist eine grosse Palette, zu der jedes Instrument seine Farbe liefert. Wie sich der Maler an Gegenüberstellungen von Farbtönen, am Spiel von Schatten und Licht freut, so freut sich der Musiker am Zusammenprall von unvorhersehbaren Dissonan
zen, an der Mischung von seltenen Klangfarben; er will das, was er zu Gehör bringt, sichtbar mischen, und die Feder zwischen seinen Fingern wird ein Pinsel. Das ist ein musikalischer Impressionismus von besonderer Nuance und seltener Qualität.»
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Südwestrundfunks (SWR)
Images pour orchestre
BESETZUNG
2 Flöten, 2 Piccoli, 2 Oboen, Oboe
d’Amore, Englischhorn, 3 Klarinetten, Bassklarinette, 3 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, 4 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken, Schlagzeug, 2 Harfen, Celesta, Streicher
ENTSTEHUNG
1905–1912
URAUFFÜHRUNG
26. Januar 1913 in Paris unter der Leitung des Komponisten
DAUER
I. Gigues ca. 7 Minuten
III. Rondes de printemps ca. 9 Minuten
Boléro
War das ernst gemeint, oder spiegelt sich ein gehöriges Mass Ironie in dieser Aussage? «Ich bin von Natur aus künstlich», hat Maurice Ravel einmal von sich behauptet. Schaut man sich seine Kompositionen genauer an, so spiegelt sich in seiner lapidar knappen Aussage zumindest ein Teil seiner musikalischen Ästhetik. Denn Künstlichkeit findet sich auch in La Valse, diesem doppelbödigen Abgesang auf den Wiener Walzer, ausserdem in einigen seiner Klavierwerke und, am ehesten wohl, in seinem berühmtesten Werk, dem Boléro.
Was aber meint Künstlichkeit: die genaue Kalkulation der Form? Die mathematische Kühle der Instrumentierung? Das Berechnende dieser grossen, unaufhörlichen dynamischen Steigerung? Ravel schreibt mit diesem Boléro ein Werk von ungeheurer Sogkraft, dabei wirkt es bei näherer Betrachtung, als zeichne hierfür weniger ein Künstler als vielmehr ein Ingenieur, ein Technokrat verantwortlich. Das Grundprinzip ist einfach: ein simpler Rhythmus, der sozusagen als Dauerschleife fungiert, eingeführt von der Kleinen Trommel, die das Fundament bildet. Sie spielt ohne Unterlass, penetrant fast und bohrend. «Keine Form im eigentlichen Sinne des Wortes, keine Entwicklung, keine oder so gut wie keine Modulation, ein Thema nach der Art von Padilla (dieses reichlich gewöhnlichen Komponisten von ‹Valencia›), zusammen mit Rhythmus und Orchestrierung», so umschreibt der Komponist selbst die wesentlichen Zutaten seines Boléro.
Jede und jeder kann den Rhythmus mittrommeln, die Melodie lässt sich nach kurzem Hören mühelos mitpfeifen. Die Musik wirkt so einfach, fast furchterregend einfach. Vielleicht ist diese Simplizität, die Wiederkehr und unscheinbare Abwandlung des Immergleichen, ihr Geheimnis?
Doch lohnt es sich zu fragen: Ist wirklich alles einfach? Jede Sogkraft, jede Magie ist das Ergebnis von Zufall oder einem aus
geklügelten System. Bei Ravel, dem ‹Künstlichen›, ist es sicher Letzteres. Er kommt mit nur zwei Themen aus und dreht gleichzeitig den Lautstärkeregler kontinuierlich höher. Ausgerechnet auf dem Höhepunkt bricht alles zusammen, folgt der Stillstand. Ravel arbeitet seine beiden Themen so raffiniert aus und verteilt sie so kunstvoll auf die einzelnen Instrumente, dass man das dynamische Anschwellen nur als Ganzes wahrnimmt, nicht aber in seinen einzelnen Segmenten.
