FALTER
Nr. 42a/20
Viennale 20 Die besten Filme. Alle Termine
FOTO: „ ASCENT“ VON FIONA TAN AUS DER RETROSPEK TIVE „REC YCLED CINEMA“
Special Christoph Schlingensief Interview Eliza Hittman Retro Recycled Cinema Filme von Kelly Reichardt, Tsai Ming-liang, Natalia Meta, Frederick Wiseman Das Filmlexikon Kurztipps und alle Termine von 22.10. bis 1.11. Falter Zeitschrift en GmbH, Marc-Aurel-Straße 9, 1011 Wien, WZ 02Z033405 W Österreichische Post AG, Retouren an Postfach 555, 1008 Wien, laufende Nummer 2772/2020
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Aquele Querido Mês de Agosto, Por tugiesischer Sommer, OmeU
A nna, Italienische Drogen-Cinéma vérité, OmeU
Capturing The Friedmans, Doku über Unschuldsvermutung und Sippenhaft , OF
Curling, Franko-kanadische Reminiszenz an Psycho, OmeU
El Sicario, Room 164, Ein mexikanischer Auftragskiller pack t aus, OmeU
Foreign Par ts, Gentrifizierungsdoku aus New York , OF
Half Nelson, Auf wühlendes Highschool Drama mit Ryan Gosling, OF
O Som Ao Redor, Kleinbürgerlichkeit und Kleinkriminalität , OmeU
Le Roi De l’Évasion, Schwuler Ver treter entdeck t seine Heterosexualität , OmeU
Hashoter, Polizeidrama um inner-israelischen Terror, OmeU
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De Jueves A Domingo, Familienurlaub mit Hindernissen, OmeU
Cour t , Indisches Gerichtssaaldrama, OmeU
The Color Wheel, Facettenreicher Slacker/Nerd-Roadtrip, OF
Åter träffen, Experimentelles Klassentreffen in Schweden, OmeU
L’Inconnu du Lac, Schwules Cruising im hochsommerlichen Frankreich, OmeU
A Little Closer, Ländliches Drama um eine alleinerziehender Mutter, OF
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F O TO S: F I L M G A L E R I E 451, V I E N N A L E (4), U N I V E R SA L
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Vorwort
Inhalt
Liebe Leserin, lieber Leser!
Brutale Welten, zärtliche Filme Von singenden Gaunern, revolutionären Frauen und philosophierenden Streunern
in Virus hat unsere Lebensart gekapert. Es hat die RäuE me besetzt, in denen wir zusammenkommen und miteinander kommunizieren, hat uns gezwungen, Prioritäten
Schöpferische Zerstörung Die Filme des Aktionskünstlers, Theaterregisseurs und Publikumsschrecks Christoph Schlingensief
zu überdenken: Leben oder, mit Rücksichtnahme auf alle, überleben? Hat uns diese Erfahrung tatsächlich verändert? Vor allem ist sie eine Gelegenheit, uns über unsere wahren Bedürfnisse klar zu werden und darüber, was die menschliche Existenz im Grunde ausmacht. Und uns daran zu erinnern, dass Kultur ein Recht ist und eine Notwendigkeit. In dieser kritischen Zeit, dieser von Covid-19 beherrschten Welt, behauptet die Viennale V’20 die Bedeutung geteilter Räume und die Wichtigkeit von Diskussion, sie behauptet sich gegen Isolation und Entfremdung. Sie tut dies respektvoll und vorsichtig, in der Sorge um den Raum des jeweils anderen. Eines Raums, der, um auch ein geteilter geistiger Raum sein zu können, ebenso konkret erfahren werden muss wie vorgestellt. Ein imaginärer, zugleich physischer Raum, jederzeit möglich und existent: der unendliche Raum des Kinos. Herzlich, Eva Sangiorgi Direktorin Viennale
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ie immer freue ich mich über die kompetente Vorschauarbeit des Teams um Michael Omasta. Ja, auch in Zeiten des Virus liefern sie. Wie immer freue ich mich über die gute Zusammenarbeit zwischen Festival und Zeitschrift, beides in vielem gleich gestimmt und mit ähnlichen Interessen. Dem Falter-Publikum wünsche ich auch unter den oben von Eva Sangiorgi schön beschriebenen unschönen Bedingungen eine spannende und bedenkenswerte Viennale unter ihrer Leitung! Herzlich, Armin Thurnher Chefredakteur Falter
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Der Geschmack der Zivilisation Kelly Reichardts moderner Western „First Cow“ führt ins Oregon des frühen 19. Jahrhunderts „Will ich wirklich Julianne Moore?“ US-Independent-Filmemacherin Eliza Hittman im Gespräch über „Never Rarely Sometimes Always“ Gut, besser, Boston In „City Hall“ feiert Frederick Wiseman seine Heimatstadt als positives Role-Model für Amerika Stimmenhören und Selbstbestimmung Natalia Metas sanft satirischer Psychothriller „El prófugo“ verläuft zwischen Orgel und Orgasmus Weil alles von Crime durchtränkt ist Spröd, aber nicht blöd: Phillip Warnells filmisches Sozialexperiment „Intimate Distances“ Von Trüffelhund und Auerochs Dokumentarfilme sind im Kino eine gefährdete Spezies: Drei herausragende Exemplare der Viennale Timetable Alle Filme auf einen Blick: Der Falter-Plan zur Viennale ’20 Überschäumen in zwanghafter Alltagslebenskunst „Kajillionaire“ und „Shirley“: zwei US-Dramen mit Witz um Machtrituale in Kleinfamilien mit Anhang Massage in Echtzeit Tsai Ming-liang setzt mit „Rizi“ seine Erkundung der Langsamkeit fort Die Hypernormalisierung des Alltags
Die Retrospektive Recycled Cinema erzählt, wie Found Footage radikale neue Kunst gebiert Lexikon Empfehlungen der Redaktion und Kurzbeschreibungen aller Filme der Viennale ’20 von A–Z
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Impressum Falter 42a/20 Herausgeber: Armin Thurnher Medieninhaber: Falter Zeitschriften GmbH, Marc-Aurel-Straße 9, 1010 Wien, T: 01/536 60-0, E: wienzeit@falter.at, www.falter.at Redaktion: Michael Omasta Herstellung: Falter Verlagsgesellschaft m.b.H.; Layout: Marion Großschädl, Andreas Rosenthal; Lektorat: Helmut Gutrbrunner, Patrick Sabbagh; Geschäftsführung: Siegmar Schlager; Anzeigen: Sigrid Johler Druck: Passauer Neue Presse Druck GmbH, 94036 Passau DVR: 047 69 86. In Kooperation mit der VIENNALE. Alle Rechte, auch die der Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, vorbehalten. Die Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz ist unter www.falter.at/offenlegung/falter ständig abrufbar.
TICKETINFORMATIONEN TICKETS IM INTERNET ab 17. Oktober 2020, 10 Uhr
(Bezahlung per Online-Banking oder Kreditkarte) viennale.at
Weiters gibt es heuer erstmals die Möglichkeit, online gekaufte Tickets als Ausdruck oder am Display Ihres Smartphones beim Einlass in den Kinosaal vorzuweisen.
TICKETS PER TELEFON 17. Oktober bis 1. November, täglich 10 bis 20 Uhr
(Bezahlung nur per Kreditkarte) 01 526 594 769
Per Telefon bzw. online gekaufte Tickets sind an allen Vorverkaufsstellen oder in den Viennale Kinos abzuholen. Ab 30 Minuten vor Beginn einer Vorstellung sind ausschließlich Tickets für diese Vorstellung erhältlich.
VORVERKAUFSSTELLEN (Bar, Bankomat oder Kreditkarte) Gartenbaukino
17.–21. Oktober, täglich 10 bis 20 Uhr (22. Oktober 10 bis 17 Uhr) Metro Kinokulturhaus
17.–18. Oktober, täglich 10 bis 20 Uhr Für alle Kassen werden am 17. Oktober 2020 bei großem Andrang Wartenummern ausgegeben.
ABHOLUNG VON TICKETS FÜR VORSTELLUNGEN IN DEN CIRCUIT KINOS Abholung der im Internet oder telefonisch gekauften Tickets für Vorstellungen in den Circuit Kinos ist an allen Vorverkaufs-
Ticketverkauf ab 17. Oktober 2020, 10 Uhr
stellen und Viennale Kinos bis spätestens einen Tag vor der jeweiligen Vorstellung möglich. Am Tag der Vorstellung sind die Tickets ausschließlich im jeweiligen Circuit Kino erhältlich.
TICKETVERKAUF IN DEN FESTIVALKINOS 22. Oktober bis 1. November
Geöffnet ab einer Stunde vor Beginn der ersten bis zum Beginn der letzten Vorstellung (Barzahlung, Bankomat oder Kreditkarte) Gartenbaukino 1., Parkring 12 Stadtkino im Künstlerhaus
1., Akademiestraße 13 Urania 1., Uraniastraße 1
Österreichisches Filmmuseum
1., Augustinerstraße 1
Metro Kinokulturhaus
1., Johannesgasse 4
TICKETVERKAUF FÜR DIE RETROSPEKTIVE
STUDENTS’ DAYTIME TICKET UM €6,50
Ab 17. Oktober sind Tickets für die während der Viennale gezeigten Filme (23. 10.–1. 11.) an allen Viennale Kassen sowie online und telefonisch erhältlich. Es gelten die Preise der Viennale. Für Mitglieder des Filmmuseums gelten die Preise des Filmmuseums (nicht bei Onlinekauf).
Ermäßigte Tickets für Lehrlinge, Student*innen, Schüler*innen sowie Präsenz- und Zivildiener
NUR ZUGEWIESENE SITZPLÄTZE Aufgrund der COVID-19 Abstandsregeln werden bei allen Vorstellungen ausschließlich zugewiesene Sitzplätze vergeben.
KEIN NACHEINLASS NACH BEGINN DER VORSTELLUNG Aufgrund von COVID-19 Sicherheitsmaßnahmen verlieren die Tickets in diesem Jahr mit Vorstellungsbeginn ihre Gültigkeit. Dies bedeutet: Kein Einlass für Zuspät-
Ab 30 Minuten vor Beginn einer Vorstellung sind ausschließlich Tickets für diese Vorstellung erhältlich.
kommende nach Vorstellungsbeginn.
RESTTICKETS BEI AUSVERKAUFTEN FILMEN
Ticketpreise
30 Minuten vor Vorstellungsbeginn werden Wartenummern für Resttickets ausgegeben.
TICKETVERKAUF FÜR VORSTELLUNGEN IN DEN CIRCUIT KINOS Tickets für die Vorstellungen in den Circuit Kinos sind an allen Viennale Kassen sowie online und telefonisch ab 17. Oktober bis zum Tag vor der Vorstellung erhältlich. Am Tag der Vorstellung können Tickets nur direkt an der Abendkassa des jeweiligen Circuit Kinos gekauft werden.
TICKETS & INFOS Einzelticket Ab 10 Tickets Ab 20 Tickets
VIENNALE MERCHANDISING Publikationen und Artikel des Festivals sind an allen Viennale Vorverkaufsstellen und in den Kinos sowie online erhältlich: Festivalkatalog € 15,— Textur #2 – Kelly Reichardt € 10,— V’20 Plakate (A1) € 3,— MNS aus Stoff € 8,—
Viennale Kinos
€ 9,50 € 9,— € 8,30
pro Ticket pro Ticket
GARTENBAUKINO 1., Parkring 12 (U3 Stubentor • U4 Stadtpark)
STADTKINO IM KÜNSTLERHAUS
Ticketermäßigungen
Einzelticket Ab 10 Tickets Ab 20 Tickets
Für alle Vorführungen vor 17.30 Uhr erhalten Student*innen, Schüler*innen, Lehrlinge sowie Präsenz- und Zivildiener unter 27 Jahren – gegen Vorweis des entsprechenden Ausweises – ab 1 Stunde vor Vorstellungsbeginn ermäßigte Tickets um 6,50 Euro an der Kinokassa.
€ 9,— pro Ticket pro Ticket
€ 8,50 € 7,80
1., Akademiestraße 13 (U1, U2, U4 Karlsplatz)
URANIA 1., Uraniastraße 1 (U1, U4 Schwedenplatz)
Kunden der
ÖSTERREICHISCHES FILMMUSEUM 1., Augustinerstraße 1 (U1, U2, U4 Karlsplatz)
Ermäßigungen bei Vorweisen der entsprechenden Ausweise
METRO KINOKULTURHAUS 1., Johannesgasse 4
(U1, U3 Stephansplatz • U1, U2, U4 Karlsplatz)
Die Viennale und COVID-19 Der Viennale ist ihre Verantwortung als Großveranstaltung in Zeiten einer Pandemie eindringlich bewusst, zumal die Natur unseres Festivals in der Gemeinsamkeit wurzelt – in der Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung, bei der Film, Filmemacher*innen und Besucher*innen zusammenkommen. Um ein möglichst sicheres und angenehmes Festival für alle gewährleisten zu können, haben wir ein detailliertes COVID-19 Präventionskonzept erarbeitet, das alle aktuell geltenden Maßnahmen berücksichtigt. Um den vorgeschriebenen Abstand im Kinosaal gewährleisten zu können, müssen die Sitzplatzkapazitäten der Kinos stark reduziert werden. Zum Ausgleich wird die Viennale neben ihren fünf klassischen Spielstätten fünf weitere Kinos – die Circuit Kinos – bespielen. Vor dem Gartenbaukino wird eine großzügige Überdachung die Foyerfläche erweitern und eine bessere Wartesituation im Freien ermöglichen. ALLGEMEIN Es gelten die österreichweiten Grundmaßnahmen: ✜ Bitte tragen Sie einen Mund-Nasen-Schutz (MNS) in allen Bereichen des Kinos. ✜ Bitte achten Sie auf Einhaltung des Mindestabstandes von 1 Meter zu anderen Personen. ✜ Regelmäßige Handhygiene ist gewährleistet durch Desinfektionsstationen an allen Festivallocations.
Bitte bleiben Sie den Festivallocations fern, ✜ wenn Sie COVID-19-Symptome haben oder eine erfolgte Ansteckung befürchten. ✜ wenn Sie Kontakt zu einer an COVID-19 erkrankten Person hatten.
TICKETKAUF ✜ Es werden ausschließlich zugewiesene Sitzplätze als Einzel- oder Doppelsitze angeboten. Zwischen den Sitzplätzen oder Sitzplatzpaaren bleibt immer ein Platz frei. ✜ Contact Tracing: Um etwaige Infektionen nachvollziehbar zu machen, ersuchen wir alle Besucher*innen beim Kauf der Tickets ihre E-Mail-Adresse und Mobilnummer anzugeben. ✜ Es gibt die Möglichkeit von „Print at home“Tickets, um direkte Kontakte zu minimieren. ✜ Es wird auch in diesem Jahr eine Abendkassa und die Möglichkeit zum Kauf von Resttickets geben. ✜ Die Kinokassen und der Restticketverkauf im Gartenbaukino befinden sich vor dem Kino unter der Überdachung im Freien.
