Die Konzertreihe „Saitenspiel“ widmet sich in Liebe und Verehrung den tschechoslowakischen Komponisten Gideon Klein, Viktor Ullmann, Erwin Schulhoff, Hans Krása und Pavel Haas. Sie wurden in jungen Jahren vom damaligen NS-Regime verfolgt, in deutsche Konzentrationslager deportiert und dort ermordet.
Rolston String Quartet
Sonntag, 19.01. 2020, 18.00 Uhr
Sonntag, 17.05. 2020, 18.00 Uhr
Rolston String Quartet
Jerusalem Quartet
Felix Mendelssohn Bartholdy Streichquartett op. 13 Erwin Schulhoff 5 Stücke für Streichquartett Ludwig van Beethoven Streichquartett op. 130 mit großer Fuge
Joseph Haydn Streichquartett Nr. 2 op. 72 „Quintenquartett“ Erwin Schulhoff 5 Stücke für Streichquartett Ludwig van Beethoven Streichquartett Nr. 15 a-moll op. 132
Jerusalem Quartet
Samstag, 28.03. 2020, 18.00 Uhr
Meccore String Quartet
Das Kulturmagazin im Bergischen Land 01/2020 Januar-März
„In Liebe und Verehrung“
die beste Zeit
Saitenspiel:
Donnerstag, 11.06.’20, 18.00 Uhr
Meccore String Quartet
Prisma Quartett
Leoš Janáček Streichquartett Nr. 1 „Kreutzersonate“ Hans Krása Streichquartett (1921) Passacaglia und Fuge (1944) für Streichtrio Peter Tschaikowsky Streichquartett Nr. 2 op. 22
Zoltán Kodály Streichquartett Nr. 2 Pavel Haas Streichquartett Nr. 3 op. 15 Ludwig van Beethoven Streichquartett Nr. 2 op. 59 Prisma Quartett
Sonntag, 29.03. 2020, 18.00 Uhr Pavel Haas Streichquartett Nr. 2 op. 7 „Von den Affenbergen“ (mit Schlagzeug) Franz Schubert Streichquintett C-Dur D 956 Bennewitz Quartett
An jedem Montag nach den Sonntagsveranstaltungen finden zwei Konzerte für Schulklassen statt. | Veranstalter der Konzertreihe: Saitenspiele Wuppertal gGmbH
In der Historischen Stadthalle Wuppertal
www.saitenspiel.de
ISSN 18695205
Bennewitz Quartett
Geschichte Bazon Brock zu Friedrich Engels Ausstellung Hannsjörg Voth im Von der Heydt-Museum Musiktheater Große Kunst in Wuppertal und Hagen Tanztheater Neueinstudierung von Pina Bauschs „Blaubart“ Porträt Neuer Glanz im Teo Otto Theater in Remscheid Zukunft Bergische Klimagespräche: Mobilitätswende 01/ 2 0 2 0 J a n u a r - M ä r z / 5. 8 0 €
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ROMEO UND JULIA von William Shakespeare ab Sa. 28. März 2020 im Opernhaus
Ticket- und Abo-Hotline: Tel. 0202 563 7666
SCHAUSPIEL WUPPERTAL
The art of tool making
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Editorial Liebe Leserinnen und Leser „Es herrscht ein schreckliches Elend unter den niedern Klassen, besonders den Fabrikarbeitern im Wuppertal; syphilitische und Brustkrankheiten herrschen in einer Ausdehnung, die kaum zu glauben ist; in Elberfeld allein werden von 2500 schulpflichtigen Kindern 1200 dem Unterricht entzogen und wachsen in den Fabriken auf, bloß damit der Fabrikherr nicht einem Erwachsenen, dessen Stelle sie vertreten, das Doppelte des Lohnes zu geben nötig hat, das er einem Kinde gibt. Die reichen Fabrikanten aber haben ein weites Gewissen, und ein Kind mehr oder weniger verkommen zu lassen, bringt keine Pietistenseele in die Hölle, besonders wenn sie alle Sonntage zweimal in die Kirche geht.“ Ich war 19, als ich das in meinen „Briefen aus dem Wuppertal“ schrieb. Dass in „meinem“ Wuppertal heute die Kinder zur Schule gehen, statt in den Fabriken zu arbeiten, und die meisten Menschen zumindest für das Lebensnotwendige keine 70 Wochenstunden mehr arbeiten müssen, macht mich froh. Dass aber noch immer mehr als ein Drittel der Kinder hier in Armut lebt, ist kaum zu fassen. Die Hoffnung, dass durch Bildung prekäre Lebensverhältnisse überwunden werden, hat sich nur zum Teil erfüllt. Noch immer hängt der Erfolg vom sozialen Status der Eltern ab. Während meiner kaufmännischen Ausbildung in der väterlichen Baumwollspinnerei in Manchester beobachtete ich ähnliche, womöglich noch schlimmere Lebensverhältnisse als im Wuppertal. Was ich erforschte, veröffentlichte ich 1845 in meinem Buch „Lage der arbeitenden Klasse in England“. Diese Erfahrungen, meine philosophischen Studien und die Begegnung mit Karl Marx machten mich zu dem, der ich wurde. Gemeinsam mit Karl Marx veröffentlichte ich ein Buch, das die Welt verändern sollte: „Das Manifest der Kommunistischen Partei“.
gerechnet ein Staat, dessen Gründungsmythos der Kommunismus ist, unter den Vorzeichen der Globalisierung die Marktkräfte des Kapitalismus wie kein anderer entfesselt. Kontrolliert und manipuliert mit den digitalen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts das Denken seiner Bürger und schlägt jede aufkeimende Demokratiebewegung blutig nieder. Und diese sogenannte Volksrepublik China schenkt meiner Heimatstadt Barmen, Verzeihung, Wuppertal, auch noch ein Denkmal in pseudokommunistischem Kitsch, das mich darstellen soll. Ein Treppenwitz der Geschichte! Da stehe ich nun im scheußlichen Stil des sozialistischen Realismus vor dem Haus meiner Kindheit im bergischen Stil. Wie hatte mein Freund Karl Marx noch gesagt: „Die Philosophen haben die Welt verschiedentlich interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ Nun zeigt sich im Licht der Geschichte, dass die Philosophie des historisch-dialektischen Materialismus geirrt hat. Sie hat die Welt zwar verändert, aber nicht in ihrem Sinne. Nur wenige Meter entfernt von mir steht das großartige Kunstwerk „Die starke Linke“ des österreichischen Bildhauers Alfred Hrdlicka. Die Skulptur zeigt mehrere ineinander verschlungene Gliedmaßen, die Körperfesseln tragen. Ein linker Arm ragt heraus und versucht, die Ketten aller zu sprengen. Eine in Stein gemeißelte Illusion? Oder doch die Hoffnung, von der wir nicht lassen sollen? Vielleicht reißen die Ketten nicht durch revolutionäre Prozesse, die am Reißbrett der Philosophie ausgedacht und an den Schaltzentralen von Parteien exekutiert werden. Vielleicht würde ich in meinen „Neuen Briefen aus dem Wuppertal“ über hoffnungsvolle Initiativen, die lokalen Kraftzentren wie die Utopia-Stadt oder der ort schreiben, Aktivitäten, bei denen sich Menschen spontan zusammenschließen, im gemeinsamen Handeln ihre Lebenswelt gestalten. Meine Hoffnung auf eine menschliche Welt und gerechtere Gesellschaftsordnung gäbe ich jedenfalls nicht auf! Friedrich Engels alias Heiner Bontrup
Das Kommunistische Manifest war die politische Blaupause für die revolutionären Bewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Was aus der russischen Revolution und der späteren Sowjetunion wurde, war ein Verrat an dieser politischen Idee. Was ist aus vielen meiner Ideen geworden?! Und gerade da, wo man mich heute noch am meisten verehrt, hat ausFriedrich Engels, Ausschnitt aus einer Collage von Detlef Bach
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Inhalt 12
Der Künstler Detlef Bach über seine Collagen/Montagen zum Thema Friedrich Engels
Fall ich nach links, fall du nicht nach rechts!
Bazon Brock: Friedrich Engels frisst Cola wie die Revolution ihre Kinder
Wiedergeburten?
Die Ausstellung „Ein Gespenst geht um in Europa“ in der Kunsthalle Wuppertal Barmen
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Mit Champagner auf die Barrikaden Das Von der Heydt-Museum Wuppertal zeigt den Land-Art-Künstler Hannsjörg Voth
Zu Lande und zu Wasser
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Blockbuster-Ausstellung in Düsseldorfs K20
Edvard Munch – gesehen von Karl Ove Knausgård Musiktheater in Hagen und Wuppertal
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Hohe Qualität
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Neueinstudierung: Ein Stück von Pina Bausch Blaubart. Beim Anhören einer Tonbandaufnahme von Béla Bartóks Oper „Herzog Blaubarts Burg“.
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Tanz und Film verbinden die Welt
we live future now
Zehn Jahre Tonleiter – zeitgenössische Musik im Skulpturenpark Waldfrieden
Die Neugier bewahren
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Das Teo Otto Theater in Remscheid
Neuer Glanz und neue Leitung Martin Kindervater gelingt eine bunte Inszenierung von Albert Camus‘ düsterstem Stück „Das Missverständnis“.
Wenn Gott singt wie Leonard Cohen Kulturnotizen
Was noch wichtig ist Kulturtipps
Für Kinder und Jugendliche
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Das Theater Anderwelten bespielt die Bühne der Wuppertaler Oper
Vorhang auf für die Geschichten der Vertriebenen Kunst und Wissenschaft treffen sich bei den Bergischen Klimagesprächen 2019
Wir alle bewegen die Stadt
Neue Kunstbücher vorgestellt von Thomas Hirsch
Licht und Dunkel
Preis der Wuppertaler Literatur Biennale 2020
Berührungen – Tier Mensch Maschine Ausstellungen, Bühne, Musik, Kino
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Kulturtipps
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Impressum
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Detlef Bach, „REVOLUTION. Der Rest ist Werbung.“
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Detlef Bach, „Dumm und dämlich gefressen. Meint Georg Seeßlen zu Friedrich Engels.“
Fall ich nach links, fall du nicht nach rechts!
Der Künstler Detlef Bach über seine Collagen/Montagen zum Thema Friedrich Engels Wir feiern Friedrich Engels, weil wir keine Angst mehr vor ihm haben. Wir haben ihn längst mundtot gemacht. Sein Freund, der Mohr, hat doch längst seine Schuldigkeit getan. Ehrlich, wegen uns konnte der gehen und verschwinden. Und wenn er schon mal dabei war, konnte er Friedrich Engels doch gleich mitnehmen. Nun ist Friedrich Engels aber wieder zurückgekehrt. Okay, wir wissen durch das Kino inzwischen: THE DEAD DON´T DIE. Flashback. Sensationalisierung. Visualisierung.
Durch Collagen und Montagen, unter Zurhilfenahme von Textzitaten, wie z.B. denen von René Pollesch, dem künftigen Intendanten der Volksbühne in Berlin. Seine, wie auch andere Zeilen, liegen dem jeweiligen Bild von, zu, über und für Friedrich Engels auf der linken Seele. Das heißt, sie können und sie sollen auch nicht 1:1 entschlüsselt werden. Kunst beantwortet schließlich keine Fragen. Auch die nicht, ob Friedrich Engels uns heute noch etwas zu sagen hätte. Es wäre vielleicht schön, wenn dem so wäre. Oder? Alle Zeiten sind bekanntlich gleich. So schrieb und sagte es
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Klaus Theweleit in „Ekstasen der Zeitmischung“. Die Vergangenheit noch … die Zukunft schon … ein Nacheinander und Übereinander. Genau so sind meine Collagen zum Thema „Friedrich Engels“ zu verstehen. Den höchsten Grad von Absurdität, heißt es, erreichen unsere Promis, unsere geliebten Söhne und Töchter der Stadt, wenn wir sie ausschließlich als Promis, als unsere geliebten Söhne und Töchter unserer Stadt vorstellen. Solche Stars sind dann schnell Mitglied der sogenannten und (hoch) verhassten „Kultur“. Einer Kultur, vor der niemand mehr wirklich zusammenzuckt. Niemand, der einfach mal innehält. Nachdenkt. Denkt. Vordenkt. Ja, wir haben uns längst eingenistet in der Frage: Wohnst du noch oder lebst du schon? Wir haben Geschmack gefunden am Sicheren. Wir sind endlich und glückselig gemütlich geworden. Und genau in diesem Augenblick unserer frivolen Behaglichkeit kommt Friedrich Engels um die Ecke und baut sich vor uns auf. Und er hat dann auch noch Georg Seeßlen, Bozoma Saint John, Robert Misik und Pamela Anderson bei sich. Als wären das die apokalyptischen Reiter der Neuzeit. Aber da ist ja auch Georg Kreisler, der mit Engels Zungen redet, wenn er sagt: „Fall ich nach links, fall du nicht nach rechts!“ Tja …verdammt, und wir haben uns eingangs noch gefragt, ob Friedrich Engels uns noch was zu sagen hat. Das hat er. Absolut. Die Beschäftigung mit Friedrich Engels kann helfen gegen das plumpe Gejohle der Dummheit und die soziale Ungerechtigkeit, die in unserer Gesellschaft grassiert. Und vielleicht kann man ja mit einer Portion hintersinnigem Witz die ewigen Besserwisser und Rechthaber lächerlich machen, die behaupten, die Zeit Friedrich Engels wäre schon lange vorbei. Die gerne behaupten, es ... gäbe kein linkes Leben im falschen. „Ich lehne es ab, mich ernst zu nehmen“, sagt Friedrich Engels auf einer meiner Grafiken. Auch damit wäre Friedrich Engels uns einen weiten Schritt voraus. Wieder einmal. Zwei weitere Arbeiten von Detlef Bach flankieren auf den folgenden Seiten den Beitrag von Bazon Brock über Friedrich Engels. Mehr über den Wuppertaler Künstler Detlef Bach und sein umfangreiches Werk unter www.detlefbach.de
Zu seinem Steckbrief/seiner Vita schreibt Detlef Bach: Alter ändert sich von Jahr zu Jahr (1973 war ich zum Beispiel nur 10) Größe laut Personalausweis 175 (ich hatte beim Messen aber hohe Schuhe an) Haare am Kopf weniger als im Gesicht; so will es mir oft erscheinen Stirne in Falten, wenn ich über mein Verhältnis zur Welt nachsinne oder die Zutaten einer anständigen Bouillabaisse Augenbrauen gezwirbelt … vor allem nach schwer-lustiger Literatur wie zum Beispiel von Arno Schmidt, Jacques Lacan oder aber auch Fix & Foxi Augen zwei; R -0.50 -0.75 85° H 15 L -1.00 -0.75 85° H 15 Nase größer als die eines Neunjährigen, kleiner als die von Dustin Hoffman (will ich meinen) Bart KEINEN! Ich trage ausschließlich Hair Bag Kinn sollte sich unter meinem Hair Bag befinden (hoffe ich doch sehr) Angesicht angesichts von was? „Schaust du mich an aus dem Kristall / Mit deiner Augen Nebelball, Kometen gleich, die im Verbleichen; / Mit Zügen, worin wunderlich / Zwei Seelen wie Spione sich / Umschleichen, ja, dann flüstre ich: / Phantom, du bist nicht meinesgleichen!“ (Annette von Droste-Hülshoff; 1797-1848) … kennt doch jeder, so ein Gefühl Gesichtsfarbe leicht impressionistisch, wenn ich gemalt habe … ansonsten dem Leben Tribut zollend Statur hochtrabend klein, aber gleichzeitig mickrig-groß Besondere Kennzeichen paradoxer Archäologe und barocker Minimalist, intrinsisch motiviert. Totemtier Biber (wunderbare Tiere, die ich unbedingt zu Butlern ausbilden möchte) Totemfarbe blau Totemstein Chrysokoll Meine Überzeugung Niveau ist keine Handcreme Ausstellungen/Preise (nur eine winzig kleine Auswahl): Teilnahme am Kunstaustausch aus zehn Nationen in Tokio, Japan. Einzelausstellung „Figure & Abstraction“, Gallery Art Exchange, New York. Jeweils Einzelausstellung, „Hommage à Marquis de Sade“, Gallery Stendhal, New York, Museum of Contemporary Art, Washington D.C.; „Jahresschau ‘99“, Von-der-Heydt-Museum, Wuppertal. Preisträger im Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“ mit dem Projekt „altGOLD&jungBLUT“ (DER FILM). Gemeinschaftsausstellung KUNSTHILFT in der Galerie Kunstkomplex, Wuppertal; Eine Kooperation von 68 Künstlern unter der Schirmherrschaft von Kulturdezernent Matthias Nocke zugunsten benachteiligter Kinder in Wuppertal und im Ostkongo. Teilnahme an der Ausstellung „What Is Love? Von Amor bis Tinder“. Eine Schau zu Fragen von Partnerschaft, Schönheit und Narzissmus in der Kunsthalle Bremen, gemeinsam mit der Zeitschrift Monopol. „Belesene Bilder“; 5 Tage, 5 Bilder, 5 Lesungen im Partisan-Verlag, Wuppertal 7
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8 Detlef Bach, Friedrich-Engels-Studie
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Bazon Brock
Wiedergeburten?
Friedrich Engels frisst Cola wie die Revolution ihre Kinder
In den 1970er-Jahren wurde vom Barmer Engels-Haus eine bestimmte historische Epoche als geeignetes Feld der experimentellen Geschichtsschreibung eröffnet. Experimentelle Geschichtsschreibung ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts unter dem Namen Uchronie-Forschung vor allem bei Militärs populär, die sich fragen, was gewesen wäre, wenn ... Cäsar nicht ermordet worden wäre, aber Napoleon doch von der eifersüchtigen Josephine. Auf den ersten Blick scheint das eine Kinderfrage zu sein, auf den zweiten und dritten aber ist es sehr sinnvoll, jede Handlung und Entscheidung von Menschen mit Blick auf Alternativen im Spektrum des prinzipiell Möglichen zu kennzeichnen und zu bewerten. Denn historische Entwicklungen, die geschichtlich wurden, folgen keineswegs den immer wieder beschworenen Sachzwanglogiken oder denen der Psychopathologie. Seit Shakespeares experimenteller Geschichtsschreibung auf der Bühne ist das uchronische Denken „Was wäre gewesen, wenn ...“ um eine Sinnebene erweitert worden: „Was wäre, wenn wir aus konkreter Geschichte etwas lernten?“ In der Ausbildung von Militärs wurde „Cannae“ so zum Lehrbeispiel für Umfassungsschlachten, für säkulare Zivilisten hieß die Antwort generell: „Das darf uns nicht noch einmal passieren!“ Was wollte Friedrich Engels aus dem Beispiel Cola di Rienzos lernen oder sogar gelernt haben, als er in den allfälligen Kaffeekränzchen und an den Debattierstammtischen des Biedermeier seinen poetischen Erguss zu den römischen Großereignissen der 1340er-Jahre vortrug respektive vortragen ließ? Eine Antwort kann man durchaus gut begründet geben, wenn man die parallel zu Engels’ Hymnik von Richard Wagner konzipierte Huldigung an Cola und den damals populären Roman von Bulwer-Lytton über das Leben des Volkstribuns als durchaus zeittypisch zu Rate zieht. Offensichtlich ging es Engels wie Wagner um eine sinnvolle und angemessene Reaktion auf die Niederschlagung der Juli-Revolution des Jahres 1830 in Paris bzw. auf
den Verrat dieser Revolution durch das Bürgertum, nachdem dieses der Inthronisierung des Bürgerkönigs Louis Philippe aus dem Hause Orléans anstelle des Bourbonen Karl X. zugestimmt hatte. Die Antwort, die zum Beispiel Eugène Delacroix mit seinem Gemälde „Die Freiheit führt das Volk“ gegeben hatte, blieb unbefriedigend, denn es reichte wohl doch nicht, sich als „schlotternder Hosenscheißer“ unter dicken Brückengewölben aus dem aktuellen Kampf herauszuhalten, wie es Delacroix laut Zeitzeugen im Juli 1830 getan hatte, um dann seine eigene Rolle in der Gestalt des zylinderbewehrten Bürgers in seiner Bilderzählung zum Mut des Wankelmütigen zu überhöhen. (Die 1848er-Revolutionäre haben denn auch Delacroix’ Gemälde zu den Ereignissen von 1830 als reaktionären Mist entsorgt.) Die Juli-Ereignisse 1830 waren ein Versuch, gleichzeitig die römisch-französische Republik und das Empire Napoleons vor der Auslöschung von Geschichte zu bewahren, denn die Restauration nach dem Wiener Kongress 1815/16 ließ sich nur durch die Polizeidiktatur Metternichs behaupten, die sich gegen jegliche geschichtliche Weiterentwicklung rigoros zur Wehr setzte und in Frankreich zur Wiedereinsetzung des vorrevolutionären Herrschergeschlechts der Bourbonen führte. Bulwer-Lytton, Engels, Wagner, ja, die gesamte Undercover-Gesellschaft des angeblich so harmlosen Biedermeier suchte nach einem Ereignis in der europäischen Geschichte, das zu erörtern die verbotene Analyse des revolutionären Potenzials in der Epoche der Restauration ersetzen konnte. Und dieses Ereignis bot ihnen die Geschichte des Cola di Rienzo. Cola wollte als eine Art Bildungsenthusiast und Erkunder der Regeln sozialer und politischer Entwicklungen in der Geschichte die tödlichen Machtkonflikte im Rom des 14. Jahrhunderts und speziell der Jahre 1347 bis 1354 in eine wünschenswerte Zukunft überführen. Er glaubte, nach Diskussionen mit ersten Humanisten wie 9
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Petrarca dazu befähigt zu sein, weil er die Vision hatte, dass zentrale Vorgänge in der Römischen Republik bis zu Cäsars Tod wieder aufleben könnten. Da er die römischen Vorgänge zu kennen glaubte, fühlte er sich auch befähigt, den Machtkampf zwischen römischen Senatorenfamilien nutzen zu können, um die gesellschaftliche Aristokratie durch die Herrschaft des Volkes zu ersetzen; die Analogie schien umso einleuchtender, als der Papst im 14. Jahrhundert nicht in Rom residierte und damit der Machtfaktor der Übertragung des römischen Imperiums auf das Imperium Christi, regiert vom Vatikan, unberücksichtigt bleiben konnte. (Um die Rom-Vorstellungen Colas, also seine historischen Kenntnisse, und die Chancen der Wiedereinsetzung des römischen Beispiels einzuschätzen, lese man Eric Agne, „Die Entwicklung der Rom-Vorstellungen von Cola di Rienzo“, 2006.) Wir alle sind inzwischen vertraut mit der Typologie solcher Vorgänge, die mit dem geflügelten Wort „Die Revolution frisst ihre Anführer“ treffend bezeichnet werden. Vom Tod der Gracchen-Brüder über den des Arminius/Hermann und Dantons bis zur Eliminierung der letzten Gefährten Lenins durch Stalin in den Moskauer Prozessen von 1937/38 wie aber auch beim Ende der willfährigen Helfer bei der Auslöschung von Revolutionären wie Robespierre oder Jeschow oder Freisler bestätigt sich die sprichwörtliche Weisheit „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg’ auch keinem andern zu“ – es sei denn, man hält die Selbstauslöschung nach dem Beispiel von Sokrates und Christus für die größte gedächtnisstiftende Kraft des geschichtlichen Menschen. Es verwundert also nicht, dass Cola zunächst damit Erfolg hat, die Volksmacht gegen die Senatorenfamilie Colonna und ihre Rivalen zu etablieren; und es überrascht nicht, dass er seine anfängliche Ausstattung mit Macht gerade den Colonna verdankte, die ihn zu ihrem Agenten machen wollten. Dann aber gelingt es, eben durch die Propaganda mit diesem vermeintlichen Doppelspiel Colas das Volk gegen ihn in Stellung zu bringen und ihn schließlich als Tyrannen (des uns so bekannten Typs Lenin) zu erledigen. Also immer dasselbe Spiel inklusive Liebestragödie, das dort endet, wo man angefangen hatte. Konnte das beispielhaft werden für die Zukunftserwartung der biedermeierlich getarnten Fortschrittler? Doch, doch, sehr wohl. Und groß gedacht. Die frühen Humanisten durften durchaus glauben, dass die Geschichte gerade wegen ihrer Dauer als Wiederholung derselben Muster in
jeweils neuen Zeiten wirksam würde. Derartige Wiederholungen waren für sie mit dem Begriff Wiedergeburt, also Renaissance verbunden. Gerade das Scheitern Colas diente den späteren als Beispiel dafür, dass Wiederholung und Wiedergeburt nicht als identische Reproduktion der vorlaufenden Ereignisse intendiert werden können, sondern vielmehr Exemplifizierungen im Sinne vergegenwärtigender Rückerfindung sind. Den Höhepunkt der Verfolgung dieser Logik des Geschichtlichen im Kontext Renaissance und Humanismus bot der Späthumanist Winckelmann mit seiner Schöpfung eines für die Europäer normativ gewordenen Kontrafakts des griechisch-römischen Schönheits- und Weltsinns „in edler Einfalt und stiller Größe“. Die Winckelmann‘sche vergegenwärtigende Rückerfindung schuf tatsächlich eine „wahrere“ Antike, als es die historische gewesen ist: Jene war ein vielfarbig grelles Disneyland, zum Erbrechen ekelhaft bunt. Für die Generation Wagner/Engels galt dieses neue Verständnis des Geschichtlichen als eine erst zu denkende, zu schaffende Zukunft. Geschichte ist unsere Zukunft: Sie liegt erst vor uns, und wenn wir sie erreicht haben werden, bleibt sie als Vergangenheit. Und Vergangenheit ist das, was nicht vergeht; denn verginge sie, dann hätten wir ja keine Vergangenheit. In der Aufbruchsgeneration des 19. Jahrhunderts ist das Geschichtlichwerden ein Ziel des Handelns. Die Zukunft von heute ist die Vergangenheit von morgen, aber Vergangenheit ist eben nur das Bleibende, hingegen ist Geschichte ausgerichtet auf das Kommende. Und dafür standen schließlich Marx wie Engels, Helmholtz wie Haeckel, Liebig wie Lasalle. Der Cola-Hymnus des jungen Engels huldigt demnach nicht einer bloß vergangenen Geschichte, sondern dem Geschichtlichwerden des Konzepts Zukunft. Die treibende Kraft, so Marx/Engels, für die Erwartung der Zukunft ist das Kapital, in dem alle bloß historischen Fakten von der Macht der religiösen Kulte über die Geltung durch Genesis bis zur Gesundheit durch naives Unsterblichkeitsgefühl vereinheitlicht sind. Kapital wird zum Monotheismus der verschiedensten Kulturen, die erstmals in der Geschichte weltweit durch Technologisierung und Kommerzialisierung dem einen obersten, also göttlichen Prinzip der Zukunftserwartung gehorchen. Endlich wissen alle, was die vage Anmaßung geliehener Priesterautorität mit „Deus lo vult“ tatsächlich in Zukunft meinen konnte: „Wir wollen, was wir müssen“ im großen Stoffwechselgeschehen durch die Wandlungskraft des Kapitals, denn diese Anverwandlung ist synonym mit Leben überhaupt.
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11 Detlef Bach, „Unter einem roten Stern: Die Offenbarung (3,15-16; aus der Bibel), vs. Georg Seeßlen.“
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Isländer Brücke, Medienzentrum der Stadt Wuppertal
Mit Champagner auf die Barrikaden
Die Ausstellung „Ein Gespenst geht um in Europa“ in der Kunsthalle Barmen stellt Friedrich Engels als vielschichtige historische Persönlichkeit in seiner Zeit in den Mittelpunkt.
