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»Niemand fragt, ob wir Schmet­terlinge brauchen« Natur und ihre Vielfalt sind schützenswert – nicht nur, aber auch, weil sie unsere Umwelt sind, erklärt der bestechend pragmatische Vogelschützer Norbert Schäffer.

Norbert Schäffer

ist Vorsitzender des Landesbunds für Vogelschutz in Bayern (LBV), einer der größten Naturschutzverbände Deutschlands.

biorama: Warum sollte es einen kümmern, ob es möglichst viele Vögel gibt oder ob von einer bestimmten Art möglichst viele Vögel überleben? Norbert Schäffer: Warum brauchen wir grundsätzlich biologische Vielfalt? Für den Natur- und Artenschutz gibt es verschiedene Begründungen. Eine anthropozentrische, die fragt: Was haben wir Menschen davon? Ein zentrales Beispiel hierfür ist, dass Tiere und Natur sehr gute Indikatoren für den Zustand der Umwelt sind. Das gilt besonders für Vögel. Die Schädlichkeit von Dichlordiphenyltrichlorethan (ddt) beispielsweise ist uns in den 1950ern nur aufgefallen, weil die Greifvögel nicht mehr erfolgreich gebrütet haben und man sich gefragt hat: Woran liegt das? Die negativen Folgen für den Menschen wurden daraufhin herausgefunden und ddt verboten. Ich kann aber auch sagen: Vögel haben das Recht, da zu sein. Also eine moralische Kategorie. Es gibt auch Leute, die das religiös begründen, als Teil der Schöpfung. Der Auerhahn im Bayerischen Wald interessiert als Wirtschaftsfaktor nicht sehr. Aber wenn es eine ethische oder ökologische Pflicht gibt, Arten zu erhal-

ten, dann gilt sie nicht nur für manche Arten. Ich werde selten mit der Frage konfrontiert, ob wir Natur grundsätzlich brauchen. Das betrifft immer nur einzelne Tiere wie den Wolf, aber nie Schmetterlinge. Niemand fragt, ob wir wirklich Schmetterlinge brauchen. Wo endet die Daseinsberechtigung – zum Beispiel beim Fischotter? Wir sagen, der Fischotter soll bei uns leben dürfen. Wir sehen aber auch, dass er Schwierigkeiten machen kann. Einerseits muss man Schäden minimieren. Etwa dadurch, kleine Forellenzuchten einzuzäunen. Das kann ich aber nicht einzelnen TeichwirtInnen auflasten, das muss die Gesellschaft bezahlen, denn die Gesellschaft entscheidet sich für den Erhalt der Artenvielfalt. Wenn diese Schutzmaßnahmen aufgrund der Gegebenheiten nicht möglich sind oder die Schutzmaßnahmen überwunden werden, dann wird entschädigt. Und wenn die Kompensationszahlungen eine definierte Grenze überschreiten, dann kann man entnehmen. Und da stimmen wir dann auch zu, beispielsweise bei der Entnahme von Graureiher, Biber

Bilder Istock.co m/cre at ivenatu re_Nl, No rbert Schäffer

Interview Irina Zelewitz


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