TECHNIK & TECHNOLOGIE
CHRONIK
Die VLB Berlin im Wandel der Zeit, Teil 1: von der Gründung 1883 bis in die 1930er-Jahre Dr. Peter Lietz
Seit ihrer Gründung 1883 blickt die Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei (VLB) auf rund 140 Jahre bewegte Geschichte zurück. Dabei ist die aktuelle COVID-19-Pandemie nicht die einzige Krise, die die VLB in den vergangenen beinahe eineinhalb Jahrhunderten überstehen muss und musste. Wenige Jahrzehnte, nachdem sich das Institut etabliert hatte, brach der 1. Weltkrieg über Europa herein. 1919, ein Jahr nach dem Ende dieser „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, verstarb mit Max Delbrück ein Gründer der VLB. Es war nun an Friedrich Hayduck, die Forschungseinrichtung in das kommende Jahrzehnt zu führen und die wissenschaftlichen wie politischen Herausforderungen zu meistern.
Max Delbrück (oben) war der 1. Wissenschaftliche Leiter der VLB Berlin
Im Dezember 1882 gründeten die Berliner Brauherren Friedrich Goldschmidt, Armand Knoblauch und Richard Roesicke zusammen mit Max Delbrück zum 1. Januar 1883 den Verein Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin (VLB). Dem war bereits 1854 die Gründung der Versuchsanstalt des Verbandes der Spirituosenfabrikanten Deutschlands (VLSF) vorausgegangen. 1874 wurde das Institut für Gärungsgewerbe und Stärkefabrikation (IfGS) ins Leben gerufen, das später die Dachorganisation für die an der Seestraße ansässigen Forschungsvereine werden sollte. Die Gründung des VLSF und der VLB geschah mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und verarbeitender Industrie zu stärken. Schwerpunkte waren sowohl die Ethanol- als auch die Bierherstellung. Partner der Industrie Die Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei konzentrierte sich zum einen auf die technologische Betreuung der klassischen Brau- und Malzprozesse sowie auf die Untersuchungen und die Auswahl von
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Roh- und Hilfsstoffen. Zum anderen agierte die VLB als Partner, wenn es darum ging, technologische Störungen in den Betrieben der verarbeitenden Industrie zu beheben. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt bildete die Aus- und Weiterbildung von leitenden Persönlichkeiten für Forschung und Industrie. Zunächst aber mussten die Voraussetzungen für eine effektive Forschungs- und Lehrtätigkeit in Form von Lehr- und Forschungseinrichtungen geschaffen werden. Auf dem vom Preußischen Staat bereitgestellten Gelände in der Seestraße, damals noch weit vor den Stadttoren Berlins gelegen, entstanden Gebäude mit modernen Laboratorien und Hörsälen, einschließlich einer Versuchs- und Lehrbrauerei. Am 20. Mai 1891 konnte diese Hochschulbrauerei in Anwesenheit etlicher Ehrengäste, unter ihnen auch Emil Christian Hansen, ein renommierte Botaniker und Bakteriologe aus Dänemark, eingeweiht werden. (H)Ort der Wissenschaft Als 1. Wissenschaftlicher Leiter der VLB und 1. Wissenschaftlicher Direktor des IfGS hielt Max Delbrück für die angehenden Brauund Brennmeister Vorlesungen zu den Themen Brauerei, Brennerei, Presshefefabrikation, Essig- und Stärkefabrikation. Max Hayduck unterrichtete Gärungschemie und bot Seminare in den Grundlagenfächern
Brauerei Forum – Januar/Februar 2021
Der dänische Nobelpreisträger Emil Christian Hansen war ein häufiger Gast bei den wissenschaftlichen Veranstaltungen der VLB Botanik, Chemie und Physik an. Weitere namhafte Forscher-Persönlichkeiten wie z.B. Wilhelm Windisch, Paul Lindner, Wilhelm Hermann Henneberg, Franz Schönfeld, Emil Struve, Walter Goslich oder Karl Fehrmann waren als Lehrende tätig. Die Vorlesungen fanden in Kooperation mit der Königlich Landwirtschaftlichen Hochschule, der späteren Landwirtschaftlich Gärtnerischen Fakultät der Friedrich Wilhelms Universität zu Berlin, statt. Entsprechend wurden LehrPersönlichkeiten der VLB auch an die Landwirtschaftliche Hochschule berufen. Max Delbrück beispielsweise war von 1898 an Mitglied des engeren inneren Lehrerkollegiums