IN ALLEN FESTIVALLOCATIONS ✜ An allen Festivallocations muss ein Mund-NasenSchutz getragen werden. Dies gilt ab Betreten des Gebäudes bis zum Erreichen des Sitzplatzes sowie beim Verlassen des Platzes. Wir empfehlen, ausdrücklich den Mund-Nasen-Schutz während der gesamten Vorstellung zu tragen. ✜ Es muss der behördlich vorgeschriebene Abstand von 1 Meter zu anderen Personen eingehalten
werden. Bitte vermeiden Sie Stausituationen, insbesondere bei der Kartenabholung, an den Einund Ausgängen, sowie im Bereich der Sanitäreinrichtungen. ✜ Sofern möglich, wird der Einlass in den Kinosaal über mehrere Eingänge erfolgen, um einen zügigen und sicheren Ablauf zu gewährleisten. ✜ Bitte nehmen Sie den am Ticket ausgewiesenen Sitzplatz ein. Die nicht vergebenen Sitze sind abgesperrt. Der eigene Sitzplatz darf aus Gründen des Contact Tracings nicht gewechselt werden. ✜ Die Tickets verlieren in diesem Jahr mit Vorstellungsbeginn ihre Gültigkeit. Dies bedeutet: Kein Einlass für Zuspätkommende nach Vorstellungsbeginn.
SONSTIGES ✜ Die Viennale bietet in diesem Jahr kein Festivalzentrum als Publikumstreffpunkt an. ✜ Das Team der Viennale wird im Vorfeld und während des Festivals regelmäßigen COVID-19-Tests unterzogen. Wichtig! Sollten Sie innerhalb von zehn Tagen nach einem Viennale-Besuch positiv auf COVID-19 getestet oder als Verdachtsfall eingestuft werden, so melden Sie sich bitte nicht nur bei der Gesundheitsberatung 1450, sondern teilen Sie uns das ebenfalls umgehend unter covid@viennale.at mit. Für weitere Fragen zu den COVID-19Maßnahmen steht Ihnen die Viennale unter covid@viennale.at zur Verfügung.
AKTUELLE INFORMATIONEN UND UPDATES FINDEN SIE AUF VIENNALE.AT
DER VIENNALE CIRCUIT Aufgrund der geltenden COVID-19Bestimmungen sind die verfügbaren Sitzplätze in den Kinos stark reduziert. Um dennoch möglichst vielen Besucher*innen ein filmisches Angebot machen zu können und erstmalig bis zu vier Wiederholungen der Viennale-Filme anzubieten, wurden fünf Wiener Kinoinstitutionen eingeladen, Teil des Viennale Circuits zu werden: Mit jeweils zwei Viennale-Vorführungen täglich begleiten die Kinos das Festival und ermöglichen so, das Viennale-Erlebnis auf weitere Teile der Stadt auszudehnen. Wir danken unseren Circuit Kinos sehr herzlich für diese schöne neue Partnerschaft.
ADMIRALKINO 7., Burggasse 119 admiralkino.at
BLICKLE KINO IM BELVEDERE 21 3., Arsenalstraße 1 belvedere.at
FILMCASINO 5., Margaretenstraße 78 filmcasino.at
LE STUDIO FILM UND BÜHNE C/O STUDIO MOLIÈRE 9., Liechtensteinstraße 37 lestudio.at
VOTIVKINO 9., Währinger Straße 12 votivkino.at
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Brutale Welten, zärtliche Filme Von singenden Gaunern, revolutionären Frauen und philosophierenden Streunern bei der Viennale V’20 VORSCHAU: MICHAEL OMASTA
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leich mehrere Filme feierten vor zwei Jahren den 200. Geburtstag von Karl Marx. Nun tritt erstmals Eleanor, seine Tochter, in den Mittelpunkt. „Miss Marx“, der Eröffnungsfilm der diesjährigen Viennale, erzählt von ihrem Kampf um die Rechte der Frauen. Die Diktatur des Kapitals und die Tyrannei der Männer seien ursächlich miteinander verbunden, erkannte Eleanor, genannt „Tussy“, und machte in ihrer Kritik auch vor dem eigenen Vater nicht Halt. „Er wollte alles für mich, nur nicht meine Freiheit“, lässt Regisseurin Susanna Nicchiarelli sie einmal sagen und zeigt, dass Eleanor später in einer zusehends toxischen Beziehung verfangen war. Schön sind die kleinen Irritationen, die der Film setzt: Wenn Miss Marx sich direkt an die Kamera wendet, ein Cowboy über die Schlachthöfe von Chicago spricht oder plötzlich Punkmusik losdröhnt und Darstellerin Romola Garai selbstvergessen und wie befreit zu tanzen beginnt.
gen Französin dauern zusammen keine anderthalb Stunden. In der ersten, „Isabella Morra“ (2015), widmet sie sich mit ebenso zärtlichem wie nüchternem Blick ein paar Kindern aus einer von Verkehrslärm umtosten Siedlung, ihren Spielen auf der Straße und den brutalen Sprüchen, mit denen sie einander zu übertrumpfen suchen. Sprüche klopfen und blöde Witze erzäh-
Ein Moment der Befreiung: „Miss Marx“ (Romola Garai) schmeißt sich weg
Experimentierfreudig, politisch links,
Der Kanadier John Cook, der Grieche An-
tonis Lepeniotis, der Iraner Mansur Madavi gehörten zu den Exoten des heimischen Films der 70er-Jahre. Ihnen und einer Handvoll weiterer „Austrian Auteurs“ ist eine Reihe des Filmarchivs Austria gewidmet. Mit dabei auch Wilhelm Pellerts „Jesus von Ottakring“. Dort, im 16. Hieb, sorgt ein gewisser Ferdinand Novacek für Unruhe. „Bei uns geht’s zu wie in Soho!“, beschwert sich ein alteingesessener Wiener. Ja, genau. Soho in Ottakring anno 1976, als alle Hinterhöfe noch so schön grau waren und Herwig Seeböck – anstelle eines Erzählers – gleich die Ballade anstimmt: „Im Lichthof, wo die Razz’n unterm Coloniakübel spül’n …“.
aber vor allem seit jeher radikal unabhängig arbeitet der serbische Filmemacher Želimir Žilnik. Mit seinen Werken ist der 78-Jährige längst Dauergast in Wien, nun wird er in der Kunsthalle mit einer Ausstellung und bei der Viennale mit einer kleinen Personale bedacht. Auf dem Programm steht auch sein Langfilmdebüt „Frühe Werke“ („Rani radovi“), eine studentische Tragikomödie, deren verzweifelter Furor an das lateinamerikanische Revolutionskino denken lässt und die 1969 in Berlin mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde. Ein Gauner und Gentleman: Kurt Girk in „Aufzeichnungen aus der Unterwelt“
FOTOS: VIENNALE, VENTO FILM, JUST FILMS
Dokumentarfilm des Jahres aus öster-
reichischer Sicht ist „Aufzeichnungen aus der Unterwelt“ von Tizza Covi und Rainer Frimmel. Herzstück sind die Erzählungen des legendären Wienerlied-Sängers Kurt Girk und seines Haberers Alois Schmutzer. Beide müssen ihre Nähe zum illegalen Kartenspiel „Stoß“ in einem umstrittenen Prozess mit langen Haftstrafen büßen. In ruhigen Schwarz-Weiß-Bildern erinnern sich die zwei Charismatiker, ein ehemaliger Kieberer sowie ein Gefängniswärter lange vergangener Zeiten. Und dann ist da auch noch der Toni Österreicher: „Den haben s’ zweimal in den Kopf gschossen − der hat die Kugel wieder ausgspuckt.“ Zu den Entdeckungen des Programms
zählen die Filme von Isabel Pagliai. Die bisher drei Regiearbeiten der jun-
len, das können auch Martin und Anthony, die Protagonisten von Ludwig Wüsts „3.30 PM“, ganz gut. Der mit Bodycam und improvisierten Dialogen gedrehte Film führt vom Brachland des ehemaligen Nordwestbahnhofs in den Prater und schließlich raus aufs Land, wo dieses experimentelle Zwei-Personen-Stück ein überraschend freundliches Ende findet. Dazwischen wird Bier getrunken, über Gott und die Welt philosophiert („Oktoberfest in Wien, it’s awful!“), ein Kindheitstrauma durchforstet und ein verwilderter Garten noch dazu.
John Gianvitos mutig-spröder Essayfilm „Her Socialist Smile“ über Helen Keller
Revolutionär dachte auch Helen Keller
(1880−1968), die erste gehörlose und blinde Person, die ein Studium absolvierte und später zur militanten Feministin und Kämpferin für den Sozialismus wurde. Der amerikanische Dokumentarist John Gianvito zeichnet in „Her Socialist Smile“ nicht nur das bewegte Leben der berühmten Autorin und Aktivistin nach, sondern arbeitet in seinen Essayfilm auch längere Passagen ihrer Texte ein. Manche sind von gespenstischer Aktualität, etwa wenn Keller gegen „Wohltätigkeit“ argumentiert, weil sie eine Vielzahl von Sünden verdecke: „Sie verdeckt den Umstand, dass der Reichtum der Wenigen auf der Arbeit der Vielen beruht.“ Zugegeben, der Film ist mindestens so spröde wie er fesselnd ist. Es gibt kaum Bilder, kaum Tonaufnahmen von Helen Keller. Das Archiv, in dem sie lagerten, ging 2001 in Flammen auf. Es befand sich neben dem World Trade Center. F
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Schöpferische Zerstörung Christoph Schlingensief war Aktionskünstler, Film- und Theaterregisseur und gefiel sich als Publikumsschreck. Aus Anlass des zehnten Todestages zeigt die Viennale eine umfassende Retrospektive seines filmischen Schaffens EINFÜHRUNG: RAMÓN REICHERT
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eit seiner Kindheit hat Schlingensief Filme gemacht. Seinen ersten dreht er als Achtjähriger. Selbst im Zentrum des filmischen Geschehens stehend, parodiert er einen autoritären Lehrer, der im Unterricht kläglich scheitert. Overacting pur: Schlingensief schreit, tobt, wälzt sich am Boden. In seinen ersten filmischen Versuchsanordnungen spielt er aber auch mit den Illusionswerkzeugen des Kinos und übersetzt diese in Slapstick und pathetische Selbstinszenierungen. Ein Repertoire für alle späteren Filme ist im Entstehen.
Film als Transformation
Verstand sich in erster Linie als Filmemacher: Christoph Schlingensief (1960–2010)
Die frühen Filme Nach dem Abitur bewirbt sich Schlingensief an der Film- und Fernsehhochschule in München. Er wird zweimal abgelehnt. Später wird er sich mit seiner „Trilogie zur Filmkritik“ dafür rächen. 1982 geht er zurück nach Oberhausen und arbeitet als Aufnahmeleiter, Kameraassistent und Darsteller für den Experimentalfilmemacher Werner Nekes. Die Zusammenarbeit mit Nekes hinterlässt Spuren, die sich in den darauffolgenden Filmen verdichten werden. In seinen frühen Filmwerken wie „Mensch Mami, wir dreh’n ’nen Film“ (1977), „Wie würden Sie entscheiden?“ (1983) und der „Trilogie zur Filmkritik“(1983/84) – „Phantasus muss anders werden“, „What Happened to Magdalena Jung“ und „Tunguska – Die Kisten sind da“ – sind dann schon die Weichen für die späteren Hauptwerke gestellt. Sein obsessiver Werkcharakter besteht aus den folgenden Ingredienzien: Auflehnung gegen das stringente Erzählkino, Befreiung vom filmischen Realismus, Film als Prozess der schöpferischen Zerstörung der alten Ordnung, Filmproduktion als Verschmelzung von Aktionismus, Gruppendynamik und Performancekunst.
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Die einzelnen Filme und Termine der Monografie: Christoph Schlingensief finden Sie im Timetable ab S.16 und im Filmlexikon ab S. 24
Ramón Reichert ist Kulturwissenschaftler und Medientheoretiker und lebt in Wien
Schlingensief führt das Kino wieder zum Theater zurück, kämpft gegen das Kino der Repräsentation und der Reproduktion und sucht an dessen Stelle das Lebensweltliche der direkten Konfrontation
In der Wendezeit 1989/90 und nach der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 erlangte Schlingensief mit strategisch forcierten Anti-Deutschlandbildern erstmals eine größere Bekanntheit als Regisseur. Indem er Deutschland zum Feindbild stilisierte, zog er die Aufmerksamkeit auf sich. In der von Nationalpatriotismus, Chauvinismus und neoliberaler Härte geprägten Umbruchsituation der deutschen Vereinigung entstand seine Deutschlandtrilogie „100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker“ (1989), „Das deutsche Kettensägenmassaker“ (1990) und „Terror 2000“ (1992). In seinen Schriften nennt Schlingensief die Medien seiner aktionistischen Interventionen „Transformationskörper“. Seine Filme wollen nicht nur die Sehgewohnheiten und Einstellungen des Publikums im Kinosaal verändern, sondern sie operieren mit einem affektiven Regime von Schockwirkungen und Irritationen. In „Phantasus muss anders werden“ schreit Schlingensief sein Manifest frontal in die Kamera: „Jetzt wird alles anders!“ Indem er seine Zuschauer direkt adressiert und körperlich attackiert, um sie aus ihrer Passivität sowohl im Kinosaal als auch im Alltagsleben zu reißen, führt er Präsenzerfahrungen des Theatralischen in die Kinokultur ein. Eine Art Rückkehr zum frühen Kino, in dem der direkte Dialog mit dem Publikum gesucht wird. Die direkte Interaktion mit dem Publikum in der Überlagerung von Straßentheater, politischer Aktion und Film als Waffe wird in der Container-Aktion „Bitte liebt Österreich“ auf ein neues Level gehoben. Auf Einladung der Wiener Festwochen stellt Schlingensief im Frühjahr 2000 direkt neben der Wiener Staatsoper einen Container auf. Ironische Referenz: die Fernsehshow „Big Brother“. Politische Travestie: Asylwerber werden für ihre Abschiebung gecastet, auf dem Container wird das Schild „Ausländer raus“ enthüllt, blaue FPÖ-Flaggen werden gehisst. Schlingensief lässt aus dem Container Videobilder live ins Internet übertragen – das Publikum kann online über Abschiebungen abstimmen. Eine Konstante seines filmischen Werkes ist die extradiegetische Bearbeitung des Publikums: „Schlingensief ist ein Filmemacher, dem das Kino von Anfang an zu kalt und distanziert ist, der, bewusst oder unbewusst, zur direkten Konfrontation, zum Theater und zur Performance strebt.“ (Georg Seeßlen)
Schlingensief führt das Kino wieder zum Theater zurück, kämpft gegen das Kino der Repräsentation und der Reproduktion und sucht an dessen Stelle das Lebensweltliche der direkten Konfrontation. So ist es nur konsequent, dass er den Film aus dem Kino befreien und erweitern wird.