Die Idee zu diesem Werk kam Ravel während der Sommerferien. Die verbrachte er auch im Jahr 1928 am Meer, nahe SaintJeandeLuz, in seiner Heimat unfern der spanischen Grenze im äussersten Südwesten Frankreichs, wo er geboren worden war. Morgens vor dem Frühstück ging er im Meer schwimmen, nur an einem Tag nicht. Da setzte er sich ans Klavier, weil ihm eine Melodie im Kopf herumspukte. «Glaubst du nicht, dass dieses Thema von eindringlicher Wirkung ist? Ich werde versuchen, es einige Male ohne jede Entwicklung zu wiederholen und die Orchestrierung nach und nach anwachsen lassen», meinte Ravel zu seinem Freund und FerienBegleiter, dem Kritiker Gustave Samazeuilh. Der spanisch geprägte Rhythmus zu dieser Melodie folgte erst, als Ravel sich bereits wieder in Paris befand. Zur Ausarbeitung kam es in den anschliessenden Wochen.
Die Premiere am 22. November 1928 an der Pariser Opéra dirigierte Walther Straram. Bronislava Nijinska hatte die Choreografie entworfen. Das Stück spielte in einer Taverne. Dort tanzte eine Solistin, Ballerina Ida Rubinstein, auf dem Tisch, bis ihre Bewegungen nach und nach die männliche Kneipenkundschaft in Verzückung versetzten. Doch diese Idee einer Verortung und Umsetzung ist nur eine von zahllosen denkbaren. Ravel selbst sagte einmal: «Eine Fabrik war es, die meinen Boléro inspiriert hat. Am liebsten würde ich das Stück mit einer riesigen Fabrik im Hintergrund spielen lassen.» Inwieweit Ravel hier nur eine von vielen möglichen Fährten legen wollte, wer weiss es?
Als «Verrückter» wurde Ravel am Abend der Uraufführung von einer Dame im Publikum beschimpft. Vielleicht steht ihre Irritation auch exemplarisch für viele
der Rätsel, die das Werk von Anfang an aufgegeben hat. Bis heute ist die RavelRezeption sich nicht einig darüber, worum es in diesem Stück überhaupt geht. Der Komponist selbst hatte die Verwirrung kommen sehen und daher im Vorfeld bereits gewarnt, was in diesem Stück geschehen werde –nämlich nichts! Keine Kontraste, keine Vielfalt an melodischen Einfällen, keine Virtuosität im spätromantischen Sinne. Nur eine über 300 Takte anwachsende Steigerung, bis zur Besessenheit, bis am Ende plötzlich das Umfeld der eigentlichen Tonart, CDur, verlassen wird und die ganze Sache nach EDur verrutscht und dort abbricht. So etwas ruft Ratlosigkeit hervor, Verstörung oder Begeisterung.
Natürlich haben längst auch die Popmusik und der Film die Kraft des Boléro für sich erkannt. Hollywood hat auf dieses Sujet dankbar zurückgegriffen, schon 1934, als Carole Lombard und George Raft zu Ravels Musik einen HollywoodTanz par excellence vollführten, bevor ein härteres ZensurGesetz die Filmwelt vor solchen
Exzessen bewahren sollte. Nicht sehr nachhaltig ... Bo Derek hat später zu Ravels Klängen einen Komponisten in ihr FilmBett gelockt: Halb zog sie ihn, halb sank er hin W
«Ich habe nur ein einziges Meisterwerk gemacht», gestand Ravel einmal seinem Kollegen Arthur Honegger, «das ist der Boléro. Leider enthält er keine Musik.» Der Ruhm seines berühmtesten Werks blieb Ravel stets suspekt.