„Proletarier aller Länder vereinigt euch!“ Wer kennt ihn nicht, den Schlachtruf des Kommunismus? Er findet sich am Schluss des von Karl Marx und Friedrich Engels 1848 verfassten „Kommunistischen Manifests“, das mit dem denkwürdigen Satz beginnt: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus.“ – „Ein Gespenst geht um in Europa“ – das ist auch der Titel der zentralen Ausstellung des Wuppertaler Engelsjahres 2020 in der Kunsthalle Barmen. Die wird allerdings nicht die Geschichte des Kommunismus erzählen, sondern die Lebensgeschichte von Friedrich Engels, der am 28. November 1820 als Fabrikantensohn in Barmen geboren wurde.
„Wir setzen den Schwerpunkt auf das Leben und Werk von Friedrich Engels, indem wir die Lebensorte, an denen er tätig war, miteinander verbinden“, erläutert Dr. Lars Bluma, Leiter des Historischen Zentrums in Wuppertal, der die Schau zusammen mit einem Kuratorenteam konzipiert hat. „Elberfeld, Bremen, Köln, Brüssel, Paris, zur Revolution 1849 zurück nach Elberfeld, geflüchtet nach England, 20 Jahre in Manchester, dann London“, zählt Bluma Stationen von Engels’ bewegtem Leben auf. Dabei soll in der Ausstellung deutlich werden, wofür die Städte jeweils stehen: etwa für die Frühindustrialisierung in Deutschland, für die 1848er-Revolution, Brüssel und Paris als Stadt der Exi-
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Fabriken an der Wupper, Medienzentrum der Stadt Wuppertal
lanten, Manchester für den Hochkapitalismus, London für das British Empire. „Wir wollen Friedrich Engels vor allem als historische Persönlichkeit zeigen, die tief verhaftet war in diesem 19. Jahrhundert“, erklärt Bluma. Schließlich lohnt es sich, diese äußerst vielseitige Persönlichkeit näher kennenzulernen: den Unternehmer und den Revolutionär, Schriftsteller, Philosophen, Journalisten, Visionär und Sozialkritiker, aber auch den geselligen Gastgeber, spendablen Freund und pflichtbewussten Sohn, der für die Arbeiter auf die Barrikaden ging und den Champagner liebte. Konsequenterweise endet der Ausstellungsrundgang dann auch mit Engels’ Tod 1895 in London. Einen Ausblick auf die Reflexionsgeschichte seiner Ideen gibt es ganz bewusst nicht: „Zur Frage, wie sich Engels weiter ausgewirkt hat, wird es andere Programmpunkte im Wuppertaler Engelsjahr geben“, sagt Bluma. Er findet: „Man muss erst zurückgehen und das 19. Jahrhundert verstehen, dann versteht man auch erst die Rezeptionsgeschichte.“ Anhand einer Vielzahl von
Exponaten – u.a. persönliche Gegenstände Engels’, Manuskripte, Originalausgaben, Karikaturen, Bilder und vor allem zeitgenössischen Fotografien – soll die Atmosphäre der Zeit spürbar werden. Die Fotografie als das neue Medium des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts wird laut Bluma dabei eine besondere Rolle spielen: „Wenn man sieht, wie düster und dreckig es damals war, versteht man auch, warum Engels und Marx die Welt verändern wollten.“ Anne-Kathrin Reif
Ein Gespenst geht um in Europa Ausstellungseröffnung am 29. März 2020 in der Kunsthalle (Haus der Jugend) Barmen, Geschwister-Scholl-Platz 4-6, 42275 Wuppertal Ende am 20. September 2020 mit dem Wuppertaler Geschichtsfest 200 Jahre Friedrich Engels. 13
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Zu Lande und zu Wasser
Das Von der Heydt-Museum Wuppertal zeigt den Land-Art-Künstler Hannsjörg Voth Fragen nach dem ökologischen Bewusstsein unserer Gesellschaft und dem Umgang mit der Natur sind heute absolut aktuell und gleichzeitig nicht neu. Bereits in den 1970er-Jahren widmeten sich jene Künstlerinnen und Künstler diesen Fragestellungen, die man heute zur Land Art zählt, darunter auch der Deutsche Hannsjörg Voth. Hannsjörg Voth (geboren 1940 in Bad Harzburg) ist seit den 1970er-Jahren für seine aufsehenerregenden Land-ArtProjekte bekannt. Der studierte Gebrauchsgrafiker, der auch als Artdirector in München tätig war, widmete sich zunächst der Malerei und Zeichnung, es entstanden beispielsweise die sogenannten „Acrylbilder“. 1973/74 gab Voth die Malerei dann auf, um sich fortan baulichen Projekten und Aktionen im Außenraum zuzuwenden. Die Ausstellung „Zu Lande und zu Wasser“ ist als umfassende Werkschau gemeinsam mit dem Künstler konzipiert worden. Im Zentrum stehen Voths beeindruckende Großprojekte, die anhand von Zeichnungen, Fotografien und Modellen dokumentiert und so in der Ausstellung erlebbar werden. Das erste Projekt, das Voth im Außenraum realisierte, war „Feldzeichen“ (1975). Auf einer Anhöhe in Ingelsheim (Oberbayern) stellte Voth mit der Hilfe von Freunden und Bauern vier 30 Meter hohe Stämme auf, die mit weißen Leintüchern umwickelt und mit Seilen verschnürt waren.
Schon von weitem sichtbar erinnerten die „Feldzeichen“ einerseits an die Tradition des Maibaumaufstellens, mahnten aber andererseits eindrucksvoll vor der Ausbeutung der Landschaft. Schon dieses erste Projekt zeigt eine soziale Dimension, die auch die folgenden Werke Voths prägte und die die besondere Spezifik des Künstlers ausmachen. Die „Feldzeichen“ sollten ein Jahr stehen bleiben, wurden aber nach kurzer Zeit von Unbekannten umgesägt. Eine der eindrücklichsten, sicherlich aufsehenerregendsten Aktionen war „Reise ins Meer“ im Jahr 1978. Dafür ließ der Künstler ein Floß bauen, auf dem eine 20 Meter lange männliche Figur mit einer Bleimaske und von Leintüchern umwickelt lag. Von Ludwigshafen bis Rotterdam trieb das Floß rheinabwärts und wurde dann angezündet. So symbolisierte die Aktion die Übergabe des Menschen an die Natur – wie man es aus der Tradition der Feuerbestattung kennt. Anfang der 80er-Jahre zog es Hannsjörg Voth nach Marokko, er war auf der Suche nach einem geeigneten Ort für ein neues Projekt und sehnte sich zudem nach einer unberührten, ursprünglichen Natur, die er in der Marha-Ebene fand. Zwischen 1985 und 87 baute er gemeinsam mit einheimischen Arbeitern die „Himmelstreppe“, eine 16 Meter hohe Treppe in Form eines Dreiecks aus Lehm. In der weiten flachen Wüstenlandschaft bildet die immer noch
Linke Seite: Hannsjörg Voth, Reise ins Meer, 1978, Fotografie: Ingrid Amslinger, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Hannsjörg Voth, Himmelstreppe, 1985, Mischtechnik auf Transparentpapier, 30 cm x 42 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020
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Hannsjörg Voth, Stadt des Orion, 2003, Fotografie: Ingrid Amslinger, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020
vorhandene „Himmelstreppe“ ein markantes, sich schon aus der Ferne in Richtung Himmel reckendes Bauwerk. In den in der Großskulptur vorhandenen Räumen hat der Künstler einige Zeit gelebt und gearbeitet. In unmittelbarer Nähe zur „Himmelstreppe“ entstand Anfang der 90erJahre die „Goldene Spirale“, ein architektonisches Gegenstück zur „Himmelstreppe“, das sich spiralförmig 22 Meter in die Erde erstreckt. Mit der „Stadt des Orion“ verwirklichte Voth die letzte Großskulptur in Marokko (1997 bis 2003). Ziel dieses letzten Projektes war es, das Sternbild Orion dreidimensional auf der Erde darzustellen. Schon in München, als Voth den Auftrag bekam, eine begehbare Installation zwischen den Gebäuden des Europäischen Parlaments zu errichten, griff der Künstler auf kosmische Symbole zurück. „Zwischen Sonnentor und Mondplatz“ (errichtet zwischen 1991 und 93) zeigt die unterschiedlichen Mondphasen und integriert das Sonnenlicht, das bei Sonnenhöchststand genau durch ein dafür vorgesehenes Tor fällt und die Meridianlinie zeichnet.
In der Ausstellung werden die Großprojekte, die teilweise, wie „Feldzeichen“ oder „Reise ins Meer“, nicht mehr existieren, anhand von architektonischen Modellen, Zeichnungen und Fotografien wiedergegeben und so für die Besucherin/den Besucher erfahrbar. Während die Modelle und Zeichnungen Voths Konzeptionen baulich verdeutlichen und Einblick in die Vision des Künstlers geben, setzen die Fotografien von Ingrid Amslinger die Großprojekte monumental und stark in Szene. Diese Bilder dokumentieren die Projekte nicht bloß, sie geben den ästhetischen Reiz und den baulichen Anspruch der Projekte auf beeindruckende Weise wieder. Neben den Großprojekten präsentiert die Ausstellung Zeichnungen und Malereien, die der Künstler in Marokko angefertigt hat. Der Zeichenzyklus „Jenseits der Zeit“ ist zwischen 1987 und 2006 während der Aufenthalte in den Bauskulpturen „Himmelstreppe“, „Goldene Spirale“ und „Stadt des Orion“ entstanden. Es handelt sich um feine Bleistift- und Kohlezeichnungen, die mystische Tier- und Menschenwesen zeigen. Ebenfalls in der Wüste und zur 17
Linke Seite: Hannsjörg Voth, Himmelstreppe, 1987, Fotografie: Ingrid Amslinger, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020
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Hannsjörg Voth, ohne Titel, 1987, Stahlstift, Wasserfarben auf Büttenpapier, 32 cm x 40 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020
gleichen Zeit schuf Voth die sogenannten „Materialbilder“, die aus Materialien der Wüste bestehen. Lehm, Sand, Asche, Ruß und Kalk hat der Künstler mit bloßen Händen aufgetragen. Die Werke strahlen so eine verblüffende Direktheit aus – als könne man dem Prozess des „Malens“ unmittelbar nachspüren. In der Zusammenstellung mit den Großprojekten zeigt sich so die mediale Vielseitigkeit des Künstlers, der sowohl das kleine, zeichnerische Format als auch das Großformat in Form der Bauskulpturen beherrscht. In all seinen Werken spielt das Material eine entscheidende Rolle, es ist stets ursprüngliches, natürliches Material – Voth arbeitet und malt mit Lehm und Sand und baut nach alter Tradition. Es ist dieser Wunsch nach Ursprünglichkeit, der den Projektkünstler Hannsjörg Voth auszeichnet. Das Arbeiten mit und in der Landschaft, mit vergänglichen Materialien, ist typisch für die Künstlerinnen und Künstler der Land Art, die danach strebten, die Natur als Empfindungs- und Wahrnehmungsraum zurückzugewinnen und so ein ursprüngliches, einvernehmliches Verhältnis von Mensch und Natur wieder zu ermöglichen. Wie auch Voth in Marokko realisierten in den USA einige Land-ArtKünstlerinnen und -Künstler wie Robert Smithson oder
Nancy Holt Projekte in der Wüste. Geometrische Formen und archetypische Symbole sind zudem charakteristisch für Objekte der Land Art. Hannsjörg Voth gilt als einer der wichtigsten deutschen Vertreter der Land Art, der mit seinen Großprojekten in Deutschland, den Niederlanden und in Marokko nicht nur beeindruckende Bauten erschaffen hat, sondern dabei das Verhältnis von Mensch und Natur hinterfragt oder die soziale und gesellschaftliche Bedeutung von Natur thematisiert. In der Ausstellung machen Objekte, Fotografien, Zeichnungen und Malerei dies in einer umfassenden Weise deutlich. Dr. des Anna Storm Kuratorin der Ausstellung am Von der Heydt-Museum
24. März bis 13. September 2020 Hannsjörg Voth
Zu Lande und zu Wasser Mit Fotos von Ingrid Amslinger Von der Heydt-Museum Wuppertal Turmhof 8, 42103 Wuppertal www.von-der-heydt-museum.de
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Hannsjörg Voth, ohne Titel, 2006, Mischtechnik: rote Erde, Kohle, Kalk auf Büttenpapier, 180 cm x 107 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020
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Die Sonne, 1912
Edvard Munch – gesehen von Karl Ove Knausgård Blockbuster-Ausstellung in Düsseldorfs K20
Karl Ove Knausgård, Foto: Andreas Endermann
Wer glaubte, die Kunst von Edvard Munch, neben Vincent van Gogh und Paul Gauguin der bedeutendste Wegbereiter des europäischen Expressionismus, zu kennen, wird derzeit durch eine Sonderausstellung in der Düsseldorfer Kunstsammlung NordrheinWestfalen (K20 am Grabbeplatz) eines Besseren belehrt. Rund 140 in Deutschland nur selten oder noch nie gezeigte Werke des norwegischen Künstlers lassen einen „anderen Munch“ sichtbar werden – jenseits
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Frau mit Mohnblumen, 1918/19
der bekannten, problembeladenen Ikonen aus den 1880erund 90er-Jahren wie etwa „Das kranke Kind“, „Der Schrei“, „Pubertät“ oder „Eifersucht“. Die Düsseldorfer Schau, die sich auf Arbeiten aus der zweiten Lebenshälfte des Künstlers konzentriert, hält für den Besucher manche Überraschung bereit. Dies gilt gleichermaßen für die Bildthemen – oftmals Landschaften, Felder, Bäume, Gärten, Küstenstreifen, aber auch Menschen – wie für die Malweise, die sich häufig durch einen unerwartet freien Farbauftrag und ein kräftiges Kolorit auszeichnet. Kuratiert wurde die Ausstellung, die in ähnlicher Form zuvor schon in Oslo zu sehen war, von dem norwegischen Erfolgsschriftsteller Karl Ove Knausgård, der mit seinem autobiografischen Roman „Min kamp“ internationales Aufsehen erregte und breite Anerkennung fand. Knausgård traf aus den reichen Sammlungsbeständen des Osloer Munch-Museums eine sehr persönliche Auswahl, die in Düsseldorf in farblich unterschiedlich gestalteten Räumen in vier Kapiteln präsentiert wird. Beginnend mit dem Kapitel Licht und Landschaft folgen die Kapitel Der Wald und Chaos und Kraft sowie abschließend das Kapitel Die Anderen. Schon diese Aufzählung macht deutlich, dass hier keine kunstwissenschaftlich stringente Kategorienbildung vorliegt, sondern dass es sich ganz offensichtlich um die hochgradig subjektive Annäherung eines Literaten an das malerische und grafische Schaffen seines großen norwegischen Landsmannes handelt. Es scheint gerade dieser unkonventionelle Zugang eines „Laien“ zu sein, der die neugierigen Besucher in Scharen in die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen strömen lässt. Den strahlenden Auftakt der Ausstellung bildet das Gemälde „Die Sonne“ von 1912, eine Vorstudie für das Monumentalwerk „Solen“ in der Aula der Osloer Universität. Es zeigt die bei der südostnorwegischen Stadt Kragerø über dem Meer und den Klippen aufgehende Wintersonne, zu deren Licht der Künstler nach eigener Aussage eine fast religiöse Beziehung entwickelte. Psychische Probleme, gepaart mit exzessivem Alkoholkonsum, hatten im Jahr 1908
zum Zusammenbruch geführt. „Rettung“, wie Munch es selbst formulierte, brachte eine intensive nervenärztliche Behandlung und ein längerer Aufenthalt in einem Sanatorium. Hatte ihn bis dahin die Erfahrung von Krankheit und Tod, von Verlustangst, Verzweiflung und von problematischen Liebesbeziehungen geprägt, gelang ihm nun ein Neuanfang, für den das Motiv der emporsteigenden Sonne ein überaus sinnfälliges Symbol darstellt. „Die Dunkelheit weicht, der Tag öffnet sich, die Welt wird wieder sichtbar.“ (Knausgård) Diese hoffnungsvoll stimmende Ouvertüre findet ihre Fortsetzung in einer Reihe heiter anmutender, starkfarbiger Landschaftsgemälde sowie mit Bildern, die üppige, oft von Frauen bevölkerte Gärten zeigen. Knausgård spricht von „Menschen in sonnigen Landschaften, die mehr oder weniger im Einklang mit sich selbst und ihrer Umgebung sind“, und die Existenzdramen, von denen Munchs Frühwerk erzählt und die den Betrachter seiner vor 1900 entstandenen Bilder emotional tief berühren können, scheinen in weiter Ferne. Doch schon das zweite Kapitel, Der Wald, lässt Zweifel aufkommen, ob die Harmonie, die im ersten Raum aufscheint, nicht doch trügerisch sein könnte. Neben Ge21
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Schneelandschaft, Thüringen, 1906
mälden, die eine außerordentliche Vitalität ausstrahlen, wie zum Beispiel die Darstellung eines pflügenden Landwirts mit seinem Pferdegespann oder eines Heu erntenden Bauern, gibt es Landschaften, die ein Gefühl grenzenloser Einsamkeit evozieren. Dies gilt vor allem für Munchs eindrucksvolle Winterlandschaften – oft kahl und menschenleer – , so etwa für die „Schneelandschaft, Thüringen“ von 1906, entstanden in einer Zeit, in der die persönliche Krise des Künstlers auf ihren Kulminationspunkt zusteuerte. Knausgård notiert, dass es hier nicht um die konkrete Einsamkeit gehe, sondern um „die ungezähmte und existenzielle: Ich bin hier, auf Erden, und ich bin hier allein.“ Dieses Gemälde und andere Winterlandschaften sind Paradebeispiele für die besondere Fähigkeit des Künstlers, den Betrachter auf der Affektebene anzusprechen und ihn zur Einfühlung in Fremdseelisches zu bewegen. – Interessant ist die große Werkgruppe mit Waldstücken, sei es dicht gedrängt stehender Baumstämme, sei es Gruppen knorriger, unbelaubter Bäume, meist Ulmen, die Munch an sei-
nem Alterssitz Ekely in der Nähe Oslos gemalt hat. Diese Bilder, die zu allen Jahrzeiten und in den unterschiedlichsten Farbstimmungen entstanden, besitzen in den meisten Fällen keinen Himmel und erzeugen folglich den Eindruck in sich geschlossener Räume. Menschen kommen, wenn überhaupt, nur im Kleinformat vor, als schemenhaft angedeutete Figuren, gleichsam als Abbreviaturen. Karl Ove Knausgård sieht hier den vielleicht konsequentesten Versuch Munchs, „die Bilder von Sinn zu entleeren“, soll heißen, „sie bedeuten nichts, sie sind.“ Für die in Düsseldorf unter dem recht unspezifischen Motto Chaos und Kraft, dem dritten Kapitel, versammelten Arbeiten trifft dies allerdings kaum zu. Ausgestellt sind in dichter, zum Teil doppelreihiger Hängung Gemälde und Grafiken, die jene für den frühen Munch charakteristische inhaltliche Dichte und symbolische Prägnanz aufscheinen lassen. Verschiedene Zustandsdrucke des Farbholzschnitts „Zum Walde“ von 1897 mit seiner ausge-
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Herbst im Ulmenwald, 1919/20
Zum Walde, 1897
prägten Holzmaserung erinnern an das problematische, widersprüchliche Verhältnis des Künstlers zum weiblichen Geschlecht. Einerseits erlag er der erotischen Anziehungskraft von Frauen, andererseits fühlte er sich von ihnen bedrängt beziehungsweise vereinnahmt und fürchtete sich vor ihrer „verderblichen Kraft“. „Zum Walde“ zeigt in Rückenansicht ein umschlungenes Paar vor einer düsteren Baumreihe, sie nackt, er bekleidet, sie hell, er dunkel und nur durch eine dünne Umrisslinie vom Hintergrund abgegrenzt – eine treffende Darstellung der Ambivalenz der Geschlechterbeziehung zwischen Verschmelzung und
Separierung. In dem nur skizzenhaft ausgeführten Ölgemälde „Alter Mann mit nackter Frau auf dem Schoß“ von 1913-15 greift Munch dieses Thema erneut auf, wie er auch in dem ähnlich locker skizzierten, im gleichen Zeitraum entstandenen Bild „Eifersucht“ zu einem der typischen Bildmotive seines Frühwerks zurückkehrt. Zwei Fassungen des Gemäldes „Der Tod des Bohemien“ (1915-17 und 1925/26) erinnern an die traumatischen Erfahrungen, die Munch seit seiner Kindheit mit der Omnipräsenz des Todes machen musste: „Mein Zuhause war ein Zuhause der Krankheit und des Todes. Wahrscheinlich bin ich über das Unheil
Alter Mann mit nackter Frau auf dem Schoß, 1913-15
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Die Trinkgesellschaft, 1927-30
dort niemals hinweg gekommen. Es hat auch meine Kunst geprägt.“ Und das in komplementären Grün- und Rottönen gehaltene Bild „Die Trinkgesellschaft“ von 1927-30 erscheint als eine Reminiszenz an die Alkoholexzesse, die der Künstler vor seinem Zusammenbruch und seiner Heilung in den Jahren 1908/09 durchlebte. Im Unterschied dazu zeugt das farbenfrohe, locker gemalte Interieur „Modell am Korbstuhl“ (1919-21) von Lebenskraft und kreatürlicher Sinnlichkeit – ganz anders als die psychologischen „Problembilder“, die der Künstler in früheren Jahren geschaffen hatte.
sam zu einem Neuanfang verholfen hatte, ferner das herausragende Porträt des breitbeinig dastehenden, wuchtig wirkenden „Konsul Christen Sandberg“ von 1901 oder das Bildnis der Elisabeth Förster-Nietzsche (1906), Schwester des im Jahr 1900 gestorbenen Philosophen Friedrich Nietzsche, von dem Munch ausnahmsweise ein postumes Bildnis nach Fotografien geschaffen hat – normalerweise malte der Künstler nur nach lebenden Modellen. Nie ging es ihm
Der Ausstellungsparcours endet mit dem Kapitel Die Anderen, einer beeindruckenden Abfolge meist großformatiger Ölporträts und druckgrafischer Blätter. Seit seinen Anfängen war Munch auch Porträtist. Neben Selbstporträts – in Düsseldorf ist ein frühes Selbstbildnis des 25-jährigen (1888) und das markante „Selbstporträt mit den Händen in den Hosentaschen“ (1923-26) zu sehen – schuf er Porträts von Familienmitgliedern, Freunden, Künstlerkollegen, unter anderem aus dem Umkreis der ChristianiaBoheme (Oslo hieß bis 1924 Christiania), der er in jungen Jahren angehörte, ferner von Sammlern und Mäzenen, von namentlich nicht bekannten Modellen wie auch von prominenten Zeitgenossen. Aus der langen Reihe lebensgroßer Ganzfigurenporträts sei hier nur das in kräftigen Farben gemalte Bildnis des Nervenarztes Professor Daniel Jacobsens erwähnt, der Munch in den Krisenjahren 1908/09 im Kopenhagener Sanatorium behandelt und ihm gleich24 Modell am Korbstuhl, 1919-21
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Selbstporträt mit den Händen in den
Ausstellungsansicht mit den Porträts von Konsul Christen Sandberg, 1901, Otto Blehr, 1927-30, und anderen, (von rechts
Hosentaschen, 1923-26.
nach links), Foto: Rainer K. Wick
als Porträtmaler um eine äußere Ähnlichkeit, sondern immer darum, Essentielles freizulegen und sichtbar zu machen: „Wie Leonardo da Vinci das Innere des menschlichen Körpers studierte und Leichen sezierte, so versuche ich, Seelen zu zerlegen.“ Dass es dabei auf eine einfühlende Annäherung an die Modelle ankam, hat Karl Ove Knausgård mit Blick auf ein frühes Porträt von Munchs Schwester Inger so formuliert: „Zum ersten Mal gelang es ihm, in seiner Malerei freizusetzen, was er für ein Motiv empfand, und nicht nur, was er sah. Oder vielmehr, er gelangte zu einem Punkt, an dem er nicht malte, was er zu sehen gelernt hatte, sondern was er tatsächlich sah.“ Mag die Einsamkeit für Munch eine existentielle Grunderfahrung gewesen sein, so deuten seine zahlreichen Porträts doch darauf hin, dass er sozial keineswegs isoliert gewesen ist und dass sich seine eigene Identität erst in der Auseinandersetzung mit dem Gegenüber, mit „den Anderen“ erfüllte, auch wenn er in den letzten Schaffensjahrzehnten bis zu seinem Tod im Jahr 1944 ein zunehmend zurückgezogenes Leben auf seinem Landsitz Ekely geführt hat. Die sehenswerte Ausstellung verzichtet auf Wunsch von Knausgård auf Bildlegenden und Saaltexte, um den Besuchern, wie es heißt, „ein eigenständiges, unvoreingenommenes Sehen [zu] ermöglichen.“ Gleichwohl liegt zur
Orientierung ein kleines Begleitheft mit den Titeln der 138 Exponate aus, und zum Preis von 28 Euro steht ein Katalogbuch mit Abbildungen aller ausgestellten Werke sowie eher literarischen Texten von Karl Ove Knausgård und einem kunsthistorischen Beitrag seiner Düsseldorfer Co-Kuratorin Anette Kruszynski zur Verfügung. Rainer K. Wick Der Autor war von 1986 bis 2009 Professor für Kunst- und Kulturpädagogik an der Bergischen Universität Wuppertal. Promoviert wurde er mit einer kunstsoziologischen Studie zu Happening und Fluxus, habilitiert hat er sich mit einer Untersuchung der pädagogischen Konzeptionen des Bauhauses. Seine Forschungs- und Publikationsschwerpunkte sind neben dem Bauhaus unter anderem die Kunst des 20. Jahrhunderts, die Geschichte des Designs und der Fotografie sowie die Kunst Italiens. Falls nicht anders angegeben: alle Abbildungen Munch-Museum, Oslo
Edvard Munch – gesehen von Karl Ove Knausgård Die Schau läuft bis zum 1. März 2020, geöffnet ist sie dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und samstags, sonntags und feiertags von 11 bis 18 Uhr.