Erweitertes Kino Christoph Schlingensief genießt nicht nur seine Rolle des Publikumsschrecks, sondern auch seine missionarische Rolle als sozialer Regisseur und verordnet allen Beteiligten eine gemeinschaftsstiftende Intensiverfahrung: „Immer wieder entrückt er sein Team für die Dauer der Dreharbeiten der Normalität. Für ‚100 Jahre Adolf Hitler‘ sperrt er sie in einen Bunker in Mülheim/Ruhr, für ‚Terror 2000‘ in eine trostlose NVA-Kaserne in Massow/Brandenburg, für ‚United Trash‘ entführt er sie bis Afrika.“ (Enno Patalas) Der 60-minütige Streifen „100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker“ wird in 24 Stunden gedreht und verdeutlicht, dass Schlingensief in eine tiefe Sehnsucht nach Präsenz, Authentizität − etwas, das er im industriell-technischen Kinokomplex nicht finden kann − verwickelt ist. Seine Filmarbeiten stehen dem Ansatz des in den 1960er-Jahren entwickelten Expanded Cinema nahe. Das „erweiterte Kino“ gibt sich nicht damit zufrieden, Film auf eine Leinwand zu projizieren, es arbeitet mit Multimedia-Aktionen, Performance-Elementen (Schauspiel, Tanz) und zielt darauf ab, das Publikum in die Aufführung interaktiv einzubinden. Erweitertes Kino wird von Schlingensief bevorzugt auf der Theater- oder Opernbühne eingesetzt, etwa bei „Bambiland“, das 2003 am Burgtheater in Wien Premiere hat, oder im Rahmen der 2004 uraufgeführten „Parsifal“-Inszenierung in Bayreuth. Am konsequentesten setzt Schlingensief diesen Ansatz mit seiner Aktion „Area 7“ um, die 2006 am Burgtheater uraufgeführt wird. In einer begehbaren Installation, die er „Animatograph“ nennt, verteilt er Videobilder und Livekameras auf unterschiedliche Projektionsflächen und -gegenstände, wodurch Bühnenraum und Publikumsbereich ineinander übergehen können. Schlingensief ist ein Filmregisseur im Übergang. Er hat Film und Video als Ins trumente für die Dekonstruktion politischer Identität und medial gestützter Bildkulturen andauernd weiterentwickelt und für neue Anwendungskulturen adaptiert – und damit neue Räume (medien-)politischer Intervention eröffnet. F
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FOTOS: FILMGALERIE 451
Der neunjährige Christoph als Lehrer in seinem Frühwerk „Die Schulklasse“ von 1969, daneben: zwei Szenen aus Bettina Böhlers aktueller Doku „Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien“
Artwork zu Schlingensiefs erstem Langfilm, „Tunguska – Die Kisten sind da“ (1983/84), der bei seiner Uraufführung gleich einmal Feuer fing
Schlingensief machte lieber Avantgarde als Subventionskino: „The African Twintowers (2005–08), „Die 120 Tage von Bottrop“ (1997, mit Kurt Kren, winkend) und „United Trash“ (1994/95)
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Für ein paar Tropfen Milch in den Tee lässt sich ein englischer Großgrundbesitzer eigens eine Kuh in den Westen kommen
Der Geschmack der Zivilisation S
ein Traum ist ein eigenes Hotel mit einer Bäckerei. Cookie (John Magaro) hat seinen Freund King Lu (Orion Lee) erst kürzlich kennengelernt, mitten in der Nacht im Wald, als er mit einer Gruppe von Trappern unterwegs war, die er als Koch versorgen musste, obwohl sie ihn miserabel behandelten. Und als King Lu sich auf der Flucht vor ein paar Russen, die ihn erschießen wollten, im Unterholz versteckt hielt. Dass Cookie den Chinesen zunächst mit ei-
nem Indigenen verwechselte, war für diesen das geringste Problem: „Everyone’s here.“ Wegen des Goldes, von dem alle träumen. Doch Träume gehen im Gegensatz zu Wün-
schen selten in Erfüllung. Nicht nur ein Dach über dem Kopf zu haben, sondern mit einem eigenen Hotel sogar anderen Reisenden ein solches bieten können: Das ist an der amerikanischen Westküste um 1820 für jemanden wie Cookie tatsächlich Illusion. „First Cow“ ist ein Film, dessen Erzählung sich
in wenigen Worten beschreiben ließe: Es geht um Freundschaft, um noch unzerstörte Natur, Einwanderer, Glückssucher, um amerikanische Geschichte und den mit ihr untrennbar verknüpften Mythos von der großen Freiheit. Ein Western, der anders aussieht als die meisten Western der letzten 100 Jahre. Dazu müsste man aber auch anmerken, dass viele moderne Western mitt-
EMPFEHLUNG: MICHAEL PEKLER
lerweile so aussehen wie „First Cow“, was wiederum Kelly Reichardt und ihrem Einfluss auf das US-Independentkino zuzuschreiben ist. Reichardt, die bereits in „Meek’s Cutoff “ (2010) ein kleines Siedlergrüppchen über die Cascade Mountains schickte, damit es sich hoffnungslos in den Hochebenen Oregons verirre („We’re not lost, we’re looking for the right way“), ist bekannt für ihre Filme über die Vergessenen und Verlorenen, ihre Liebe für Außenseiter, die Nomaden und die Suchenden. Für Filme, in denen sich die Geschichte Amerikas mit der Gegenwart kurzschließt. Wie eine Reminiszenz an ihren ersten Erfolgsfilm, „Wendy and Lucy“, in dem Mi-
FOTO: A 24 / ALLYSON RIGGS
Kelly Reichardts moderner Western „First Cow“ führt ins Oregon Territory von 1820 und sieht entschieden anders aus als die meisten Western aus den letzten 100 Jahren
V I E N N A L E 2 0 F A L T E R chelle Williams auf der Suche nach Arbeit durch das moderne Amerika streift, mutet denn auch der Prolog von „First Cow“ an, der in der Gegenwart spielt und in dem eine junge Frau mit einem Hund am Ufer des Columbia River etwas aus der Erde buddelt. Ein harter Schnitt setzt einen Schritt in die Vergangenheit: Cookie gräbt unweit dieses Fundorts ein paar Pilze aus dem nassen Waldboden, mit denen er den Pelzjägern keine Freude bereiten wird. Das Bild vom Ausgraben und Finden taucht in „First Cow“ in der Folge immer wieder auf. Als Cookie wenig später King Lu trifft, hat er eine verwandte Seele gefunden. „First Cow“ beruht auf dem Roman „The Half-Life“ von Jonathan Raymond, dem langjährigen Co-Autor der Regisseurin, dessen reduzierte, oft in Oregon angesiedelte Geschichten seit „Old Joy“ und „Wendy and Lucy“ das erzählerische Fundament für Reichardts Filme bilden. Dass in „The HalfLife“ – von dessen zweitem Erzählstrang über zwei Frauen in den 1980er-Jahren nur der Prolog und das Ende des Films übrig geblieben sind – gar keine Kuh vorkommt, macht die Originalität von „First Cow“ noch ungewöhnlicher: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist die „Frontier“ noch nicht im Nordwesten Amerikas angekommen, dafür die Schiffe aus dem Pazifik mit Einwanderern aus Russland und China. Der englische Grundbesitzer (Toby Jones), der sich neben seiner indigenen Dienerschaft ein paar Tropfen Milch in seinem Tee gönnen will, hat sich zu diesem Zweck eine Kuh kommen lassen. Reichardt inszeniert die Szene, in der das Tier auf einem Floß herbeigeschafft und nahezu feierlich an Land gebracht wird, wie eine Zeremonie. Es ist nicht nur eine Demonstration des neben der angeschwemmten Armut bereits fest etablierten Wohlstands, sondern vor allem eine der kolonialistischen Macht. Wer überleben will, braucht hier Geld oder
Glück. Die Freunde, die bald zu Geschäftspartnern werden, haben wenigstens einen Einfall. Dieser ist zwar gefährlich, aber erfolgversprechend. „It’s dangerous“, meint Cookie, als sie ihren Plan beschließen. „So is anything worth doing“, meint darauf King Lu, der talentierte Kaufmann, der weiß, wie viel Geld man benötigt, um sich statt eines Traumes wenigstens einen Wunsch zu erfüllen – zum Beispiel nach San Francisco zu gelangen. Sie beschließen, die Kuh heimlich nachts zu melken, um aus der Milch das beste Gebäck im ganzen Territorium zu backen. In ihrer behelfsmäßig zusammengezimmerten Waldhütte rührt Cookie, der jetzt wirklich Bäcker geworden ist, den Teig mit einem Rührbesen aus Zweigen. Das in der öligen Pfanne entstandene Gebäck, das sie auf dem Markt verkaufen, schmeckt vor allem dem bestohlenen Grund- und Kuhbesitzer hervorragend: „I taste London in this cookie. South Kensington!“ Mit der ersten Kuh erreicht auch der Geschmack der Zivilisation diesen abgelegenen Flecken, an dem die Kälte und Feuchtigkeit sich tief in die Erde graben. Bis jemand kommt, der nicht Geschichten über Gold und Biberfelle ausgräbt, sondern eine vom vielfältigen Reichtum eines klebrigen Gebäcks. F
Michael Pekler ist Filmkritiker in Wien und Koautor von Büchern über Ang Lee und Terrence Malick. Er schreibt u.a. im Schweizer Filmbulletin und die TV-SerienSeite des Falter
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Die Szene, in der das Tier auf einem Floß herbeigeschafft und nahezu feierlich an Land gebracht wird, ist nicht nur eine Demonstration des neben der angeschwemmten Armut bereits fest etablierten Wohlstands, sondern vor allem eine der kolonialistischen Macht
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„Sie hat schon viele DIY-Videos gepostet“, erzählt Regisseurin Eliza Hittman über Sidney Flanigan, „da ist sie sehr einsam und grantig und ein sehr authentischer Teenager“
„Will ich wirklich Julianne Moore?“ M
it ihrem queeren Jugendporträt I N T E R V I E W : „Beach Rats“ sorgte die Regisseu- J U L I A rin Eliza Hittman vor drei Jahren P Ü H R I N G E R international für Furore. Ihr jüngster Film, „Never Rarely Sometimes Always“, erzählt äußerst realistisch von der Odyssee der jungen Autumn (Sidney Flanigan) und ihrer besten Freundin Skylar (Talia Ryder) von Pennsylvania nach New York: Dort will der Teenager, quasi unter dem Radar der Erwachsenenwelt, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Das Gespräch mit Eliza Hittman fand bei der Berlinale statt. Gartenbau: Falter: Wie sind Sie auf das The-
Sa, 24.10., 20.30 Uhr + Di, 27.10., 6.30 Uhr Votiv: So, 25.10., 20.30 Uhr Stadtkino im Künstlerhaus: Mo, 26.10., 18 Uhr Filmcasino: Mi, 28.10., 18 Uhr (OmU)
ma Abtreibung gekommen? Eliza Hittman: Ich habe von Savita Halappanavar gehört, einer jungen Inderin in Irland, die starb, weil man ihr die lebensrettende Abtreibung verweigert hatte, und war am Boden zerstört. Dann habe ich ein Buch über irische Frauen gelesen, die nach London – und am selben Tag wieder zurück – fuhren, um eine Abtreibung zu machen. Ich habe mich gefragt, was das amerikanische Ab 29.10. läuft „Niemals Äquivalent zu diesem Narrativ sein könn- selten manchmal te und habe mit der Recherche begonnen. immer“ regulär im Kino
Das war vor sieben, acht Jahren? Hittman: Genau. Ich bin mit meinem Partner losgefahren und drei Stunden später sind wir westlich von New York City in Pennsylvania in kleinen, halb verlassenen Kohlebergbaustädten gelandet, in denen die Zeit ein bisschen stehen geblieben ist. Ich überlegte mir: Wenn die Geschichte hier beginnen würde und ich wäre die Hauptfigur, wohin würde ich mich wenden? Also bin ich in das örtliche Schwangerschaftszentrum gegangen, eines dieser behelfsmäßigen kleinen Zentren, die mit Spenden finanziert werden und voller freundlicher älterer Damen sind. Da habe ich dann ein „Beratungsgespräch“ geführt – ich setze das bewusst unter Anführungszeichen. Ungefähr zum selben Zeitpunkt wurde ich schwanger, ich hatte gesundheitliche Probleme und auch finanzielle. Außerdem waren die Reaktionen sehr gemischt, als ich den Film gepitcht habe, deshalb habe ich das Projekt einmal sein lassen und mich auf „Beach Rats“ konzentriert.
sylvania nach Port Authority, dem New Yorker Busbahnhof, genommen. Ich war in vielen Kliniken, bei Planned Parenthood in Manhattan, habe mit Sozialarbeiterinnen und Ärztinnen verschiedene Szenarien durchgespielt: Wenn ich eine Minderjährige wäre und käme in Ihr Büro – wie würden Sie reagieren, worauf würden Sie achten? Ich habe eine Sozialarbeiterin getroffen, mit der ich mich besonders gut verstanden habe, sie heißt Kelly Chapman, und sie sagte etwas, das sich bei mir im Kopf festgesetzt hat, als ich das Drehbuch schrieb: „Die Krise ist nie die Abtreibung, sondern das große Rätsel, was zuhause passiert. Das lässt sich nicht herausfinden in der Stunde, die man mit jemandem vor dem Eingriff verbringt.“ Als ich den Film dann gecasted und die Klinikmitarbeiter besetzt habe, sah ich mir eine Liste von Schauspielerinnen durch und überlegte: Will ich wirklich, dass Julianne Moore die Sozialarbeiterin spielt oder vielleicht Leslie Jones? Und ich dachte mir: Nein, casten wir doch Kelly.
Wie haben Sie dann weiterrecherchiert? Hittman: Ich habe den Greyhound von Penn-
War es leicht, einen Film über Abtreibung finanziert zu bekommen?