Boléro
BESETZUNG
2 Flöten, Piccolo, 2 Oboen (davon 1 Oboe d’Amore), Englischhorn, 2 Klarinetten, PiccoloKlarinette in Es, Bassklarinette, 2 Fagotte, Kontrafagott, 2 Saxofone, 4 Hörner, 4 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlagzeug, Celesta, Harfe, Streicher
ENTSTEHUNG
Juli bis Oktober 1928
URAUFFÜHRUNG
22. November 1928 in der Pariser Oper mit dem dortigen Orchester unter der Leitung von Walther Straram, in der Choreografie von Bronislava Nijinska mit der Widmungsträgerin Ida Rubinstein in der Hauptrolle
DAUER
ca. 13 Minuten
VON SIGFRIED SCHIBLI
Spanien war, vermutlich angestossen durch Georges Bizets Oper Carmen, in der französischen Musikszene des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts ausgesprochen in Mode. Fast alle Komponierenden, die mit der Zeit gehen wollten, schrieben Stücke im spanischen Stil. Und jede Mode bringt auch ihren Spott hervor. So machte sich der Komponist Erik Satie –ohnehin ein genialer Spötter – lustig über die französische SpanienBegeisterung, indem er den Titel von Emmanuel Chabriers OrchesterRhapsodie España verballhornte zu Espagnaña .
Die Bindungen der französischen Komponierenden zur iberischen Welt waren unterschiedlich eng. So ist von Emmanuel Chabrier bekannt, dass er Spanien durch zahlreiche Reisen und längere Aufenthalte gut kannte. Claude Debussy dagegen, der in seinen Images pour orchestre mit dem Satz Ibéria dem spanischen Lebensgefühl huldigte, kannte Spanien kaum aus eigener Anschauung – was im Übrigen auch für Bizet gilt. Spanische Musik war beiden Komponisten vor allem aus dem französischen Musikleben geläufig. Ihnen genügte es, das spanische Lokalkolorit zu kennen, um Werke von unverkennbar spanischem Charakter zu schaffen. Schliesslich haben Komponierende auch den Weltraum zum Klingen gebracht, ohne jemals die Milchstrasse betreten zu haben!
Einige spanische Interpretinnen und Interpreten wirkten als ‹Geburtshelfer› französischer Kompositionen, so etwa der Pianist Ricardo Viñes und der Geiger Pablo de Sarasate. Und es gab durchaus auch französische Musikerinnen und Musiker mit familiären Bindungen an Spanien. Édouard Lalo, dessen Symphonie espagnole zu den beliebtesten Violinkonzerten überhaupt gehört, hatte mütterlicherseits spanische Wurzeln: Seine Mutter stammte aus dem Baskenland. Einer Region, die sich überlappend über die Landesgrenzen von Spanien und Frankreich legt, die eine
eigene Sprache hatte und zeitweise einen baskischen Nationalismus hervorbrachte.
Ähnlich wie Lalo hatte Maurice Ravel eine halb baskische Herkunft. Sein Vater
PierreJoseph war ein Ingenieur aus Versoix im Schweizer Teil von Savoyen. Ihm werden bedeutende Erfindungen zugeschrieben, so etwa die Entwicklung des ersten dampfgetriebenen Automobils (1868) und eines Apparats zur Herstellung von Papiertüten. Maurice Ravels Mutter Marie Delouart stammte dagegen aus dem äussersten Südwesten Frankreichs, aus Ciboure, das zum baskischen Teil des Landes gehörte und daher auch Ziburu geschrieben wurde. Sie sprach neben französisch auch baskisch und sang gern Lieder aus ihrer baskischen Heimat. Man darf annehmen, dass die baskischen Wiegenlieder seiner Mutter, die ausserehelich geboren worden war und möglicherweise von Sinti und Roma abstammte, zu den ersten musikalischen Eindrücken des kleinen Maurice zählten.
Kennengelernt hatten sich die Eltern Ravels in Aranjuez, südlich von Madrid. Zur Zeit der Geburt von Maurice lebten sie bereits in Paris, doch zur Geburt ihres ersten Kindes kehrte Marie in ihre Heimatstadt Ciboure zurück. Damals gehörte Ciboure an der Einmündung des Flusses Nivelle in den Atlantik zum Département BassesPyrénées, heute PyrénéesAtlantiques. Das Städtchen mit knapp 6000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist der Nachbarort des grösseren SaintJeandeLuz. «Im Alter von drei Monaten verliessen wir Ciboure und zogen nach Paris, wo ich seither lebe», notierte Ravel nüchtern in seiner autobiografischen Skizze. Als Feriengast kehrte er öfter ins Baskenland zurück; historische Fotografien zeigen ihn am Atlantikstrand von SaintJeandeLuz.