K20 Grabbeplatz 5, 40213 Düsseldorf 25
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„Der Graf von Luxemburg“, Dirk Achille (verdeckt ganz links), Angela Davis, Oliver Weidinger, Fotograf: Klaus Lefebvre
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Hohe Qualität
Musiktheater in Hagen und Wuppertal
Zwei interessante Inszenierungen gilt es zu empfehlen, deren Premieren Ende Oktober bzw. Anfang November 2019 stattfanden, die aber auch Anfang 2020 noch aufgeführt werden. In Wuppertal ist dies die „Bohème“ von Puccini (Uraufführung 1896), die Milieu und Schauplatz schon im Titel trägt. Ihr liegt der Roman über das „Leben der Bohème“ zugrunde, von Henri Murger, der darin eigene Erfahrungen wiedergibt. Aber auch in Lehárs „Graf von Luxemburg“, 1909 uraufgeführt, spielt das Bohème-Milieu eine gewisse Rolle, denn die titelgebende Hauptperson ist zwar selber adelig, aber befreundet mit dem Maler Armand und der Garderobiere Juliette, beide der Bohème zugehörig, die einen Kontrast zu den anderen Personen aus höheren Gesellschaftsschichten bilden. Beide Aufführungen sind aber grundverschieden, schon allein deshalb, weil der „Graf von Luxemburg“ eine Operette und Puccinis „Bohème“ eine tragische Oper ist. 27
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„Der Graf von Luxemburg“,Kenneth Mattice, Chor und Extrachor des Theaters Hagen, Fotograf: Klaus Lefebvre
Hagen: Lehárs „Der Graf von Luxemburg“ In Hagen kann man sich an einem federleichten Operettenspektakel erfreuen. Die Geschichte wird im Hagener Theater leichtfüßig und gut nachvollziehbar auf die Bühne gebracht. Auffallend viele jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer applaudierten in der Premiere am Schluss frenetisch. Dabei ist die Handlung überkandidelt und turbulent genug. Besagtem Grafen von Luxemburg, der seine gesamten Finanzen verjubelt hat, wird ein Deal angeboten: Er soll eine Menge Geld bekommen, wenn er eine Frau heiratet, die er aber nicht sehen darf, und sich drei Monate später von ihr scheiden lässt. Die Dame wird dadurch adelig, das muss sein, damit ihr Lover, der ältliche russischer Fürst Basil Basilowitsch, sie heiraten kann. Der Graf kann also seine Freiheit weiter genießen, lernt aber dann doch kurz vor der geplanten Scheidung, ohne es zu wissen, seine Frau, die Sängerin Angèle Didier, kennen und verliebt sich prompt in sie. Nach vielen Verwicklungen wird am Ende auch tatsächlich geheiratet, weil Fürst Basil, der Angèle eigentlich ehelichen wollte, schon mit einer anderen Gräfin verlobt ist. Dem Paar René und Angèle wird ein anderes Paar gegenübergestellt, Bohemiens, der Maler Armand und die Garderobiere Juliette, die unterschiedliche Ansichten über Ehe und Zusammenleben haben, sich am Ende aber doch finden. René, der Graf von Luxemburg, ist beiden herzlich zugetan, denn ihm als „adliger Demokrat“ sind seine Adelsprivilegien wurscht. Das Geschehen kreist also letztlich um die Frage Bindung oder Freiheit. Zwar wird deutlich, dass vor allem die Einstellungen der Entstehungszeit (1909) auf die Bühne kommen, aber auch heute ist dieser Konflikt ja noch ein ewiges Thema.
Regisseur Roland Hüve lässt das Stück dann auch in seiner Zeit, inszeniert es mit hohem Tempo und viel Bewegung auf der Bühne, arbeitet mit ironischen Brechungen und dezenten Aktualisierungen. Oft geht die Szene in Revueeinlagen über; hierbei tanzen nicht nur die Profis des Hagener Balletts, sondern auch die Solistinnen und Solisten und der Chor. Aber auch die nachdenklichen Momente werden angemessen ausgespielt. Und zu Beginn des 2. Aktes macht Hüve klar, wie die Musik die Szene steuert: Das Sich-Näherkommen von René und Angèle durch sich immer mehr verkürzende Einsatzabstände bis zum Unisono am Schluss wird auch auf der Bühne präzise nachvollzogen. Das Hagener Ensemble zeigt sich wieder von seiner besten Seite, sowohl was das Singen angeht als auch in den genau getimten und rhythmisierten Sprechteilen. Hierbei agiert das Bohème-Paar Armand und Juliette (Richard van Gemert und Cristina Piccardi) besonders brillant, lässt aber auch sängerisch nichts zu wünschen übrig. Auch Kenneth Mattice in der Hauptrolle und Angela Davis als Angèle gestalten ihre Rollen mit größter Eindringlichkeit. Oliver Weidinger spielt den auch im höheren Alter noch unablässig balzenden Basil wunderbar schmierig. Wie immer in Hagen zeigen sich auch Chorsolistinnen und -solisten sowie der Chor in hervorragender Form. Verlassen können sie sich dabei auf das Hagener Orchester in bester Spiellaune unter dem Dirigenten Rodrigo Tomillo. Die unterschiedlichen Stimmungen der Musik werden klar unterschieden. So kommt der karnevalistisch bestimmte 1. Akt sehr schmissig über die Rampe, im 2. Akt kann man sehr gut die ins Impressionistische reichende Instrumentation verfolgen, und immer wieder wird deutlich, dass Lehár die Ausdrucksmittel auch der ernsten Musik sehr variabel einsetzt.
Wuppertal: Puccinis „La Bohème“ Ungewöhnlich ist der Beginn der Wuppertaler Inszenierung von Puccinis „La Bohème“ schon, denn bereits beim Betreten des Zuschauerraumes sieht man ein großes Paket auf der Bühne. Das klappt mit den ersten Tönen nach oben und unten auf, öffnet den Blick auf das kleine Zimmer, in dem die vier Bohemiens (Schriftsteller, Maler, Musiker, Philosoph) hausen. Pappe, Papier, Pakete, Kisten sind dann auch im weiteren Verlauf die Grundlagen des Regiekonzeptes, alles monochrom bis auf die sechs Protagonistinnen und Protagonisten (zu den vier Männern kommen dann noch Mimi und Musetta), die deshalb sofort erkennbar
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„La Boheme“, Sebastian Campione, Aleš Jenis, Sangmin Jeon, Li Keng, Ralitsa Ralinova, Opernchor, Kinder- und Jugendchor der Oper Wuppertal, Foto: Jens Grossmann
sind. Zum einen stand hier wohl die arte povera Pate, also die Kunst, mit wenigen und „armen“ Mitteln auszukommen. Weiter wird wohl darauf angespielt, dass die Zeit des Lebens in der Bohème nur einen Lebensabschnitt darstellt, den man bewältigen muss, bevor der Erfolg kommt oder man etwas anderes macht. Schließlich soll damit die Macht der Fantasie gefeiert werden, mit der man den widrigen Lebensumständen trotzt. Entsprechend wird auf jeden Naturalismus verzichtet, so sind z. B. Feuer und Kerzenflamme auf Pappe gemalt, und der Herd besteht aus einer Kiste und einem langen Papprohr. Dieses Konzept wird konsequent in allen vier Akten durchgehalten, aber jedes Mal anders.
Im 1. Akt findet das Geschehen in dem besagten Paket statt, mit sich plötzlich und unversehens öffnenden Türen. Die humoristischen Elemente dieser Szene werden sehr betont, einerseits durch die nicht naturalistischen Pappsymbole, andererseits durch exzentrisches Spiel. Im zweiten Akt wird die Turbulenz noch mehr gesteigert, es gibt mehrere Ebenen, Statisten tragen Autos durch die Gegend, Chöre schieben sich ins Bild und verschwinden wieder, alle und alles auf der Bühne in Weiß oder Packpapierfarbe. Musettas abgelegter, aber noch mit Geschenken beladener Ex-Lover wird als Witzfigur dargestellt, wie schon der Vermieter Alcindoro im 1. Akt. Am Schluss erscheint sogar Godzilla 29
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zum Schrecken der Weihnachtsfeiergesellschaft, offenbar aber nur in der Fantasie von Marcello, der gerade Musetta zurückerobert hat und ihr sofort zeigen muss, was für ein starker Mann er ist. Im 3. Akt ist dann Schluss mit lustig und der Macht der Fantasie. Zwar hängt Godzilla noch vom Schnürboden herunter, wird dann aber als nicht mehr passend von der Theatermaschinerie hochgezogen. Die Fallhöhe zwischen Fantasie und gnadenlos hereinbrechender Realität ist sehr groß, gerade weil es in den beiden ersten Akten so fantasie-, humorvoll und turbulent zuging. Wenig Pappe, nur in der Mitte eine angedeutete Bar, deren Tür sich manchmal öffnet und trotz der eiskalten Außenwelt einen Moment die darin feiernden Menschen zeigt. Im 4. Akt schließlich, nach einem gescheiterten Versuch der Bohemiens, die Wirklichkeit zu vergessen und wieder lustig zu sein, ein berührendes Bild: Zuerst tragen viele Menschen eine Kiste – ihre Kiste – herum, lassen sich schließlich mit ihr nieder. Sie verschwinden aber nach und nach, je näher Mimi dem Tode kommt. Als sie gestorben ist, nimmt auch Rodolfo seine Kiste, geht traurig weg, aber ohne Mimi noch einmal anzusehen. Auf diese Weise wird auch ein Blick auf die Charaktere geworfen, auf die Hilflosigkeit der Männer angesichts von Mimis Krankheit, auf ihren Egoismus, ihre Unfähigkeit, zwischen Hungern und Prassen einen Mittelweg zu finden, aber auch auf die Bemühungen der Frauen, auf unterschiedlichen Wegen zu überleben und sogar ein wenig Glück zu finden. All dies wird nicht nur durch das Bühnenbild, sondern auch durch eine genaue Personenregie deutlich gemacht (Regie und Bühnenbild: Immo Karaman). Dies ist z. B. sehr gut im Quartett des 3. Aktes nachzuvollziehen, wenn Mimi und Rodolfo einerseits und Musetta und Marcello andererseits ihre unterschiedlichen Emotionen nicht nur musikalisch austragen, sondern diese auch auf der Bühne genauestens über Kreuz ausagieren. Gelungen auch die Darstellung des weltfernen Dichters Rodolfo als ungeschickter, linkischer Nerd im zu kurzen Pullover (Kostüme: Fabian Posca, der auch für die Choreografie zuständig war). Dazu kommt, dass das Regieteam genauestens auf die Musik eingegangen ist, die das Geschehen auf der Bühne ja nicht untermalt, sondern steuert. Die lautmalerischen Elemente von Puccinis Musik (etwa das Ausgehen des Feuers im 1. Akt) werden auf der Bühne punktgenau aufgenommen. Julia Jones hat das Wuppertaler Orchester hervorragend
vorbereitet, Tempi und Dynamik wunderbar austariert. Es gibt zupackende Fortissimi, bei lauten Stellen werden die Solistinnen und Solisten gefordert, aber nie überdeckt, bei den zarten Streicher-Episoden mit ausgekosteten Pausen hätte man eine Stecknadel fallen hören. Auch das Zusammenspiel mit den Chören klappt exzellent, und das alles bei intensiver Bewegung und Turbulenz auf der Bühne. Auch alle Solistinnen und Solisten zeigten sich in der Premiere in Bestform. Zwei Gäste waren engagiert: Li Keng sang die Mimi sehr glaubwürdig, und Ales Jenis überzeugte als Marcello mit kernig-virilem Bariton. Aber auch die Mitglieder des Wuppertaler Ensembles wurden vom Publikum gefeiert: die mehrfach preisgekrönte Ralitsa Ralinova, Sebastian Campione, Simon Stricker und schließlich Sangmin Jeon als Rodolfo mit hervorragender Gestaltung der leiseren Stellen, aber vor allem mit strahlenden Tönen in hoher Lage, auch im Duett mit Li Kengs Mimi.
„Hoffmann“ und „Jesus Christ“ Am 30. November folgte die nächste Premiere in Hagen: Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“. Am Schluss gab es minutenlangen Beifall, zwischendurch auch immer wieder spontanen Zwischenapplaus für die Sängerinnen und Sänger, die offenbar manchmal selbst davon überrascht wurden und sich dadurch noch mehr steigerten. Die musikalische Umsetzung war aus einem Guss. Thomas Paul in der Hauptrolle gestaltete seinen Part mit großem Engagement und kraftvollen Spitzentönen, ohne Ermüdungserscheinungen in der langen und anstrengenden Partie. Die Rollen seiner drei Geliebten wurden nicht wie sonst oft von einer Sängerin gestaltet, sondern diesmal von dreien, mit unterschiedlichen, sehr charakteristischen Stimmen. Neben Netta Or als Giulietta und Angela Davis als Antonia zeichnete sich Ensemblemitglied Cristina Piccardi mit glasklaren virtuosen Koloraturen in höchster Höhe besonders aus. Auch alle anderen Rollen, und das sind viele, wurden brillant gesungen und gestaltet. Und das Orchester unter GMD Joseph Trafton zeigte sich in bester Form. Auffällig die strahlenden Blechbläser bei lauten, schmissigen Stellen, wunderbar gespielt aber auch lyrische Soli von Horn, Oboe, Klarinette. Auch Intendant und Regisseur Francis Hüsers hat sich einiges einfallen lassen. Nicht die Perspektive Hoffmanns steht im Mittelpunkt, sondern die seiner drei Geliebten, die ihn in einem Setting von 1907 (Gründerzeit der Psychoanalyse und das Jahr, in dem der „Zauberberg“ spielt), aber als
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heutige Frauen verführen sollen und dabei unterschiedliche Erfahrungen machen. Was Realität ist und was Vision, schwankt beständig. Dieses Spiel zu verfolgen, und das in Zusammenhang mit der wunderbar gespielten Musik, ist ein spannendes und lohnendes Ereignis.
Zum Schluss: Nach Redaktionsschluss dieser Zeitschrift, am 20. Dezember 2019, fand in Wuppertal noch eine weitere Premiere statt: Lloyd Webbers Musical „Jesus Christ Superstar“. Das Regiekonzept stammt aus Oldenburg und wurde für die Wuppertaler Oper übernommen. Das ist gut so, denn angesichts knapper Kassen ist es absolut sinnvoll, erfolgreiche Inszenierungen aus anderen Häusern zu übernehmen. In dieser Fassung wird auch keine biblische Geschichte erzählt, sondern Aufstieg und Fall des Leadsängers einer Rockband. Neben einigen Gästen, die schon
in Oldenburg dabei waren, agieren auch wieder bewährte Kräfte der Wuppertaler Oper auf der Bühne, und darauf kann man sich sicher freuen. Fritz Gerwinn
Weitere Vorstellungen: „Der Graf von Luxemburg“ Hagen: 5., 15. Jaunuar, 16. Februar 2020 „La Bohème“ Wuppertal: 12. Jaunar, 22. März, 4. April 2020 „Hoffmanns Erzählungen“ Hagen: 12., 19. Januar, 1., 15. Februar, 4., 21. März 2020 „Jesus Christ Superstar“ Wuppertal: 9., 23. Februar, 2., 13., 26., 30. April, 10., 21. Mai 2020 Unterschiedliche Anfangszeiten!
„Hoffmanns Erzählungen“, Angela Davis, Cristina Piccardi, Thomas Paul, Netta Or, Kenneth Mattice, Chor und Extrachor
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Marion Cito und Jan Minarik, Foto: Ulli Weiss © Pina Bausch Foundation
Blaubart gilt als eines der radikalsten und kompromisslosesten Stücke, mit dem Pina Bausch damals jede Form konventioneller Tanzästhetik sprengte, eine Tendenz, die sich bereits in „Das Frühlingsopfer“ und noch dezidierter in dem Brecht-Weill Abend „Die sieben Todsünden“ andeutete. Jetzt, 43 Jahre nach der Uraufführung 1977, rekonstruiert das Ensemble des Tanztheaters Wuppertal das Stück, das 29 Jahre nicht gespielt wurde, in neuer Besetzung. Die beste Zeit sprach mit der Intendantin Bettina Wagner-Bergelt und der Probenleiterin Barbara Kaufmann. Wie kann das Revolutionäre dieses Stücks, das damals von Publikum und Presse sehr kontrovers aufgenommen wurde, beschrieben werden? Barbara Kaufmann Der neuartige Ansatz von Pina bei „Blaubart“ besteht für mich darin, dass sie nicht eine Geschichte, die bereits existierte, nacherzählen wollte, sondern psychische Zustände in der Beziehung zwischen zwei Menschen – Judith und Herzog Blaubart - erforscht und
Blaubart. Beim An hö Béla Bartóks Oper „H Ein Stück von Pina Bausch
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Foto: Laszlo Szito
An hören einer Tonbandaufnahme von er „Herzog Blaubarts Burg“. 33
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diesem Kampfplatz. Ich denke aber, es ist heute leichter, dieses Stück zu „lesen“, weil wir inzwischen 30 Jahre Erfahrung mit Jan Fabre, mit Alain Platel, mit Schlingensief und anderen haben, die es uns leichter macht, es zu sehen. Einige Journalisten kritisierten damals den Umgang von Pina Bausch mit der Musik von Béla Bartók, sie warfen ihr vor, die Musik zu zerstückeln, auch die Erben von Béla Bartók reagierten entsprechend. Andere nahmen gerade die Verstümmelung der Musik als vorantreibende Kraft wahr, die den Lauf der Handlung bestimmte. Jan Minarik, Beatrice Libonati und Bettina Wagner-Bergelt Fotos: Laszlo Szito
Milan Kampfer, Emma Barrowman, Oleg Stepanov, und vorne Julius Olbertz, Elisa Spina und Héléna Pikon
erfahrbar gemacht hat. Jan Minarik, der zusammen mit Beatrice Libonati, Héléna Pikon und mir die Probenleitung übernommen hat, sagte neulich zu den Tänzerinnen und Tänzer: „Blaubart ist keine Tanzaufführung, sondern ein Zustand.“ Das Stück spiegelt ungebremst Emotionen und Gefühle, die wir alle in uns tragen und die sich gerade durch die vielen Wiederholungen und Brüche so unausweichlich zeigen. Die Bewegungssprache besteht aus einfachen, direkten Gesten, die durch Vergrößerungen, Wiederholungen und Übergänge in Tanzsequenzen sehr eindringlich werden. Bettina Wagner-Bergelt Und auch die Bühne und der Bühnenraum, alles, was es dort an Requisiten, Material gibt, spielt mit und wird permanent benutzt, zerrissen, malträtiert, umgedreht, weggetragen. Es ist ein Anrennen gegen Wände, gegen Widerstände. Und keiner geht als Sieger von
Bettina Wagner-Bergelt Ja, ich weiß, das ist ein immerwährendes Thema für Musikliebhaber, dass man Musik durch ihren Kontext oder den angeblich respektlosen Umgang, dass man die Integrität des Werkes zerstören könne. Ich denke, das ist falsche Ehrfurcht. Im Gegenteil, Pina Bausch hat diese Musik geadelt, indem sie diese unbändige Kraft in ihr gehört und freigesetzt hat. Ich sehe den Umgang mit Musik grundsätzlich sehr unsentimental. Die Musik ist in der Welt, und Künstler müssen mit ihr umgehen dürfen wie mit jeder Tradition, jedem Material, das sie vorfinden. Wer die Musik als Ganze hören und genießen will, kann dies ja jederzeit tun. Barbara Kaufmann Béla Bartóks Musik und die Stimmen gehen durch Mark und Bein, und es ist schon in sich ein tiefgehendes, psychologisches Abenteuer. In meiner Wahrnehmung vertieft sich die Zerrissenheit der Figuren durch Pinas Wahl, diese Musik zu unterbrechen, zu wiederholen, Stille und viele andere Geräusche entstehen zulassen – Atem, Laub unter den Füßen und Körpern, Lachen und Schreien, Prallen gegen Wände. Dieser Blaubart manipuliert durch das Stoppen, Spulen und Abspielen des Tonbandes die gesamte Situation. Bettina Wagner-Bergelt Ich denke auch, Pina Bausch musste die Musik so behandeln, wie sie jetzt in Blaubart behandelt wird, weil Thema und Form von dieser Komposition vorgegeben werden. Hier wird nicht einer schönen Komposition gelauscht, nicht linear an ihr entlang choreografiert, wie in Sacre oder in den Gluck-Choreografien. Hier wird keine Geschichte um Liebe, Leben und Tod erzählt, wie noch in Iphigenie, sondern der Kampf darum findet vor unseren Augen auf der Bühne statt. Und es ist ein Akt der Zerstörung. Es gibt hier ja gar keine Geschichte, das Libretto kommt nur noch als Überbleibsel vor, die Tür, die feudalen Kleider. Keine Motive, keine kunstvolle Verflechtung von Themen, Texten und Aktionen, wie
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sie auch typisch war für jene Schaffensperiode der späten 70er-Jahre. Es ist ein psychischer und physischer Zustand. Eine Eskalation. Blaubart, uraufgeführt 1977, wurde vor 29 Jahren zum letzten Mal gespielt. Wo liegen die Herausforderungen einer solchen Neueinstudierung oder Rekonstruktion nach so langer Zeit? Bettina Wagner-Bergelt Da gibt es eine ganze Reihe. Natürlich zuerst die dramaturgische Frage, die sich immer vor der Entscheidung stellt: Warum dieses Stück? Was sagt es uns heute? Hat es etwas mit uns zu tun? Warum interessiert es uns? Und: Interessiert es die Menschen, die ins Theater kommen? Ein großer Teil des Bausch-Repertoires ist ja inzwischen auch zum Klassiker geworden, d. h. wir erleben nicht mehr in jeder Vorstellung eine Herausforderung, die lautes Türenschlagen verlangte. Die Vorstellungen sind eher verstörend in ihrer Schönheit, ihrer Harmonie, ihrer scheinbar hoffnungsfrohen Sicht auf die Welt, die wir so gern teilen, die Negatives sublimiert und kunstvoll verschlüsselt. Mit der Form der assoziativen Bilder und Szenen, der nicht linearen Erzählweise sind wir ja längst vertraut. Ihren Ruf einer unbeugsamen Forscherin nach den Abgründen der menschlichen Seele, unseren Obsessionen und Unzulänglichkeiten, den Gründen für unser Glück und unser Unglück, hat Pina Bausch aber nicht mit diesen späteren Stücken errungen, sondern mit den frühen, in denen sie mit ihrer radikal fragenden Haltung auch eine völlig neue verstörende Form gefunden hat. Und ich bin überzeugt – auch durch meine eigene Reaktion auf dieses Stück –, da begegnet uns etwas Archaisches im Handeln Blaubarts, das aber sehr wohl gesellschaftlich eingebunden ist, Teil unseres Alltags. Barbara Kaufmann Es ist für die Tänzerinnen und Tänzer sehr wichtig die Relevanz dieses Stückes in unserer jetzigen Zeit zu verstehen, sie zu erspüren und als Motivation zu nutzen. Und zum großen Glück können wir mit Jan Minarik, der damals in der Urbesetzung tanzte, an die Quelle der Entstehung des Stückes gehen, und Beatrice Libonati wird ihre lange und intensive Erfahrung als Judith einbringen. Mir liegt sehr daran, genau zu studieren, wie das Stück strukturiert ist, und den Inhalt und die Stimmung des Textes zu verstehen. Wie die Bewegungen erinnert werden, um das alles in die Rekonstruktion einzubringen und so die Atmosphäre in Blaubarts Burg zu erzeugen. Ein Zitat von Pina aus einem ihrer Interviews (O-Ton Pina) hat mich persönlich sehr inspiriert und ist mehr denn je von Bedeu-
tung. Sie sagte: „Es geht nicht um die Gewalt, sondern das Gegenteil. Ich zeige die Gewalt nicht, damit man sie will, sondern damit man sie nicht will. Und ich versuche zu verstehen, was die Ursachen dieser Gewalt sind. Wie beim Blaubart.“ Bettina Wagner-Bergelt Diese sexuelle Gewalt, das Umschlagen von Liebe in Brutalität und Besitzenwollen, in Demütigung und Zerstörung des anderen, das ist aktueller denn je, heute, wo wir darum wissen und Tabus gebrochen wurden, sich damit offener auseinanderzusetzen, dort, wo wir es vorfinden. Es ist aber wie immer bei Pina Bausch nicht ein politisches Statement, sondern eine Studie über Gewalt, eine Beobachtung der Wirklichkeit, um zu zeigen, so darf es doch nicht sein, so pervertiert soll Liebe nicht sein, dieser grauenhafte permanente Wechsel von Opfer und Täter. Ich hoffe, dass dieses durchweg junge Ensemble zusammen mit Jan Minarik und Beatrice Libonati, den originalen Hauptfiguren, den inneren Weg noch einmal ganz unverbraucht geht. Wir sind gespannt, zu welchem Ziel.
Blaubart. Beim Anhören einer Tonbandaufnahme von Béla Bartóks Oper „Herzog Blaubarts Burg“. Ein Stück von Pina Bausch Inszenierung / Choreographie: Pina Bausch Bühne / Kostüme: Rolf Borzik Mitarbeit: Rolf Borzik, Marion Cito, Hans Pop Mit Pau Aran Gimeno, Emma Barrowman, Michael Carter, Léonor Clary*, Rosella Dicuonzo*, Çağdas Ermis, Jonathan Fredrickson, Silvia Farias Heredia, Milan Nowoitnick Kampfer, Marius Ledwig*, Gustavo Leite*, Lucas Lopes Pereira*, Blanca Noguerol Ramírez, Julius Obertz*, Jolinus Pape*, Christian Paul*, Daria Pavlenko*, Elisa Spina*, Oleg Stepanov, Julian Stierle, Christopher Tandy, Tsai-Wei Tien, Stephanie Troyak, Sara Valenti*, Charlotte Virgile*, Ophelia Young, Tsai-Chin Yu Intendanz und Künstlerische Leitung: Bettina Wagner-Bergelt Probenleitung Neueinstudierung: Jan Minarik*, Beatrice Libonati*, Barbara Kaufmann, Héléna Pikon *Als Gast 35
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Das Finale auf der Bühne vom Rex-Filmtheater, Foto: Stefan Fries
„we live future now“ Tanz und Film verbinden die Welt
Internationaler Tanzfilmwettbewerb und TANZRAUSCHEN fanden im „dancescreen 2019 + TANZRAUSCHEN Festival Wuppertal“ im November zusammen.„Dance or die“ hat sich der 27-jährige Ahmad auf seinen Nacken tätowieren lassen. Berührend, eindringlich und behutsam erzählt der gleichnamige 54-minütige Dokumentarfilm die Geschichte des syrischen Tänzers Ahmad Joudeh, der seine zerbombte Heimatstadt Damaskus verlässt und in den Niederlanden neu beginnt. Tanz ist sein Leben und gibt ihm Kraft. Im Orient bedroht und ausgegrenzt, findet er in der europäischen Ferne über den Tanz ein ihn beflügelndes Leben, Freunde und eine Freiheit, die ihn wieder mit seinem Vater zusammenführt und versöhnt. Hier in Wuppertal verlieh ihm die internationale Festival-Jury den erstmals in Wuppertal vergebenen Social Movers Award, kurze Zeit später gewann er in New York den Emmy-Award für Arts Programming. „Dance or die“ steht ein Stück weit sinnbildlich für ein herausragendes, künstlerisch und
menschlich bewegendes Spektrum an 67 ausgewählten Tanzfilmen. Diese Vorauswahl aus insgesamt 216 Filmen, die bei dancescreen 2019 eingereicht worden waren, wurde vom 21. bis 24. November im Rex-Theater und an anderen Orten präsentiert. Sie zeigte ein schillernd-beflügelndes Spektrum von dem, was Tanz und Film vermögen, wenn sie zusammenkommen. Der dancescreen-Tanzfilmwettbewerb wird vom IMZ International Music + Media Centre mit Sitz in Wien ausgerichtet und fand 2013 in San Francisco und 2016 in London statt. Das IMZ bezeichnet sich selbst als größtes BusinessNetzwerk für darstellende Kunst in den Medien aus, mit vielseitigen Kontakten in das weltweite Multimedia-Karusell. Es unterstützt und verbreitet die Sichtbarkeit von Performing Arts in und über audiovisuelle Medien, engagiert sich in Zusammenarbeit mit Tanzfilmfestivals und anderen Foren. Tanzrauschen wurde zum Partner des IMZ und veranstaltete das internationale Tanzfilmfestival „dancescreen 2019 + TANZRAUSCHEN Festival Wuppertal“. Nicht nur in der hiesigen Kunstszene, sondern auch internatio-
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nal ist Tanzrauschen mittlerweile ein Begriff, der für das zukunftsweisende hybride Genre Dance on Screen steht, das Tanz, Film und Medienkunst ganz dynamisch miteinander verbindet. Erstmals an die Öffentlichkeit trat Tanzrauschen e. V. 2014, initiiert von der Kommunikationsdesignerin Kerstin Hamburg und einem wachsenden Team. Zunächst wurden 40 Filme auf acht Monitoren im damaligen Olga-Atelier des Malers und Tänzers Milton Camilo präsentiert, und die enorme Resonanz der 300 Besucher war sofort spürbar. Neben anderen Aktivitäten startete im nächsten Jahr die Zusammenarbeit mit der Tanz- und Film-Künstlerin Jo Parkes, bekannt durch ihre partizipativen „CommunityDance“-Projekte und dieses Jahr geehrt mit dem Deutschen Tanzpreis. Entstanden sind seither die „Letters from Wuppertal“ und „my move my place“ mit nicht professionell tanzenden engagierten Wuppertalerinnen und Wuppertalern. Diese Filmproduktionen machen Tanzrauschen ebenso aus wie sein Wirken als Plattform und Netzwerk für alle Bereiche der globalen Tanzfilm-Bewegung, unterstützt von einem sich permanent wandelnden Team aus Kolleginnen und Kollegen, seit 2018 mit Felicitas Willems, Zara Gayk, Dr. Marc Wagenbach und Kerstin Hamburg im Vorstand. Mit viel Engagement gelang es, im Januar 2016 das erste Tanzrauschen-Festival in der börse durchzuführen und damals schon Tanzfilme und Expertinnen und Experten aus aller Welt nach Wuppertal zu holen. Erste weitreichende Netzwerke und Kooperationen wurden initiiert oder fortgesetzt. Hier wurden auch die Samen für die diesjährige Ausgabe des Festivals gesät.
