Fertighauskatalog
Fertighaus – heute & in Zukunft Wir haben uns mit Ing. Josef Gruber, Präsident des Österreichischen Fertighausverbandes und selbst Geschäftsführer eines Fertighausherstellers, über aktuelle Herausforderungen, Zukunftsvisionen und das Fertighaus per se unterhalten. Interview: Veronika Kober
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irmenchef als auch ÖFV-Präsident Josef Gruber betont, was jeder Bauherr bestätigen wird: Ein Bauvorhaben ist für viele das größte private Projekt im Leben. Knapp 30 Prozent der österreichischen Bauherren setzen bei diesem Projekt auf ein Fertighausunternehmen. Schauen wir uns die Vorteile der Vorfertigung sowie die aktuelle Lage der Branche genauer an.
FHK: Wie geht es Ihnen? Und wie ist die Stimmung in der Branche?
Ing. Josef Gruber: Danke der Nachfrage – mir persönlich geht es gut, sowohl als Firmenchef als auch als kürzlich neu gewählter Präsident des Österreichischen Fertighausverbandes. Auch 2021 war wieder ein Ausnahmejahr. Durch die für die Erhaltung der Gesundheit erforderlichen Maßnahmen auf den Baustellen und in den Fertighauswerken wurde unsere tägliche Arbeit nicht einfacher. Allerdings – und das ist eine sehr gute Nachricht – hat uns die Covid-19-Pandemie bis jetzt wirtschaftlich nur sehr leicht und keinesfalls so entsetzlich wie andere Branchen getroffen. Dementsprechend ist die Stimmung zwar nicht locker-lässig, wir schauen aber optimistisch in die Zukunft. Zufrieden sollte ein Unternehmer nie sein, denn es gibt permanent etwas zu verbessern, effizienter zu gestalten oder neu zu strukturieren. Speziell wenn die Zeiten noch mehr Flexibilität erfordern als sonst. Wichtig ist dabei allerdings, und ich denke, das ist der gesamten Fertigbaubranche gelungen,
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dass die Kundinnen und Kunden von den schwierigeren Rahmenbedingungen für die Unternehmen nichts mitbekommen oder dadurch sogar Nachteile erleiden. Deshalb laufen Prozesse wie die Qualitätsüberwachung der Mitglieder auch im Coronajahr mit der gleichen Sorgfalt weiter wie vor und – hoffentlich bald – nach der Krise.
FHK: Abseits von Corona: Wie geht die Branche mit Herausforderungen wie Baugrund verknappung, Zersiedelung, Abwendung vom Einfamilienhaus ganz allgemein um? JG: Die Kriterien, die Sie ansprechen, sind sicher zu beachten, und unsere Branche verschließt sich als nachhaltige und ökologische Bauweise ganz sicher nicht den Aspekten des Umweltschutzes oder der Erhaltung wertvoller Naturräume. Allerdings muss auch anerkannt werden, dass jede Studie oder Umfrage zum Thema Wohnen an erster Stelle den Wunsch nach einem Eigenheim im Grünen erwähnt. Von einer Abwendung vom Einfamilienhaus, zumindest was den Kundentraum betrifft, kann daher keinesfalls gesprochen werden. Allerdings müssen für die Erfüllung möglichst vieler dieser Wünsche ökologisch und ökonomisch vertretbare Mittel und Wege gefunden werden. Und ein Wort zur Grundstücksverknappung und zur Zersiedelung. Noch, und sicher auch noch die nächsten Jahre, gilt: Wo ein Wille, da ein Weg. Wer mit einem durchschnittlichen Einkommen gleich nach der südlichen Wiener Stadtgrenze in einer der noblen Anrainergemeinden nach günstigem Baugrund sucht,
wird wohl enttäuscht werden. Im Norden Wiens sieht es noch anders aus und sechzig Kilometer nordwestlich findet man in kleineren Gemeinden durchaus noch Grundstücke um die zwanzig Euro pro Quadratmeter. Für wesentlich erachte ich auch, dass es nicht immer die Umwidmung unzähliger Hektar Grünland in Bauland braucht. Es gibt innerhalb der Gemeinden so unglaublich viel Bauland, auf welchem entweder schon längst nicht mehr bewohnte Ruinen immer weiter verfallen oder das als Spekulationsobjekt zurückgehalten oder schlicht und einfach „übersehen“ wird. Nutzt man diese Grundstücke, so baut man modernen Wohnraum mitten in die bestehende Infrastruktur hinein. Von Zersiedelung kann dann keine Rede mehr sein. Wenn die Gemeinden zukünftig eine höhere Bebauung zulassen und nicht nur auf die Bauklassen I und II beschränken würden, wie es die meisten Gemeinden vorschreiben, könnte man auf einem Grundstück flächenschonend mehrere Wohnungen errichten. Auch dies würde einer Zersiedelung entgegenhalten. Und damit komme ich zum nächsten Argument. Eine weitere Möglichkeit, wertvolles Bauland zu sparen, sind der großvolumige Bau sowie die innerörtliche Nachverdichtung, also der Aufbau auf oder der Anbau an bestehende Gebäude. Auch dafür ist der Fertigbau prädestiniert. Besonders toll finde ich auch Initiativen, wo sich bekannte oder befreundete Familien zu privaten Baukollektiven zusammentun und auf relativ kleinen Grundstücken Mehrfamilienhäuser bauen.