Es wäre missverständlich, würde man Ravel als ‹baskischen Komponisten› bezeichnen. Aber durch seine Mutter erhielt er zweifellos eine baskische Prägung, und die Faszination für Spanien und die angrenzenden Regionen Frankreichs begleitete ihn sein ganzes Komponistenleben lang. Eines seiner ersten Werke war eine Habañera für Klavier. Danach komponierte Ravel mehrere spanisch inspirierte Stücke, von der Pavane pour une infante défunte
über Alborada del gracioso, die Rapsodie espagnole und die einaktige Oper L’ heure espagnole bis zur späten ViolinRhapsodie Tzigane von 1924. Sein grösster Welterfolg aber blieb der Boléro, dessen ursprünglicher Titel Fandango war.
Wer in Ravels Boléro die Kleine Trommel spielt, braucht Ausdauer. Mirco Huser übernimmt diesen Part am Konzert im Stadtcasino Basel, wo es beim rund viertelstündigen Trommeln auf jeden Millimeter ankommt. Der 1994 geborene Thurgauer studierte Schlagzeug an der Hochschule der Künste Bern und spielte bereits die Saison 2018/19 als Praktikant beim Sinfonie orchester Basel. Seit der Saison 2020/21 ist er hier fest als Schlagzeuger engagiert. Während mehrerer Jahre war er Schlagzeuger und Pauker im Schweizer JugendSinfonieOrchester und spielte bereits mit
Orchestern wie dem Berner Symphonieorchester, dem Luzerner Sinfonieorchester, dem Kammerorchester Basel, der Camerata Bern oder dem Gstaad Festival Orchestra. Mit dem ‹Cubeat Percussion Duo› widmet er sich seit 2016 ausserdem der Entwick lung von Konzepten für die Musikvermittlung und führt als Teil des Musikensembles ‹DeciBells› laufend neue Werke für das Schlagzeugregister auf.
LV Mirco Huser, Du und die Kleine Trommel in Ravels Boléro: Ist das Liebe auf den ersten Schlag?
MH Der Boléro ist sicherlich eines der Stücke, das man als Schlagzeuger unbedingt einmal gespielt haben will und muss. Eigentlich hätte dieses Werk bereits in meinem Probejahr auf dem Programm gestanden. Da das Konzert aber abgesagt wurde, hatte ich immer einen Boléro ‹zu gut› und darf das Stück nun spielen.
LV Ein einziger Rhythmus, der rund eine Viertelstunde durchmarschiert … MH Eigentlich ist es seltsam, dass aus nur zwei Takten eine so grosse Sache gemacht wird! (lacht) In diesem Stück gibt es aber verschiedene Schwierigkeiten: Man muss an die Grenzen des Dynamikbereichs gehen. Der Anfang ist sehr fein, danach baut sich das grosse, stückumfassende Crescendo auf, bis man am Schluss beim maximalen Klang des Instruments ist. Dieses ‹Lauterwerden› des ganzen Orchesters muss man an der Trommel leiten und darf das Pulver nicht zu früh verschiessen. Ausserdem liegt es in der Verantwortung der Kleinen Trommel, dass das Tempo während des ganzen Stücks stabil bleibt. Hier muss man immer genau zuhören und auf die immer wechselnden Besetzungen sofort reagieren.
LV Wo liegt die Gefahr in diesem Stück?
MH Ganz ehrlich: Wir Schlagzeuger*innen sind es im Orchester nicht gewöhnt, eine Viertelstunde lang ohne Pause zu spielen! Kolleg*innen, die den Bolér o bereits gespielt hatten, erzählten mir davon, dass einem das Gehirn wegen der vielen Repetitionen mitten im Stück plötzlich Streiche spielen kann und man sich nicht mehr sicher ist, welcher der beiden Takte gerade als nächster an der Reihe ist! (lacht) Man muss deshalb stets mit allen Sinnen bei den Kolleg*innen aus dem Orchester sein und der jeweiligen Solostimme folgen.
LV Hast Du beim Sinfonieorchester Basel bisher ähnliche Herausforderungen erlebt?
