Kommentar
Quality matters! Als ich im Zuge der Fußball-WM 2014 den Begriff „Neuroathletik“ ins Leben gerufen habe, war nicht zu erwarten, wie sich dieses „Kind“ später entwickeln sollte. „Neuroathletik“ ist mittlerweile ein Synonym für jegliche Art gehirnbasierten Trainings geworden. Das macht mich stolz, erfüllt mich jedoch an mancher Stelle auch mit Sorge. In der Fitnessbranche herrscht eine gewisse Schnelllebigkeit. Gibt es einen neuen Trend, werden sogleich Ausbildungen mit stark vereinfachten Inhalten auf den Markt gebracht, um ein möglichst großes Publikum zu erreichen. Aber kann man ein komplexes Thema wie die Neuroathletik, deren Anwendung hochindividuell ist, im Schnellkurs an einem Wochenende erlernen? Nicht, wenn es wie in der Neuroathletik um einen Perspektivenwechsel bei der Betrachtung von Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Rehabilitation geht. Die Neuroathletik arbeitet auf Basis der Prinzipien der angewandten Neuroanatomie und stellt die Funktionen und Arbeitsweisen des Gehirns in den Mittelpunkt. Ziel ist ein effizienteres, gesünderes Gehirn und Nervensystem, deren bewegungssteuernde Systeme in der Lage sind, anstehende Bewegungsaufgaben optimal zu lösen. Das ist weder leicht noch schnell erlernbar. Wochenendseminare können hier einen ersten Einblick geben, aber sie sind keine Ausbildung und sollten daher auch nicht als solche verkauft werden. Auch der Trend, Neuroathletik-Ausbildungen online anzubieten, geht aus meiner Sicht in die falsche Richtung, da Sport und neurozentriertes Training im Besonderen auf direkten zwischenmenschlichen Interaktionen basieren.
LARS LIENHARD Der Autor ist Sportwissenschaftler und ehemaliger Leistungssportler. Er war unter anderem als Trainer 2014 bei der FIFA Fußballweltmeisterschaft in Brasilien und 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio dabei. www.neuro-athletic-training-institute.com
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Foto: Lars Lienhard
Wichtig bei einer neurozentrierten Schulung – sei es im Rahmen eines Workshops oder einer Trainerausbildung – ist immer die Qualität der Inhalte und die der Vermittlung. Diese sind abhängig von der Praxiserfahrung der Ausbilder, ihrer Ausbildung und ihrer Leidenschaft. Damit Neuroathletik nicht nur als Trend durch den Fitnessmarkt zieht, sondern als Paradigmenwechsel bestehen bleibt, müssen wir die Bedeutung dieser Thematik anerkennen und ihr in der Qualität und im Format W der Ausbildungen gerecht werden. Quality matters!