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Wie kriegt man einen Film zum Thema Abtreibung hin? Eliza Hittman über „Never Rarely Sometimes Always“
V I E N N A L E 2 0 F A L T E R Hittman: Nein, das war schon eine Her-
ausforderung. Dann haben die Leute auch noch vorgefasste Meinungen darüber, was ein „Problemfilm“ ist. Niemand will ein Drama machen, das auch noch ein „Problemfilm“ ist. Es war schwer rüberzubringen, dass es keiner wird, sondern ein Film von mir, gefiltert durch meine Augen, meine Ästhetik, meine Weltanschauung. Man hätte ihn sehr billig drehen können, aber meine Produzentinnen Sara Murphy und Adele Romanski haben dafür gekämpft, dass es meine Version des Filmes wurde und nicht die Lo-Fi-Version.
FOTO: UNIVERSAL
Wenn man Geschichten neu erzählen will, braucht es neue Formen. Haben Sie versucht, eine neue Form des Roadmovie zu erfinden? Hittman: Ich habe den Film immer eine Art poetische Odyssee genannt. Es ist auch ein Roadmovie, ein Alltagsthriller. Es ist ein „Procedural Drama“ und hat gewisse soziorealistische Aspekte, es bedient sich bei verschiedenen Formen. Sie zeigen auch die alltägliche Belästigung von Frauen … Hittman: Ich wollte das Publikum in die Lage dieser jungen Frauen versetzen und sie den männlichen Blick spüren lassen. Die beiden haben diese enge Verbindung, und ununterbrochen gibt es Männer, die uneingeladen versuchen, in ihre Intimsphäre einzudringen. Das sind einfach Mikroaggressionen, beispielsweise mit welcher Selbstverständlichkeit Männer eine Frau berühren, die sie nicht kennen. Dass Freundlichkeit
Eliza Hittman, 41, stammt aus New York und studierte Film am CalArts. 2013 stellte sie ihr Debüt „It Felt Like Love“ vor, mit „Beach Rats“ (2017) wurde sie international bekannt. Daneben drehte sie für Fernsehserien wie „High Maintenance“ und „13 Reasons Why“
als Flirt missverstanden wird. So kleine Interaktionen, die einer im Laufe der eigenen Erfahrung als Frau immer bewusster werden. Wie haben Sie Ihre Hauptdarstellerinnen gefunden? Talia Ryder hat trotz ihrer Jugend schon eine lange Karriere, Sidney F lanigan ist noch ziemlich neu im Geschäft … Hittman: Mein Partner, der Regisseur Scott Cummings, drehte eine Doku mit einer Gruppe Vorstadtkids, den Juggalos, und Sidney war mit einem davon zusammen. Beim Casting habe ich mir hunderte junge Frauen angesehen und die ganze Zeit gesagt: Ich will jemanden wie sie. Sie ist auch Musikerin und hat viele DIY-Videos auf Facebook gepostet, da ist sie sehr einsam und grantig und ein sehr authentischer Teenager. So habe ich ihr ein bisschen beim Aufwachsen zugesehen. Als ich dann noch immer keine Hauptdarstellerin hatte, haben wir sie angebettelt, das Drehbuch zu lesen.
* Roe v. Wade: Eine Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahr 1973, nach der Schwangerschaftsabbruch automatisch unter das Recht auf Privatsphäre fällt
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Sidney hat den Übergang zum Schauspielen sehr leicht hinbekommen, sie ist auf eine künstlerische Schule gegangen und hat schon ihr ganzes Leben lang performt. Was hat sich in den letzten sieben, acht Jahren geändert, dass es jetzt möglich wurde, diesen Film zu machen? Hittman: Ganz sicher hat mir „Beach Rats“ Türen geöffnet. Frauen in der Filmindustrie müssen immer mehrere Schritte machen, es führt für sie der Weg nicht von A nach Z in Sachen Budget. Und man hat viel mehr über das Thema Reproduktionsrechte und Zugang gesprochen. Die Bedrohung wächst, dass „Roe v. Wade“* gekippt wird und es viel extremere Verbote gibt, die es vor allem armen Frauen und women of color sehr schwer machen. Die meisten Frauen in den USA müssen für einen Schwangerschaftsabbruch immer noch weiter als 50 Kilometer reisen. Erzählen Ihnen jetzt viele Frauen von ihren Abtreibungen? Hittman: Ja. In Utah habe ich auch mit drei Teenagern gesprochen, die Aufklärungsunterricht an öffentlichen Schulen machen. An Schulen in Utah darf man nur über Abstinenz sprechen. Sie haben erzählt, wie sie heimlich Kondome verteilen. Da ist mir noch einmal schlagartig klar geworden, wie schrecklich die Lage wirklich ist. F Julia Pühringer ist Redakteurin des Fernsehmagazins Tele. Für den Falter interviewt sie Filmstars und Regisseurinnen auf den Festivals von Berlin bis Cannes
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Die Statistik gibt Boston recht: Vor der Corona-Pandemie waren die Arbeitslosenzahlen in der Stadt erfreulich niedrig, die Diversität in der Verwaltung sichtbar
Die Bibliothek, die er in „Ex Lib-
ris – The New York Public Library“ (2017) abbildete, bezeichnete Wiseman als die wahrscheinlich demokratischste Institution von allen: Jeder ist willkommen, unabhängig von Hautfarbe, sozialer Schicht und Herkunft. Genau das, wofür der amtierende Präsident der USA nicht steht. Donald Trump ist gegen Migration, kürzt Mittel für Gesundheits- und Bildungsprogramme, ignoriert wissenschaftliche Evidenz. So wurde der Film nach der Wahl Trumps unvermittelt zu einem politischen Statement. Wie funktioniert eine demokratisch regierte Stadt? Das führt zum Kern von „City Hall“, in dem Wise man die Wiege der Freiheit, das „Athen Amerikas“, wie die Metropole in Fremdenverkehrsprospekten beworben wird, porträtiert: Boston. Der Dokumentarfilmer, Pionier des rein beobachtenden Direct Ci-
Gut, besser, Boston In „City Hall“ feiert Frederick Wiseman seine Heimatstadt als positives Role-Model für Amerikas gespaltene Gesellschaft DOKUMENTATION: MARTIN NGUYEN
nema, vor 90 Jahren selbst in dieser Stadt in Neuengland geboren und aufgewachsen, streift scheinbar unbemerkt – ohne zu kommentieren oder Interviews zu führen – durch Besprechungszimmer, nimmt an Konferenzen in Bezirksämtern und Treffen zur Stadtentwicklung teil. Er erkundet die Dienste der Kommunalregierung, die in ihrer Komplexität und Vielzahl manchmal die Bürgerinnen und Bürger sogar eher abschrecken, als dass sie sie in Anspruch nähmen. „Die Menschen verstehen nicht, was wir tun“, fasst der seit 2013 amtierende demokratische Bürgermeister Marty Walsh die Kluft zwischen Verwaltungsapparat und Bevölkerung zusammen. Walsh tritt nicht als Hauptfigur des
Das Rathaus (links oben) und der Bürgermeister Marty Walsh (links unten)
Films, nicht als strahlender Held auf, vielmehr ist er das wiederkehrende Symbol für die Stadtverwaltung selbst. Ganz im Gegensatz zur Trump’schen Inszenierung als besserwisserischer, allmächtiger Politiker, hat der charismatische Bürgermeister gänzlich konträre Qualitäten aufzuweisen: soziale Kompetenz und Empathie. Aus der eigenen Biografie schöpft er Anknüpfungspunkte zu seinen „Bostonians“. Vor von inneren und äußeren Wunden gezeichneten Kriegsveteranen spricht Walsh erstaunlich freimütig von seiner früheren Alkoholsucht als Symptom einer Sprachlosigkeit. Demonstrierenden Krankenschwestern dankt
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ie funktioniert eine Stadt? Diese Frage stellt sich Frederick Wiseman in seiner jüngsten Arbeit „City Hall“, die – in bewährt ausufernder Manier – hinter die Kulissen des riesigen Getriebes blickt, ohne das das tägliche Leben nicht seinen akkuraten Verlauf nähme: die Verwaltung einer großen Stadt. Die eindringlichen Porträts, in denen der US-Dokumentarist sich vornehmlich amerikanischen Institutionen widmet, wurden stets in ihrem historischen und politischen Kontext gelesen.
V I E N N A L E 2 0 F A L T E R er aus persönlicher Betroffenheit: Sie waren für ihn da, als er mit einer Krebsdiagnose in frühester Kindheit im Krankenhaus lag. Mitglieder der lateinamerikanischen Community holt er mit der eigenen Geschichte von Diskriminierung ab: Als Kind irischer Einwanderer kenne er Demütigung und Diffamierung nur allzu gut – aber seht her, was möglich ist, wenn so einer wie er hier Bürgermeister werden kann! Seinen ersten Film hat Wiseman vor
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über 60 Jahren gedreht, doch sein aktueller Blick auf die Stadtverwaltung zeugt von unverminderter Vitalität und Neugierde; für die Kamera zeichnet John Davey (sein Stammkameramann seit 1979), für den Ton er selbst. Die filmischen Erkundungen seiner „lebenslangen Erwachsenenbildung“ streifen wiederkehrende Themen: leistbares Wohnen, Obdachlosigkeit, Menschen mit Beeinträchtigungen, ökonomische Ungleichheiten. Wie sind kurzfristige Lösungen mit dauerhaften Ergebnissen in Einklang zu bringen? Wiseman betont, er habe „City Hall“ gemacht, um zu zeigen, wie essenziell eine Regierung für ein erfolgreiches Zusammenleben sei. Die Statistik gibt Boston recht. Vor der Corona-Pandemie waren die Arbeitslosenzahlen in der Stadt erfreulich niedrig, die Diversität in der Verwaltung sichtbar, trotz der immer noch ausstehenden Gleichstellung von Frauen und Minderheiten. Dass es trotz der Lobeshymnen Walshs noch ein weiter Weg zur Gleichberechtigung ist, zeigt sich in einer eingehenden Sequenz eines „Community Meetings“. Amerikanisch-asiatische Entrepreneurs stellen sich den mehrheitlich nichtweißen Gemeindemitgliedern eines verarmten Bostoner Problembezirks. Die Stimmung ist von Unmut, Zweifeln und Differenzen geprägt. Das Vorhaben, ausgerechnet hier einen Cannabis-Shop zu eröffnen, werde die Probleme im Viertel nur noch vergrößern. Die Sorge, nicht angemessen repräsentiert zu sein, als Stimme nicht gehört zu werden, schwingt in allen Wortmeldungen der frustrierten Bewohner und Bewohnerinnen mit. Hier scheint sich Boston dann doch nicht so stark vom Rest der USA zu unterscheiden. Dass „City Hall“ ohne jeden Zweifel Pro-Walsh und Anti-Trump ist, muss Wiseman filmisch nicht sonderlich betonen. Es setzt ein offen parteiliches, politisches Zeichen: Boston als positives Role-Model für Amerikas gespaltene Gesellschaft – ein Plädoyer, wie es kurz vor der USPräsidentschaftswahl zeitgemäßer nicht sein könnte.
Stimmenhören und Selbstbestimmung Natalia Metas sanft satirischer Psychothriller „El prófugo“ verläuft zwischen Synchronsprechen und Falschsingen KRITIK: DREHLI ROBNIK
er Titel kommt erst nach 23 MiD nuten ins Bild, nach einer imposanten Drohnenfahrt über einen
Hotelkomplex, Wald, Strand und Ozean. Da hat „El prófugo“ bereits eine Pärchenurlaubssatire mit creepy Momenten absolviert, das Thema der Verfolgung durch Sinnestäuschungen etabliert, eine Leiche im Pool platziert und die Frage in den Raum gestellt, wer nun dieser – oder doch diese – titelgebende ,,Geflüchtete“ ist. Am Ende wird sich in „El prófugo“ alles wundersam fügen: Inés (stark: Érica Rivas) hat Stadien einer driftenden Flucht durchlaufen, vor wie auch zu Erscheinungen und Körpern, die wirklich da sind oder auch nicht; sie hat sich ganz getrennt, von Schuldgefühlen freigespielt, sich verliebt, sich im Umgang mit ihren Nachstellungen mit einem Tontechniker und einer hexenhaften alten vocal artist verbündet. Der Abspann läuft über ihren Gesang, der vom Ariensolo über wogenden Tanz in einem Frauenchor in ein heiteres Latin-Pop-Furioso moduliert. „Amor“ singt der Chor. Natalia Metas argentinischer Psycho-
thriller kredenzt uns entrahmte Visionen. „Entrahmt“ in dem Sinn, dass Bewusstseinszustände nicht durch Frames markiert, Übergänge also fließend sind. Das ist nicht neu; das ist Paranoia. Deren Anmutung und Thrill sind hier entrahmt auch im Sinn von abgespeckt: keine Konspirations- oder Ursprungsmythen, kein Nervenreißen, das uns zu schweißgebadet kreischenden Kinovirenschleudern machen würde; vielmehr ist „El prófugo“ sanft in der Creepiness wie in der Satire und der
Sozialexperiment in Queens, New York
Erotik, bleibt in Schwebe und Andeutung auch im Flirt, Tanz und Cunnilingus mit einem leicht verschrobenen Orgelstimmer (Nahuel Pérez Biscayart, derzeit mit „Persischstunden“ im Kino). Im Sinn verflüssigter Grenzen – und nur in diesem Sinn – passt es auch, dass der Verleihtitel aus dem Fluchtwesen einen „Intruder“ macht.