MH RimskiKorsakows Scheherazad e ist ein weiteres Stück, das als ‹Heiliger Gral› des Schlagzeugregisters gesehen wird. Im
3. Satz hat die Kleine Trommel ein sehr exponiertes Solo – die Scheherazade wird deshalb beinahe an jedem Orchesterprobespiel verlangt. Beim Sinfonieorchester Basel habe ich dieses Stück in meiner ersten Spielzeit gespielt. In meinem Probejahr stand ausserdem Messiaens Oper Saint François d’Assise auf dem Programm, in dem es drei SoloSchlagzeugstimmen gibt, die alle gleichzeitig unisono spielen. Da hört man jede Ungenauigkeit sofort. Das Werk hat mir sehr grossen Spass gemacht, uns als Schlagzeuger zusammengeschweisst und mir somit einen wunderbaren Start ins Orchester bereitet.
LV Mit dem Ensemble ‹DeciBells›, das aus Mitgliedern des Schlagzeugregisters des Sinfonieorchesters Basel besteht, bist Du an der Uraufführung vieler Werke für das Schlagzeug beteiligt.
MH Die ganze Sololiteratur für das Schlagzeug hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt, was unser Instrument so interessant macht. Wir sind noch in einem Prozess, in dem ständig Neues geschaffen wird. Domenico Melchiorre aus unserem Register entwickelt als Komponist immer wieder neue Instrumente, die oft Prototypen sind. Wir aus dem Ensemble ‹Deci Bells› haben das Privileg, diese ausprobieren zu dürfen, bevor sie in angepasster Version ‹auf den Markt› kommen. Wie wir klingen, das gibt es genau ein Mal: genau hier und genau in dieser Konstellation. Das finde ich das Schönste an diesem Ensemble.
LV Mit Deinem ehemaligen Mitstudenten Tim Reichen hast Du das ‹Cubeat Percussion Duo› gegründet. Eure Idee ist es laut Website, Musik «auf unkonventionellen Wegen zugänglich» zu machen. Was kann man sich darunter vorstellen?
MH Der Ansatz des Konzepts war, dass man grundsätzlich mit allen Gegenständen
«Wir sind noch in einem Prozess, in dem ständig Neues geschaffen wird.»
Musik machen kann. Wir wollten wegkommen vom klassischen Instrumentarium und hin zum spielerischen Erkunden der Alltagswelt. Musik findet nicht nur im schicken Konzertsaal statt, sondern bereits im Schulzimmer! Unser Instrument ist besonders geeignet für die Arbeit mit Schulklassen, weil es so unmittelbar ist. Wenn die Kinder noch bis in die Schulpause zu uns rannten, um uns Objekte zu zeigen, die sie zum Klingen bringen konnten, haben wir etwas erreicht: Wir konnten ihren Entdeckerblick für die Musik schärfen.
LV Du warst in der Saison 2018/19 bereits als Praktikant beim Sinfonieorchester Basel engagiert und kamst zwei Spielzeiten später wieder nach Basel zurück. Was gefällt Dir hier besonders gut?
MH Als die Schlagzeugstelle ausgeschrieben wurde, war für mich sofort klar, dass ich mich bewerbe. Ich durfte das Schlagzeugregister bereits in meinem Praktikum kennenlernen und wusste, dass ich mich hier wohlfühle. Wir sind wie eine Familie und freuen uns auf jeden Tag, den wir gemeinsam im Orchester verbringen dürfen! Es ist ein riesiges Glück, eine Gruppe zu haben, die sich so gut versteht.
platz! Und die Innenstadt: Hier liegen die Kulturinstitutionen alle sehr kompakt und sind schnell zu erreichen. Es gibt fantastische Kunstmuseen, eine lebendige JazzSzene, die Schola Cantorum Basiliensis, die auf Alte Musik spezialisiert ist, sowie viele tolle andere Orchester! In Basel herrscht eine gesunde Konkurrenz, in der man sich gegenseitig zu Höchstleistungen anspornt. Ich wohne ausserdem in der Nähe des Rheins, weshalb ich mich jedes Jahr auf das Rheinschwimmen freue.
LV Mirco Huser, herzlichen Dank für das Gespräch!
LV Hast Du einen Lieblingsort in Basel?