Der finnische Film „Fram“ (2019) von Thomas Freundlich und Valterri Rasekallio. Foto: Thomas Freundlich
Still Tanzfilm „my move ma place“ (2019) von Jo Parkes und Julia Franken
Der französische Film „A secret Joy“ (2019) von Jérôme Cassou über die Choreographin Nadia Vadouri-Gauthier. Foto: Le prix de l‘essence
Unter der Schirmherrschaft von Helge Lindh, Bundestagsabgeordneter aus Wuppertal, ist mit „dancescreen 2019 + TANZRAUSCHEN Festival Wuppertal“ vom 21. bis zum 24. November 2019 ein vielseitig inspirierendes Programm kuratiert, organisiert und dank der Unterstützung vieler Fördernder umgesetzt worden. Es wurde an verschiedenen Orten der Stadt durchgeführt, die wie ein Spinnennetz miteinander verbunden waren: So machten sich die lokalen, nationalen und internationalen Tanzrauschen-Besucherinnen und -Besucher quer durch Elberfeld auf den Weg. Der Tanzrauschen-Stadtplan sah folgendermaßen aus: Die Filme liefen überwiegend im Kinoambiente des Rex. Der Dance Screen Market mit Netzwerktreffen, Installationen, Buchvorstellungen und weiterem Programm fand hauptsächlich im alten Schauspielhaus statt. In der börse waren die Filme von Jo Parkes zu sehen, in den letzten zehn Jahren an verschiedenen Orten der Welt entstanden. Im Neuen
Kunstverein war die Ausstellung „Das totale Tanz Theater 360° – Bauhaus Spirit Virtuell“ zu Gast. Im Urban Art Complex gab es Filme zu sehen, und es wurden eine Lecture Performance und ein Schnupperkurs zur Körpersprache des Urban Dance und Hiphop angeboten. Im Studio Double C öffnete die Choreografin Chrystel Guillebeaud ihr Atelier und zeigte die Installation ihrer Produktion „Dein Femur singt“. Im Wuppertal Institut, das sich mehr und mehr für die Rolle von Kunst für Veränderungsprozesse öffnet, gab es Gespräche zum transformativen Potenzial von Tanzfilmen und Urban Art, Kunst im städtischen Raum. Einen besonderen Puls gaben dem Festival an allen Orten neben dem obligatorischen Filmeschauen: Begegnung, Austausch und Vernetzung untereinander, eigene Recherche oder ganz einfach ein beschwingtes Zusammensein mit 37
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Menschen aus der ganzen Welt. Dafür ganz besonders geeignet war die Festival Lounge im LOCH, im alten Bücherschiff im Haus der Jugend Elberfeld. Hier waren in einer audiovisuellen Bibliothek an vier Rechnern alle Filme zu sehen, die zu dancescreen 2019 eingereicht worden waren. Die Covestro-Installation „Dancing Sampler Interactive“ lud zum Tanz ein: Ein riesiger Monitor reagierte virtuell auf Körperbewegungen und nicht wenige verausgabten sich dort tänzerisch bis zur Atemlosigkeit. Auch Konzerte oder DJ-Sessions gab es entsprechend der eigenen Klangart im LOCH sowie Expertengespräche, wie ein Treffen der JuryMitglieder aus Polen, Finnland, Schweden und Großbritannien. Die Gespräche, Vorträge, Workshops und Begegnungen, ganz kosmopolit, wurden allerorts als gemeinsame Plattform überwiegend auf Englisch durchgeführt. Stimmungsvoll auf pinkfarben beleuchteter Rex-Bühne führte der schon lange dem Tanzrauschen verbundene Tänzer Paul White im pinkfarbenen Paillettensakko durch den Eröffnungsabend. Nach Sambaklängen von Apito Fiasko tanzte Schirmherr Helge Lindh in seine Rede, die virtuos schmackhaft machte, wie ein Politiker performativ begeistern und Menschen erreichen kann. Er bekannte sich zum Tanz, zu Pina Bausch, zu menschlich bewegenden Alltagsmomenten und vor allem zur geliebten Stadt, denn, so Lindh, die Wuppertalerinnen und Wuppertaler, die rennen nicht, die laufen nicht: „They just dance, in every minute of their life. That is why I love Wuppertal!“ Den filmischen Auftakt des Festivals machte der 35-minütige Film „touched“ von Jukka Rajala-Granstrubb und Marc Wagenbach, der außer Konkurrenz lief. Wagenbach, ehemaliger Assistent von Pina Bausch, näherte sich als Schauspieler und Filmemacher gemeinsam mit seinem finnischen Kollegen der Tanzikone aus Wuppertal und machte den – ihm von Pina vermachten – Wollschal zum verbindenden Erinnerungsstück. Im Wald, an anderen ihm wichtigen Orten und mit von ihm ausgewählten Menschen ging er in inneren und teils surrealen Szenarien Gefühlen der Trauer, des Verlustes und dem Vermächtnis der Choreografin nach. Damit erschloss sich der Film eine sehr persönliche Auslegung von kulturellem Erbe und den Spuren, die Pina Bausch in künstlerisch inspirierten Menschen der Stadt hinterlassen konnte.
Das Spektrum der dancescreen-Tanzfilme, die in einem Film-Marathon von drei Tagen im Rex gezeigt wurden, war schillernd, berührend und vielseitig anregend: sowohl tänzerisch, filmisch, ästhetisch, als auch inhaltlich. Die Fülle
an Eindrücken hat bei jeder und jedem sicherlich andere Spuren hinterlassen. Filme tänzerischer Koriphäen wie Sasha Waltz „Kreatur“, Meryl Tankard „Two Feed“ oder Teresa De Keersmaker „Mitten“ waren dabei. Körper und Natur tauchten in ganz unterschiedlichen Konstellationen auf, wie in dem finnischen Film „Fram“, einer eindrucksvollen Polarexpedition als geografisch-künstlerische Erkundung. Perspektiven von Kindern, wie in dem bretonischen „Dance, little chick“ oder dem schwedischen „Shadow Animal“ machten eindrucksvoll die Vielfalt des Lebens sinnlich erfahrbar. Ebenso aufwühlend waren Filme, die Wahrnehmung und Begegnung angesichts körperlicher Versehrtheit vermittelten: Sowohl dem norwegischen „Blind Danser“ als auch dem britischen „Artificial Things“ gelang dies eindringlich. Letzterer gewann übrigens in der Kategorie „Film über 15 Minuten“. Noch ein Jahr sind die preisgekrönten Filme über die WDR Mediathek zu sehen: das atemberaubende Ringen um eine Welt im Gleichgewicht in „The Great Ghost“, Best Film, die reiterisch verrückte Hommage an Musicals der 20er/30er Jahre in „With Reason and Heart“, Film bis 5 Minuten, die Einflüsse der Kindheit auf Beziehungen in karger Natur in „Fracture“, Film bis 15 Minuten, der hingebungsvolle aus 1250 Bildern entstandene 2minütige Clip „Disco“, Animation, und der zwischen Trauma und Trauern oszillierende gut zweistündige Film „Betroffenheit“, Live-Performance and Camera Re-work. Den „Best Student Award“ gewann der bulgarische Film „Waiting for color“, ein sechsminütiger dokumentarischer Tanzfilm, der auf den Berichten von 33 Personen basiert, die von der Verfolgung der LGBTQ+ (Lesbian, Gay, Bisexuell, Transgender) in der tschetschenischen Region Russlands berichten, den Schikanen, der Folter und den Demütigungen, denen sie in der Haft ausgesetzt waren. Wie auch der anfangs erwähnte Social Movers-Preisträger „Dance or die“ zeigen viele der Filme eindringlich und sinnlich zugleich die Wunden und Sehnsüchte von Menschen unserer Gesellschaft. Viele weitere der nicht erwähnten Filme zeigen unverblümt, wie Tanz das alltägliche Leben und gesellschaftliche Veränderungsprozesse auf faszinierende Art beleben und mitsteuern kann. Diese Potenziale in die Welt zu bringen, dazu kann das Genre Tanzfilm entscheidend beitragen. Wie solche Kooperationen von Tanz, Film, Kamera und Wirtschaft weiter gefördert werden können, wurde auf dem Festival in verschiedenen Foren vielseitig diskutiert und in Speed-Date-Formaten durch Austausch von Kunstschaffenden und Produzierenden ganz pragmatisch umgesetzt.
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Im alten Schauspielhaus waren filmische Installationen von und mit Tanztheater- und Underground-Tänzerinnen – wie Julie Anne Stanzak oder Ruth Amarante – zu sehen. Der international renommierte Choreograf Fabien Prioville zeigte auf den Treppenaufgängen im Foyer sein Virtual-Reality-Projekt „Here We Are“. Auch das digital ambitionierte Projekt zur tanzenden künstlichen Intelligenz „Blackberry Winter“ von Christian Mio Loclair im Schauspielhaus oder die „Das Totale Tanz Theater360°“-VR-Reise im Neuen Kunstverein mit virtuell animierten Tänzern, das sich auf die Ideen des Bauhauses beruft, ließ erahnen, was sich alles in den kommenden Jahren an Tanz und virtueller Realität noch entwickeln wird. Mit Film, Wort und Fotografie hat das TANZweb, die kritische Plattform für das Begleiten und Sichtbarmachen von Tanz, Choreografie und dem hybriden Genre Tanzfilm mit seinem Nachwuchslabor „dance&dare“, Wettbewerb und Festival begleitet. „we live future now“ war nicht nur der Slogan des Festivals: Zukunft wird jetzt schon gelebt. Das macht ein Projekt beispielhaft deutlich, das aus dem Tanzrauschen-Symposium 2016 entstanden ist und dessen Start jetzt bekannt gegeben wurde: „mAPs – migrating artists project“ ist eine transmediale, dreijährige Kooperation zwischen den fünf europäischen Ländern Frankreich, Griechenland, Italien, Finnland und Deutschland. In enger Zusammenarbeit mit den jeweils lokalen Stadtgesellschaften entstehen fünf Filme zu Transformationsprozessen rund um „Macht“ und fokussieren dabei Fragen zu Klima, Medien oder Gender. Wie können Tanz und Tanzfilm Zukunft gestalten? Dazu haben dancescreen 2019 und Tanzrauschen eine faszinierende Plattform ermöglicht, die gezeigt hat: Bei den Menschen selbst fängt Zukunft an. Allen voran zeigt dies der vor seiner Rede selbst tanzende Politiker Helge Lindh mit seiner Liebeserklärung an die tanzende Stadt. Beeindruckend präsent waren neben vielen professionellen Tänzern die seit etlichen Jahren engagierten Amateurtänzer Wuppertals, alt und jung: All ihnen bedeutet Tanz unsagbar viel. Bewegung und Tanz haben viel mit Selbstwirksamkeit in Gemeinschaft zu tun, sie bedeuten: miteinander umgehen, sich nahe kommen, berühren, voneinander lernen und etwas gemeinsam gestalten. In einem der jüngsten Filme von Jo Parkes „my move my place“, von Jo Parkes und Julia Franken, stehen die Menschen auf Steinen mitten in der Wupper und tanzen dort. Kunst mitten im Stadtleben! We live future now! Uta Atzpodien
Festival-Lounge im LOCH mit audiovisueller Bibliothek. Foto: Kerstin Hamburg
Ahmad Joudeh, „Dance or die“, Social Movers Award, Dancescreen 2019
Filmische Installationen im Schauspielhaus von TanztheaterTänzerinnen Ruth Amarante (links) und Julie Anne Stanzak (rechts). Foto: Kerstin Hamburg Unten: Verleihung des Awards Best Film an „The Great Ghost“ Foto: Stefan Fries
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Die Neugier bewahren
10 Jahre Tonleiter – Zeitgenössische Musik im Skulpturenpark Waldfrieden
In diesem Winter feiert die Konzertreihe Tonleiter im Skulpturenpark Waldfrieden ihr zehnjähriges Jubiläum. Der Komponist Detlev Glanert sagte einmal im Pavillon des Skulpturenparks: „Ein Publikum, das sich die Neugier bewahrt, wird auch die Kunst nicht verlieren.“ Neugier ist eine Folge des Staunens oder des Erstaunens. Für Goethe war das Erstaunen das Höchste, wozu der Mensch gelangen kann. Und Thomas von Aquin definierte das Staunen mit der Sehnsucht nach Wissen. Wäre das ideale Publikum also eines mit einer intuitiven Neugier? Das Interesse an der Konzertreihe Tonleiter ist vermutlich zu einem großen Teil mit der Neugier auf unbekannte, noch nie gehörte Musik zu erklären. Wie vielfältig die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts ist, wie sehr sie ihre Wurzeln auch in vergangenen Jahrhunderten hat, wie stark sie sich gleichzeitig mit der heutigen Welt, mit der Natur, mit anderen Künsten auseinandersetzt - all dem kann das Publikum in den Konzerten nachspüren. Und sicherlich sind die Besucher des Skulpturenparks Menschen, die sich mit der nötigen Muße immer wieder neugierig auf die Suche nach noch nie gesehenen Formen, noch nie gestellten Fragen oder nach neuen Antworten machen und sich deswegen für die Kunst Tony Craggs und anderer zeitgenössischer Bildhauer begeistern können. Tony Cragg selbst war es, der mich mit seinem Wunsch nach einer Reihe für zeitgenössische Musik konfrontierte und dafür begeisterte, diese Idee zu verwirklichen. Schon vorher hatte mich sein Engagement mit der Gründung eines Skulpturenparks hier in Wuppertal sehr beeindruckt, in einer Stadt, die ich als gebürtiger Berliner heute nach über 20 Jahren tatsächlich als meine Heimat bezeichnen kann. Als ich 1996 im Sinfonieorchester Wuppertal als Klarinettist engagiert wurde, blieb mir die Stadt noch viele Jahre fremd. Aber ich merkte, dass es überaus bereichernd sein kann, sich über den eigentlichen Beruf des Klarinettisten hinaus für die Kultur dieser Stadt zu engagieren.
In meiner Berliner Zeit als Student spielte ich viele Konzerte mit zeitgenössischen Werken und lernte dabei zahlreiche junge, aber auch etablierte Komponisten der damaligen Zeit kennen. Ich fragte mich immer wieder, warum die Menschen scharenweise Ausstellungen zeitgenössischer Maler besuchten, sich bei der sogenannten Neuen Musik aber schwertaten. Der klassische Aufbau eines Sinfoniekonzerts sah im Idealfall folgendermaßen aus: zu Beginn ein zeitgenössisches Werk, danach ein Solokonzert und nach der Pause eine klassische oder romantische Symphonie. Zeitgenössische Musik hatte mit dieser Konzertform sein Publikum gefunden. Aber Konzerte mit ausschließlich Neuer Musik wurden nur von einem kleinen Kreis Interessierter besucht. Den Zugang zu einer neuen Komposition finde selbst ich als Interpret häufig erst kurz vor der Aufführung. Wie schwierig muss das erst für die Zuhörenden sein, die das Werk im Konzert zum ersten Mal hören. Schließlich existiert Musik als Kunstwerk – im Gegensatz zu bildender Kunst – nur zum Zeitpunkt ihrer Aufführung. Mein erstes Anliegen bei der Konzipierung der Reihe Tonleiter war es, die Konzertsituation für das Publikum interessanter und verständlicher zu machen. Ich wollte zwischen Komponistin/Komponist und Zuhörenden vermitteln. Hinzu kam der ganz persönliche Wunsch, Werke aufzuführen, die schon etwas älter waren, aber in den meisten Konzertreihen Neuer Musik „verloren“ gegangen waren. Viele großartige Werke des 20. Jahrhunderts wurden nicht mehr gespielt, weil in erster Linie jungen Zeitgenossen ein Forum geboten werden sollte.
Bei meiner Planung der Konzerte stieß ich immer wieder auf Überschneidungspunkte der Komponierenden, ihrer Werke oder den zugrunde liegenden Ideen. Es war mir deswegen wichtig, verschiedenste Kompositionen unter einen thematischen Bogen zu bringen. Dabei zeigt dann gerade die jeweils unterschiedliche Sichtweise der Komponistinnen und Komponisten des 20. und 21. Jahrhunderts deren Besonderheiten im musikalischen Ausdruck, in der Klangfarbe und in dem, was sie den Zuhörenden mit ihrer Musik erzählen möchten.
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Beide Fotos: Karl-Heinz Krauskopf
Zu den Komponistinnen und Komponisten, deren Werke im Skulpturenpark bisher aufgeführt wurden, zählen u. a. Olivier Messiaen, Toru Takemitsu, Harrison Birtwistle, Oliver Knussen, Elliott Carter, Toshio Hosokawa, Jörg Widmann, John Adams und Detlev Glanert. Die klangliche und stilistische Vielfalt der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts hat häufig ihren Ursprung in den Werken von Komponisten wie Debussy, Schönberg oder Strawinsky. Deswegen stehen auch diese Komponisten regelmäßig auf dem Programm. Zu den Interpretinnen und Interpreten zählen - neben den Pianisten Holger Groschopp und Majella Stockhausen aus Berlin - überwiegend Musikerinnen und Musiker des Sinfonieorchesters Wuppertal und Lehrende der Musikhochschule Köln, Abteilung Wuppertal. Schon bald hatte Tony Cragg die Idee, die Konzerte auf CDs festzuhalten. Auch dafür entwickelte ich Konzepte, mit denen die ersten beiden CDs der Konzertreihe produziert wurden: „Britannia“ (mit Werken zeitgenössischer britischer Komponisten) und „Elysion“ (mit Kammermusik Detlev Glanerts). Die meisten Werke der CD „Elysion“ sind Ersteinspielungen, darunter auch Glanerts Klavierquartett „Elysion“, das als Auftragswerk der Cragg Foundation 2013 im Skulpturenpark uraufgeführt worden war. Da auch die Werke des international gefeierten Komponisten John Adams immer wieder in den Konzerten zu hören waren, bot es sich an, zu seinem 70. Geburtstag 2017 eine dritte CD „American Berserk“ im Rahmen der Tonleiter zu produzieren. John Adams zeigte sich begeistert von dem Verständnis und der Interpretation seiner Werke und bedankte sich persönlich bei den Künstlerinnen und Künstlern für die erstklassige Einspielung.
Das Publikum in Wuppertal wird die Kunst sicherlich nicht verlieren, weil es sich immer wieder seine Neugier
bewahrt. Wenn ich als Klarinettist, als Musikvermittler des Sinfonieorchesters und als Künstlerischer Leiter der Reihe Tonleiter in den letzten Jahren einen kleinen Beitrag dazu geleistet habe, hat es sich auf jeden Fall gelohnt, in Wuppertal heimisch zu werden und die eigenen Ideen umzusetzen. Aber ohne die Hilfe Tony Craggs hätte ich zusammen mit den Künstlerinnen und Künstlern nicht so viele Menschen für die Tonleiter begeistern können. Dafür möchte ich mich bei ihm ausdrücklich bedanken. Und den Wuppertaler Zuhörenden wünsche ich noch zahlreiche Konzertmomente, in denen ihre Neugier befriedigt wird und sie die Erfahrung machen, dass die Welt geheimnisvoller ist, als es dem Alltagsverstand erscheint. Gerald Hacke Klarinettist und Künstlerischer Leiter der Reihe Tonleiter im Skulpturenpark Waldfrieden Samstag, 1. Februar 2020, 19 Uhr, Pavillon Sonntag, 2. Februar 2020, 18 Uhr, Pavillon
Silent music of the body
Florence Millet Klavier, Liviu Neagu-Gruber Violine Gerald Hacke Klarinette, Jens Brockmann Bratsche, Michael Hablitzel Violoncello, Axel Heß Violine Uwe Dreysel Schauspiel und Tanz, Eddie Martinez Inszenierung, Mitglied Tanztheater Wuppertal Pina Bausch
Samstag, 29. Februar 2020, 19 Uhr, Pavillon
Märchen | Erzählungen
Gerald Hacke Klarinette, Liviu Neagu-Gruber Violine, Momchil Terziyski Bratsche, Hyeonwoo Park Violoncello, Holger Groschopp Klavier
Samstag, 25. April 2020, 19 Uhr, Pavillon
Roll over Beethoven
Majella Stockhausen Klavier, Holger Groschopp Klavier 41
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Neuer Glanz und neue Leitung Das Teo Otto Theater in Remscheid
Künstlerischer Leiter Sven Graf, Foto: Stefan Lamb
Das Remscheider Theater präsentiert sich frisch renoviert mit dem Charme der 1950er-Jahre. Mit dem neuen künstlerischen Leiter Sven Graf stehen die Zeichen aber auf Zukunft.
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Bis ins Detail liebevoll kopiert: Das obere Foyer im Teo Otto Theater nach der Renovierung (links) und im Originalzustand von einst (rechts). Als Vorlage
ter Courage“ und Else Lasker-Schülers „Die Wupper“. Der einstige Glanz des Hauses war freilich im Lauf der Jahrzehnte und unter dem ästhetisch wenig ansprechenden Geist der 1970er-Jahre komplett verloren gegangen – bis sich die Stadt Remscheid im Vorfeld des 50-jährigen Theater-„geburtstags“ zu einer grundlegenden Sanierung und Restaurierung entschloss. Der braune Teppichboden flog ebenso raus wie Kugelleuchten, Kristalldeckenlampen und die billigen Gartenmöbel in den Foyers. Die Holzvertäfelung im Saal wurde auf Hochglanz gebracht, das Entrée bekam wieder einen dunkel glänzenden Linoleumboden und Tütenlampen nach originalem Vorbild. Sogar die heute theaterüblichen rechteckigen Garderobenmarken ersetzten die detailverliebten Restauratoren durch solche in originaler, gerundete Form.
für die Restaurierung standen nur SchwarzWeiß-Fotos zur Verfügung. Foto links: Thomas Wunsch Foto rechts: Teo Otto Theater Remscheid
Für ihn sei es eines der schönsten Theater in Deutschland, sagte Entertainer Götz Alsmann einst. Und der kommt schließlich viel rum. Immer wieder macht er deshalb auch gern Station im Remscheider Teo Otto Theater. Mit seiner Begeisterung für das Remscheider Theater ist er vielen Menschen in der bergischen Region voraus, denn hört man sich – ganz unrepräsentativ, versteht sich – ein bisschen um, so findet sich eher selten jemand, den es aus den in der Nähe liegenden Großstädten wie Wuppertal, Solingen oder gar Düsseldorf und Köln ins Remscheider Theater zieht.
Ein Fehler allein schon deshalb, weil das im Zentrum von Remscheid gelegene Theater tatsächlich ein Schmuckstück ist. Erbaut von dem Düsseldorfer Architekten Ernst Huhn und 1954 als Stadttheater eröffnet, war es einer der ersten Theaterneubauten der Nachkriegszeit in Deutschland, und Remscheid war damit eine der ersten Städte, die sich nach dem Krieg wieder ein Theater leisteten. 2001 wurde es nach dem berühmten, 1904 in Remscheid geborenen Bühnenbildner Teo Otto umbenannt – er schuf unter anderem die Bühnenbilder zu Bertolt Brechts „Mut-
Muschelförmige Sessel in mattgrün und schwarze LackGlas-Tischchen (die im Original aus Bakelit waren) laden seitdem im oberen Foyer wieder zum Verweilen ein, und selbst die mit rotem Kunstleder bezogenen Holzstühle im ehemaligen Raucherfoyer versprühen herrlich nostalgischen Charme. Alte Schwarz-Weiß-Fotografien dienten seinerzeit als Vorlage für die Wiederherstellung sämtlicher Details; was das Farbkonzept angeht, orientierte man sich mangels authentischer Vorlagen am Zeitgeschmack der Entstehungszeit und an Augenzeugenberichten. Ein Glücksfall kam den Restauratoren dabei zu Hilfe: „Eine Floristin hatte zur Eröffnung 1954 als Meisterarbeit den Blumenschmuck passend für das Theater angefertigt und dafür alle Farben akribisch beschrieben“, erzählt Verwaltungsleiter Lutz Heinrichs. Die richtige Mischung zu treffen, war dennoch eine gewaltige Herausforderung. Nach rund anderthalbjähriger Umbauzeit wurde im November 2003 mit einer großen 50er-Jahre-Party die glanzvolle Wiedereröffnung gefeiert. Im Laufe der vergangenen 16 Jahre hatte sich freilich wieder einiges an Patina über das Haus gelegt. Zum 65. „Geburtstag“, der mit Saisonbeginn im Oktober 2019 gefeiert wurde, sollte nun alles wieder strahlen wie neu. Und das, so zeigt ein Besuch im renovierten Haus, ist wahrlich glänzend gelungen. Die Messingleuchter glänzen wieder ebenso wie die Parkett- und Linoleumböden, und die zart lindgrüne Wandfarbe wirkt in Kombination mit den pfirsichjoghurtfarbenen Vorhängen auch im Winter frühlingsfrisch. Und so verströmt das Theater durch und durch erneut das Flair der 1950er-Jahre. Kein Wunder, dass Götz Alsmann, Tollenträger und Liebhaber des Jazzschlagers, sich in diesem Schmuckkästchen wie zu Hause fühlt. 43
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Wurde 1954 als einer der ersten Theaterneubauten im Nachkriegsdeutschland eröffnet: Das Teo Otto Theater in Remscheid. Foto: Thomas Wunsch
Nun ist es, Schmuckkästchen hin oder her, nicht hauptsächlich die äußere Hülle, die einen ins Theater zieht – es muss auch inhaltlich etwas hermachen. Und was das angeht, darf man jetzt wieder gespannt sein. Mit Beginn der laufenden Saison hat das Haus, das von jeher als Gastspieltheater ohne eigenes Ensemble fungiert, einen neuen Leiter bekommen: Sven Graf, 34 Jahre alt.
hohen Erwartungen befrachtete Aufgabe zu übernehmen, hätte man sich freilich beizeiten denken können. Christian Henkelmann war insofern ein Glücksfall, als er in Personalunion als Theaterleiter, Kulturdezernent und später auch Stadtdirektor von Remscheid eine große Präsenz und Reputation mitbrachte und seine Aufgaben nach eigenem Ermessen quasi aus einem Topf ausfüllen konnte.