Weil alles von Crime durchtränkt ist: „Intimate Distances“
Paranoia heißt wörtlich „Neben-Den-
lingt wie ein Streich auf der StraK ße, Phillip Warnells einstündiger „Intimate Distances“ versteht
ken“: Etwas läuft „leicht daneben“ zum Bewusstsein mit. „El prófugo“ hat es mit Stimmen, die – unter Anweisung und dennoch flüchtig – mitklingen und das Bewusstsein fordern. Ein Spektrum an MitStimmen weht durch den Plot und seine Räume, von Frauenchorproben unter Maestro-Diktat zum Strandbar-Karaoke, vom Stimmenhören zu Stimmbändervisualisierung beim HNO-Arzt oder als Lamellen im Konzerthaus – und zu Stimmen, die sich von Urhebern verselbstständigen: Schnarchen und Sprechen im Schlaf, das Posing einer Flugbegleiterin zum Erklärtext, Inés’ wie aufgezogen redende oder per Handy doppelt vorhandene Mutter (Almodóvar-Veteranin Cecilia Roth), gar die Übertragung von Kehlkopfanomalien in einen Stromschlag. Und: Inés ist Synchronsprecherin; sie stöhnt für Pornos und kreischt für Horrorfilme, unter Headphones und Regieanweisung, im Dunkel von Studioboxen, mit Echos von Brian DePalma und „Berberian Sound Studio“. Das ist stylish und stimmig. F Admiralkino: Fr, 23.10., 18 Uhr Urania: Mi, 28.10., 21 Uhr Gartenbau: Do, 29.10., 11.30 Uhr (OmenglU)
Urania: So, 25.10., 11 Uhr Blickle Kino: 27.10., 18 Uhr (OF)
Martin Nguyen macht Filme und arbeitet in der Programmredaktion der Falter:Woche
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Inés (Érica Rivas) stöhnt für Pornos und kreischt für Horrorfilme
BEOBACHTUNG: DAVID AUER
sich aber als ,,Sozialexperiment“. Wie auch immer, eine ältere Frau geht in Queens, New York, auf junge Passanten – ausschließlich Männer – zu und fragt, ob sie schon einmal Verbrechen begangen haben. Das klingt edgy genug fürs Prank-TV im Netz, kommt von der Machart aber eher als Kunstfilm-Installation daher, die gut in eine Ausstellung passen würde. Und die Erscheinung derjenigen, die diese Frage stellt, sowie ihre zutrauliche Art – Marke: einfühlsame Oma – fangen jeglichen potenziellen Unmut der Befragten im Vorhinein ab. Zudem verpackt Martha Wollner, ih-
res Zeichens Casting Director auf der Suche nach ,,kriminell aussehenden“ Menschen, die zentrale Informationsbeschaffungsmaßnahme in unverfängliche Worthülsen. Manche Antworten fallen spärlich aus oder laufen auf ein simples Nein hinaus, manche Anbahnungen entwickeln sich zu proto-psychotherapeutischen Gesprächen. So wie Wollner die Menschen (nicht racial) profilingmäßig abscannt, werden viele Szenen von einer am Dach montierten Kamera festgehalten, als handle es sich um besseres CCTV. Mal zoomt sie raus, mal rein, immer aber bleibt es recht ominös. Ebenso wie das Voice-over eines Ex-Knackis, der stellenweise in kryptischen Sentenzen von seiner kriminellen Vergangenheit und dem Alltag im Gefängnis raunt. ,,All that is unintelligible is criminal in substance“, heißt es in einem Zitat am Schluss. Anders gesagt: Polizei und Psychologie sind zwei Seiten derselben Kontroll-Medaille. Gar nicht blöd, aber etwas spröd. Urania: Sa, 24.10., 16 Uhr Le Studio: Mo, 26.10., 18 Uhr Stadtkino im Künstlerhaus: Do, 29.10., 13 Uhr Filmcasino: Sa, 31.10., 20.30 Uhr (OF)
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VON TRÜFFELHUND UND E
iner der Jäger hat überhaupt keinen Spaß mehr an der Trüffelsuche. Als der Händler ihn auf seinem Hof besucht und zum Weitermachen überreden will, ist er nahe dran, ihm das Hackbeil nachzuwerfen. Denn er weiß genau, dass dieser die mühsam gefundene Knolle um den vielfachen Preis an reiche Unternehmer verkauft. Also an genau die Leute, die mit ihrer Gier seine Arbeit zu einem gefährlichen Geschäft gemacht haben – zumindest für seinen Hund, ohne dessen feine Nase keine Trüffel gefunden würden. Nur das Gift in den ausgelegten Ködern kann er nicht riechen. Später setzt sich der Verweigerer in seinem kargen Häuschen an den Tisch und hackt statt Holz eine letzte Erklärung in seine alte Schreibmaschine. Keiner der Männer, die seit vielen Jahren mit ihren Hunden die Wälder des Piemont nach der begehrten weißen Alba-Trüf-
RUNDBLICK: MICHAEL PEKLER
„The Truffle Hunters“ Gartenbau: So, 1.11., 19 Uhr Blickle Kino / Le Studio / Admiralkino / Votiv / Filmcasino: So, 1.11., 20.30 Uhr Urania / Filmmuseum / Metro Kinokulturhaus / Stadtkino im Künstlerhaus: So, 1.11., 21 Uhr (OmU)
fel durchstreifen, ist jünger als 70. Jedenfalls keiner von denen, die in „The Truffle Hunters“ als Protagonisten auftauchen. Und alle wirken sie erwartungsgemäß verschroben, als ob das Eigenbrötlerische die Voraussetzung für die Trüffeljagd sei. Das macht „The Truffle Hunters“ zu einem me-
lancholischen und gleichzeitig humorvollen Film, weil die Suche als ehrbare – und schon deshalb vom Aussterben bedrohte – Arbeit dargestellt wird; einem alten Handwerk gleich, bei dem die Verbundenheit zwischen Mensch und Tier den Ausschlag für den Erfolg gibt. Humorvoll deshalb, weil man den alten Käuzen gerne dabei zusieht, wie sie ihre Schrulligkeit ausleben. Gerade weil die Viennale dazu übergegangen ist, Dokumentarfilme in ihrem Festivalprogramm nicht mehr als solche auszuweisen, ist es sinnvoll, auf diese besonders
hinzuweisen. Während ein Großteil des Spielfilmprogramms nämlich gut und gerne auch einen regulären Kinostart erleben könnte, sehen sich Dokumentarfilme ebendort von fernsehtauglichen Dokumentationen über Klima, Globalisierung und Donald Trump längst an den Rand gedrängt. Dabei ist ein Film wie „The Truffle Hunters“ keineswegs ein kleiner Film aus Norditalien, sondern – und das sieht man ihm auch an – eine von Sony Pictures vertriebene US-amerikanische Produktion (Regie: Michael Dweck, Gregory Kershaw), die sich auch deshalb bereits als internationaler Festivaldarling erwiesen hat. Herausragende dokumentarische Arbeiten im Viennale-Programm, wie Frederick Wisemans viereinhalbstündiger neuer Film „City Hall“ über die Bostoner Stadtregierung oder John Gianvitos von der Schriftstellerin und Sozialistin Helen Keller ins-
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Dokumentarfilme, die sich nicht über ihr Thema, sondern ihre Form definieren, sind eine gefährdete Spezies. Bei der
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Was „The Truffle Hunters“ (l.), „Her Name Was Europa“ (o.) und „The Two Sights“ (u.) verbindet, ist eine dokumentarische Vielfalt, wie sie nur noch im Kino zu finden ist
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zu. Ohne sie zu Gesicht zu bekommen, hören wir ihre oft mysteriösen Geschichten, die auf das Geheimnis des titelgebenden „zweiten Blicks“, auf etwas Verborgenes verweisen: vom Dorf unter Wasser, aus dem die Taucher Stimmen zu vernehmen glauben; vom todkranken Mann, der noch ein letztes Mal mit seinem monatelang zur See fahrenden Sohn sprechen wollte; vom Mann, der mit Blei um den Hals ins Wasser ging; oder vom gestrandeten Wal, der an seinem eigenen Gewicht starb. Vielleicht ist die größte Qualität dieses Films, dass er sich, anders als „The Truffle Hunters“, eines Themas im herkömmlichen Sinn entschlägt. „The Two Sights“ handelt nicht von der Natur oder den Bewohnern einer abgeschiedenen Inselgruppe, sondern von einer originär filmischen Idee: Farbe, Geräusch, Rhythmus, Licht und Bewegung. Man könnte jetzt pathetisch formulieren und behaupten, dass Dokumentarfilme in Zeiten wie diesen, in denen die Unterscheidung zwischen falschen Wahrheiten und Tatsachen mancherorts eine unüberwindbare Hürde darstellt, wichtiger seien als je zuvor. Das würde aber nicht stimmen, denn der Dokumentarfilm verfährt mit der Wirklichkeit ähnlich wie der Steinmetz mit dem Granitblock, aus dem er etwas herausschlägt. Und es ist nicht Aufgabe des Dokumentarfilms, ein offensichtlich vorhandenes Bedürfnis nach Information – über Natur, Geschichte, Umweltschutz oder Politik – zu erfüllen. Denn das Kino dient nicht der Information, sondern der Reflexion. In „Her Name Was Europa“ von Anja Dornie-
AUEROCHS Viennale sind einige herausragende Beispiele zu sehen piriertes Werk „Her Socialist Smile“, haben aufgrund ihrer sogenannten Sperrigkeit oder nicht kompatiblen Länge keine solche Chance. Eben das trifft auch auf die kanadischbritische Produktion „An dà shealladh/The Two Sights“ von Joshua Bonnetta zu, gefilmt auf der vor der Westküste Schottlands gelegenen Inselgruppe der Äußeren Hebriden. Wobei der Ausdruck „gefilmt“ nicht so recht
passen will zu diesen Bildern, die im Laufe zweier Jahre entstanden sind. Im Abspann bezeichnet Bonnetta, der auch für Kamera, Montage und Ton alleinverantwortlich zeichnet, das Ergebnis als „Sammlung“, und tatsächlich haben die rauen, mitunter nahezu experimentell anmutenden 16-mmLandschaftsaufnahmen von Buchten, Stränden, Klippen und Gräsern mit Aufnahmen,
wie man sie aus konventionellen Naturdokus kennt, nichts zu tun. Hier geht es nicht um die Schönheit der Natur, sondern um ihr Wesen. Und ausnahmsweise nicht darum, was der Mensch aus der Natur macht, sondern sie mit ihm. Zu Beginn des Films sieht man aus einiger Entfernung, wie Bonnetta ein riesiges Mikrofon auf einem windumtosten Hügel aufbaut (und am Ende wieder mitnimmt), so als ob die schiere Aufzeichnung der Töne und Geräusche ihr natürliches Geheimnis offenbaren könnte. Unweigerlich denkt man an Joris Ivens’ phänomenalen Versuch, mit „Eine Geschichte über den Wind“ die Unsichtbarkeit des Windes für das Kino festzuhalten. Zum Gekreische der Möwen und dem Gemurmel des Wassers kommen bei Bonnetta die auf Gälisch und Englisch eingesprochenen Erzählungen der Bewohner hin-
„An dà shealladh / The Two Sights“ Le Studio: Fr, 23.10., 20.30 Uhr Blickle Kino: Mi, 28.10., 21 Uhr (OmU/ OmenglU) „Her Name Was Europa“ Filmmuseum: Fr, 23.10., 21 Uhr Metro Kinokulturhaus: Sa, 24.10., 19.15 Uhr und So, 25.10., 19 Uhr (OmenglU)
den und Juan David González Monroy ist es das Nachdenken darüber, wie man einen Film über etwas drehen kann, das unsichtbar, weil bereits verschwunden ist: den Auerochsen. Statt eines spektakulären Wiederansiedlungsprogramms beobachtet man also eine Handvoll Wissenschaftler auf genetischer Spurensuche. Das klingt spannender, als es ist, weil Dornieden und González Monroy bewusst auf dramaturgische Entschleunigung setzen: zweckdienliche Hinweise werden auf 16-mm-Schwarzweißfilm mittels bedruckter Folie ins Bild geschoben. Und hat sich im niederländischen Labor zufällig Dreck auf dem Negativ festgesetzt, muss man sich dieselbe Szene eben noch einmal anschauen. „Her Name Was Europe“ verliert das „Tauros-Programm“ genannte Experiment denn auch irgendwann aus den Augen, besucht einen Modellator, der einen Auerochsen zusammenbaut, eine auf Rinderzeichnungen spezialisierte Illustratorin oder berichtet vom Berliner Zoodirektor Lutz Heck, einem Freund Hermann Görings, der in den 1920er-Jahren von einem „Rückzuchtprogramm“ fantasierte. Was „The Truffle Hunters“, „The Two Sights“ und „Her Name Was Europa“ exemplarisch verbindet, ist eine dokumentarische Vielfalt, wie sie nur noch im Kino zu finden ist. Einem Trüffel suchenden Hund eine Kamera umzuschnallen, auf einer Atlantikinsel ein Mikrofon aufzubauen oder die Bullenparade im osthessischen Hilders zu besuchen ist weniger eine Frage des Themas als vielmehr eine des Zugangs zur Wirklichkeit. F
DER FALTER-VIENNALE-PLANER 20 DO, 22.10. ADN
GARTENBAUKINO
11.30
(Maïwenn, F/DZA 2020, OmenglU, 90 min)
Druk
14.30 17.30
FR, 23.10.
19.00 Ad una mela (Viennale-Trailer 2020)
(Alice Rohrwacher, I/Ö 2020, OF, 2 min)
Miss Marx
(Susanna Nicchiarelli, I/B 2020, OmU, 107 min)
20.30
HISTORISCHER SAAL
METRO
11.00 Miss Marx
(Susanna Nicchiarelli, I/B 2020, OmU, 107 min)
(Chaitanya Tamhane, IND 2020, OmenglU, 127 min)
Überraschungsfilm
Quo vadis, Aida?
Epicentro
The Trouble with Being Born
Aufzeichnungen aus der Unterwelt
Never Rarely Sometimes Always
Rizi
First Cow
First Cow
23.15 Druk
Domangchin yeoja
The African Twintowers
Tako se kalio celik
Die letzte Stadt
13.45 Was bleibt I Šta ostaje I What Remains / Re-visited
13.45 Isabella
(Bettina Böhler, D 2020, OmenglU, 124 min)
(Raúl Ruiz, Valeria Sarmiento, CHL 1967/2020, OmenglU, 70 min)
(Tizza Covi, Rainer Frimmel, Ö 2020, OmenglU, 115 min)
(Orson Welles, USA 1970/2020, OF, 130 min)
(Jasmila Žbanić, BiH/D/F/NL/NOR/Ö/PL/RO 2020, OmU, 103 min)
(Hubert Sauper, Ö/F 2020, OmU, 108 min)
(Eliza Hittman, USA 2020, OmU, 101 min)
(Tsai Ming-liang, TWN 2019, 127 min)
(Kelly Reichardt, USA 2019, OF, 122 min)
(Thomas Vinterberg, DK 2020, OmU, 115 min)
Siberia
(Abel Ferrara, I/D/MEX 2020, OmU, 91 min)
(Sandra Wollner, Ö/D 2020, OmenglU, 94 min)
(Kelly Reichardt, USA 2019, OF, 122 min)
(Hong Sangsoo, KOR 2019, OmenglU, 77 min)
11.00
(Eva Giolo, B 2019, OmenglU, 18 min) Domovine (Jelena Maksimović, SRB 2020, OmenglU, 63 min)
13.30
13.15 Tipografic majuscul
13.45 Menu Total
(Radu Jude, RO 2020, OmenglU, 128 min)
(Christoph Schlingensief, BRD 1985, OmenglU, 81 min)
Orphea
16.30 Kaze no denwa
Atarrabi et Mikelats
Davos
19.15 Her Name Was Europa
19.00 Her Name Was Europa
Die ersten Tage
16.00
20.30 Ad una mela (Viennale-Trailer 2020)
(Alice Rohrwacher, I/Ö 2020, OF, 2 min)
Miss Marx
(Susanna Nicchiarelli, I/B 2020, OmU, 107 min)
18.30
(Alexander Kluge, Khavn De La Cruz, D 2020, OmenglU, 99 min)
18.45 Tunguska – Die Kisten sind da
(Christoph Schlingensief, BRD 1984, OmenglU, 75 min)
Si c’était de l’amour
(Patric Chiha, F 2020, OmU, 82 min)
Selva trágica
13.00
IM KÜNSTLERHAUS
The Disciple
(Alice Rohrwacher, I/Ö 2020, OF, 2 min)
17.15 Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien
23.30 El tango del viudo y su espejo deformante
21.00
STADTKINO
11.00 Ad una mela
MO, 26.10.
