Altheider Weihnachtsbrief 2017 Nr. 21

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Alle Einwohner sind eine große Familie1 Henryk Grzybowski, Aus dem Polnischen übersetzt von Susanne Wycisk-Müller, Ehniweg 31A, 70439 Stuttgart

Zuerst waren es lose Notizen zum Essay „Bezimienny krajobraz“ (dt. Übersetzung: „Namenlose Landschaft“) von Olga Tokarczuk. Dieser Essay sollte Thema einer Veranstaltung mit dem Titel „Tkanie krajobrazu. Rozmowa o tożsamości lokalnej Dolnego Śląska“ (dt. „Das Weben einer Landschaft. Gespräch über die lokale Identität Niederschlesiens“) im Museum des Glatzer Landes am 20. Oktober 2016 sein. Nach der Veranstaltung schrieb ich meine Reflexionen nieder, bereichert um die Anregungen aus der Diskussion, und legte sie in die Schublade. Einige Wochen später machte mich Prof. Dieter Bingen, Direktor des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt, aufmerksam auf die Rede von Prof. Krzysztof Ruchniewicz, Direktor des Willy-Brandt-Zentrums der Universität Breslau, die dieser während des „Marsches der Gegenseitigen Achtung“ anlässlich des Jahrestages der „Kristallnacht“ in Breslau gehalten hatte. Ich fand darin eine Bestätigung2, aber auch eine wichtige Ergänzung die Religion. Und wieder in die Schublade. Jetzt, nach den Ereignissen des vergangenen Jahres, möchte man gerne die offenkundige, wenn auch sicher idealistische Feststellung hinzufügen, dass wir durch die Gemeinsamkeit, dass wir alle in dieser Region wohnen, eine Familie bilden, und das unabhängig von politischen Ansichten. Wer sind für uns die ehemaligen Einwohner und was verbindet uns mit ihnen? Ich habe den Eindruck, dass man sich schon an die Tradition gewöhnt hat, denn in verschiedenen Publikationen zur regionalen Geschichte werden Schicksale von Menschen erwähnt, die früher in Niederschlesien lebten. Und trotz des uns trennenden Zeitraums, verschiedener Nationalität und Religionszugehörigkeit bilden die ehemaligen Einwohner mit uns eine Familie, gebildet nicht durch Verwandtschaft – Blutsbande (Nation), sondern durch Wahlverwandtschaft – Bindung durch Wahl. In solch eine Familie kommen wir durch Liebe und Verlobung – an den Geburtsort des Partners, und oft auch durch eine bewusstere Wahl – die des Wohnortes. Vielleicht sind wir nicht immer von der Familie unseres Partners begeistert, aber eine Wahl gibt es dann nicht mehr. Uns alle verbindet die Geschichte des Ortes, und wie Prof. Krzysztof Ruchniewicz richtig bemerkte, nach der Zeit der Verdrängung dieses Faktes aus dem Bewusstsein akzeptieren wir auch, dass in Wrocław/Breslau, Dolny Śląsk/ Niederschlesien und der Ziemia Kłodzka/Grafschaft Glatz Menschen verschiedener Nationalitäten und Religionsgemeinschaften lebten. 1

Der Beitrag wurde in Polnisch publiziert. Henryk Grzybowski, Wszyscy mieszkańcy to jedna rodzina, in Monatschrift „Ziemia Kłodzka -Grafschaft Glatz“, Nr. 270–272, Jan.März 2017, S. 44–45. Red. 2 Laut Autor des Beitrages handelt es sich hier um die Bestätigung, dass auch Andersgläubige – seien es nun Katholiken, Protestanten, Juden oder andere - Mitbewohner sind, eine Familie. Red. Altheider Weihnachtsbrief 2017

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