Damit endet eine unschöne Hängepartie, während der das Teo Otto Theater ohne künstlerische Leitung dastand. Die Suche nach einer Nachfolgekraft für den im Frühjahr 2018 ausgeschiedenen Dr. Christian Henkelmann zog sich hin; die schließlich auserkorene Kandidatin sprang nach Zusage unmittelbar vor Dienstantritt wieder ab. Verwaltungsleiter Lutz Heinrichs und Disponentin Constanze Mandt füllten die Lücke für die Saison 2019/20 zwar mit einem durchaus ansprechenden Programm, dauerhaft tragfähig war diese Lösung natürlich nicht.
Er hatte das Teo Otto Theater nach turbulenten Zeiten in ruhiges Fahrwasser gesteuert und fast ein Jahrzehnt zur weitgehenden Zufriedenheit der Remscheider geführt. Sein von ihm selbst gern zitiertes Motto: „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“, knüpfte im Grunde an den Geist der Gründerzeit des Theaters an, das einige Jahrzehnte ein solides Stadttheaterprogramm geboten hatte – bevor 1990 die Intendantin Helga Müller-Serre aus Frankreich kam, mit Abonnements wie „vorwiegend heiter“ aufräumte und das Haus zu einem weit über die Region, gar international ausstrahlenden Haus mit dem Schwerpunkt auf neuen Theaterformen und zeitgenössischem Tanz machte. Eine überregionale Zeitung schrieb damals gar vom „Theaterwunder in der Provinz“. Eine Einschätzung, die das
Dass es schwierig werden würde, auf der Basis einer mageren halben Stelle jemanden mit entsprechender Qualifikation zu finden, der bereit wäre, die anspruchsvolle und mit 44
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heimische Publikum und die kommunale Politik freilich nicht uneingeschränkt teilten. 2003 endete die Ära MüllerSerre mit der Suspendierung der Intendantin. Es folgte ein langwieriger Prozess vor dem Arbeitsgericht, der mit einer Niederlage der Stadt endete, die der freigestellten Intendantin noch mehrere Jahre Gehalt zahlen musste. Auch das Arbeitsverhältnis zwischen ihrer Nachfolgerin Dorothee Stürmer und der Stadt Remscheid endete ebenso glücklos wie unharmonisch mit deren vorzeitigem Ausscheiden 2009. Kulturdezernent Dr. Christian Henkelmann konstatierte seinerzeit „unüberbrückbare künstlerische Differenzen“ – und übernahm im Anschluss die Theaterleitung praktischerweise gleich selbst. Die internationale Tanzsparte blieb, etwas konventioneller ausgerichtet als zuvor, über die Zeit ein roter Faden. Jetzt also stehen die Zeichen auf Neuanfang. Keine leichte Aufgabe für Sven Graf, auch wenn die Position inzwischen auf eine Dreiviertelstelle aufgestockt wurde. Beim Gang durch die Innenstadt springt einen die Tristesse geradezu an: In der Fußgängerzone und einstigen Einkaufsmeile dominieren die Leerstände – unterbrochen von Ein-Euro-Shops, Dönerbuden und Telefonläden –, die Städtische Galerie ist abgewickelt. Wie und für wen will man in so einer Stadt überhaupt Theater machen?
„Das herauszufinden wird mein größtes Thema,“ ist sich Sven Graf bewusst, der von Freiburg ins Bergische wechselt. Er möchte zunächst die Menschen hier kennenlernen, mit vielen ins Gespräch kommen und „mit einer guten Mischung starten“. Das, was er in Remscheid vorgefunden habe, sei auf jeden Fall eine gute Ausgangsbasis: „Das Tanzprogramm ist wirklich stark, damit möchte ich mindestens auf dem Stand bleiben“, steht für ihn schon mal fest. Und dafür bringt er gute Voraussetzungen mit: In seiner vorherigen Position verantwortete er bei der Konzertdirektion Landgraf – einem der größten Gastspielanbieter im Land und langjährigem Partner des Teo Otto Theaters – die Tanzsparte. Auch das Kindertheater sieht er gut aufgestellt, möchte es „aktuell und schön halten“. Der weite Bereich des Crossover biete noch viele tolle Möglichkeiten, findet Graf, weiß aber auch: „Man muss das erkennbar und verständlich machen.“ Und er freue sich auf die Zusammenarbeit mit den Bergischen Symphonikern, die mit dem 38-jährigen Daniel Huppert ebenfalls gerade einen neuen, jungen Leiter bekommen haben. Die wohl größte Herausforderung sieht Graf darin, den sperrigen Begriff des „ernsten Schauspiels“ zugänglicher zu machen, die eher publikumsschwache Sparte interessant und neu anzupa-
cken. „Es gibt viele gute zeitgenössische Stücke“, findet er, aber es gälte, die richtige Balance zu finden: „Man darf das Publikum nicht unterschätzen, aber es auch nicht vor die Stirn schlagen.“ In Provokation um ihrer selbst willen sehe er jedenfalls keinen Sinn. Sollte, müsste Theater über die anspruchsvolle Unterhaltung hinaus heute nicht auch dringend wieder einen Beitrag zu gesellschaftlichen Fragen leisten, ein Theaterprogramm mithin auch einen thematischen roten Faden aufweisen? „Gewiss, aber das ist natürlich nicht so einfach, wenn man nicht selbst inszenieren kann“, gibt er zu bedenken. „Ich muss ja schauen, was angeboten wird.“ Und was nütze einem ein gutes Thema, wenn es auf der Bühne nicht überzeuge – „das muss man sich erst mal ansehen“. Das klingt nach einer handfesten Portion Pragmatismus. In Kombination mit seiner sympathischen Aufgeschlossenheit, Neugier, Sachkenntnis und jugendlichem Elan könnte das tatsächlich eine gute Mischung für die Aufgabe sein, die vor ihm liegt. Wie sich all das in der Programmgestaltung niederschlagen wird, wird freilich erst zur Saison 2020/21 erkennbar werden. Vorerst hält die laufende Saison noch einiges bereit, für das sich auch für Auswärtige einmal die Fahrt nach Remscheid lohnt. Und am 8. Mai 2020 ist auch Götz Alsmann wieder da, diesmal mit seinem brandneuen Programm „L-i-e-b-e“. Anne-Kathrin Reif
Termine in Kürze im Teo Otto Theater Auswahl 23. Januar 2020
Faust I – Reloaded Schauspiel, Württembergische Landesbühne Esslingen 25. Januar 2020 Hoffmanns Erzählungen Oper, Theater Hagen 1. Februar 2020
Schwestern – Love and Hate
Lesung mit Musik, mit Silvia Munzón López, Marina Matthias, Annette Rettich/Cello 4. Februar 2020 Nederlands Dans Theater II zeitgenössischer Tanz 13. März 2020
Pariser Leben
Operette/Theater Hagen, Bergische Symphoniker 17. März 2020
#zauberflöte 3.0
zeitgenössischer Tanz, NRW Juniorballett www.teo-otto-theater.de, Theaterkasse: 02191/162650. 45
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Wenn Gott singt wie Leonard Cohen Martin Kindervater gelingt eine bunte Inszenierung von Albert Camus‘ düsterstem Stück „Das Missverständnis“.
Die Wuppertaler Kulturjournalistin AnneKathrin Reif ist nicht nur beste-Zeit-Autorin, sondern auch promovierte Philosophin und Camus-Spezialistin. Frank Becker sprach mit ihr über die Inszenierung von Albert Camus’ Drama „Das Missverständnis“ an den Wuppertaler Bühnen. Frank Becker: Das Wuppertaler Theater hat ja ein gewisses Wagnis unternommen, indem es „Das Missverständnis“ ins Programm nimmt – nicht wissend, wie das Publikum dieses umstrittene Stück aufnehmen wird – Anne-Kathrin Reif unterbricht: Inwiefern denken Sie denn, das Stück sei umstritten?
Ich habe nachgelesen, dass es bei der Uraufführung total durchgefallen ist. Das stimmt. Bei der Uraufführung 1944 im Pariser Théâtre des Mathurins war „Das Missverständnis“ ein Flop. Aber auch die anderen Stücke von Camus waren lange Zeit nicht gerade Renner. Man warf ihnen vor, zu handlungsarm, zu gedankenlastig zu sein. Heute ist das offenbar längst kein Grund mehr, sie nicht zu spielen. Camus ist mindestens seit 2013, dem Jahr seines 100. Geburtstages, wieder allgegenwärtig auf deutschsprachigen Bühnen.
Lassen Sie uns kurz zusammenfassen, worum es geht. Ganz kurz: Mutter und Tochter führen in einer abgelegenen osteuropäischen Gegend einen Gasthof und vergiften die allein reisenden, vermögend erscheinenden männlichen Gäste, um ihnen ihr Geld abzunehmen und so ihren eigenen Traum vom Leben in einem sonnigen Land am Meer zu verwirklichen. Nach vielen Jahren Abwesenheit kehrt der zu Wohlstand gelangte Sohn und Bruder zurück, um ihnen genau das zu ermöglichen, gibt sich aber nicht gleich zu erkennen. Mutter und Schwester ermorden ihn wie die anderen. Bei mir liegt die Leseerfahrung von Camus fast 50 Jahre zurück, Sie sind eine profunde Kennerin seines Werkes – da wir beide also die Inszenierung aus ganz verschiedenen Blickwinkeln gesehen haben, möchte ich natürlich wissen: Wie haben Sie die Wuppertaler Bearbeitung aufgenommen? Ich finde sie ja sehr spannend. Mir gefällt sie auch ausgesprochen gut! Die Geschichte ist ja im Prinzip schnell erzählt, und man weiß, dass sie nicht gut ausgeht – da kommt es natürlich sehr drauf an, die Zuschauer trotzdem mitzunehmen und bei der Stange zu halten. Und das gelingt dem Regisseur Martin Kindervater, vor allem aber dem großartigen Ensemble. Die Verkörperung der Charaktere ist in jeder Rolle fantastisch.
Was, glauben Sie, ist der Grund dafür? Seine Themen sind einerseits zeitlos, andererseits gerade heute von größter Aktualität. Denken Sie nur an Machtmissbrauch, Größenwahn, Willkürherrschaft und Duckmäusertum in „Caligula“ oder Auflehnung und die Frage nach der Rechtfertigung von Terror in „Die Gerechten“. Und in „Das Missverständnis“ geht es um den Traum vom Glück um jeden Preis, aber auch um grundsätzliche Fragen des menschlichen Miteinanders – die Sehnsucht nach dem „Erkannt-Werden“, die Frage, wie viel wir von uns preisgeben, wie viel Vertrauensvorschuss braucht man? Und im Hintergrund – wie immer bei Camus – steht die große Frage nach dem Sinn des Ganzen.
Mich hat der Einsatz der Musik sehr begeistert. Obwohl Camus sie gar nicht kannte, ist es so, als gehörte sie zum Stück. Äußerst effektiv fand ich auch, die Maria durch das ganze Ensemble spielen zu lassen. Also, Charles Trenets „La Mer“, das am Ende erklingt, hat Camus sicher gekannt ... Aber Sie haben natürlich recht, was die heutigen Songs angeht und insofern Camus das Stück gewiss ohne Musik gedacht hat. In der Inszenierung transportiert die Musik auf stimmige Weise sehr viel Atmosphäre. Was die Aufteilung der Maria auf alle Spieler angeht, hatte ich zunächst meine Schwierigkeiten – am Ende fand ich es aber doch ganz überzeugend.
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Szenen aus Albert Camus‘ Drama „Das Missverständnis“ an den Wuppertaler Bühnen. Alle Fotos: Uwe Schinkel
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Da hängt ein Plastikflamingo von der Decke, und es wird eine schräge Karaoke-Party mit japanischen Schlagern gefeiert ...
Der alte Knecht (Hans Richter) am Klavier. Foto: Uwe Schinkel
Was hat Sie denn gestört? Maria, die Frau des heimkehrenden Sohnes und Bruders Jan, ist eine immens wichtige Person im Stück, obwohl sie nur am Anfang und am Ende einen Auftritt hat. Sie ist von Anfang an dagegen, dass Jan sich nicht sofort zu erkennen gibt. Für sie ist die Sache einfach: „Wer erkannt werden will, muss sagen, wer er ist.“ Aber das ist keine Naivität. Sie ist die Stimme der Liebe in dem Stück, die in all der Verwirrung und dem Missverstehen wie ein Kompass die richtige Richtung anzeigt und die am Ende recht behält. Nur, dass es ihr tragischer Weise nichts nützt. Für die Zuschauer ist sie gegenüber den Mörderinnen und dem zaudernden Jan auch eine wichtige Identifikationsfigur. Ich finde, diese Figur aufzuspalten, nimmt ihr zunächst etwas von ihrem Gewicht und dem Zuschauer einen Anker. Man ist ja auf ihrer Seite und bangt mit ihr mit, während man schon sieht, dass die ganze Sache schiefläuft. Und warum waren Sie am Ende doch davon überzeugt?
Das passt alles wunderbar. Eine historisierende Inszenierung wäre doch todlangweilig. Es geht ja darum, die Tristesse zu transportieren, der vor allem Martha, die Tochter, unbedingt entfliehen will. Die Ausstattung ist großartig, es macht einfach Spaß, die vielen Details zu entdecken. Und es braucht Einfälle, welche die Zuschauer überraschen. Man weiß zwar, wie es ausgeht, will aber wissen, wie die Geschichte erzählt wird. Gibt es denn auch Kritikpunkte von Ihrer Seite? Ich habe mich zum Beispiel gefragt, warum da kurz ein weiterer Gast auftaucht, der bei Camus nicht vorkommt, und von den Frauen weggeschickt wird. Das fand ich wenig überzeugend. Stimmt, der ist komplett überflüssig. Der zusätzliche Gast hat mit dem Inszenierungsansatz zu tun, der an eine vorherige von Tennessee Williams „Glasmenagerie“ an den Wuppertaler Bühnen anknüpft. Da sollte wohl als eine Art Fortschreibung genau das gleiche Personal vorkommen, mit denselben Schauspielern. Dem, der die „Glasmenagerie“ nicht gesehen hat, erschließt sich das sicher nicht, und die Camus-Inszenierung gewinnt mit der zusätzlichen Figur nichts. Allerdings stört sie auch nicht weiter. Mir ist aufgefallen: Der wortkarge Knecht, der das ganze Stück über nicht spricht, bekommt einen überraschenden Gesangspart. Ich fand das brillant – und auch blendend vorgetragen. Was sagen Sie?
Zunächst einmal verstehe ich es als dramaturgischen Kunstgriff insofern, als die Verkörperung der Maria schon Gefahr läuft, ein wenig zu gefühlig-kitschig zu geraten, wenn man sich ihren Text anschaut (an dem die Regie auch einige Striche angesetzt hat). Durch den Verfremdungseffekt der Aufspaltung hat man diese Gefahr gebannt. Aber letztlich überzeugt es auch inhaltlich: eben weil Maria diejenige ist, die mit ihrer Haltung recht behält. Wären alle wie sie, wäre die ganze Geschichte anders gelaufen. Und jeder hat die Möglichkeit dazu, jeder kann Maria sein – auch wir selbst. So gesehen ist das sehr nah an Camus.
Hans Richter in der Rolle des Knechts, der sich am Ende ans Klavier setzt und mit Whisky-Stimme einen LeonardCohen-Song singt, ist einfach hinreißend. Er sollte einen Liederabend geben! Tatsächlich macht dieser Einfall die ohnehin rätselhafte Figur des Knechtes noch schillernder.
Stichwort „nah an Camus“ – das Stück spielt ja im Original in den späten 1940er-Jahren in einer gottverlassenen Gegend in Osteuropa ... Wird die Inszenierung mit all ihren Versatzstücken aus unserer Zeit dem überhaupt gerecht?
Diese Interpretation ist natürlich bei Camus genau so angelegt. Am Ende des Stücks, wenn Maria in die Pension kommt und des ganzen Unglücks gewahr wird, fleht sie zu Gott, woraufhin der Knecht erscheint und fragt: „Sie ha-
Martin Kindervater hat den bis dahin stumm über die Bühne schlurfenden Knecht als Herrgott inszeniert, der, als er von Maria gefragt wird, ob er denn gar kein Mitgefühl habe, ein fröhlich lachendes „Nein“ zurückgibt und abgeht. Fanden Sie das genauso schlüssig wie ich?
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ben gerufen?“ Die Art, wie Hans Richter das „Nein“ nicht etwa hart oder hämisch, sondern ganz heiter ausspricht und sich dann ans Klavier setzt und singt, ist brillant. Zuvor hatte der Knecht mehrfach verhindert, dass Jans wahre Identität offenbar wird, etwa, indem er dessen Pass einsteckt. Er hat damit auch so etwas wie die Rolle eines stummen Fatums oder eben eines launenhaften, mitleidlosen Gottes. Vielleicht ist er aber auch nur ein schwerhöriger und ein bisschen kauziger alter Hausangestellter und der kurze Dialog mit Maria am Ende ein weiteres Missverständnis. Die Inszenierung lässt das in der Schwebe – und genau so muss es sein. Albert Camus hat diesen ganzen Plot der Geschichte ja gar nicht selbst erfunden. Schon Zacharias Werner hat das Thema des aus der Fremde wohlhabend zurückkehrenden Sohnes, der von seinen Eltern, denen er sich nicht zu erkennen gibt, ermordet wird, 1808 in seinem Drama „Der 24. Februar“ abgehandelt und Annette von Droste-Hülshoff in ihrer Erzählung „Die Judenbuche“. Was ist aus Ihrer Sicht denn eigentlich das Ureigene von Camus in seiner Bearbeitung? Stimmt, der Stoff scheint so eine Art frühe Wandersage zu sein. Er kommt auch bei Camus selbst schon früher vor: Meursault, der Protagonist in „Der Fremde“, findet in seiner Gefängniszelle unter der Matratze einen vergilbten Zeitungsausschnitt, in dem die Geschichte als aktuelle Nachricht erzählt wird. „Einerseits war sie unwahrscheinlich, andererseits aber ganz natürlich“, sagt Meursault dazu. Und genau das ist Camus: Wir leben in einer Welt, in der die unwahrscheinlichsten und ungeheuerlichsten Dinge jederzeit Wirklichkeit werden können – und es auch tun. Aber unsere Aufgabe ist es nicht, das daraus resultierende Unglück noch durch unser eigenes Handeln zu vergrößern, sondern es zu bekämpfen. Obwohl das Stück so düster und scheinbar von Absurdität durchtränkt ist, transportiert es eine „Moral der Aufrichtigkeit“, wie Camus es selbst nannte. Er sagte dazu: „Wenn ein Mensch erkannt werden will, dann muss er ganz einfach sagen, wer er ist. Wenn er schweigt oder wenn er lügt, stirbt er einsam und stürzt alles um ihn herum ins Unglück. Wenn er dagegen die Wahrheit sagt, wird er zweifellos auch sterben, aber erst nachdem er den anderen und sich selbst geholfen hat, zu leben.“ Das ist die Haltung, die durch und durch Camus ist. Und dafür einzutreten, ist heute in Zeiten der medialen Selbstinszenierung vielleicht aktueller und nötiger denn je.
Inszenierung: Martin Kindervater Bühne & Kostüme: Anne Manss Besetzung: Konstantin Rickert (Jan), Hans Richter (Knecht), Lena Vogt (Martha), Julia Wolff (Die Mutter), Ensemble (Maria), Alexander Peiler (Gast) Termine im Wuppertaler Theater am Engelsgarten: 26. Januar, 7. und 28. Februar, 20. März 2020 Dauer ca. eine Stunde und 40 Minuten, keine Pause Anne-Kathrin Reif studierte Philosophie an der Bergischen Universität Wuppertal und promovierte über Albert Camus. Unter dem Titel „Albert Camus – Vom Absurden zur Liebe“ hat sie 2013 eine umfassende Interpretation seines Gesamtwerkes vorgelegt (Djre Verlag Königswinter). Ebenfalls seit 2013 schreibt sie den Blog www.365tage-camus.de Frank Becker studierte unter anderem Literaturwissenschaft an der Bergischen Universität, schrieb viele Jahre lang Kritiken für regionale Tageszeitungen und ist Herausgeber des Internetmagazins www.musenblaetter.de
ZEITGENÖSSISCHE MUSIK IM SKULPTURENPARK WALDFRIEDEN 2020
SA, 1. 2. 2020 SO, 2. 2. 2020
Silent music of the body SA, 29. 2. 2020
Märchen | Erzählungen SA, 25. 4. 2020
Roll over Beethoven
Hirschstraße 12 · 42285 Wuppertal · 0202 47898120 www.skulpturenpark-waldfrieden.de
Sehr herzlichen Dank für das Gespräch! 49
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Kulturnotizen
Was noch wichtig ist Neuer Kulturverein „Insel“ belebt das ADA Das Wuppertaler Café ADA an der Wiesenstraße ist mehr als ein lange etablierter, engagierter und wunderschöner Veranstaltungsort. Es ist eine Insel. Nach rund einjähriger Vorarbeit hat sich dort vor kurzem der neue Kulturverein »Insel« mit zahlreichen Gründungsmitgliedern gegründet. Ein künstlerisches Kollektiv aus Akteuren und Akteurinnen verschiedenster Disziplinen sorgt für den neuen Herzschlag und die Struktur im ADA und möchte es zu einem Kommunikations- und Produktionszentrum für die Freie Szene aufbauen. Kuratorinnen und Kuratoren konzipieren, organisieren und bespielen selbstständig die verschiedenen Sparten wie Literatur, Musik, Tanz, Theater, Performance, Diskurs, Wissenschaft oder »Alternative Akademie« und werden von einem künstlerischen Leitungskollektiv zusammen gedacht. Ein besonderer Schwerpunkt der Kulturarbeit liegt auf dem Aspekt des interdisziplinären und interkulturellen Austausches. Möglichkeiten, dazuzustoßen, bietet in Zukunft an jedem ersten Dienstag im Monat um 19 Uhr die „Insel – Landung“.
Was passiert mit Müllers Marionettentheater? Je nachdem, wann Sie diese BESTE ZEIT in den Händen halten, ist es vielleicht schon entschieden: Ende Januar 2020 zeigt sich, ob das traditionsreiche Müllers Marionettentheater, das einzige professionelle Figurentheater in der Region, eine Zukunft haben wird. Dass Ursula und Günther Weißenborn, die das kleine Theater fast 30 Jahre in Wuppertal mit Herzblut geführt haben, aufhören, war schon länger kein Geheimnis. Bis Redaktionsschluss war die Suche nach Nachfolgern jedoch ohne Erfolg geblieben. „Ein Paar ist noch im Rennen. Wir würden uns sehr freuen, wenn das klappen würde. Ansonsten bestellen wir Ende Juni einen Container“, sagte Günter Weißenborn auf Anfrage von DIE BESTE ZEIT. In jedem Fall werden die kommenden Monate die letzten sein, in denen man die originalen Weißenborn-Produktionen wie „Peterchens Mondfahrt“
(im Januar 2020) und andere noch sehen kann. Mehr dazu bei den Kinderkulturtipps auf Seite XX. Über den Fortgang der Geschichte berichten wir in der nächsten Ausgabe.
Lenneper Kirche wird zum „Andersraum“ Kirche neu in den Blick nehmen, sie anders erleben und erfahrbar machen – mit diesem Ziel entstand zum 150jährigen Jubiläum der Kirche St. Bonaventura in RemscheidLennep 2018 ein außergewöhnliches Projekt: Über fast drei Wochen verwandelte sich die Kirche täglich, war Kunsttempel, Dancehall, Konzertsaal, Festtafel, Pfadfinderlager, Wallfahrtsziel , Bühne für Performances und Workshops oder „Chillin’ Church“. Alle Bänke waren ausgelagert, alle Figuren und Ausstattungsstücke wie Altar, Kreuz und Tabernakel mit Stoff verhüllt und der leere Raum farbig illuminiert. Künstler und Gruppen ließen die Kraft des Raumes auf ihre jeweils eigene Weise aufscheinen – die Kirche wurde zu einem „Andersraum“. Unter diesem Titel ist nun im Bergischen Verlag ein Buch erschienen, das die vielfältigen Aktionen in Bildern und Texten dokumentiert und darüber nachdenken lässt, was Kirche in der heutigen Zeit sein kann. Das kulturelle und spirituelle Angebot zog Menschen von nah und fern an, jenseits aller Unterschiede in Glauben, Herkunft und Generation. Der Band vermittelt anschaulich die Idee der Aktion und gibt Gemeinden Anregungen zu eigenen, ähnlichen oder anderen Formaten. Andersraum. 150 Jahre St. Bonaventura in Lennep. Bergischer Verlag 2019, 120 S., 19,80 Euro Erhältlich auch im Pfarrbüro St. Bonaventura, Hackenberger Str. 1a, Remscheid-Lennep. Vom 4. bis zum 17. Januar 2020 wird St. Bonaventura erneut für zahlreiche spannende Veranstaltungen leer geräumt. Programm unter www.st-bonaventura.de
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Mitmachen beim „Tag der Druckkunst“ Am 15. März 2020 wird wieder bundesweit der Tag der Druckkunst begangen. Ziel ist, einem großen Publikum die künstlerischen Möglichkeiten der Druckkunst nahezubringen. Anlass ist die Anerkennung der traditionellen, künstlerischen Drucktechniken als immaterielles Kulturerbe durch den Eintrag im bundesweiten Verzeichnis der Deutschen UNESCO-Kommission im Jahr 2018. Der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) ruft Künstlerinnen und Künstler, Druckwerkstätten, Museen, Kunstvereine, Kunsthochschulen und andere Akteure, an diesem Tag (und in der Woche davor und danach) auf, sich mit Veranstaltungen wie Symposien, Ausstellungen, Kursen oder Workshops zu beteiligen. Auf der Internetseite http://tag-der-druckkunst.de können ab dem 2. Januar 2020 Veranstaltungen angemeldet werden. Außerdem lässt der BBK Aufkleber und Flyer mit allen angemeldeten Veranstaltungen drucken. Bei Fragen: post@bbk-bundesverband.de. DIE BESTE ZEIT möchte die Aktion gerne unterstützen. Wer in der Bergischen Region mitmacht: Schickt uns die Infos und ein Foto, und wir bewerben euren Beitrag auf unserer Facebook-Seite: info@schwebetal-verlag.de
APPLAUS! „Loch“ und „Ort“ erhalten erneut bundesweite Auszeichnung Großer Bahnhof in Berlin: Spielstättenbetreiber aus ganz Deutschland waren Ende November 2019 in die Hauptstadt gereist, um aus den Händen von Kulturstaatsministerin Monika Grütters den APPLAUS-Preis entgegenzunehmen. Auch dieses Mal wieder unter den Preisträgern: das „Loch“ und der „Ort“ aus Wuppertal. APPLAUS – das steht für den immateriellen Lohn des Künstlers auf der Bühne, aber auch für die „Auszeichnung der ProgrammPLAnung Unabhängiger Spielstätten“. Und die ist durchaus mit klingender Münze verbunden. Das „Loch“ erhielt die Auszeichnung in der Kategorie II (18.000 Euro) zum dritten Mal in Folge. Für den von der Peter Kowald Gesellschaft betriebenen „Ort“ war es die dritte Auszeichnung in der Kategorie III (7500 Euro) nach 2014 und 2018. Die Einstufung richtet sich nach der Anzahl der Konzerte pro Jahr. Beide Spielstätten liegen im Wuppertaler Luisenviertel, beide bieten mit unterschiedlichen Akzenten ein breites Programm aus dem Bereich von Jazz und Improvisierter Musik; im „Loch“ kann es aber auch schon mal innovativer Pop oder Techno sein. „Wir sind Experimentierfeld und Spielwiese für Jung und Alt. Ein Nährboden für Bands, für die freie Szene. Wir ru-
fen nicht nur fertige Produktionen ab, sondern verhandeln Positionen immer wieder neu,“ sagt Loch-Geschäftsführer Maik Olhoff. Künstlern einen spielerischen Freiraum zu bieten, in dem Neues entstehen kann, in dem Begegnung stattfinden und Kreativität sich entfalten kann, die wiederum die Zuhörenden und Zuschauenden inspiriert – das sei auch für das Ort-Team Antrieb des nun schon seit 17 Jahren andauernden Engagements, sagt Pressesprecherin Anne-Kathrin Reif. „Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat bei der Preisverleihung genau diesen Spirit sehr wertschätzend gewürdigt“, berichtet Reif erfreut aus Berlin. Die unabhängigen Spielstätten im Land seien „Orte der Freiheit und künstlerischen Neugier“ und kultivierten die „nicht nur musikalische Horizonterweiterung“, hatte Grütters gesagt und betont, dies seien „glückliche Momente für die Demokratie“ in einer Zeit, in der das Praktizieren demokratischer Grundwerte wichtiger sei denn je. Sowohl für das „Loch“ wie für den „Ort“ gehört es zum Selbstverständnis, Gagen an die Musikerinnen und Musiker zu zahlen. Für beide ist der Preis daher neben der ideellen Anerkennung auch dringend benötigter Treibstoff, um überhaupt weitermachen zu können. „Der Preis hilft, die prekäre Finanzlage des Vereins ein wenig zu entlasten“, sagt Wolfgang Schmidkte, Vorsitzender der Peter Kowald Gesellschaft/ort e.V. „Wir sind deshalb zuversichtlich, unsere Arbeit im Sinne von Peter Kowald fortsetzen und der improvisierten Musik in Wuppertal mit dem ORT ihr ebenso traditionsreiches wie lebendiges Forum erhalten zu können.“ Für das Loch-Team sagt Maik Olhoff: „Durch den APPLAUS gewinnen wir mehr Planungssicherheit, können mehr Konzerte veranstalten und bessere Konditionen anbieten“. Zudem sei eine solche Auszeichnung „schlichtweg Balsam für uns Ehrenamtliche. Wir fühlen uns moralisch bestärkt, auf dem richtigen Weg zu sein.“ Der APPLAUS wird seit 2013 von der Initiative Musik mit Projektmitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) realisiert. 2019 wurden rund 1,8 Millionen Euro an 107 Musikclubs und Veranstaltungsreihen ausgeschüttet, 15 davon in NRW. (red) 51
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Kulturtipps für Kinder und Jugendliche LCB | Haus der Jugend Barmen Geschwister-Scholl-Platz 4-6, 42275 Wuppertal Karten an allen bekannten Vorverkaufsstellen, im Haus der Jugend Barmen oder im Internet unter www.hdj-online.de Sonntag, 19. Januar, 15 Uhr
Wie Fremde Freunde werden Ein Finger-Figurentheater mit Livemusik Familienvorstellung, ab 4 Jahre, Dauer: 35 Minuten Ein Theaterstück über den ganzen Kosmos menschlicher Beziehungen an dessen Ende das Vertrauen ineinander siegt! Fremde sind Freunde, die man nur noch nicht kennengelernt hat – für fremdsprachige Zuschauer geeignet.