Aufzeichnungen aus der Unterwelt
A Tongue Called Mother
URANIA
SO, 25.10.
14.00 Hopper/Welles
(Thomas Vinterberg, DK 2020, OmenglU, 115 min)
(Tizza Covi, Rainer Frimmel, Ö 2020, OmenglU, 115 min)
23.00
SA, 24.10.
(Yulene Olaizola, MEX/F/COL 2020, OmenglU, 96 min)
Los conductos
(Christoph Schlingensief, D/Namibia 2005–08, OmenglU, 70 min)
(Zelimir Zilnik, YU 1988, OmenglU, 101 min)
(Clarissa Thieme, D/Ö/BIH 2020, OmenglU, 70 min)
(Nobuhiro Suwa, J 2020, OmenglU, 139 min)
(Eugène Green, F/B 2020, OmenglU, 123 min)
(Anja Dornieden, Juan David González Monroy, D 2020, OmenglU, 76 min)
21.30 Ma ma he qi tian de shi jian
(Li Dongmei, CHN/F 2020, OmenglU, 134 min)
Fauna
(Nicolás Pereda, MEX/CAN 2020, OmenglU, 70 min)
(Anja Dornieden, Juan David González Monroy, D 2020, OmenglU, 76 min)
21.15 Die Revolution frisst ihre Kinder!
(Heinz Emigholz, D 2020, OmU, 100 min)
(Matías Piñeiro, ARG/F 2020, OmenglU, 80 min)
(Daniel Hoesl, Julia Niemann, Ö 2020, OmenglU, 90 min)
(Herbert Holba, Ö 1971, OmenglU, 77 min)
100 Jahre Adolf Hitler (C. Schlingensief, BRD 1988/89, OmenglU, 54 min)
(Jan-Christoph Gockel, Ö/BF 2020, OmenglU, 73 min)
Das deutsche Kettensägenmassaker
12.30 Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien
12.45 Imperial Irrigation
(Bettina Böhler, D 2020, OmenglU, 124 min)
(C. Schlingensief, D 1990, OmenglU, 63 min)
(Lukas Marxt, D/Ö/USA 2020, englOF, 20 min) 12.45 Frem (Viera Cákanyová, CZ/SVK 2020, englOF, 73 min)
Responsabilidad empresarial
Mutters Maske
Nackte Tiere
17.45 Aufzeichnungen aus der Unterwelt
Hopper/Welles
Never Rarely Sometimes Always
Was bleibt I Šta ostaje I What Remains / Re-visited
Davos
21.00 Zaho Zay
20.45 Ordinary Creatures
23.00
22.45 Die letzte Stadt
Die Filme nach den FIlm-Filmen: Theaterfilme
23.15 Egomania – Insel ohne Hoffnung
Été 85
11.00
Shirley
Rizi
City Hall
Los conductos
13.30
Ping jing
13.45 Été 85
15.30 18.00
20.30 Ad una mela (Viennale-Trailer 2020)
(Alice Rohrwacher, I/Ö 2020, OF, 2 min)
Miss Marx
(Susanna Nicchiarelli, I/B 2020, OmU, 107 min)
20.30
16.00
(Camilo Restrepo, F/COL/BRA 2020, OmenglU, 70 min)
(Melanie Waelde, D 2020, OmenglU, 83 min)
(Clarissa Thieme, D/Ö/BIH 2020, OmenglU, 70 min)
(Heinz Emigholz, D 2020, OmU, 100 min)
(Josephine Decker, USA 2019, OF, 106 min)
(Song Fang, CHN 2020, OmenglU, 93 min)
20.30 Ad una mela (Viennale-Trailer 2020)
(Alice Rohrwacher, I/Ö 2020, OF, 2 min)
Miss Marx
(Susanna Nicchiarelli, I/B 2020, OmU, 107 min)
18.30 21.00 Features Shorts Kinematografie: Zelimir Zilnik Kollektion Diagonale '20 Monografie: Christoph Schlingensief Monografie: Isabel Pagliai Kinematografie: Austrian Auteurs Recycled Cinema
Domangchin yeoja
(Hong Sangsoo, KOR 2019, OmenglU, 77 min)
Imperial Irrigation
(Jonathan Perel, ARG 2020, OmenglU, 68 min)
(Tizza Covi, Rainer Frimmel, Ö 2020, OmenglU, 115 min) (Daniel Hoesl, Julia Niemann, Ö 2020, OmenglU, 90 min)
(Christoph Schlingensief, BRD 1987/88, OmenglU, 83 min)
(Orson Welles, USA 1970/2020, OF, 130 min)
(Georg Tiller, Maéva Ranaïvojaona, Ö/F/MDG 2020, OmenglU, 77 min)
(Christoph Schlingensief, D/CH/Namibia 2004–2010, 110 min)
(Christoph Schlingensief, BRD 1986, OmenglU, 86 min)
(Tsai Ming-liang, TWN 2019, 127 min)
(Frederick Wiseman, USA 2020, OF, 272 min)
15.15 Epicentro
(Hubert Sauper, Ö/F 2020, OmU, 108 min)
(Eliza Hittman, USA 2020, OmU, 101 min)
(Thomas Marschall, Ö 2020, englOF, 75 min)
(François Ozon, F 2020, OmenglU, 100 min)
(Camilo Restrepo, F/COL/BRA 2020, OmenglU, 70 min)
La Nuit des rois
(Philippe Lacôte, F/CIV/CAN/SEN 2020, OmenglU, 93 min)
(François Ozon, F 2020, OmenglU, 100 min)
The Human Voice
(Pedro Almodóvar, E 2020, OmenglU, 30 min)
Intimate Distances
(Phillip Warnell, GB/USA 2020, OF, 61 min)
Février
16.15 Slow Machine
(Kamen Kalev, BGR 2020, OmenglU, 125 min)
(Paul Felten, Joe DeNardo, USA 2020, OF, 72 min)
(Lukas Marxt, D/Ö/USA 2020, englOF, 20 min) Frem (Viera Cákanyová, CZ/SVK 2020, englOF, 73 min)
Atarrabi et Mikelats
18.45 Effacer l’historique
(Benoît Delépine, Gustave Kervern, F/B 2020, OmU, 106 min)
The Disciple
(Eugène Green, F/B 2020, OmenglU, 123 min)
21.30 Isabella
21.30 Sheytan vojud nadarad
21.15 Quo vadis, Aida?
21.15 Kajillionaire
(Matías Piñeiro, ARG/F 2020, OmenglU, 80 min)
(Mohammad Rasoulof, D/CZ/IRN 2020, OmU, 150 min)
(Jasmila Žbanić, BiH/D/F/NL/NOR/Ö/PL/RO 2020, OmenglU, 103 min)
(Chaitanya Tamhane, IND 2020, OmenglU, 127 min)
(Miranda July, USA 2019, OmU, 104 min)
Kartenvorverkauf
Tickets per Telefon
Vorverkauf ab 17. Oktober, tägl. ab 10 Uhr
17. Oktober bis 1. November, täglich 10 bis 20 Uhr 01/526 594 769 Ausverkaufte Vorstellungen: Ab 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn werden Wartenummern für verfügbare Resttickets ausgegeben
METRO KINOKULTURHAUS: 17. und 18. Oktober, 10 bis 20 Uhr GARTENBAUKINO: 17. bis 21. Oktober täglich 10 bis 20 Uhr, 22. Oktober von 10 bis 17 Uhr
Alle Termine, alle Kinos auf einen Blick
DI, 27.10. 6.30 Never Rarely Sometimes Always (E.Hittman, USA 2020, OmU, 101 min)
MI, 28.10. Dorogie Tovarishchi!
11.30 Été 85 (François Ozon, F 2020,
(Andrei Konchalovsky, RUS 2020, OmenglU, 120 min)
Effacer l’historique
Notturno
OmenglU, 100 min)
(Benoît Delépine, Gustave Kervern, F/B 2020, OmU, 106 min)
(Gianfranco Rosi, I/F/D 2020, OmenglU, 100 min)
Jetzt oder morgen
Hochwald
(Lisa Weber, Ö 2020, OmenglU, 90 min)
(Evi Romen, Ö/B 2020, OmenglU, 108 min)
Siberia
Seize printemps
(Abel Ferrara, I/D/MEX 2020, OmU, 91 min)
(Suzanne Lindon, F 2020, OmU, 73 min)
OF Originalfassung OmU Originalfassung mit deutschen Untertiteln englOF englische Originalfassung OmenglU Originalfassung mit englischen Untertiteln
falter.at/viennale
DO, 29.10. 6.30 Druk (Thomas Vinterberg, DK 2020, OmU, 115 min)
FR, 30.10. Sheytan vojud nadarad
SA, 31.11. La Nuit des rois
11.30 El prófugo (Natalia Meta,
(Mohammad Rasoulof, D/CZ/IRN 2020, OmenglU, 150 min)
Rizi
15.00 Domangchin yeoja
Audience Choice
18.00 Nomadland
Gunda
(Victor Kossakovsky, NOR/USA 2020, 93 min)
Le Sel des larmes
(Chloé Zhao, USA 2020, OmU, 108 min)
Notturno
Nomadland
The World to Come
ARG/MEX 2020, OmenglU, 90 min)
(Tsai Ming-liang, TWN 2019, 127 min)
(Gianfranco Rosi, I/F/D 2020, OmenglU, 100 min)
(Hong Sangsoo, KOR 2019, OmU, 77 min)
(Chloé Zhao, USA 2020, OmU, 108 min)
Mainstream
11.30
Nomadland
14.30
(Gia Coppola, USA 2020, OF, 94 min)
(Chloé Zhao, USA 2020, OmU, 108 min)
17.30
(Philippe Garrel, F/CH 2019, OmenglU, 100 min)
(Mona Fastvold, USA 2020, OF, 98 min)
19.00 The Truffle Hunters
(Michael Dweck, Gregory Kershaw, I/USA/GR 2020, OmU, 84 min)
20.30
The World to Come
Mainstream
23.15 Shirley
(Gia Coppola, USA 2020, OF, 94 min)
(Josephine Decker, USA 2019, OF, 106 min)
Todos os mortos
Menu Total
Egomania – Insel ohne Hoffnung
Kurzfilmprogramm 3: Sent Messages
Lahi, Hayop
Her Socialist Smile
14.30 Kurzfilmprogramm 1: Somewhere in this World
Kurzfilmprogramm 2: The Future Will Tell
Seif gheir aadi
14.00 Lúa vermella
13.00 Hochwald
(Lois Patiño, E 2020, OmenglU, 84 min)
(Evi Romen, Ö/B 2020, OmenglU, 108 min)
Małni – Towards the Ocean, Towards the Shore
15.45 Stara skola kapitalizma
15.45 Hopper/Welles
Isabella Morra/Orfeo/Tendre
Quo vadis, Aida?
(Jasmila Žbanić, BiH/D/F/NL/NOR/Ö/PL/ RO 2020, OmenglU, 103 min)
16.00
Die glücklichen Minuten des Georg Hauser
Jesus von Ottakring
Schwitzkasten
Zechmeister
(Angela Summereder, Ö 1981, OmenglU, 83 min)
Zeus Machine. L’invincibile
(John Cook, Ö 1978, OmenglU, 97 min)
A Proposal to Project
18.30
Wood
21.15 Gli appunti di Anna Azzori
My Mexican Bretzel
Ping jing
Fauna
(Nicolás Pereda, MEX/CAN 2020, OmU, 70 min)
The Truffle Hunters
(Song Fang, CHN 2020, OmenglU, 93 min)
(Michael Dweck, Gregory Kershaw, I/USA/GR 2020, OmU, 84 min)
21.00
Février
Effacer l’historique
The World to Come
13.00
(Mona Fastvold, USA 2020, OF, 98 min)
(Caetano Gotardo, Marco Dutra, BRA/F 2020, OmenglU, 120 min)
The Lobby
(Heinz Emigholz, D/ARG 2020, englOF, 76 min)
Zaho Zay
(Georg Tiller, Maéva Ranaïvojaona, Ö/F/MDG 2020, OmenglU, 77 min)
(Mansur Madavi, Ö 1974, 75 min)
(Ebba Sinzinger, Michaela Kirst, Monica Lazurean-Gorgan, Ö/RO/D 2020, OmU, 96 min)
12.30 United Trash
(Christoph Schlingensief, D 1994/95, OmenglU, 76 min)
Shirley
(Josephine Decker, USA 2019, OF, 106 min)
17.45 Rizi
(Tsai Ming-liang, TWN 2019, 127 min)
Anne at 13,000 ft
(Kazik Radwanski, CAN/USA 2019, OF, 75 min)
(Christoph Schlingensief, BRD 1985, OmenglU, 81 min)
(Diverse, Ö/I/USA/CAN/GB 2019/20, OmenglU, 63 min)
(Sky Hopinka, USA 2020, OmenglU, 80 min)
(Wilhelm Pellert, Ö 1976, 98 min)
(Constanze Ruhm, Ö/D/F 2020, OmenglU, 72 min)
13.45 Nomery
(Oleg Sentsov, UKR/PL/CZ/F 2020, OmenglU, 104 min)
Zabij to i wyjedz z tego miasta
(Mariusz Wilczyński, PL 2019, OmenglU, 88 min)
ADN
(Maïwenn, F/DZA 2020, OmenglU, 90 min)
Mainstream
(Gia Coppola, USA 2020, OF, 94 min)
(Želimir Žilnik, SRB 2009, OmenglU, 122 min)
(Nuria Giménez Lorang, E 2019, englOF, 74 min)
(Diverse, CAN/ISL/USA/RUS/E/NZL/IND/ ARG 2019/20, OmenglU, 73 min) (Kamal Aljafari, PSE/D 2020, OmenglU, 80 min)
(Orson Welles, USA 1970/2020, OF, 130 min)
The Human Voice (Pedro Almodóvar, E 2020, OmenglU, 30 min) Intimate Distances (Phillip Warnell, GB/USA 2020, OF, 61 min)
First Cow
Zabij to i wyjedz z tego miasta
(Mariusz Wilczyński, PL 2019, OmenglU, 88 min)
La Nuit des rois
(Kelly Reichardt, USA 2019, OF, 122 min)
18.15 Jenayat-e bi deghat
Seize printemps
Her Socialist Smile
(Miranda July, USA 2019, OmU, 104 min)
(Shahram Mokri, IRN 2020, OmenglU, 139 min)
21.15 Malmkrog
(Cristi Puiu, RO/SRB/CH/SWE/BiH/MKD 2020, OmU, 201 min)
(Sandra Wollner, Ö/D 2020, OmenglU, 94 min) (Hubert Sauper, Ö/F 2020, OmenglU, 108 min)
(Diverse, Ö/I/F/SRB/LVA 2020, OmenglU, 76 min)
(Philippe Garrel, F/CH 2019, OmenglU, 100 min)
Kajillionaire
22.45 The Trouble with Being Born
Epicentro
(Christoph Schlingensief, BRD 1986, OmenglU, 86 min)
Le Sel des larmes
(Philippe Lacôte, F/CIV/CAN/SEN 2020, OmenglU, 93 min)
SO, 1.11.