MH Ich bin gerne in der Natur, daher findet man mich regelmässig in der Langen Erle oder beim Birsköpfli. Aber natürlich gefallen mir auch unsere tollen Arbeits
orte: das Stadtcasino Basel, das Theater Basel und das Probezentrum am Picasso
«Wir sind wie eine Familie und freuen uns auf jeden Tag, den wir gemeinsam im Orchester verbringen dürfen!»
«In Basel herrscht eine gesunde Konkurrenz, in der man sich gegenseitig zu Höchstleistungen anspornt.»
VON BENJAMIN HERZOG
Etwas hat das Kunstwerk, und wir meinen hier das musikalische Kunstwerk, im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit bis heute nicht verloren: die Faszination der Unvorhersehbarkeit, der Improvisation. Musik scheinen wir hauptsächlich dann zu lieben, wenn sie zwar gewissen Regeln folgt oder wenigstens einer gewissen Regelmässigkeit, diese aber auch immer wieder durchbricht. Und zwar dort, wo wir es nicht erwarten. Haben Sie schon einmal eine*n Cembalisten*in aus dem Stegreif eine Fuge improvisieren gehört? Da entsteht ein Gebäude aus Tönen, das es so vorher noch nie gegeben hat und nachher nie mehr geben wird.
Natürlich sind das keine Luftschlösser. Die vor 300 Jahren formulierten Regeln solcher Improvisation wurden und werden noch heute an den Musikhochschulen gelehrt. Auch im Kollektiv, etwa in einer Generalbassgruppe, blüht und windet sich Barockmusik improvisierend um die Rankhilfen solcher Regeln. Im Gegensatz dazu, geschweige denn zu einem einzelnen Musiker, einer Musikerin, die beim Improvisieren schalten und walten können, wie sie wollen, ist das Kollektiv eines modernen Sinfonieorchesters auf die Vorhersehbarkeit der Ereignisse angewiesen. Diese, sofern sie musikalischer Natur sind, stehen in den Noten weitgehend festgeschrieben. Über
Tempo, Lautstärke, Artikulation herrscht ein Konsens, der das sinfonische Ganze erst ermöglicht. Selbst die Länge einer Fermate, also eines Tons oder einer Pause mit per se undefinierter Dauer, wird in der Probe für alle verbindlich festgelegt. Im 20. Jahrhundert suchten und fanden Komponisten von Orchestermusik wie etwa John Cage Auswege aus dieser für sie überdeterminierten Situation. Sie schrieben Stücke, die komponiert sind und zugleich bei jeder Aufführung improvisiert werden. Ein nur scheinbarer Widerspruch. Auch die erwähnte Barockmusik ist allein durch die Notierung noch nicht komplett. Im Sinfonieorchester spielt sich die Improvisation auf subtileren Ebenen ab. In ihrer Berufskarriere können Flötist*innen fünfzig Mal das gleiche Solo in der Eroica spielen. Dabei können sie sich für ein allzeit gültiges Modell entscheiden, mit einer finalen Interpretation , und sich so einen Harnisch anziehen, in dem sie garantiert nicht nervös werden. Oder sie spielen ihr Solo jeden Abend leicht anders. Dann haben auch wir das Glück, uns nicht zu langweilen. Meist sind sie ja kurz, die Soli von Orchestermusiker*innen. Innerhalb von vier Takten so etwas wie Individualität aufscheinen zu lassen ohne gleich aus dem Kollektiv auszuscheren, das ist grosse Kunst. Oft handelt es sich ja ohnehin um eine Schein-Individualität, denn mein Flöten
solo hat vorher vielleicht schon das Fagott gespielt und wird nachher von der Klarinette aufgenommen. Da wollen Dirigent*innen keine drei komplett verschiedenen Fassungen hören. Statt von Improvisation müsste man vielleicht eher von Reaktion sprechen, auf die Kolleg*innen, auf die Stim mung insgesamt. Und das in Sekundenbruchteilen. Ein berühmter Dirigent hat mal gesagt, die besten Musiker*innen seien diejenigen mit der kürzesten Reaktionszeit. Am anderen Ende der Skala hat der Begriff Improvisation weitab von solchen Feinheiten Qualitäten, mit denen sich Anekdoten pfeffern lassen. Sie erinnern sich vielleicht an das Konzert einer Geigerin mit dem Sinfonieorchester Basel. Man spielte Mozart, die Sinfonia concertante . Ihr reisst während des langsamen Satzes eine Saite. Weiterspielen unmöglich. Tatsächlich setzt sie für ein paar Takte aus. Aber nur, um ihr Instrument an den Konzertmeister weiterzugeben, der es wiederum an seine Pultkollegin weiterreicht. Die geht, zumindest äusserlich seelenruhig, aus dem Konzertsaal in die Orchestergarderobe, um pünktlich zum SchlussPresto mit dem frisch besaiteten Instrument zurückzukehren. Da hat ein unvorhersehbares Ereignis eine Reaktion von Handlungen ausgelöst, sodass man getrost von einer Gruppen-Improvisation sprechen kann. Reproduzierbar jedenfalls wäre so ein Ereignis nicht.
