NOTIZEN
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DIMENSIONS 2 2021 | NOTIZEN
Rechtsecke:
Informations- und Geheimnispflicht versus Informations- und Auskunftsrecht lic. iur. Sabrina Leisibach Juristin Sursee info@dentalhygienists.swiss
Welche Informationen dürfen medizinische Fachpersonen bei der Behandlung von Kindern den Eltern weitergeben? Wie verhält es sich, wenn die Eltern geschieden bzw. getrennt sind? Bei einer*m minderjähriger*n Patient*in ist im Hinblick auf einen medizinischen Eingriff zu un terscheiden, ob ein Kind urteilsfähig ist oder nicht. Eine Urteilsfähigkeit ist gegeben, wenn ein Kind in der Lage ist, die Bedeutung und Risiken der anstehenden Behandlung zu verste hen, sich dazu eine eigene (von den Eltern un abhängige) Meinung zu bilden und diese auch vertreten kann. Bei Kindern und Jugendlichen über 12 Jahre ist in Bezug auf einfache Behand lungen und Eingriffe in der Regel eine Urteils fähigkeit anzunehmen. Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren gelten auch bei komplizierten Behandlungen und Eingriffen in der Regel als urteilsfähig. Ab 16 Jahren gilt man generell als urteilsfähig. Wenn die Urteilsfähigkeit eines Kindes nicht ge geben ist, kann es nicht rechtsgültig in einen medizinischen Eingriff einwilligen (unabhängig vom Alter). Dann liegt dieses Recht bei den El tern bzw. bei den gesetzlichen Vertretern. So bald jedoch eine Urteilsfähigkeit des Kindes für einen speziellen Eingriff bejaht werden kann, kann es selber rechtsgültig in einen Eingriff ein willigen. Sollten jedoch die Eltern beigezogen oder über einen Eingriff informiert werden, so müsste das Kind seine Zustimmung dazu ertei len. Ohne seine Zustimmung dürfen die Eltern eines urteilsfähigen Kindes nicht informiert werden. Wenn ein*e Patient*in bereits volljährig ist und keine Zweifel an der Urteilsfähigkeit gegeben sind, können und müssen die Eltern hinsichtlich des Entscheids über medizinische Behandlungen nicht mehr beigezogen werden. Sie dürfen daher
grundsätzlich auch nicht mehr über medizini sche Belange informiert werden, ausser der*die Patient*in hat die Zustimmung dazu gegeben. Wie bereits ausgeführt, entscheiden die Eltern über einen medizinischen Eingriff, wenn ein Kind minderjährig und auch nicht urteilsfähig ist. Entsprechende Regeln finden sich im schwei zerischen Zivilgesetzbuch (ZGB). Haben beide Eltern die elterliche Sorge inne (auch wenn nur ein Elternteil die Obhut des Kindes hat), stützen sich die Rechte und Pflichten der Eltern auf den Inhalt der elterlichen Sorge nach Art. 296 ff. ZGB. Beide Elternteile haben in diesem Fall von Gesetzes wegen die Vertretung des Kindes ge genüber Drittpersonen im Umfang der ihnen zustehenden elterlichen Sorge inne (Art. 304 Abs. 1 ZGB). In solchen Fällen hat also z.B. auch der Vater, dessen Kind bei der Mutter wohnt, ein Auskunftsrecht und umgekehrt. Hat nur ein El ternteil die elterliche Sorge inne, richten sich die Rechte des nicht sorgeberechtigten Elternteils nach Art. 275a ZGB. Der nicht sorgeberechtigte Elternteil kann bei Drittpersonen, die an der Be treuung des Kindes beteiligt sind, wie nament lich bei Lehrkräften, Ärzten, medizinische Fach personen etc. in gleicher Weise wie der Inhaber der elterlichen Sorge Auskünfte über den Zu stand und die Entwicklung des Kindes einholen (Art. 275a Abs. 2 ZGB). Die Auskünfte haben sich jedoch auf den von der Drittperson betreuten Bereich zu beschränken. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass das Informations- und Auskunfts recht beiden Elternteilen (unabhängig von der elterlichen Sorge) zusteht.