(Suzanne Lindon, F 2020, OmenglU, 73 min)
(Artemio Narro, MEX 2020, OmenglU, 90 min)
Ma ma he qi tian de shi jian
(Li Dongmei, CHN/F 2020, OmenglU, 134 min)
(Philippe Lacôte, F/CIV/CAN/SEN 2020, OmenglU, 93 min)
(John Gianvito, USA 2020, OF, 93 min)
(Lav Diaz, PHL 2020, OmenglU, 157 min)
(Isabel Pagliai, F 2015–2020, OmenglU, 81 min)
(David Zamagni, Nadia Ranocchi, I 2019, OmenglU, 74 min)
(Benoît Delépine, Gustave Kervern, F/B 2020, OmU, 106 min)
Isabella
(Matías Piñeiro, ARG/F 2020, OmenglU, 80 min)
Explaining the Law to Kwame
(Roee Rosen, IL 2020, OmenglU, 23 min)
(Gianfranco Rosi, I/F/D 2020, OmenglU, 100 min)
Jetzt oder morgen
Slow Machine
23.15 El tango del viudo y su espejo deformante
Anne at 13,000 ft
Mainstream
The Trouble with Being Born
(Sandra Wollner, Ö/D 2020, OmenglU, 94 min)
(Gia Coppola, USA 2020, OF, 94 min)
(Mona Fastvold, USA 2020, OF, 98 min)
Zeus Machine. L’invincibile
(David Zamagni, Nadia Ranocchi, I 2019, OmenglU, 74 min)
Le Sel des larmes
21.00 The Truffle Hunters
Notturno
(Pavel Cuzuioc, Ö 2020, OmU, 86 min)
(Kazik Radwanski, CAN/USA 2019, OF, 75 min)
(Diverse, Ö 2019/20, OmenglU, 75 min)
(Philippe Garrel, F/CH 2019, OmenglU, 100 min)
(Jan Soldat, Ö/D 2020, OmenglU, 48 min)
(Paul Felten, Joe DeNardo, USA 2020, OF, 72 min)
(John Gianvito, USA 2020, OF, 93 min)
Wohnhaft Erdgeschoß
Bitte warten
(Ludwig Wüst, Ö 2020, englOF, 74 min)
23.00
(Miranda July, USA 2019, OmU, 104 min)
3.30 PM
(Lisa Weber, Ö 2020, OmenglU, 90 min)
ColOZio
(Kamen Kalev, BGR 2020, OmenglU, 125 min)
Kajillionaire
(Michael Dweck, Gregory Kershaw, I/USA/GR 2020, OmU, 84 min)
(Cristi Puiu, RO/SRB/CH/SWE/BiH/MKD 2020, OmU, 201 min)
Jetzt oder morgen
(Lisa Weber, Ö 2020, OmenglU, 90 min)
Selva trágica
13.30
Kajillionaire
16.00
(Radu Jude, RO 2020, OmenglU, 128 min)
Kaze no denwa
(Nobuhiro Suwa, J 2020, OmenglU, 139 min)
First Cow
Siberia
(Kelly Reichardt, USA 2019, OF, 122 min)
(Abel Ferrara, I/D/MEX 2020, OmU, 91 min)
Gunda
(Mona Fastvold, USA 2020, OF, 98 min)
El prófugo
21.30 Nackte Tiere
21.15 Notturno
Desterro
The Truffle Hunters
(Natalia Meta, ARG/MEX 2020, OmenglU, 90 min)
(Melanie Waelde, D 2020, OmenglU, 83 min)
Online-Tickets im Webshop Der Online-Ticketverkauf startet am 17. Oktober um 10 Uhr. Vorregistrierung: Ab 13. Oktober können Sie sich ab 20 Uhr für den Vorverkauf vorregistrieren
Kartenverkauf Retrospektive An den Vorverkaufskassen und im Filmmuseum (die Kasse öffnet eine Stunde vor der ersten Vorstellung)
(Catarina Vasconcelos, P 2020, OmenglU, 101 min)
(Gianfranco Rosi, I/F/D 2020, OmenglU, 100 min)
Todos os mortos
(Caetano Gotardo, Marco Dutra, BRA/F 2020, OmenglU, 120 min)
(Maria Clara Escobar, BRA/P/ARG 2020, OmenglU, 123 min)
20.30
13.00 Tipografic majuscul
The World to Come
(Raúl Ruiz, Valeria Sarmiento, CHL 1967/2020, OmenglU, 70 min)
18.00
11.00
A metamorfose dos pássaros
(Želimir Žilnik, SLO 2000, OmenglU, 80 min)
15.30
(Yulene Olaizola, MEX/F/COL 2020, OmenglU, 96 min)
El tango del viudo y su espejo deformante
16.15 Tvrdava Evropa
13.30
23.00
(Raúl Ruiz, Valeria Sarmiento, CHL 1967/2020, OmenglU, 70 min)
Malmkrog
11.00
(Miranda July, USA 2019, OmU, 104 min)
(Victor Kossakovsky, NOR/USA 2020, 93 min)
(Michael Dweck, Gregory Kershaw, I/USA/GR 2020, OmU, 84 min)
TICKETS: TEL. 01/526 594 769 ODER WWW.VIENNALE.AT
18.30 21.00
DER FALTER-VIENNALE-PLANER 20
VOTIVKINO
LE STUDIO FILMCASINO
BLICKLE KINO
ADMIRAL KINO
DO, 22.10. 18.00
18.00
FILMMUSEUM
SO, 25.10. Eyimofe
Mutters Maske
Le Sel des larmes
Zaho Zay
Miss Marx
Jenayat-e bi deghat
Los conductos
20.30 Ad una mela (Viennale-Trailer 2020)
Małni – Towards the Ocean, Towards the Shore
Si c’était de l’amour
Miss Marx
A metamorfose dos pássaros
Orphea
(C.W. Winter, Anders Edström, USA/SWE/J/GB 2020, OmenglU, 480 min)
20.30 Ad una mela (Viennale-Trailer 2020)
Lúa vermella
Février
Eté 85
Eyimofe
(François Ozon, F 2020, OmenglU, 100 min)
(Arie Esiri, Chuko Esiri, NGA 2019, OmenglU, 116 min)
Miss Marx
Slow Machine
Die letzte Stadt
Selva trágica
(Yulene Olaizola, MEX/F/COL 2020, OmenglU, 96 min)
Quo vadis, Aïda?
(Heinz Emigholz, D 2020, OmU, 100 min)
Isabella
Davos
(Susanna Nicchiarelli, I/B 2020, OmU, 107 min)
(Natalia Meta, ARG/MEX 2020, OmenglU, 90 min)
(Shahram Mokri, IRN 2020, OmenglU, 139 min)
(Sky Hopinka, USA 2020, OmenglU, 80 min)
(Arie Esiri, Chuko Esiri, NGA 2019, OmenglU, 116 min)
(Clarissa Thieme, D/Ö/BIH 2020, OmenglU, 70 min) (Camilo Restrepo, F/COL/BRA 2020, OmenglU, 70 min)
18.00
(Susanna Nicchiarelli, I/B 2020, OmU, 107 min)
(Catarina Vasconcelos, P 2020, OmenglU, 101 min)
(Lois Patiño, E 2020, OmenglU, 84 min)
(Philippe Garrel, F/CH 2019, OmenglU, 100 min)
(Christoph Schlingensief, BRD 1987/88, OmenglU, 83 min)
(Georg Tiller, Maéva Ranaïvojaona, Ö/F/MDG 2020, OmenglU, 77 min)
Seif gheir aadi
(Kamal Aljafari, PSE/D 2020, OmenglU, 80 min)
11.00 The Works and Days (Teil 1 und 2)
(Patric Chiha, F 2020, OmenglU, 82 min)
(Alice Rohrwacher, I/Ö 2020, OF, 2 min)
20.30
MO, 26.10.
El prófugo
(Alexander Kluge, Khavn De La Cruz, D 2020, OmenglU, 99 min)
(Kamen Kalev, BGR 2020, OmenglU, 125 min)
Sandlines, the Story of History (Francis Alÿs, MEX/IRQ 2020, OmenglU, 61 min)
(Alice Rohrwacher, I/Ö 2020, OF, 2 min)
20.30 18.00
(Susanna Nicchiarelli, I/B 2020, OmU, 107 min)
20.30 Ad una mela (Viennale-Trailer 2020)
(Paul Felten, Joe DeNardo, USA 2020, OF, 72 min)
Sandlines, the Story of History (Francis Alÿs, MEX/IRQ 2020, OmenglU, 61 min)
(Alice Rohrwacher, I/Ö 2020, OF, 2 min)
20.30 18.00
Miss Marx
(Susanna Nicchiarelli, I/B 2020, OmU, 107 min)
20.30 Ad una mela (Viennale-Trailer 2020)
(Matías Piñeiro, ARG/F 2020, OmenglU, 80 min)
Imperial Irrigation
An dà shealladh
20.30
Miss Marx
(Susanna Nicchiarelli, I/B 2020, OmU, 107 min)
13.30 16.00
(Alice Rohrwacher, I/Ö 2020, OF, 2 min)
Miss Marx
(Susanna Nicchiarelli, I/B 2020, OmU, 107 min)
18.30
El tango del viudo y su espejo deformante
Ping jing
Eté 85
Le Sel des larmes
(François Ozon, F 2020, OmenglU, 100 min)
(Philippe Garrel, F/CH 2019, OmenglU, 100 min)
Never Rarely Sometimes Always
Atarrabi et Mikelats
10.00 HyperNormalisation
Filme von Phil Solomon
Swastika
De Maalstroom: Een Familiekroniek
(Mariusz Wilczyński, PL 2019, OmenglU, 88 min)
21.00
Filme von Bruce Conner
(Patric Chiha, F 2020, OmU, 82 min)
(Artemio Narro, MEX 2020, OmenglU, 90 min)
(Raúl Ruiz, Valeria Sarmiento, CHL 1967/2020, OmenglU, 70 min)
(Melanie Waelde, D 2020, OmenglU, 83 min)
(Eliza Hittman, USA 2020, OmU, 101 min)
(USA 1989–2013, 88 min)
(Philippe Mora, GB 1973, dF, 113 min)
(Song Fang, CHN 2020, OmenglU, 93 min)
(Eugène Green, F/B 2020, OmenglU, 123 min)
(Péter Forgács, NL 1997, OmenglU, 60 min)
Rani radovi
Nomery
(Zelimir Zilnik, YU 1969, OmenglU, 78 min)
(Oleg Sentsov, UKR/PL/CZ/F 2020, OmenglU, 104 min)
Kurzfilmprogramm 1: Somewhere in this World
Kurzfilmprogramm 2: The Future Will Tell
Kurzfilmprogramm 3: Sent Messages
Kurzfilmprogramm 4: Shared Spaces, Emotional Spaces
19.00 A Perfect Body Is an Embarrassing Body
The Lobby
Filme von Cécile Fontaine
Dorogie Tovarishchi!
Her Name Was Europa
Ascent
Lahi, Hayop
Stereotypien des Westens
(Diverse, Ö/I/USA/CAN/GB 2019/20, OmenglU, 63 min)
MO, 2.11. Dead Men Don’t Wear Plaid
(Phillip Warnell, GB/USA 2020, OF, 61 min)
Nackte Tiere
Zabij to i wyjedz z tego miasta
(Anja Dornieden, Juan David González Monroy, D 2020, OmenglU, 76 min)
18.30
Intimate Distances ColOZio
(Lukas Marxt, D/Ö/USA 2020, englOF, 20 min) Frem (Viera Cákanyová, CZ/SVK 2020, englOF, 73 min)
(Marte / Everson / Swiczinsky / Gary / Subrin / Mistry, Ö/USA/ZA 1995-2020, 100 min)
21.00
(Pedro Almodóvar, E 2020, OmenglU, 30 min)
Si c’était de l’amour
(Joshua Bonnetta, GB/USA 2020, OmU, 87 min)
(Adam Curtis, GB 2016, OF, 166 min)
23.00 Ad una mela (Viennale-Trailer 2020)
(Jasmila Zbanic, BiH/D/F/NL/NOR/Ö/PL/RO 2020, OmU, 103 min)
The Human Voice
(Daniel Hoesl, Julia Niemann, Ö 2020, OmenglU, 90 min)
(Alice Rohrwacher, I/Ö 2020, OF, 2 min)
11.00
FILMMUSEUM
SA, 24.10. Was bleibt I Šta ostaje I What Remains / Re-visited
20.30 Ad una mela (Viennale-Trailer 2020)
(Alice Rohrwacher, I/Ö 2020, OF, 2 min)
20.30
FR, 23.10.
(Diverse, Ö/I/F/SRB/LVA 2020, OmenglU, 76 min)
(Heinz Emigholz, D/ARG 2020, englOF, 76 min)
(Fiona Tan, NL/J 2016, OmenglU, 80 min)
MI, 4.11. Velikiy put / Der große Weg
(Carl Reiner, USA 1982, OF, 88 min)
(Esfir Shub, UdSSR 1927, 114 min)
Shred, Scretch, Sync
(Gamsjäger / Baron, Goodwin / Grill, Siewert / Lurf / Draschan / Ahwesh / Proctor / Birnbaum / Weberhofer, Ö/USA 1978-2019, 79 min)
(USA 1957–1981, OF, 83 min)
(Lav Diaz, PHL 2020, OmenglU, 157 min)
Die Unschuld des Frühen
(Frampton / Gehr / Pinschewer, Seeber / Pfaffenbichler / Lye, D/GB/USA/Ö 1925–2008, 57 min)
Imitations of Life / Imitations of Life (Mike Hoolboom, CAN 2003, OF, 75 min)
MI, 18.11.
(John Gianvito, USA 2020, OF, 93 min)
(Diverse, F/P/BRA/CAN 2020, OmenglU, 88 min)
(Andrei Konchalovsky, RUS 2020, OmenglU, 120 min)
(F 1984–2006, 77 min)
DO, 5.11.