I must have been four or five years old when I got my first vinyl record, with four pieces: The Moldau by Smetana, Eine kleine Nachtmusik by Mozart, Valse triste by Sibelius, and Ravel’s Boléro . I still remember the cover: the conductor’s photonegative head in red, yellow and green on a dark bluishpurple background. At the top ‹Hifi Karajan› was printed in bold white sans serif typeface. I was young and ignorant of the latest technical developments, and thought that von Karajan’s first name was ‹Hifi›, but I loved the music. My parents weren’t conservative in their taste, but classical music was their passion and, in their absolute belief, the highest form of the arts. Recognizing my nascent love for classical music, they were happy to buy me the record. Music for the millions? Perhaps, but written by the best composers and conducted by the most famous living conductor.
My first love (and the reason for wanting to have the record) was Eine kleine Nachtmusik, but I was soon mesmerized by Boléro, which is arguably the centerpiece of this symphonic concert. Combined with Debussy’s Images, of which the second movement is called Ibéria, and Suite N°2 from de Falla’s El sombrero de tres picos (The ThreeCornered Hat) it is also an ode to Spain in general. The mysterious rhythm set out by the snare drum at the beginning of Boléro immediately pulled me into the piece, and the hypnotizing repetitions kept me deeply enthralled until the trombone’s screeching glissandi and the descending dissonant chords in the full orchestra broke the spell at the very end.
Boléro was conceived as a ballet commissioned by Ida Rubinstein who had danced for Diaghilev’s Ballets Russes. She had asked for an orchestration of six pieces from Albéniz’ cycle of piano pieces Ibéria,
but Ravel decided to write his own composition based on the old Spanish dance form boléro in ¾ time. Initially the piece helped me to learn the sounds of the individual instruments in the orchestra, especially the wind instruments. The ethereal lightness of the flute (first phrase), the misty sound of a distant ship’s horn of the bassoon (second), the oriental sound of the Ebclarinet (third), and the nasal, terse warmth of the oboe d’amore (fourth), all made their imprint on my young perceptive brain.
The composition consists of three layers. The ostinato (a continuously repeated motif) is played by the snare drum (sometimes accompanied by one or more other instruments). The ¾ time is at first given by the pizzicato playing violins and cellos, later by multiple other instruments as well. The first melodic theme is introduced by the flute and repeated by the clarinet, after which the second theme is played by the bassoon and repeated by the Ebclarinet. This set of four phrases is reiterated four times (making a total of sixteen phrases) gradually increasing in volume with different (and larger) combinations of instruments.
Over time I became intrigued by how the sounds of different instruments blended together. I was surprised by the chiming, almost organlike sounds of the two piccolos and the celesta (eighth phrase), and the capability of the flute to give the muted trumpet a barely audible aura of light (fifth). Ravel is rightfully considered to be a great orchestrator. I must have listened to Boléro lying on the ground with my head on the loudspeaker of our Philips portable gramophone dozens of times. It never failed to work its magic. Hearing it live by the Sinfonieorchester Basel will be even better.