Sonntag, 09. Februar, 01. März, 11 Uhr
Mozart & Robinson und der waghalsige Pfannkuchenplan Ein Bilderbuch von Gundi Herget und Nikolai Renger Familienvorstellung, ab 4 Jahren, Dauer ca. 40 Minuten Die Menschen sind verreist und haben Hausmaus Mozart kein Fitzelchen zu essen zurückgelassen. Nichts mehr zu finden, bis auf eine staubige Tüte Mehl! Ob Feldmaus Robinson noch Vorräte hat? n
Müllers Marionettentheater Neuenteich 80, 42107 Wuppertal 4., 5., 11., 12., 18., 19., 26., 29. Januar, 16 Uhr Peterchens Mondfahrt ab 3 Jahren Theaterstück nach dem Buch von Gerdt Bassewitz von Günther Weißenborn mit der Musik von Uwe Rössler: Der Maikäfer Herr Sumsemann erobert gemeinsam mit den Kindern Anneliese und Peter den Mond. Inszeniert mit den bezaubernden Marionetten von Ursula Weißenborn. www.muellersmarionettentheater.de n
Wuppertaler Kinder- und Jugendtheater Theater im Berufskolleg, Bundesallee 222, 42103 Wuppertal 09. und 14. Januar, 18 Uhr 12. und 19. Januar , 15 Uhr
Alice im Wunderland Familienvorstellung, ab 6 Jahren Nach dem gleichnamigen Buch von Lewis Carroll, in der Bearbeitung von Lars Emrich, Regie: Peter Adrian Krahl, Ausstattung: Laurentiu Tuturuga, Musik: Niels Wörheide Wer kennt sie nicht? Die Grinsekatze, den Märzhasen, den verrückten Hutmacher oder einzelne Episoden, wie die der Teegesellschaft, in die Alice auf ihrer Reise durch das Wunderland hineingerät? Es wird Zeit, die Geschichte als Fantasy-Abenteuergeschichte neu zu erleben. Das Wuppertaler Kinder- und Jugendtheater eröffnet am 9. November 2019 die vorweihnachtliche Zeit mit einer kindgerechten Bearbeitung von „Alice im Wunderland“. n
Junior Uni Wuppertal Forscherplattform Bergisches Land Am Brögel 31, 42283 Wuppertal www.junioruni-wuppertal.de n
James Mum – Sängerin Theresa Foto: Oliver Klamke
Wuppertaler Unihalle Albert-Einstein-Str. 20, 42119 Wuppertal Samstag, 01. Februar 2020, 16 Uhr - ca. 22 Uhr
Wuppertaler Schülerrockfestival
Im 34. Jahr des Wuppertaler Schülerrockfestivals präsentiert sich unsere kreative junge Musikszene – Bands und Solisten aus den Schulen der Stadt und der bergischen Region. Headliner, Newcomer, Follower und Wegweisende: Horst Wegener, The Cube, Kuult, Til, Saralynn, James‘ Mum, Darkness Surrounding, Cyrill&Maybe, Noah, Henry – Rap, Rock, Pop, Singer/Songwriter und alles was eher nicht in eine der Rubriken passt: Hingehen, zuhören, feiern – anfeuern und zusammen austoben. Dafür steht ‚Schülerrock‘ immer aufs Neue. Nicht nur für die Kleinen ist der Gewinner von DSDS im Programm: Davon Herbrüggen. Kids bis 12 zahlen keinen Eintritt. Infos bei rockprojekt-wuppertal.com und 0172 263 78 37 bzw. info@rockprojekt-wuppertal.com. Karten: www.wuppertal-live.de n
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Kulturelle Jugendbildung Infos über Programm 2020 und Anmeldungen über www.jugend-kult.de oder 0202 563-2645
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Barmen, Jugendzentrum Heinrich-Böll-Str. 136, 42277 Wuppertal 11., 12., 18. und 19. Januar 2020, 10 - 14.30 Uhr
Hip Hop - Workshop
4 Termine / 45,00 Euro, von 6 bis 11 Jahre. Hey Leute! Hip Hop-Grundschritte, aktuelle Songs und Spaß sind Hauptbestandteile des Workshops. Wir entwickeln gemeinsam eine Tanzshow mit verschiedenen Elementen. Leitung: Murat Güclü n
Vohwinkel, HdKJ
Illustration: Helme Heine
Burg Wissem Bilderbuchmuseum der Stadt Troisdorf Burgallee 1, 53840 Troisdorf Noch bis Sonntag, 01. März 2020
Gräfrather Str. 9 b, 42329 Wuppertal
Helme Heine – Eine Mitmachausstellung für Jung und Alt
21. März 2020, 11 - 13 Uhr
Helme Heine zählt zu den großen Bilderbuchkünstlern der Gegenwart. Seine internationale Karriere begann dabei 1976 mit dem ersten Bilderbuch Elefanteneinmaleins. Die Ausstellung, die unterschiedlichste Exponate Helme Heines präsentiert, wird als Mitmach-Ausstellung konzipiert, in der große und kleine Besucher dazu aufgefordert werden, aktiv mitzugestalten. n
Kinderrepaircafé, 1 Termin / 4,60 Euro, ab 8 Jahre Hier wird nicht versucht, Kinder zu reparieren, sondern Spielzeuge und andere Sachen. Nicht alles ist so kaputt, dass es nicht mehr zu gebrauchen ist - und sei es für was ganz anderes. Bringt eure Sachen mit, auch die, die gar nicht kaputt sind, sondern euch nur nicht mehr gefallen oder passen, vielleicht findet sich was zum Tauschen. Leitung: Jürgen Friker / Uschi Leifeld n
Theater am Engelsgarten
Pina-Bausch-Gesamtschule Florian-Geyer-Straße 9, 42329 Wuppertal Premiere: Di., 14. Januar 2020, 10 Uhr
Premiere: So., 23. Februar 2020, 16 Uhr
NILS KARLSSON DÄUMLING
von Thierry Tidrow Kinderoper ab 3 Jahren für Sopran und sprechende Geigerin von Thierry Tidrow. Libretto von Manfred Weiß nach Astrid Lindgren. Oper von Anfang an: »Daumen drücken, Augen zu. Ganz fest. Und dann sagst du: Killevips!« Weil Mama und Papa immer arbeiten müssen, ist Bertil oft allein zu Hause. Fürchterlich langweilig ist das – bis er eines Tages ein Klopfen hört. So macht Bertil die Bekanntschaft von Nils Karlsson Däumling, genannt Nisse. Nisse ist so groß wie ein Daumen und wohnt in einem Mauseloch in Bertils Keller. Er lädt Bertil ein, ihn einmal zu besuchen, doch da ist noch das Problem mit dem Größenunterschied! Glücklicherweise weiß Nisse Rat und schon bald sind die beiden Freunde unzertrennlich... n
Out! – Gefangen im Netz
von Knut Winkmann Ein Klassenzimmerstück für Menschen ab 14 Jahren Vicky ist »in« in den sozialen Netzwerken, bei ihren Freunden. Sie hat etwas zu sagen. Dann der Wechsel in eine andere Klasse. Und plötzlich ist sie »out«. Es tauchen Bilder auf, ein Video, im Netz. Man redet nicht mehr mit ihr, sondern über sie. Sie wehrt sich, will alles löschen. Doch das Internet vergisst nichts ... In seinem Stück „Out! – Gefangen im Netz“ stellt Knut Winkmann die Gefahren von Cybermobbing dar und zeigt, was Zivilcourage im „realen“ Alltag bedeuten kann. Mit diesem Klassenzimmerstück kommt das Schauspiel Wuppertal in die Schulen. Die Aufführung beinhaltet eine anschließende Diskussion mit dem Schauspieler und der begleitenden Theaterpädagogin. n 53
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Vorhang auf für die Geschichten der Vertriebenen Heiner Bontrups Theater Anderwelten inszeniert auf der Bühne der Wuppertaler Oper das Exil als großes Menschheitsthema
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Yasser Niksida, Thomas Braus, Bernd Kuschmann, Foto: Ava Weis
„Der Zug fährt nicht auf Schienen, er schwimmt über ein Meer von Glück. Noch scheinen Sterne hinter wolkigen Nebeln. Morgen lass etwas Sonne sein, lieber Gott.“ So beschreibt Irmgard Keun in ihrem Roman „Nach Mitternacht“ jenen Moment, in dem ein Paar die Flucht aus Nazi-Deutschland gelingt. Diese bittersüße, vielleicht trügerische Hoffnung auf ein besseres Leben in der Fremde durchstimmt als Grundton die Uraufführung des multimedialen Stücks Die Schutzbefohlenen. Heiner Bontrup hat mit diesem Stück Menschen, die in die Fremde vertrieben wurden, eine Stimme verliehen und der Frage nachgespürt, ob es über alle Zeiten und Räume hinweg eine anthropologische Konstante des Exils gibt.
Alle dann in den Waggons, nur ich allein auf dem Gleis. Das Schlauchboot sank und mein heißes Herz für Europa wurde kalt.
Das Stück beginnt in der Gegenwart: Yasser Niksida ist 14 Jahre, als auf der Flucht nach Europa das Boot kentert, mit dem die Schleuser ihn zur griechischen Küste bringen wollen. Yasser kann nicht schwimmen, er taucht unter, bekommt keine Luft. Dann zieht ihn die Rettungsweste nach oben. Yaser überlebt. Mehr als die Hälfte der ca. 60-köpfigen Besatzung des Schlauchbootes aber ist verschollen. In Berlin angekommen, trifft Yasser auf die Spiegel-Redakteurin Susanne Koelbl, die ihn und andere geflohene Jugendliche ermutigt, im Versemachen ihre Stimme zu finden, z.B. in Versen wie diesen:
Allein dass Thomas Braus da steht und die Verse Yassers rezitiert, ernst und würdevoll, ist ein klares und unmissverständliches Statement zur Funktion des Theaters. Braus ist es auch, der dem Publikum die Fluchtgeschichte von Mahdi Hashemi, einem Freund Yassers, nahebringt. Acht Minuten dauert diese Geschichte, und wie lange hat man auf dem Theater nicht mehr erlebt, dass eine Geschichte „einfach so“ erzählt wird. Keine Sekunde davon ist zu lang - äußerst gespannt verfolgt das Publikum diese Geschichte einer Flucht. Die Erinnerungen an die Heimat, die Eltern, die Freunde, die gemeinsam gefeierten Feste werden für
Chrystel Guillebeaud, Foto: Ava Weis
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Für diese und andere Gedichte haben Yasser und andere junge Flüchtlinge des preisgekrönten Berliner Poetry Projects im vergangenen Jahr den Else Lasker-Schüler-Lyrikpreis erhalten. Nun steht Yasser da auf der großen Bühne der Wuppertaler Oper: ein junger Mann mit Cargo-Hose und Parker in Tarnfarben. Beeindruckt, aber nicht eingeschüchtert durch die große Kulisse trägt er sein Gedicht auf Farsi vor, und Thomas Braus, Schauspielintendant der Wuppertaler Bühnen, trägt Yassers Verse auf Deutsch vor.
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Margaux Kier, Foto: Ava Weis
Mahdi zu Überlebensmitteln in der Fremde, zur Selbstvergewisserung der eigenen Identität: „Wenn ich gewusst hätte, wie lange ich in Deutschland bleiben würde und wie sehr ich meine Familie und meine Heimat vermissen würde – ich hätte meine Mutter stundenlang in den Armen gehalten. Ich hätte die zerfurchten und abgearbeiteten Hände meines Vaters so oft geküsst, bis sie ganz nass gewesen wären. Es ist meine größte Sehnsucht, sie wiederzusehen.“ Begleitet wird diese Erzählung wie auch die anderen ExilGeschichten durch Videosequenzen, die der Wuppertaler Lichtkünstler Gregor Eisenmann geschaffen hat. Nie drängen sie sich in den Vordergrund, sind aber stets ein verlässlicher Begleiter der Erzählung. Leitmotivartig - mal abstrakt, mal assoziativ - begleitet der Videostream die Bühnenerzählung. Dabei spielt Eisenmann geschickt mit dem Raum, holt zum Beispiel durch eine lange Kamerafahrt die Zuschauer vom Opernvorplatz in den Zuschauerraum (wo sie ja bereits sind!), während die Figuren visuell auf den Platz nach draußen befördert werden. So fungiert die Installation auch als ein (selbst-)ironisches Spiel mit dem Raum.
Zeitauflösung Ganz ähnlich wie Yasser und Mahdi reiste auch Else Lasker-Schüler in ihren Zürcher und später in ihren Jerusalemer Jahren immer wieder zurück in die Zeit ihrer Kindheit. Erinnerungen an ihre Eltern, an das alte Elberfeld suchten sie heim. Auch Rojin Namer, die während des Syrienkrieges allein nach Deutschland geflohen ist, kehrt in ihren Versen immer wieder zurück in ihre Heimatstadt Damaskus, die für sie als Kind das Paradies war: Am Ende ihres Gedichtes findet sie Worte, die denen Else Lasker-Schülers ähneln, die den Verlust ihrer Heimat ebenso wie eine Vertreibung aus dem Paradies beschreiben: Wie soll ich Damaskus beschreiben? Wie soll ich das Paradies beschreiben, denjenigen, die es nicht kennen? Das Herz von Syrien. Die Seele von mir. Die Hoffnung von anderen. Das ist Damaskus. Mein Damaskus. Ich will dich zurück. Zurück zu mir.
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Heiner Bontrup lässt auf dieses „Zurück zu mir“ Else Lasker-Schüler mit Versen aus ihrem Gedicht „Weltflucht“ antworten: „Ich will in das Grenzenlose // Zu mir zurück“. Über die Zeiten hinweg begegnen Dichterinnen wie Else Lasker-Schüler und Nelly Sachs, Mascha Kaléko und Irmgard Keun, die während der NS-Zeit ins Exil gehen mussten, in diesem Stück Menschen, die erst kürzlich aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Die Exodus-Erzählung des Alten Testaments erinnert an die Hoffnungen und Sehnsüchte, die einen Aufbruch in ein anderes Land („in dem Milch und Honig fließen“) immer auch begleiten. Diese biblische Erzählung bildet gemeinsam mit den Sätzen der Philosophin Hannah Arendt über das Exil den mythologisch-philosophischen Referenzrahmen für die Video-Suite. In diesem Textlabyrinth fungiert Bernd Kuschmann, langjähriges Ensemblemitglied des Wuppertaler Schauspiels, als eine Art „Geist der Erzählung“. Er ordnet das Geschehen historisch ein und hält die Erzählstränge zusammen. Kuschmanns Sprechkunst ist es zu verdanken, dass sich die Exil-Geschichten wie eine plötzliche Imagination des Erzählers ereignen. Immer wieder beeindruckt, wie viel Präsenz Kuschmanns Stimme trotz seines in der Tiefe des Raumes verorteten Standortes entfaltet.
Jenseits der Worte Zu den Exil-Erzählungen hat Mathias Haus eine musikalische Suite komponiert, eine scheinbar lose Folge von Stücken, die atmosphärisch dem Bühnengeschehen folgen. Sehr differenziert und nuancenreich spielt das elfköpfige Orchester aus Dozentinnen und Dozenten sowie Studierenden der Hochschule für Musik und Tanz, Köln (Abteilung Wuppertal), deren Nukleus die Wuppertaler Kammerphilharmonie bildet. Haus hat als Komponist eine Musiksprache gefunden, die zwischen Neuer Musik, Jazz und gelegentlichen Einflüssen der Weltmusik changiert und doch einen ganz eigenständigen kohärenten musikalischen Ausdruck findet. Dabei gelingt es dem Komponisten, den Worten etwas ganz Eigenes hinzuzufügen. Die mal zarte und dann wieder ausdrucksstark gewaltige Musik entführt das Publikum nach und nach in eine ganz eigene Welt und fungiert als ein kathartischer Kontrapunkt zu den traurigen Lebensschicksalen der Vertriebenen. Sie hält die Erinnerungen an die Hoffnungen aufrecht – auch noch in den Augenblicken der Verzweiflung. Dass Haus den Klassiker „Ain’t No Sunshine“, diesen großartigen Song über das Verlassenwerden, von Margaux Kier sehr gefühlvoll vorgetragen, in einem fast klassisch anmutenden Arrangement einfügt, gehört zu den berührendsten Momenten der Inszenierung.
Julia Wolff, Margaux Kier, Foto: Ava Weis
Doch immer wieder reißen unvermittelt die von Charles Petersohn gestalteten Klangwelten das Publikum aus solch melancholischen Stimmungen. Petersohn hat aus Radiound Fernsehnachrichten beklemmende Soundcollagen gestaltet, die unter die Haut gehen und die taumelnde Abwärtsspirale der politischen Entwicklungen seit 9/11 über islamistische Anschläge bis hin zu den rechtsterroristischen Morden in Deutschland spiegeln. Sie bilden den dramaturgischen Gegenpol zu Haus‘ Musik. Zu einer dieser Klanglandschaften tanzt Chrystel Guillebeaud, langjähriges Mitglied des Pina Bausch Tanztheaters. Ihr vom Butoh inspirierter Tanz ist ein ergreifender Kommentar zum zeithistorischen Geschehen jenseits der Worte. In dem fiktiven Schlussdialog zwischen Rojin Namer und Else Lasker-Schüler wird das Exil als Vertreibung aus dem Paradies reflektiert. Dennoch erlischt der Funken der Hoffnung nicht. Heiner Bontrup greift auf eine späte Vision Else Lasker-Schülers in ihrem Jerusalemer Exil – kurz vor ihrem Tod – zurück: „Ich habe einen famosen Plan: Wir eröffnen einen kleinen Jahrmarkt. Mit Karussell. Vorerst. Für die Kinder in Jerusalem. Später in der ganzen Welt. So versöhnen wir die Völker. Solange noch ein Kind hungert, verzichtet Gott auf jede Synagoge.“ Gregor Eisenmann verwandelt mit seinen dreidimensionalen Videoeinspielungen die Wuppertaler Oper in einen Jahrmarkt, Spielzeug-Karussells drehen sich überdimensional groß auf der Leinwand, alle Mitspieler betreten die Bühne und werden Teil dieser Videoinstallation: Realität und Spiel, Wirklichkeit und Vision verschmelzen in einem grandiosen Schlussbild, in dem Diversität und Harmonie eins sind. Dazu spielt das Orchester einen herrlich augenzwinkernden Walzer, der einen glücklichen Augenblick lang die traurige Wirklichkeit vergessen lässt. Jan Dieker 57
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Spaziergänge gehörten zu den Mobilitätstouren durch Wuppertal, die sinnlich erfahrbar machten, wie mit und ohne Einschränkungen Vertrauen und Achtsamkeit gefragt sind. Unten: Abschlussperformance „Wuppertaler Bewegungsmanifest“, hier zu Deeskalation und Perspektivwechsel. Fotos: Kim Münster Bergische Klimagespräche
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„Wir alle bewegen die Stadt“
Kunst und Wissenschaft treffen sich bei den Bergischen Klimagesprächen 2019 zu Dialog und Performance
„Bewegen – Zukunftskunst und nachhaltige Mobilität“ hieß es bei den diesjährigen Bergischen Klimagespräche am 10. und 11. Oktober 2019 in Wuppertal. Experimentierfreudig wurden zukunftsweisende Dialoge zwischen Wissenschaft und Kunst fortgesetzt, die letztes Jahr via Exkursionen durch Kunstorte der Stadt initiiert worden waren (Vgl. DbZ 01/2019). Thema war die auf vielen Ebenen heiß diskutierte Mobilitätswende, von unten im Kontext der Fridayfor-future-Bewegung, im bundespolitischen Ringen um das Klimaschutzpaket, quer durch Gesellschaft, wie kürzlich ein Workshop der Stadt deutlich machte. In dem Buch „Die große Transformation. Die Kunst gesellschaftlichen Wandels“ (vgl. Rezension DbZ 1/2019) ist die Mpbilitätswende eine der zentralen Arenen für die gesellschaftlichen Wenden hin zu einer nachhaltigen Entwicklung. Zusammen mit Uwe Schneidewind, dem Präsidenten des Wuppertal Instituts (WI), kuratierte Uta Atzpodien ein zweitägiges Format der Begegnung mit 40 renommierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Mobilitätspraxis, -politik und -wissenschaft und aus verschiedenen künstlerischen Sparten (siehe Teilnehmende: www.bergische-klimagespraeche.de). Das Bewegen als Grundimpuls künstlerischen Schaffens und Wirkens, sei es in Tanz, Musik, Theater, Malerei, Film, Performance oder Literatur, traf auf die aktuellen Facetten der Mobilität und gesellschaftlicher Mobilitätswende vor Ort in Wuppertal und prägte pulsierend die zwei Tage. Der Psychologe und Mitarbeiter am Wuppertal Institut Matthias Wanner und die Dramaturgin Uta Atzpodien, u.a. Vorstandsmitglied von )) freies netz werk )) KULTUR, gingen der gemeinsamen Erfahrung nach und tauschten sich im Dialog zu Eindrücken, Ideen und die Stadt anregenden Impulsen aus. Uta Atzpodien: Die Klimagespräche haben sich von den ursprünglich stark wissenschaftlich geprägten – nach der Nordseeinsel benannten – Spiekerooger Klimagesprächen zu einem kreativen Dialog- und Präsentations-Format in Wuppertal entwickelt. Sind sie zu einer Art Miniatur-Reallabor unserer Stadt geworden?
