Klimawandel: neue Baumarten im Churer Rheintal? Gedanken zu möglichen Waldentwicklungen Dr. H.-U. Frey, M. Bichsel
Ausgangslage Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass der Klimawandel und damit verbundene extreme Ereignisse des Wetters namentlich die Wälder der tiefen Lagen und der Trockenstandorte stark in Mitleidenschaft gezogen haben: besonders heisse und trokkene Sommer, extreme Spätfröste, zu früh einsetzende Vegetationsperiode, Starkniederschläge usw. Diese unter dem Begriff Klimawandel zusammengefassten Ereignisse beeinflussen und schädigen zunehmend verschiedene Baumarten und Waldbestände entweder durch direkte Einwirkung oder durch das vermehrte Auftreten von schädigenden Organismen. Rechtzeitig eingeleitete forstliche Massnahmen zur Risikominderung sind angezeigt. Besonders stark werden Buchenwälder auf flachgründigen Kuppenlagen mit hoher Einstrahlung, Waldföhrenbestände unterhalb 1000 m ü. M. sowie Bestände mit standortfremden Fichten betroffen sein. Klimamodelle Derzeit werden mit errechneten Klimamodellen mögliche Veränderungen der Höhenstufen diskutiert (Frehner und Huber 2019): Mit verschiedenen Szenarien steigen die vegetationskundlich definierten Höhenstufen unterschiedlich stark an. Damit kann prognostiziert werden, ob ein bestimmter Waldbestand künftig in einer anderen Höhenstufe liegt und damit eine andere Zusammensetzung des Naturwaldes aufweisen wird. Grosser Nachteil dieser Modelle ist, dass Extremereignisse höchstens aufgrund bereits verflossener Ereignisse ins Modell fliessen, aber für die Entwicklung der Vegetation oft entscheidend sind. Ebenso wird es schwierig sein, Prognosen für die ohnehin wärmsten und trockensten Standorttypen zu machen.
Mit grosser Wahrscheinlichkeit sind die aktuell im Churer Rheintal einheimischen und bisher eingebürgerten Baumarten ökologisch nicht in der Lage, alle zukünftig neu entstehenden Extremstandorte nachhaltig zu besiedeln. Es ist somit prüfenswert, was für weitere Baumarten aus andern Regionen für eine Ansiedlung in unserem Gebiet infrage kommen können. Hinweise zu solchen neuen Gastbaumarten können durch eine Beurteilung der aktuellen Zusammensetzung von Beständen gewonnen werden, die sich in Gebieten befinden, die bereits vor der Klimaerwärmung die für das Churer Rheintal prognostizierten Klima- und Witterungsverhältnisse zeigten: Damit möglichst wenig Überraschungen bezüglich biotischer Schädlinge entstehen, sollte die Distanz zum Churer Rheintal zu diesen «Referenz-Vegetationen» so kurz wie möglich sein. Dadurch besteht immerhin eine gewisse Sicherheit, dass die einheimischen sowie die Gastbaumarten bereits mit vorhandenen Schädlingen in Kontakt gekommen sind. Deshalb sollten Gastbaumarten aus Übersee nicht gefördert werden. Für die Tieflagenwälder des Churer Rheintals scheint es sinnvoll, vor allem Bestandeszusammensetzungen aus submediterranen Gebieten mit einem eher «kontinentalen» Klimacharakter zu beurteilen: heis se Sommer mit längeren sommerlichen Trockenperioden, feuchteren Wintern, möglichen Früh- und Spätfrösten, Nassschneeperioden usw.; geologische und pedologische Verhältnisse sollen vergleichbar sein. Hierzu eignen sich Gebiete aus dem nördlichen und östlichen Italien (Nordabdachung Apennin, Südabdachung der Ostalpen) und den nördlichen Dinariden (Hinterland der Adriaküste Istrien-Kroatien) in Meereshöhen von circa 100 bis 500 m ü. M.). Ähnliche klimatische Bedingungen wie zukünftig im Churer Rheintal finden sich auch im Walliser Rhone-
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