Der Freundeskreis ist eine engagierte Gemeinschaft, die Freude an klassischer Musik sowie eine hohe Wertschätzung gegenüber dem Sinfonieorchester Basel verbindet.
Wir unterstützen die Arbeit der Musiker*innen des Sinfonieorchesters Basel mit konkreten Projekten und finanziellen Beiträgen. Darüber hinaus tragen wir dazu bei, in der Stadt und der Region Basel eine positive Atmosphäre und Grundgestimmtheit für das Sinfonieorchester Basel und das kulturelle Leben zu schaffen. Unser Verein bietet seinen Mitgliedern ein reichhaltiges Programm an exklusiven Anlässen mit dem Sinfonieorchester Basel sowie über ausgewählte Veranstaltungsformate exklusive Möglich keiten des direkten Kontakts zu Musiker*innen. Wir fördern das gemeinschaftliche musikalische Erleben sowie den Austausch unter unseren Mitgliedern.
Nehmen Sie direkt Kontakt mit uns auf: freundeskreis@sinfonieorchesterbasel.ch oder besuchen Sie unsere Website www.sinfonieorchesterbasel.ch/freundeskreis
Das mini.musikForschungsschiff erkundet die Unendlichkeit des Ozeans: Wir erleben hohen Wellengang, erfahren die Weite des Meeres und sichten Delfine und Wale. Um ihren Gesang zu hören, unternehmen wir einen Tauchgang in bizarrfantastische Unterseewelten. Musikalische Fundstücke, gespielt von Seeleuten auf Flöte, Bassposaune und Perkussion.
mini.musik findet im Scala Basel an der Freien Strasse statt. Die Konzerte dauern maximal eine Stunde.
Mit Mitgliedern des Sinfonieorchesters Basel, Irena MüllerBrozovic, Norbert Steinwarz, Madeline Engelsman und Jeroen Engelsman
Erwachsene: CHF 20
Kinder ab 4 Jahren: CHF 10 Familien (2 Kinder + 2 Erwachsene): CHF 50 Ermässigung: mit Familienpass CHF 10 auf ein Familienticket
Do, 25. Mai 2023, 20 Uhr
Kurhaus Wiesbaden
Sinfonieorchester Basel, Behzod Abduraimov, Pierre Bleuse
PROMENADE PROKOFIEW & DEBUSSY
So, 28. Mai 2023, 11 Uhr
Gare du Nord
ATRIUMKONZERT
Sa, 3. Juni 2023, 16 Uhr
Probezentrum Picassoplatz
Belcea Quartet
Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel
Sa, 3. Juni 2023, 16 Uhr
Scala Basel
So, 4. Juni 2023, 11 Uhr
Probezentrum Picassoplatz
Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel, Irena MüllerBrozovic, Norbert
Steinwarz, Madeline Engelsman und Jeroen Engelsman
ÜBERSICHT DER SYMBOLE
Nummerierte Rollstuhlplätze im Vorverkauf erhältlich
Nicht rollstuhlgängig
VORVERKAUF (falls nicht anders angegeben):
Bider & Tanner – Ihr Kulturhaus in Basel
Aeschenvorstadt 2, 4051 Basel
+41 (0)61 206 99 96
ticket@biderundtanner.ch www.biderundtanner.ch
Sinfonieorchester Basel
Picassoplatz 2
4052 Basel
+41 (0)61 205 00 95
info@sinfonieorchesterbasel.ch www.sinfonieorchesterbasel.ch
Mitglieder des Sinfonieorchesters Basel, Andrés Gabetta
Diese Institution verfügt über eine Höranlage
Für Familien mit Kindern geeignet
Billettkasse Stadtcasino Basel
Steinenberg 14 / Tourist Info
4051 Basel
+41 (0)61 226 36 30
tickets@stadtcasinobasel.ch
Orchesterdirektor: Franziskus Theurillat
Künstlerischer Direktor: HansGeorg Hofmann
Redaktion ProgrammMagazin: Lea Vaterlaus
Korrektorat: Ulrich Hechtfischer
Gestaltung: Atelier Nord, Basel
Illustrationen: Janine Wiget, Paula Troxler (S. 36)
Druck: Steudler Press AG
Auflage: 1500 Exemplare