Matthias Wanner: Die Klimagespräche, die von 2009 bis 2016 erfolgreich auf der Spiekerooger Nordseeinsel stattfanden, sind 2017 ins Bergische Land gewandert, um die Gespräche näher an urbane Transformationsprozesse anzubinden, andere Bevölkerungsgruppen einzubinden und Ergebnisse sichtbarer in die Gesellschaft zu transportieren. Nach „Zukunft der Städte“ (2017) und „Kunst und Transformation“ (2018) wurde der Dialog für eine nachhaltige Entwicklung zwischen Kunst und Wissenschaft fortgesetzt, um konkret ins Handeln zu kommen, vom Dialogischen ins Performative. Ein Reallabor zeichnet sich durch die enge Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis aus, sucht sich ein gemeinsames, für beide Seiten interessantes Thema der Nachhaltigkeit und bearbeitet dieses mit verschiedenen Methoden in der realen Welt. Soweit trifft die Beschreibung auf den ersten Teil zu. Die sehenswerte Performance am Ende des zweiten Tages würde ich eher als Auftakt für ein Reallabor sehen, das jetzt hinaus in die Welt getragen werden müsste. Zurück zu den Teilnehmenden: Wie hat sich diese Gruppe zusammengesetzt? Hat es geklappt, neben der Forschung und aktiven Gestalterinnen und Gestaltern einer nachhaltigen Mobilität eine große Bandbreite an ästhetischen Disziplinen an Bord zu haben? Uta Atzpodien: Die Zusammensetzung ist wunderbar aufgegangen: Eine schillernde Gruppe aus engagiert-kompetenten Persönlichkeiten mit überraschenden Perspektiven auf das Themenfeld Bewegung und Mobilität. In Wuppertal gibt es eine so vielschichtige Mischung aus längjähriger Expertise und Engagement. Beispiele: Stadtbekannt ist der Mobilitätswissenschaftler vom Wuppertal Institut Oscar Reutter, der seit Jahrzehnten ohne eigenes Auto lebt, vor ein paar Jahren ein Konzept zur autofreien Innenstadt Elberfeld veröffentlicht hat und kontinuierlich TandemVortragsreihen auf die Beine stellt. Sein Kollege am WI Steven März, hat ehrenamtlich dazu beigetragen, dass die deutschlandweit innovative Mobilstation auf dem Ölberg kürzlich eingeweiht werden konnte, und ist für die Grup59
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pe Mobiler Ölberg engagiert. Diese und auch die „Mobile Mirke“ unterstützt n.a. Tobias Maria Freitag, der zum Bündnis „Mobiles Wuppertal“ gehört, eine Verleihstation für das E-Lastenrad der Stadt „E-MIL“ beherbergt und im letzten Juni seinen Lastenfahrradladen Supercargo eröffnet hat. Auch Pascal Biesenbach (Klimaquartier Arrenberg), Stephan Schaller (CSCP) oder Liesbeth Bakker (Ideaalwerk) unterstützen neben vielen anderen mit bewundernswertem Idealismus eine Mobilitätswende in Wuppertal. Auch mit der Kulturbürochefin Bettina Paust, dem Leiter der börse Lukas Hegemann und Schülerinnen und Schülern von Wuppertaler Schulen waren zukunftsweisende Dialogpartnerinnen und -partner präsent. Aus anderen Großstädten waren Ute Symanski aus Köln dabei, Initiatorin von RADKOMM und der erfolgreichen Initiative „Aufbruch Fahrrad e.V.“, Dirk von Schneidemesser der „Changing Cities“ in Berlin, die Moderatorin und Bloggerin von „She moves mobility“ aus Hamburg Katja Diehl und die Raumplanerin der TU Dortmund, Urbanistin Viola Schulze-Dieckhoff, um weitere der Mobilitätsforscherinnen und -akteure zu nennen. Kunst hat per se mit einem Bewegen und Verschieben von Perspektiven zu tun. Roland Brus von der Mobilen Oase Oberbarmen war interventionistisch dabei. Tobias Daemgen hat das Künstlerkollektiv RaumZeitPiraten vorgestellt, das via Installationen und Projektionen unterschiedliche Mobilitätsvehikel künstlerisch nutzt. Die Chorleiterin Hilde Kuhlmann verknüpft in ihrem tanzcHor 60+ Gesang mit Bewegung. Der Choreograf und Tänzer Mark Sieczkarek, der Mitte der 80er über Pina Bausch nach Wuppertal kam, ist seine eigenen künstlerischen Wege gegangen. Er war schon letztes Jahr dabei, um mit von ihm angeleiteten gemeinsamen Bewegungssegmenten erst den Körper und dann erst die Köpfe zu aktivieren. „Mich interessiert nicht, wie die Menschen sich bewegen, sondern was sie bewegt.“ Diese bekannten Pina-Bausch-Worte haben wir umgestülpt: Ausgangspunkt war das Wahrnehmen von Bewegungsformen, um menschlich bewegt konstruktive Ideen für ein zukunftsfähiges Wuppertal zusammenzuführen. Matthias, wie hast du das wahrgenommen? Matthias Wanner: Anfangs stand alles im Zeichen des Kennenlernens untereinander und in der multisensorischen Sammlung von Eindrücken und Erfahrungen mit Mobilität über die eigene Bewegung. Die Bewegungsübungen von Mark Sieczkarek und Gabriel Soto Eschebach haben schnell das Eis gebrochen, Körper und Geist wach gemacht. Die-
ter Hofmann stellte als Wegweiser das jüngst vom Bündnis „Mobiles Wuppertal“ entwickelte Leitbild für eine gemeinwohlorientierte Mobilität in Wuppertal vor. Fotos und Filmclips von kreativen Interventionen zur Nachhaltigkeit wirkten als Inspiration, wie von der Critical Mass, vom Parking Day, der künstlerisch-aktivistischen Inanspruchnahme von Parkplätzen bis hin zu ironischen Jubeldemos für mehr Parkplätze in Wohnvierteln. Die Teilnehmenden probierten in Touren jeweils zwei Mobilitätsformen aus: den ÖPNV, das Elektrolastenfahrrad, das Elektroauto oder die eigenen Füße, letzteres wahlweise mit verbundenen Augen oder auch im Rollstuhl. So erkundeten wir auf verschiedenen Touren die Stadt und ließen den jeweiligen Modus intensiv auf uns wirken: Wie fühlt es sich an, in dieser Form unterwegs zu sein? Was unterstützt mich in dieser Mobilitätsform? Was behindert mich? An verschiedenen Stationen gab es Infos zum „Solidarischen Bürgerticket“ oder zum Umbau der Friedrichstraße zur Fahrradstraße. Der gemeinsame Gang von der Citykirche zum ADA war schweigend und - wer wollte - auf den letzten Metern barfuß, mit warmem Fußbad danach! Das Abendessen dort leitete eine Abendreflexion ein: Uwe Fischer-Rosier entführte uns mit einem irren Arsenal an unterschiedlichsten Gongs in eine andere Sphäre der klanglichen Bewegung und Schwingung. Die abschließende Sammlung der wichtigsten Eindrücke zu all den Mobilitätsmodalitäten förderte von Begeisterung bis zur starken Abneigung alles zutage: Jede der Fortbewegungsmöglichkeiten birgt wunderbare Aspekte, aber auch Abgründe oder große Unannehmlichkeiten. Ganz viel hängt von einer jeweils adäquaten und konsequent durchdachten Infrastruktur und Angeboten ab. Unsere Fülle an Informationen und Eindrücken mündete am zweiten Tag mit allen Teilnehmenden in die Entwicklung von aufführbaren Elementen eines „Bewegungsmanifests“. Haben wir uns hier deiner Meinung nach zu viel zugemutet? Uta Atzpodien: Für uns alle war das ein Experiment, eine neue Erfahrung. Die performative Skizze ist wunderbar aufgegangen. Für den Austausch, Prozess, Perspektivwechsel und eben den Freiraum, der uns hierfür zur Verfügung stand, bin ich dankbar, denn das erfordert Bereitschaft, Mut und Offenheit von allen. Das ist es, was wir in unserer Gesellschaft für Veränderungsprozesse brauchen. Es war natürlich ideal, dass wir inspirierende Grundlagen hatten mit dem seit Monaten erarbeiteten Leitbild für eine gemeinwohlorientierte Mobilität in Wuppertal von hiesigen engagierten Aktivisten, Thesen, die viele Teilnehmenden vorher eingereicht haben, und den von dir beschriebenen Bewegungserfahrungen am Vortag. Dadurch sind eigene
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Reflexionsräume entstanden, jede, jeder hat das eigene Bewegen hinterfragt, über Musik, Tanz, Rhythmus sind sich die Menschen begegnet und haben gemeinsam über relevante Themen reflektiert, die das Leben und Bewegen im städtischen Raum bestimmen. In dem Open-Space-Format in der CityKirche haben sich Arbeitsgruppen zusammengefunden und konkret zu Themen wie Verbote, Deeskalation, „Miteinander ist Bewegung“, „Tag des Guten Lebens“ und „Flächengerechtigkeit“ gearbeitet; die Frage „Wieso ich?“, die sich viele stellen, wenn es um die Veränderung der alltäglichen Gewohnheiten geht, wurde intensiv diskutiert. Nach dem Einstimmen und Tanzen am frühen Morgen gab es mittags einen von Monthy Python inspirierten gemeinsamen Silly Walk durch die Fußgängerpassage, der viele Blicke auf sich gezogen hat. Nachmittags im Codeks-Saal: Hier verbanden sich die einzelnen künstlerischen Fragmente zu einer Performance. Für den Abend kam der Vibrafonspieler Matthias Goebel dazu, unterstützt von dem jungen Trompetisten Karlo Wentzel, die sehr wichtig für das Gesamtambiente waren, ebenso wie die Projektionen von Gregor Eisenmann. Alle Beteiligten haben zum Entstehen der Performance beigetragen, die vor allem eines war: eine gemeinschaftlich kreative Beschäftigung mit Aspekten, die wesentlich für eine Mobilitätswende sind. Wie hast du dieses performative Bewegungsmanifest wahrgenommen? Matthias Wanner: Die Performance war abwechslungsreich, interaktiv und mit häufigem Formenwechsel: mit Megafonen, auf rollenden Stühlen, mit Musik, Plakaten, pantomimischen Szenen und sogenannten „lebenden Diagrammen“ wurden verschiedene Inhalte und Diskurse vermittelt. Es ist aus meiner Sicht sehr gut gelungen - und hier habe ich mich auch persönlich, menschlich sehr angesprochen gefühlt -, eine Vielzahl wichtiger Mobilitätsaspekte so aufzugreifen, dass sie auf allen Sinnesebenen spürbar und erlebbar wurden: Zum Beispiel bekamen Menschen, die mit dem Auto angereist waren, direkt am Eingang eine Tafel Schokolade geschenkt, Menschen, die gelaufen waren, nur ein kleines Stück - als Symbol für die Verteilung des öffentlichen Raums. Die Menge wurde zu wilden Fahrten auf den rollbaren Stühlen zum AC/DC-Song „Highway to hell“ animiert. Begleitend zu einer Art Lauf-Choreografie verinnerlichte das Publikum über chorisches Sprechen das Motto „Bewegung ist gemeinsam - gemeinsam ist Bewegung“. Spontane Meinungen zu: „Wo sind meine persönlichen roten Linien, die ich trotz aller Veränderungsnotwendigkeit nicht überschreiten möchte?“ wurden auf Plakaten gesammelt. Und eine geniale Form, per Megafon und in überspitzter Bühnendramatik Loblieder auf Verbote für die Mobilitätswen-
de anzustimmen, hat mich absolut fasziniert, überzeugt und gleichzeitig durch die überzogen euphorisch-totalitäre Huldigung von Verboten abgestoßen. All diese Momente haben es vermocht, bereits bekannte Argumente oder Informationen so anders, überraschend, eindringlich, Perspektiven wechselnd und damit unterm Strich sehr lehrreich in Szene zu setzen, dass die Performance für mich ein Erfolg und ein echter Höhepunkt war! Dass so viel inhaltliche Tiefe und gestalterische Wucht in so kurzer Zeit und mit so begrenzten Mitteln erzeugt werden konnten, hat mich sehr beeindruckt! Im Anschluss folgte eine offene Fishbowl, die ich moderieren durfte, ohne Podium, sondern mit freien Stühlen in der Mitte, eine lebendige und selbststeuernde Diskussion. Wie hast du sie erlebt? Uta Atzpodien: Die Fishbowl knüpfte an vorangehende emotional bewegende Appelle wie „Verbote ausprobieren, evaluieren“ vorgetragen von Rainer Widmann und Christoph Grothe, „Perspektive wechseln“, das eindringliche Erfahren (fehlender) Flächengerechtigkeit, und das von Dirk von Schneidemesser geforderte „Vermessen der Flächen der Stadt“ an. Durch das einander fokussierte Zuhören und Reden in der Fishbowl konnten Eindrücke und Ideen über eine gemeinsame Reflexion lebendig vertieft werden. Klimapanik, Stress, mehr Verständigung und Beweglichkeit in der Verwaltung gehörten dazu wie kreativ-beflügelnde Ideen für einen pragmatischen Wandel. Das „Undenkbare denken, das Unvorstellbare vorstellbar machen“, sah der Netzwerker Dieter Hofmann als Potenzial der Kunst für die Mobilitätswende, ein „Aktionismus“, der Menschen verbinden kann, beschrieb es Tim Holthaus, Mobilitätsforscher der Uni Wuppertal. Dringend notwendig für innovative und weiterführende Dialoge sind mehr Präsenz aus Verwaltung und Politik. Ute Symanski aus Köln begeisterte die Gemeinschaftlichkeit, vor allem die musikalische Ermutigung für Veränderung. Christine Peters von der Kunststiftung NRW wies darauf hin, auch rhetorisch Brücken zu bauen, forderte ein weiteres Aushandeln. Diese zwei Tage haben klargemacht: Wir brauchen zukünftig dringend mehr solcher kreativen Freiräume für Veränderungsprozesse in Wuppertal. Sie sind unglaublich beflügelnd, denn so kommen wir gemeinsam und konkret vom Reden ins Handeln. Matthias Wanner Psychologe, Mitarbeiter Wuppertal Institut Dr. Uta Atzpodien, Dramaturgin, www.bergische-klimagespraeche.de 61
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Helge Achenbach: Selbstzerstörung, Bekenntnisse
Daan Roosegaarde,
eines Kunsthändlers,
englisch, 160 Seiten,
240 Seiten, einige Karikaturen,
durchgehend Farbabbildungen,
Hardcover, 22 x 14,5 cm,
gebunden, flexibles Cover, 29 x 25 cm,
riva Verlag, 19,99 €
Phaidon, 45,- €
Neue Kunstbücher vorgestellt von Thomas Hirsch
Licht und Dunkel Diese Autobiographie musste rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft erscheinen. Helge Achenbach ist aus dem Gefängnis entlassen, der studierte Sozialpädagoge hat eine Organisation zur Unterstützung von Künstlern, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind, initiiert, und was er heute tut, hört sich wirklich gut an. Auch ansonsten zeigt das Buch sehr viel reflektierte Haltung und Selbstkritik gegenüber seinen gefälschten, „collagierten“ Rechnungen, die ihn ins Gefängnis gebracht haben. Bei all dem, das Verdienst von Achenbach ist: Er hat die zeitgenössische Kunst ins öffentliche Gespräch gebracht und er hat wesentlich mit dafür gesorgt, dass sie als Kulturgut in Büros und Foyers Eingang fand. Wenn man in dem Beruf des Kunstberaters so etwas wie Prominenz erlangen kann, dann ist dies Helge Achenbach gelungen, der ihn hierzulande ja auch – gemeinsam mit Horst Kimmerich – im großen Stil ins Leben gerufen hat … „Selbstzerstörung“, die Autobiographie, die trotz gebotener Eile sorgfältig lektoriert im riva Verlag erschienen ist, berichtet von all dem in einem leicht zerknirschten Ton und liefert tiefere, mitunter lehrreiche Einblicke. Helge Achenbach erzählt über seine ersten Kontakte mit dem Verkaufen und dann mit der Kunst selbst, die Arbeit in einer Galerie, die Bekanntschaft mit berühmten Künstlern, die er zu maßgeschneiderten Aufträgen überreden kann. Er berichtet, wie ein Kontakt zum nächsten führt und am Ende dieses Netzwerkes das Ehepaar Berthold und Babette Albrecht steht. Aber das Berichten geschieht mit angezogener Handbremse. Neues erfährt man eigentlich nicht, die längst verbreiteten Anekdoten gibt es einmal mehr zu hören. Erzählt von Achenbach, wirken sie jetzt wie
gut ausgedacht. Je konkreter es um das Geschäftliche geht, desto verschwiegener wird er. Nur wenige Künstler- und Sammlernamen sind genannt; Gerhard Richter repräsentiert dadurch große Teile der Künstlerzunft. Emotionalität bricht nur indirekt durch – natürlich muss Helge Achenbach, beraten von einer Kanzlei, mit allen Äußerungen zurückhaltend sein. Nur, ganz so aufregend wie der Titel „Selbstzerstörung“ und das dazugehörige Cover (zwischen Gefängnisgitter und Banksy-Auktion!) ist die Autobiographie nicht. Oder doch? Helge Achenbach hält sich im Gespräch. Ein „Macher“, der sich auf seine Weise in Szene setzt und mit seinen Projekten die große Öffentlichkeit bespielt, ist Daan Roosegaarde. Der niederländische Künstler wurde 1979 in Nieuwkoop geboren, er arbeitet in Rotterdam und Shanghai. Ich kannte ihn vorher nicht, bin aber aufmerksam geworden, weil die Monographie über sein bisheriges Schaffen bei Phaidon in der superprominenten Reihe der „Contemporary Artists“ erschienen ist, die eigentlich den renommiertesten oder doch besten Künstler vorbehalten ist. Auch der Band über Roosegaarde weist alle Qualitäten der Reihe auf – die Choreographie mit Essay, Interview, Künstlertext, großen Werkabbildungen, Aufnahmen aus verschiedenen Perspektiven und während der Produktion sowie einer chronologisch systematischen Biographie – aber das künstlerische Werk selbst enttäuscht, auch wenn man mit stimmungsvollen großformatigen Abbildungen von Lichtkunst bei Dunkelheit schnell Eindruck schaffen kann. Daan Roosegaarde ist ein Lichtdesigner, der Phäno-
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Bauhaus und Amerika.
Neil Pearson (Hg.),
Experimente in
Apollo – VII-XVII,
Licht und Bewegung,
englisch, 320 Seiten,
272 Seiten, zahlreiche Farb-
durchgehend überwiegend
und s/w-Abbildungen,
ganzseitige Farbabbildungen,
Hardcover, 30,5 x 24 cm,
Hardcover, 27 x 27 cm,
Kerber, 55,- €
teNeues, 50,- €
mene der Natur mit der Technologie verknüpft und dabei zwischen minimalistischer und theatralischer Sprache wechselt. LED-Lampen und Laser gehören zum konstant genutzten technischen Equipment. Das alles ist nicht neu, man denke nur an Olafur Eliasson (das geht sogar so weit, dass man auch Roosegaardes Team beim gemeinsamen Mittagessen am langen Tisch sieht), der seinerseits mancherlei, etwa von der ZERO-Bewegung, zitiert, aber bei ihm kann man darauf verweisen, dass er in einer anderen Zeit arbeitet und eben ein neues ökologisches Interesse zum Ausdruck bringt. Bei Roosegaardes teils temporär angelegten, teils im öffentlichen Raum auf Dauer präsenten Werken geht es eher um die Gestaltung des urbanen Raumes: Wie kann die Stadt der Zukunft aussehen. Es scheint, dass Roosegaarde damit noch relativ am Anfang steht; manche Werke im Buch werden nicht besser, indem man sie oft abbildet – aber seien wir optimistisch und verfolgen das weiter: Das Buch selbst lädt dazu ein. Auf die Wurzeln von Roosegaarde – und ja auch Olafur Eliasson – weist dann ein anderes, schon zu Beginn des Bauhaus-Jahres erschienenes Buch: „Bauhaus und Amerika“, anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im LWL-Landesmuseum Münster. Der Untertitel lautet: „Lichtkunst und Bewegung“. Ausstellung und Buch stellen Künstler von den 1920er-Jahren bis in die jüngste Gegenwart vor, die sich die Praxis und Erfahrungen der Bauhauslehre zu eigen gemacht haben. Aspekte sind ein minimalistisches Formrepertoire, der abstrakte Tanz – die Bauhausbühne – und die Wertschätzung des Lichtes in fotografischen Experimenten. Einige der bahnbrechenden Bauhauskünstler sind ab den 1930er-Jahren in die USA ausgewandert, wo sie wiederum Künstler inspiriert haben und auf Künstler getroffen sind, die ihrerseits weitere Entwicklungen initiierten. So wird hier die Op Art auf Josef Albers und Marcel Dzamas
„Merry go round“ auf Oskar Schlemmers „Triadisches Ballett“ zurückgeführt. Die wechselseitigen Beziehungen, die über die direkt beteiligten Künstler auch der Nachkriegsjahrzehnte das künstlerische Umfeld einbeziehen, wirken zunächst verwirrend. Aber die Systematik und die repräsentativen Abbildungen des Buches sorgen für Klarheit – und führen eben viele Stränge der Kunst im 20. Jahrhundert auf die Phänomene des Lichts und der Bewegung zurück. Sind die Fotografien der Astronauten der Apollo-Missionen Kunst? So genial, wie das Buch „Apollo – VII-XVII“, das, anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der ersten Mondlandung bei teNeues erschienen, konzipiert ist, ist dies gewiss bedenkenswert. Es ist ein kapitales Buchwerk, quadratisch, schwergewichtig, trägt also schon in der Aufmachung den Charakter des lange unter Verschluss gehaltenen Archivs. Tatsächlich handelt es sich, geordnet nach den einzelnen Flügen zum Mond, um bislang unveröffentlichtes Material der NASA. Unveröffentlicht wahrscheinlich deshalb, weil sich die Bilder vom Mond und der Reise zu ihm eben doch gleichen. Wir sehen in sturer monotoner, teils nur wenig variierter Folge den Mond im Universum, die Erde im Universum, die Mondoberfläche im schweifenden Überblick und aus unmittelbarer Nähe, die Raumsonde im Universum, dann gelandet auf dem Mond und dann die Astronauten, im Universum schwebend oder bei der Arbeit – und das war‘s auch schon. Und dann verlangsamt sich das Sehen, fällt der Blick auf die Brillanz der Details, die Intensität eines jeden Moments. Und war es nicht die (damals einsetzende) Weltraumfahrt, die die ZERO-Künstler maßgeblich inspirierte? Selten war eine Geschichte von Licht und Dunkel - und Zeit! - so spannend wie im Apollo-Buch! teNeues sollte öfter solche Bücher machen.
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Preis der Wuppertaler Literatur Biennale 2020
Berührungen – Tier Mensch Maschine Vom 14. bis 23. Mai 2020 geht die Wuppertaler Literatur Biennale in ihre fünfte Runde. Thema des internationalen Literaturfestivals wird „Berührungen – Tier Mensch Maschine“ sein. Wie in den Vorjahren wurde schon jetzt der Preis der Wuppertaler Literatur Biennale ausgeschrieben. Fünf Fragen an Dr. Bettina Paust, die Leiterin des Kulturbüros der Stadt Wuppertal. Wie kam es zur Stiftung des Preises der Wuppertaler Literatur Biennale? Die Initiative zur Gründung der Biennale ging von Wuppertaler Literaturschaffenden aus. Damit war von vorneherein eine Besonderheit im Spiel, die die Biennale in Wuppertal von vielen vergleichbaren Literaturveranstaltungen unterscheidet. Es standen nämlich nicht nur die Interessen des lesenden Publikums, sondern auch die Bedingungen, in denen Literatur entstehen kann, im Fokus der Initiatorinnen und Initiatoren. In diesem Sinne verstanden ist Nachhaltigkeit eine Herzensangelegenheit und zugleich eines der ursprünglichsten Anliegen der Biennale, für das wir mit dem Preis der Biennale eine eigene erfolgreiche Form der Nachwuchsförderung gefunden haben. Wie haben Sie dieses Problem gelöst? Die Umsetzung unserer Pläne wurde erst durch das enge Zusammenwirken mit der Kunststiftung NRW möglich. Dank der von dieser Seite zur Verfügung gestellten Mittel konnten wir den Preis der Wuppertaler Literatur Biennale mit insgesamt 5000 Euro ausstatten, die sich auf den Hauptpreis mit 3000 Euro und zwei Förderpreise in Höhe von jeweils 1000 Euro verteilen. Hinzu kommt der Abdruck der Texte der Preisträger in einer Publikation zur Biennale, die ebenfalls von der Kunststiftung NRW gefördert wird, sowie eine Reihe von Lesungen. Alles zusammen ergibt ein wirksames „Förderpaket“, das den Preis für die Mitwirkenden besonders attraktiv macht. Wie bewirbt man sich? Dazu muss man zunächst eine Besonderheit der Biennale erwähnen, die ihr Alleinstellungsmerkmal in der Region und darüber hinaus im gesamten deutschsprachigen Raum ausmacht: Jede Biennale setzt sich mit einem hoch-
aktuellen gesellschaftlichen Thema auseinander. 2020 geht es um „Berührungen – Tier Mensch Maschine“. Mit diesem Thema müssen sich auch die Autorinnen und Autoren beschäftigen, die sich um den Preis bewerben wollen. Ihr Text darf eine Länge von maximal 15000 Zeichen Länge haben. Wie auch in den früheren Jahren erfolgte für die kommende Biennale eine Ausschreibung, die wir Anfang November über die Feuilletons und Zeitschriften wie „Buchmarkt“ verbreitet haben. Die ersten Bewerbungen liegen bereits vor, am 15. Januar 2020 endet die Bewerbungsfrist. Und wie wird man Preisträgerin oder Preisträger? In der Rückschau können wir inzwischen sagen, dass die Expertinnen und Experten, die vom Koordinierungskreis der Biennale in die Jury berufen wurden, immer wieder außerordentlichen Spürsinn unter Beweis gestellt haben. Denn jedem der Preisträgerinnen und Preisträger der vergangenen Biennalen ist es gelungen, im Anschluss an die Preisverleihung einen Verlag zu finden und darüber hinaus wurden einigen andere renommierte Literaturpreise verliehen. So zum Beispiel Yannic Han Biao Federer, der 2018 nicht nur mit dem Hauptpreis der Wuppertaler Literatur Biennale ausgezeichnet wurde, sondern auch im Rahmen des Bachmann-Wettbewerbes 2019 mit dem 3Sat-Preis. Was erwarten Sie für die Zukunft? Wir, der Koordinierungskreis der Biennale unter meiner Leitung, werden gemeinsam mit dem Partner Kunststiftung NRW diese einzigartige Form der Literatur-Nachwuchsförderung durch die Auslobung des Preises weiterhin im Rahmen der Wuppertaler Literatur Biennale stärken. Aktuell sind wir gespannt auf die zahlreichen Einreichungen zu einem Thema, das die Existenz des Menschen wie kaum ein anderes prägt, nämlich die Verortung des Menschen zwischen nichtmenschlichen Lebewesen und künstlicher Existenz.
Dr. Bettina Paust
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Kulturtipps
Donnerstag, 30. Januar 2020, 18 Uhr
AUSTELLUNGEN:
Bettina Wagner-Bergelt, Intendantin des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch
Von der Heydt-Museum
Zu den Rekonstruktionen von Oskar Schlemmers „Triadischem Ballett“
Turmhof 8, 42103 Wuppertal Donnerstag, 6. Februar 2020, 18 Uhr bis Sonntag, 16. Februar 2020
Vortrag zu Oskar Schlemmer
Prinz Jussuf von Theben und die Avantgarde
Oskar Schlemmer am Bauhaus Prof. Dr. Rainer K. Wick
bis Sonntag, 23. Februar 2020
Sonntag, 23. Februar 2020, 15 Uhr
Else Lasker-Schüler
Oskar Schlemmer
Oskar Schlemmer (1888-1943) war einer der bedeutendsten und einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts. bis Sonntag, 23. Februar 2020
Welcome Party
Zur Ausstellung „Welcome Party“ gehören zum einen Grafik-Konvolute von Jochen Stücke, Tony Cragg, Karl Kunz, Rolf Escher und Wolfgang Schmitz und zum anderen Gemälde von Tamara K. E., Dirk Skreber, Corinne Wasmuth, Driss Ouadahi und Werner Haypeter.
Finissage der Ausstellung zu „Oskar Schlemmer“ Die Stunde des Malers In Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Wuppertal. Zum Abschluss der Ausstellung werden sechs Autorinnen und Autoren ihre Texte vorstellen: Marina Jenkner, Jürgen Kasten, Dorothea Müller, Andreas Steffens, Wolf von Wedel, Michael Zeller. Eintritt 5 Euro n
Donnerstag, 23. Januar 2020, 18 Uhr
Vortrag zu Else Lasker-Schüler
Im Rahmen der Vortragsreihe in Kooperation mit der Bergischen Universität, Wuppertal: Bildtexte und Textbilder: Else Lasker-Schüler intermedial Prof. Dr. Anne-Rose Meyer Sonntag, 16. Februar 2020, 16 Uhr
Finissage der Ausstellung zu Else Lasker-Schüler „Ein einziger Mensch ist oft ein ganzes Volk.“
Das Geflecht der Freundschaften von Else Lasker-Schüler. Mitwirkende: Margaux Kier, Rezitation und Gesang; Julia Wolff, Sprecherin; Ute Völker, Akkordeon; Harald Eller, Daxophon; Gregor Eisenmann, Videoinstallation; Heiner Bontrup, Konzeption und Text; Einführung: Hajo Jahn, Vorsitzender der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft Sonntag, 19. Januar 2020, 15 Uhr
Christiane Gibiec liest aus ihrem Buch „Ein Beweger, ein Impulsator. Der Lackfabrikant Dr. Kurt Herberts“ 65
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Von der Heydt-Kunsthalle Geschwister-Scholl-Platz 4-6 42275 Wuppertal So., 29. März - So., 20. September 2020
Friedrich Engels – Ein Gespenst geht um in Europa
Die Sonderausstellung „Friedrich Engels - Ein Gespenst geht um in Europa“ des Historischen Zentrums Wuppertal ist eines der beiden großen Highlights des Engelsjahres 2020. Friedrich Engels‘ 200. Geburtstag feiert Wuppertal mit einer Sonderausstellung unweit von seinem Geburtsort in Barmen. Highlights der Sonderausstellung sind Erstausgaben bedeutender Werke von Friedrich Engels sowie originale Handschriften, Karikaturen und Manuskripte, die – multimedial inszeniert – das vielseitige Denken Engels‘ verdeutlichen. n
Michael Sandle (*1936 in Weymouth, Dorset, Großbritannien) betonte in seinen frühen Arbeiten das Handwerk und die Suche nach Symbolen und lehnte den zunehmend verbreiteten Formalismus in Skulptur der damaligen Zeit ab.
Ian McKeever: Bilder McKeever wurde 1946 in Withernsea, East Riding of Yorkshire, geboren und ist dort aufgewachsen. Er wurde 1973 mit dem Arts Council Bursary ausgezeichnet und hatte im selben Jahr seine erste Einzelausstellung in London, am Institute of Contemporary Arts (ICA). 1989 erhielt er das DAADStipendium in Berlin. 1990 folgte eine große retrospektive Ausstellung seiner Arbeiten in der Whitechapel Gallery in London. 2003 wurde er zum Royal Academician gewählt. n
Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal
Heba Y. Amin
Kolonialismus, staatliche Kontrolle und Machtausübung durch Technik sowie korrupte Systeme, zerstörte gesellschaftliche Strukturen und Landschaften sind zwei Seiten derselben Medaille – das sind die Themen, die Heba Y. Amin bewegen. Fr., 21. Februar - Mi., 15. April 2020
Das Herz der Boheme Zilberman Istanbul und Berlin Resümee mit Herta Müller und den Brussels Cleaning Masters n
Burg Wissem Bilderbuchmuseum der Stadt Troisdorf
Wir gratulieren – 20 Jahre LABOR Ateliergemeinschaft
Mbiti, Weiss, Winkler Habitat
Ian McKeever, HENGE I, 2017-2019 Oil and Acrylic on Cotton-duck, 240 x 285 cm
Bergische Universität Wuppertal Gebäude I (Ebene 13) Fuhlrottstr. 10, 42119 Wuppertal noch bis Montag, 20. Januar 2020
In Arbeit Michael Sandle, The Sound of your Silence, 2009
noch bis Sonntag, 2. Februar 2020
noch bis Sonntag, 2. Februar 2020
noch bis Sonntag, 26. Januar 2020
Michael Sandle: Skulpturen
Wuppertaler Str. 160, 42653 Solingen
Burgallee 1, 53840 Troisdorf
Skulpturenpark Waldfrieden
Sa., 8. Februar - Mo., 1. Juni 2020 Doppelausstellung im Skulpturenpark
Zentrum für verfolgte Künste
Es werden Arbeiten des aktuellen Semesters aus den Bereichen Malerei, Bildhauerei, Grafik, Fotografie und Video/Installation zu sehen sein. n
Als selbständige „LaborantInnen“ firmieren neben den Gründungsmitgliedern Anke Kuhl, Moni Port und Philip Waechter die Illustratorin Natascha Vlahovic und der Illustrator Jörg Mühle, die Autorin Alexandra Maxeiner und das Designduo Zuni und Kirsten von Zubinski. Die Laborgemeinschaft zeichnet für die Kinderseite der FAZ, entwickelt Ausstellungen und Workshops für Kinder und gestaltet Flyer, Programmhefte, Plakate u.v.m. für die Familienangebote kultureller Einrichtungen. n
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Kunstmuseum Solingen
BÜHNE:
Wuppertaler Str. 160 42653 Solingen-Gräfrath
Theater am Engelsgarten Engelsstraße, 42283 Wuppertal
Samstag, 8.2. - Sonntag, 1.3.2020 Eröffnung am 8.2.2020 um 18 Uhr
Premiere: Sa. 1. Februar 2020, 19.30 Uhr
SICHER NICHT SICHER
atlas
Jahresausstellung Solinger Künstler Samstag, 8.2. - Sonntag, 01.3.2020 Eröffnung am 08.02.2020 um 18 Uhr
ALL IN ONE Susanne Müller-Kölmel Riedel-Hallen
Museum Morsbroich
Uellendahler Str. 353, 42109 Wuppertal
Gustav-Heinemann-Str. 80 51377 Leverkusen
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Freitag, 27., und Samstag, 28. März 2020
Die Neue-Medienkunst-Nacht Wir sind nicht sicher
noch bis So., 19. April 2020
Mit Gregor Eisenmann, Dirk Knickhoff, Michaela Kuhlendahl, Aki Nakazawa, Irena Paskali, Ulrike Scholder, Uwe Wiesemann, Jan Verbeek, Fridhelm Büchele und Ilona Hellmiß. Fake News, Vorurteile und Entscheidungsprozesse. Unser multimediales Kunstprojekt WIR SIND NICHT SICHER lädt ein, sich mit diesen Fragestellungen zu beschäftigen. Mit interdisziplinären Medien, wie Videoarbeiten, Fotografien, Filmprojektionen, Virtual-Reality-Arbeiten und einer begehbaren BewegtbildInstallation präsentieren wir unterschiedliche künstlerische Positionen und laden zu einem aktiven Ausstellungserlebnis ein. n
Der Ausstellungsbesucher betritt in der Grafiketage von Museum Morsbroich eine Parallelwelt mit weißen Wänden aus gefaltetem Papier, mit doppelten Böden, perspektivisch verzerrten oder optisch erweiterten Räumen.
Wormser Str. 55, 42119 Wuppertal noch bis Sonntag, 8. März 2020 n
Premiere: Fr. 6. März 2020, 19.30 Uhr
Draußen vor der Tür
von Wolfgang Borchert Beckmann kehrt aus dem Krieg und der Gefangenschaft zurück. Zu Hause herrschen Chaos und Hungersnot. Sein Kind und seine Eltern sind tot, seine Frau hat einen Liebhaber. Traumwandelnd sucht er nach einem Grund weiterzuleben.
Pina Bausch Foundation Schauspielhaus Wuppertal, Bundesallee 260, 42103 Wuppertal Jenseits von Ideen, Simon Schubert, Galerie Wagner und Partner 2016, Foto: Falk Buchroeder
Do., 16. Januar 2020, 19 - 22 Uhr Talk zum Doppelabend
Mi., 26. Januar - So., 26. April 2020
common ground[s] Das Frühlingsopfer
Die Ausstellung „Liebes Ding“ befragt das innige Verhältnis zwischen Mensch und Dingen. Warum streben wir nach Dingen? Wie gehen wir mit Dingen um? Was bedeuten sie für uns? Und was sind die Konsequenzen unserer Liebe zu den Dingen? Gezeigt werden Werke von mehr als 20 Künstlerinnen und Künstler. n
Mit den Aufführungen vom 9. bis 12. April 2020 im ehemaligen Schauspielhaus präsentieren die Pina Bausch Foundation, die École des Sables (Senegal) und das Sadler’s Wells Theatre (London) den in Zusammenarbeit entstehenden Doppelabend common ground[s]. Das Frühlingsopfer zum
Liebes Ding
Oktogon Wuppertal
Security Theater Rike Droescher
Simon Schubert
von Thomas Köck Eine Enkelin sucht in Vietnam nach ihrer Großmutter. Diese hatte Ende der 1970er Jahre auf der Flucht über das Meer ihre Tochter aus den Augen verloren und geglaubt, sie sei ertrunken. In den vietnamesischen Migrationsbiografien entdeckt Thomas Köck eine brennende Aktualität: Wer geht und wer kommt? Wer darf ankommen? Wie viel ist ein Leben wert? Wessen Geschichte wird gehört? Wer sind wir und wer sind die anderen?
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ersten Mal in Europa. Mit common ground[s] zeigen Germaine Acogny eine neue Kreation, in der sie ihr tänzerisches Erbe erforschen und ihre Erfahrungen teilen. Für eine Einstudierung von Pina Bauschs „Das Frühlingsopfer“ findet sich ein neues Ensemble mit Tänzerinnen und Tänzern aus verschiedenen afrikanischen Ländern erstmalig zusammen. Im Vorfeld zu den Vorstellungen im April tauschen am 16. Januar die Beteiligten Gedanken, Erwartungen und erste Erfahrungen zum Projekt aus und gehen in einen Dialog mit dem Publikum. Samstag, 1. Februar 2020
Pina Bausch Fellowship – MEET THE FELLOWS! 2020 Im persönlichen Gespräch mit den Gästen stellen die 2020er-Fellows ihre anstehenden Pläne vor, während die Fellows aus 2019 von ihrer Stipendienzeit berichten. Das Pina Bausch Fellowship for Dance and Choreography ist ein gemeinsam von der Kunststiftung NRW und der Pina Bausch Foundation entwickeltes Stipendienprogramm und wird seit 2016 international ausgeschrieben. Veranstaltung in englischer Sprache, Eintritt frei. Informationen auf fellowship.pinabausch.org n
MUSIK: Skulpturenpark Waldfrieden Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal
Tonleiter Samstag, 1. Februar 2020, 19 Uhr Sonntag, 2. Februar 2020, 18 Uhr
Silent music of the body Violine: Axel Heß Klavier: Florence Millet Violine: Liviu Neagu-Gruber
Klarinette: Gerald Hacke Bratsche: Jens Brockmann Violoncello: Michael Hablitzel Schauspiel und Tanz: Uwe Dreysel Inszenierung: Eddie Martinez, Mitglied Tanztheater Wuppertal Pina Bausch Toshio Hosokawa *1955 Mai - alte japanische Tanzmusik für Klavier, 2012 Huw Watkins *1976 Tarantella für Violine und Klavier, 2002 Fazıl Say *1970 Dance für Klavier, 2012 Erkki-Sven Tüür *1959 Saltatio Borealis für Klarinette und Klavier, 2012 Johannes Schöllhorn *1962 Tango en blanc et gris et noir (2008) für 3, 2 oder einen Pianisten Claude Debussy 1862-1918 La puerta del vino für Klavier Igor Strawinsky 1882-1971 Vier Tänze aus: Geschichte vom Soldaten für Violine, Klarinette und Klavier, (1917), Tango, Walzer, Ragtime, Tanz des Teufels Michael Nyman *1944 Streichquartett Nr. 5 Let‘s not make a song and dance out of this, 2011 Samstag, 29. Februar 2020, 19 Uhr Oberer Pavillon
Märchen Erzählungen
Klarinette: Gerald Hacke Violine: Liviu Neagu-Gruber Bratsche: Momchil Terziyski Violoncello: Hyeonwoo Park Klavier: Holger Groschopp Kenneth Hesketh *1968 Cautionary Tales (2002) für Klarinette, Violine und Klavier Robert Schumann 1810-1856 1. Satz aus den Märchenerzählungen op.132 für Klarinette, Bratsche und Klavier György Kurtág *1926 Hommage à Schumann (1990) für Klarinette, Bratsche und Klavier
Sofia Jernberg im ort, Foto Jon Edergren
York Höller *1944 Aufschwung con tenuto (2012) für Klarinette, Bratsche und Klavier Jörg Widmann *1973 Von Mädchen und Prinzen Aus: Es war einmal ... Fünf Stücke im Märchenton für Klarinette, Viola und Klavier (2015) Huw Watkins *1976 Four Fables für Klarinette und Klaviertrio (Deutsche Erstaufführung) n
Peter Kowald Gesellschaft / ort e.V. Luisenstraße 116, 42103 Wuppertal Freitag, 17. Januar 2020, 20 Uhr
Improvisation, ein Prinzip des Lebens Vortrag von Michael Rüsenberg von Keith Jarrett bis Angela Merkel Wo ist sie zu Hause? Die meisten würden sagen „im Jazz“. Die Jazzwelt hält sie gar für ihr zentrales Merkmal. Michael Rüsenberg zeigt: Improvisation ist viel älter als der Jazz, viel älter auch als die improvisierenden Komponisten Bach, Beethoven und Liszt. In einem ca. 45-minütigen Vortrag beleuchtet der Musikjournalist und Autor Michael Rüsenberg das Phänomen in seinen vielseitigen Facetten.
Samstag, 18. Januar 2020, 20 Uhr
DUO SO SEET
Stimme: Sofia Jernberg Kontrabass: Sebastian Gramss In diesem feinen Duo treffen sich die preisgekrönte schwedisch/äthiopische
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Sängerin Sofia Jernberg und der Kölner Ausnahmebassist Sebastian Gramss. Mit ungebremstem Drang zu neuem Klang entwickelt das Duo eine sehr eigene radikale Musiksprache. Donnerstag, 23. Januar 2020, 20 Uhr
Hölderlins Filmriss – Ein Schwaben-Krimi mit Ulrich Land und Partita Radicale Ulrich Land liest anlässlich des 250. Geburtstages von Friedrich Hölderlin aus seinem neuen Krimi „Hölderlins Filmriss“ – ein Schwabenkrimi mit Poesie und Rezepten. Das WuppertalKölner Quartett Partita Radicale sorgt für den passenden Soundtrack. Sonntag, 16. Februar 2020, 20 Uhr
Ehwald Schultze Rainey Trio Peter Ehwald (Saxofon) und Stefan Schultze (Piano) sind Träger prominenter Musikpreise; der New Yorker Schlagzeuger und Improvisator Tom Rainey ist eine der wichtigsten Stimmen im modernen Jazz. n
Loch Bergstrasse 50, 42105 Wuppertal Samstag, 11. Januar 2020, 20 Uhr
JAZZ CLUB Heiner Gulich Quartet
playful. soulful. energetic. Das Altsaxofon von Heiner Gulich treibt, singt und springt, mal meckert es auch; Philip Mancarella lotet permanent die Grenzen der Kompositionen aus; Chris Mohrhenn (drum) findet die richtige Balance aus komPinguin Moschner im Loch, Foto: Gerhard Richter
promisslosen Beats und völlig offener Kreativität. Zwischen Groove und Jazz, zwischen Komplexität und Eingängigkeit, zwischen Ernsthaftigkeit und der reinen Spielfreude wird dieses Quartett zum Erlebnis. Und genau deshalb sollte man sich die wenigen Konzerttermine des „Heiner Gulich Quartett“ auch reservieren. Freitag, 17. Januar 2020, 20 Uhr
Rebecca Trescher Tentett „Darf man einfach mal behaupten, dass noch niemand so für den Jazz komponiert hat wie Rebecca Trescher?“, fragte die FAZ. Mit der vielschichtigen Besetzung ihres zehnköpfigen „Large Ensembles“ erzeugt Rebecca Trescher einen erfrischenden, modernen Klang, der sich experimentell zwischen Jazz und Klassik bewegt. Freitag, 14. Februar 2020, 20 Uhr
HARD BOILED WONDERLAND: JAZZ RESISTANCE – live in Concert HARD BOILED WONDERLAND, vom zweifachen ECHO-Preisträger Sebastian Gramss initiiert, ist ein internationales Kollektiv aus Köln, dem über 15 MusikerInnen und SängerInnen angehören. Eine radikale Performance mit Musik und Text – als Reaktion auf die unterschiedlichsten gesellschaftlichen, sozialen, ökologischen Themen unserer Zeit. Samstag, 15. Februar 2020, 20 Uhr
FUI – Fabulous Unknown Improvisers
Christoph Irmer (Violine), Pinguin Moschner (Tuba), Raoul van der Weide (Kontrabass, Cello) Die Musik von FUI basiert auf den gemeinsamen Wurzeln von Jazz, Free Jazz und der Freien Improvisation. Das war Musik des Aufbruchs, des Protests und der Avantgarde im 20. Jahrhundert. n 69
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Bandfabrik Wuppertal Kultur am Rand e.V.
Bürgerverein Vohwinkel e.V. / Projekt BürgerBahnhof
Schwelmer Str. 133, 42389 Wuppertal
Bahnstraße 16, 42327 Wuppertal
Freitag, 24. Januar 2020, 20 Uhr
Freitag, 24. Januar 2020, 20 Uhr
Get the Cat: The way to my heart Gesang: Melanie Bartsch Gitarre: Jens Filser, Bass: Till Brandt Schlagzeug: Bernd Oppel Klavier, Gast: Gero Körner
Poet der Jazz-Gitarre In Wuppertal kein Unbekannter: David Becker kehrt zurück! Diesmal mit seiner Band THE DAVID BECKER TRIBUNE. n
Mojo Nights
Freitag, 31. Januar 2020, 20 Uhr
Antipasti & Sounds
Friday Night Jazz Club feat. Mathias Haus Moderner Jazz mit Vibrafon: Mathias Haus Piano, Keyboards: Hendrik Soll Bass: Andre Nendza Schlagzeug: Mirek Pyschny
David Becker Tribune (USA)
Schwebeklang Klangkosmos Weltmusik Internationale Musikkulturen in Wuppertal
Lee Narae in der Unterbarmer Hauptkirche
Hauptkirche Unterbarmen
Immanuelskirche
42285 Wuppertal, Martin-Luther-Str. 16
Sternstraße 73 / Von-Eynern-Straße 42275 Wuppertal
Donnerstag, 16. Januar 2020, 19 Uhr Samstag, 8. Februar 2020, 20 Uhr
Wortklang
Wortkunst von Hans Arp Mit Karola Pasquay (Flötistin, Klangzauberin u.v.m.) Olaf Reitz („Die Türme“, Sprecher WDR u. a.) Das lyrische Werk des Bildhauers und Grafikers Hans Arp vereint die Energie der Dada-Bewegung mit expressionistischen Elementen bis hin zur Klangpoesie der 50er-Jahre.
Lee Narae (Korea)
Pansori Konzert Lee Narae ist eine traditionelle Sängerin (‚Sorigun‘), die sich besonders der Rolle der Frauen in der traditionellen Pansori Kunst widmet.
Donnerstag, 19. März 2020, 19 Uhr
Safar (Afghanistan)
Sufi-Musik und klassische Stücke aus der Blütezeit afghanischer Musikkultur.
Lutherstift
Sonntag, 8. März 2020, 11 Uhr
42105 Wuppertal, Schusterstr. 15
Klassik am Rand: Mittendrin Jelka Weber Jan Michael Horstmann Johann Sebastian Bach Sonate BWV 1020 g-Moll Wolfgang Amadeus Mozart Sonate F-Dur KV 13 Joseph Haydn Klaviersonate Nr.7 D-Dur Frank Schubert Sonate a-Moll D 821 „Arpeggione“ n
Donnerstag, 13. Februar 2020, 20 Uhr
7. Kammerkonzert
Lo Còr de la Plana (Frankreich) Polyfone Lieder
des „Carnaval occitan“ Der Komponist, Autor, Sänger-Poet und künstlerischer-Leiter von Lo Còr de la Plana, Manu Théron, gehört zu den charismatischen Persönlichkeiten der Kulturszene seiner Heimatstadt Marseille. Er hat sich dem okzitanischen Liedgut in der Tradition der Trobaires Marselhès verschrieben. n
Samstag, 25.Januar 2020, 16 Uhr
Sinfonieorchester Wuppertal Uptown Classics /2 Antonio Vivaldi Konzert für Fagott, Streicher und Basso continuo B-Dur RV 501 „La notte“ Antonio Vivaldi Konzert für Fagott, Streicher und Basso continuo d-Moll RV 481 Johann Christian Bach Sinfonie g-Moll op. 6, Nr. 6
n
Internationales Begegnungszentrum Hünefeldstraße 54a, 42285 Wuppertal Samstag, 18. Januar 2020, 15 Uhr
Treffen der Chöre
Zum 22. Mal findet das Weihnachtsliederkonzert der polnisch singenden Chöre mit anschließendem Gottesdienst statt. Etwa 14 Chöre aus NRW und Rheinland-Pfalz singen die schönsten polnischen Weihnachtslieder. n
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Kunstmuseum Solingen
Donnerstag, 2. April 2020, 20 Uhr
KARL BERGER – MUSIC MIND
Wuppertaler Str. 160, 42653 Solingen-Gräfrath Sonntag, 26. Januar 2020, 19 Uhr
4. Museumskonzert
Solistin: Olga Scheps W.A. Mozart: Sonate Nr. 9 a-Moll KV 310 L.v. Beethoven: Sonate Nr. 7 D-Dur op.10 Nr. 3 I. Strawinsky: Trois Mouvements de Pétrouchka A. Skrjabin: Walzer As-Dur op.38 P. Tschaikowski: Nussknacker-Suite op.71a (arr. M. Pletnev)
Ein Film von J. Benedikt und A. Groll, 2018, 55 Min. Der Vibrafonist, Komponist und Arrangeur K. Berger, mit Ornette Coleman Gründer des Creative-Music-Studios in Woodstock. Er spielte u. a. mit Peter Kowald. n
KuKuNa-Atelier Hünefeldstraße 52c, 42285 Wuppertal Freitag, 10.Januar 2020, 20 Uhr
Film – Verflechtungen
Sonntag, 1. März 2020, 19 Uhr
5. Museumskonzert
Solistin: Lauren Zhang J.S. Bach: Toccata c-Moll BWV 911 F. Chopin: Nocturne op.48 Nr. 1 F. Chopin: Polonaise Fantaisie op.61 L. van Beethoven: Sonate Nr. 31 AS-Dur op.110 S. Rachmaninow: Sonate Nr. 2 op.36 (Version 1931) F. Liszt: Reminiscences de Norm
Hektik, Stress und Leistungsdruck bestimmen heute unseren Alltag. Um einen Ausgleich zu schaffen, haben sich unterschiedliche Methoden etabliert. Achtsamkeit ist das neue Zauberwort, Meditationstechniken boomen, und so ist es nicht verwunderlich, dass es mittlerweile auch unzählige Filme zu dem Thema gibt. n n
KINO: cine:ort, Peter Kowald Gesellschaft / ort e.V. Luisenstraße 116, 42103 Wuppertal Donnerstag, 9. Januar 2020, 20 Uhr
MPS - JAZZIN‘ THE BLACK FOREST Ein Film von Rolf Büttikofer, D 2006, 107 min. Mit Wolfgang Dauner, Eberhard Weber, Albert Mangelsdorff, die Gebrüder Kühn, Volker Kriegel, Oscar Peterson, George Duke, Jean-Luc Ponty, Lee Konitz, Charlie Mariano, Kenny Clarke, Cecil Taylor ... Donnerstag, 6. Februar 2020, 20 Uhr
Rahsaan Roland Kirk: The case of the three sided dream Ein Film von Adam Kahan, 2016, 107 Min. Ein Dokumentarfilm über das Leben, die Musik und das politische Engagement des Multiinstrumentalisten Rahsaan Roland Kirk. Donnerstag, 5. März 2020, 20 Uhr
Die Pianisten, Teil 3: Herbie Hancock, Chick Corea, Keith Jarrett Bedeutende Pianisten des modernen zeitgenössischen Jazz. Raritäten aus dem FilmArchiv von Lutz Felgner. 71
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Gastbeiträge durch Autoren spiegeln nicht immer die Meinung des Verlages und
Herausgeber und v.i.S.d.P.: Schwebetal, Stadtteilverlag Wuppertal
der Herausgeber wider. Für den Inhalt dieser Beiträge zeichnen die jeweiligen
Willi Barczat, Rita Küster, Helmut Steidler, Juliane Steinbach GbR
Autoren verantwortlich.
Redaktion: Willi Barczat, Rita Küster, Helmut Steidler, Juliane Steinbach Druck: Offset Company, Wuppertal, Auflage: 1000
Alle Inhalte des Magazins sind urheberrechtlich geschützt.
Titelbild: Detlef Bach, Collage/Montage Friedrich Engels, 2019 Erscheinungsweise: vierteljährlich, Erfüllungsort und Gerichtsstand: Wuppertal Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer oder Unterlassungen keine Haftung übernommen. Texte und Fotos: Bildnachweise/Textquellen sind unter den Beiträgen vermerkt. Haftung oder Garantie für Richtigkeit, Aktualität, Schreibweise, Inhalt und Vollständigkeit der Informationen kann nicht übernommen werden. Kürzungen bzw. Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend, liegen im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Beiträge kann keine Gewähr übernommen werden. Nachdruck - auch auszugsweise - von Beiträgen innerhalb der gesetzlichen Schutzfrist nur mit der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages.
Verlag Wuppertal Schwebetal Verlag Wuppertal W. Barczat R. Küster H. Steidler J. Steinbach Friedrich-Engels-Allee 191a · 42285 Wuppertal Telefon: 0202 3134 31 · info@schwebetal-verlag.de www.schwebetal-verlag.de
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ROMEO UND JULIA von William Shakespeare ab Sa. 28. März 2020 im Opernhaus
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Die Konzertreihe „Saitenspiel“ widmet sich in Liebe und Verehrung den tschechoslowakischen Komponisten Gideon Klein, Viktor Ullmann, Erwin Schulhoff, Hans Krása und Pavel Haas. Sie wurden in jungen Jahren vom damaligen NS-Regime verfolgt, in deutsche Konzentrationslager deportiert und dort ermordet.
Rolston String Quartet
Sonntag, 19.01. 2020, 18.00 Uhr
Sonntag, 17.05. 2020, 18.00 Uhr
Rolston String Quartet
Jerusalem Quartet
Felix Mendelssohn Bartholdy Streichquartett op. 13 Erwin Schulhoff 5 Stücke für Streichquartett Ludwig van Beethoven Streichquartett op. 130 mit großer Fuge
Joseph Haydn Streichquartett Nr. 2 op. 72 „Quintenquartett“ Erwin Schulhoff 5 Stücke für Streichquartett Ludwig van Beethoven Streichquartett Nr. 15 a-moll op. 132
Jerusalem Quartet
Samstag, 28.03. 2020, 18.00 Uhr
Meccore String Quartet
Das Kulturmagazin im Bergischen Land 01/2020 Januar-März
„In Liebe und Verehrung“
die beste Zeit
Saitenspiel:
Donnerstag, 11.06.’20, 18.00 Uhr
Meccore String Quartet
Prisma Quartett
Leoš Janáček Streichquartett Nr. 1 „Kreutzersonate“ Hans Krása Streichquartett (1921) Passacaglia und Fuge (1944) für Streichtrio Peter Tschaikowsky Streichquartett Nr. 2 op. 22
Zoltán Kodály Streichquartett Nr. 2 Pavel Haas Streichquartett Nr. 3 op. 15 Ludwig van Beethoven Streichquartett Nr. 2 op. 59 Prisma Quartett
Sonntag, 29.03. 2020, 18.00 Uhr Pavel Haas Streichquartett Nr. 2 op. 7 „Von den Affenbergen“ (mit Schlagzeug) Franz Schubert Streichquintett C-Dur D 956 Bennewitz Quartett
An jedem Montag nach den Sonntagsveranstaltungen finden zwei Konzerte für Schulklassen statt. | Veranstalter der Konzertreihe: Saitenspiele Wuppertal gGmbH
In der Historischen Stadthalle Wuppertal
www.saitenspiel.de
ISSN 18695205
Bennewitz Quartett
Geschichte Bazon Brock zu Friedrich Engels Ausstellung Hannsjörg Voth im Von der Heydt-Museum Musiktheater Große Kunst in Wuppertal und Hagen Tanztheater Neueinstudierung von Pina Bauschs „Blaubart“ Porträt Neuer Glanz im Teo Otto Theater in Remscheid Zukunft Bergische Klimagespräche: Mobilitätswende 01/ 2 0 2 0 J a n u a r - M ä r z / 5. 8 0 €
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