MO, 16.11.
SO, 15.11.
(Diverse, CAN/ISL/USA/RUS/E/NZL/IND/ARG 2019/20, OmenglU, 73 min)
Her Socialist Smile
(Brunel / Salloum, Suleiman / Markov, GB/CAN/ RUS 1924–2018, englOF, 101 min)
FR, 6.11. Filme von Santiago Álvarez (CU 1965–1969, englOF, 68 min)
Videogramme einer Revolution
(Harun Farocki, Andrei Ujica, D/RO 1992, OmU, 107 min)
SO, 22.11.
18.30
Pornografie dekonstruieren
Videogramme einer Revolution
A Perfect Body Is an Embarrassing Body
(Harun Farocki, Andrei Ujica, D/RO 1992, OmU, 107 min)
(Marte / Everson / Swiczinsky / Gary / Subrin / Mistry, Ö/USA/ZA 1995–2020, 100 min)
Poesie des Abfalls
(Diverse, USA/J/Ö/YU/RUS 1962–2014, OF, 82 min)
21.00
HyperNormalisation
Le Cinéma au service de l’histoire + Arbeiter verlassen die Fabrik (Germaine Dulac / Harun Farocki,
Filme von Arthur Lipsett
Imitations of Life
(Adam Curtis, GB 2016, OF, 166 min)
Features Shorts Kinematografie: Zelimir Zilnik Kollektion Diagonale '20 Monografie: Christoph Schlingensief Monografie: Isabel Pagliai Kinematografie: Austrian Auteurs Recycled Cinema
F / D 1935 / 1995, OF, 87 min)
(CAN 1961–1968, 71 min)
(Gioli / Saito / Hein / LeGrice / Heller / Fruhauf / Müller, I/CAN/Ö/BRD/GB/USA 1968–2015, 82 min)
(Mike Hoolboom, CAN 2003, OF, 75 min)
Kartenvorverkauf
Tickets per Telefon
Vorverkauf ab 17. Oktober, tägl. ab 10 Uhr
17. Oktober bis 1. November, täglich 10 bis 20 Uhr 01/526 594 769 Ausverkaufte Vorstellungen: Ab 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn werden Wartenummern für verfügbare Resttickets ausgegeben.
METRO KINOKULTURHAUS: 17. und 18. Oktober, 10 bis 20 Uhr GARTENBAUKINO: 17. bis 21. Oktober täglich 10 bis 20 Uhr, 22. Oktober von 10 bis 17 Uhr
Alle Termine, alle Kinos auf einen Blick
DI, 27.10. Dorogie Tovarishchi!
(Andrei Konchalovsky, RUS 2020, OmenglU, 120 min)
MI, 28.10.
falter.at/viennale
DO, 29.10.
The Works and Days (Teil 1)
The Works and Days (Teil 2)
(C.W. Winter, Anders Edström, USA/SWE/J/GB 2020, OmenglU, 240 min)
(C.W. Winter, Anders Edström, USA/SWE/J/GB 2020, OmenglU, 240 min)
My Mexican Bretzel
(Nuria Giménez Lorang, E 2019, englOF, 74 min)
City Hall
(Frederick Wiseman, USA 2020, OF, 272 min)
Malmkrog
Lahi, Hayop
(Cristi Puiu, RO/SRB/CH/SWE/BiH/MKD 2020, OmenglU, 201 min)
(Lav Diaz, PHL 2020, OmenglU, 157 min)
21.00 An dà shealladh
(Christoph Schlingensief, D 1997, OmenglU, 62 min)
Desterro
(Maria Clara Escobar, BRA/P/ARG 2020, OmenglU, 123 min)
SA, 31.11.
SO, 1.11.
16.30 El año del descubrimiento
Aufzeichnungen aus der Unterwelt
Seize printemps
Bitte warten
(Pavel Cuzuioc, Ö 2020, OmenglU, 86 min)
The Truffle Hunters
(Suzanne Lindon, F 2020, OmU, 73 min)
Ta fang jian li de yun
17.30 Sheytan vojud nadarad
Rizi
Druk
(Thomas Vinterberg, DK 2020, OmenglU, 115 min)
(Zheng Lu Xinyuan, CHN/HK 2020, OmenglU, 101 min)
(Luis López Carrasco, E/CH 2020, OmenglU, 200 min)
(Tizza Covi, Rainer Frimmel, Ö 2020, OmenglU, 115 min) (Michael Dweck, Gregory Kershaw, I/USA/GR 2020, OmU, 84 min)
(Mohammad Rasoulof, D/CZ/IRN 2020, OmenglU, 150 min)
(Tsai Ming-liang, TWN 2019, 127 min)
Anunciaron tormenta
The Truffle Hunters
Never Rarely Sometimes Always Kajillionaire
ADN
(Miranda July, USA 2019, OmU, 104 min)
First Cow
Dorogie Tovarishchi!
(Eliza Hittman, USA 2020, OmU, 101 min)
The Disciple
Hochwald
The World to Come
The Human Voice (Pedro Almodóvar, E 2020, OmenglU, 30 min) Intimate Distances (Phillip Warnell, GB/USA 2020, OF, 61 min)
The Truffle Hunters
Lúa vermella
Gli appunti di Anna Azzori / Uno specchio che viaggia nel tempo
Ordinary Creatures
Bitte warten
(Chaitanya Tamhane, IND 2020, OmenglU, 127 min)
Die Revolution frisst ihre Kinder!
Anne at 13,000 ft
Fauna
19.45 Wood
(Jan-Christoph Gockel, Ö/BF 2020, OmenglU, 73 min)
FR, 30.10.
3.30 PM
(Joshua Bonnetta, GB/USA 2020, OmU, 87 min)
Die 120 Tage von Bottrop
OF Originalfassung OmU Originalfassung mit deutschen Untertiteln englOF englische Originalfassung OmenglU Originalfassung mit englischen Untertiteln
(Kazik Radwanski, CAN/USA 2019, OF, 75 min)
(Ludwig Wüst, Ö 2020, englOF, 74 min)
(Evi Romen, Ö/B 2020, OmenglU, 108 min)
(Lois Patiño, E 2020, OmenglU, 84 min)
(Maïwenn, F/DZA 2020, OmenglU, 90 min)
(Mona Fastvold, USA 2020, OF, 98 min)
(Constanze Ruhm, Ö/D/F 2020, OmenglU, 72 min)
(Javier Fernández Vázquez, E 2020, OmenglU, 87 min)
(Michael Dweck, Gregory Kershaw, I/USA/GR 2020, OmU, 84 min)
(Kelly Reichardt, USA 2019, OF, 122 min)
(Thomas Marschall, Ö 2020, englOF, 75 min)
(Andrei Konchalovsky, RUS 2020, OmenglU, 120 min)
(Michael Dweck, Gregory Kershaw, I/USA/GR 2020, OmU, 84 min)
(Pavel Cuzuioc, Ö 2020, OmU, 86 min)
(Nicolás Pereda, MEX/CAN 2020, OmU, 70 min)
(Ebba Sinzinger, Michaela Kirst, Monica Lazurean-Gorgan, Ö/RO/D 2020, OmU, 96 min)
Domangchin yeoja
Kurzfilmprogramm 4: Shared Spaces, Emotional Spaces
Zabij to i wyjedz z tego miasta
The Truffle Hunters
Notturno
Domangchin yeoja
ADN
Effacer l’historique
Seize printemps
Druk
Ta fang jian li de yun
Sheytan vojud nadarad
Aufzeichnungen aus der Unterwelt
Shirley
Gunda
The Truffle Hunters
Dial H-I-S-T-O-R-Y + It Felt Like a Kiss
Reframing Dream Factory
Filme von Arthur Lipsett
Nash vek
(CAN 1961–1968, 71 min)
(Artavazd Peleshyan, UdSSR 1983, 50 min)
13.00 A metamorfose dos pássaros
El año del descubrimiento
(Gianfranco Rosi, I/F/D 2020, OmenglU, 100 min)
(Zheng Lu Xinyuan, CHN/HK 2020, OmenglU, 101 min)
(Hong Sangsoo, KOR 2019, OmenglU, 77 min)
(Mohammad Rasoulof, D/CZ/IRN 2020, OmU, 150 min)
Pays barbare
Decasia
(Bill Morrison, USA 2002, OF, 67 min)
Gde je dve godine bio Kenedi
(Z. Zilnik, SRB/MNE 2005, OmenglU, 26 min)
Tito po drugi put medu Srbima (Z. Zilnik, YU 1994, OmenglU, 43 min)
Explaining the Law to Kwame
(Roee Rosen, IL 2020, OmenglU, 23 min)
Wohnhaft Erdgeschoß
(Yervant Gianikian, Angela Ricci Lucchi, F/I 2013, OmenglU, 65 min)
13.00 Stara skola kapitalizma (Zelimir Zilnik, SRB 2009, OmenglU, 122 min)
(Gioli / Saito / Hein / LeGrice / Heller / Fruhauf / Müller, I/CAN/Ö/BRD/GB/USA 1968-2015, 82 min)
Terror 2000 – Intensivstation Deutschland (Christoph Schlingensief, D 1992, OmenglU, 75 min)
(Maïwenn, F/DZA 2020, OmenglU, 90 min)
(Tizza Covi, Rainer Frimmel, Ö 2020, OmenglU, 115 min)
(Johan Grimonprez / Adam Curtis, B/GB 1997 / 2009, OF, 122 min)
A Tongue Called Mother
(Eva Giolo, B 2019, OmenglU, 18 min) Domovine (Jelena Maksimovi, SRB 2020, OmenglU, 63 min)
A Proposal to Project
Responsabilidad empresarial
(Diverse, Ö 2019/20, OmenglU, 75 min)
(Jonathan Perel, ARG 2020, OmenglU, 68 min)
My Mexican Bretzel
Found Footage ist Intervention
(Jan Soldat, Ö/D 2020, OmenglU, 48 min)
Poesie des Abfalls
(Hong Sangsoo, KOR 2019, OmU, 77 min)
(Nuria Giménez Lorang, E 2019, englOF, 74 min)
(Galeta / Ponger / Tan / Brinckmann / Rimmer / Périot, Ö/YU/CAN//BRD/NL 1973-2012, OF, 78 min)
Pornografie dekonstruieren
Jenayat-e bi deghat
(Diverse, USA/J/Ö/YU/RUS 1962–2014, OF, 82 min)
SO, 8.11. Subversive Rache
(Gunvor Nelson / Craig Baldwin, USA 1966–2015, OF, 69 min)
„Feind Footage“: Bilder als Beute (Ridley / Kaiser / Capra / Kren / maschek, GB/D/USA/Ö 1943–2001, OF, 81 min)
MO, 9.11. Geschichte erinnern
(Tajiri / Groen / Mihálik / Bódy, Ö/H/CSSR/USA 1970–1998, OmenglU, 67 min)
Swastika
(Philippe Mora, GB 1973, dF, 113 min)
MO, 23.11. Ascent
(Shahram Mokri, IRN 2020, OmenglU, 139 min)
MI, 25.11. Found Footage ist Intervention
(Fiona Tan, NL/J 2016, OmenglU, 80 min)
(Galeta / Ponger / Tan / Brinckmann / Rimmer / Périot, Ö/YU/CAN//BRD/NL 1973–2012, OF, 78 min)
Stereotypien des Westens
Film ist. 1-6 + Film ist. 7–12
(Brunel / Salloum, Suleiman / Markov, GB/CAN/RUS 1924–2018, englOF, 101 min)
(Gustav Deutsch, Ö 1998/2002, 150 min)
Online Tickets im Webshop Der Online-Ticketverkauf startet am 17. Oktober um 10 Uhr. Vorregistrierung: Ab 13. Oktober können Sie sich ab 20 Uhr für den Vorverkauf vorregistrieren.
Kartenverkauf Retrospektive An den Vorverkaufskassen und im Filmmuseum (die Kasse öffnet eine Stunde vor der ersten Vorstellung)
(Diverse, F/P/BRA/CAN 2020, OmenglU, 88 min) (Benoît Delépine, Gustave Kervern, F/B 2020, OmU, 106 min)
(Josephine Decker, USA 2019, OF, 106 min) (Müller / Lemieux / Arnold / Simunic / Cornell / Provost / Milosevic / Kubelka / Schwentner, D/CAN/Ö/YU/B/USA 1936–2007, 88 min)
Tunguska – Die Kisten sind da (Christoph Schlingensief, BRD 1984, OmenglU, 75 min)
Anunciaron tormenta
(Javier Fernández Vázquez, E 2020, OmenglU, 87 min)
Isabella Morra/Orfeo/Tendre
(Isabel Pagliai, F 2015–2020, OmenglU, 81 min)
Film ist. 1–6 + Film ist. 7–12
(Gustav Deutsch, Ö 1998/2002, 150 min)
(Mariusz Wilczyński, PL 2019, OmenglU, 88 min)
(Suzanne Lindon, F 2020, OmenglU, 73 min)
(Michael Dweck, Gregory Kershaw, I/USA/GR 2020, OmU, 84 min)
(Thomas Vinterberg, DK 2020, OmU, 115 min)
(Victor Kossakovsky, NOR/USA 2020, 93 min)
(Michael Dweck, Gregory Kershaw, I/USA/GR 2020, OmU, 84 min)
(Catarina Vasconcelos, P 2020, OmenglU, 101 min)
(Luis López Carrasco, E/CH 2020, OmenglU, 200 min)
15.30 3.30 PM
20.30 18.00 20.30 18.00 20.30 18.00 20.30 18.00 20.30 11.00 13.30 16.00
(Ludwig Wüst, Ö 2020, englOF, 74 min)
18.00 Tipografic majuscul
18.00
(Radu Jude, RO 2020, OmenglU, 128 min)
Le Cinéma au service de l’histoire + Arbeiter verlassen die Fabrik (Germaine Dulac / Harun
18.30
Farocki, F / D 1935 / 1995, OF, 87 min)
Filme von Peter Tscherkassky (Ö 1985–2015, OF, 86 min)
FR, 13.11.
The Truffle Hunters
(Michael Dweck, Gregory Kershaw, I/USA/GR 2020, OmU, 84 min)
21.00
SA, 14.11.
Filme von Phil Solomon
Nash vek / Unser Jahrhundert
18.30
Dial H-I-S-T-O-R-Y + It Felt Like a Kiss
Dead Men Don’t Wear Plaid
21.00
(USA 1989–2013, 88 min)
(Johan Grimonprez / Adam Curtis, B/GB 1997 / 2009, OF, 122 min)
(Artavazd Peleshyan, UdSSR 1983, 50 min)
(Carl Reiner, USA 1982, OF, 88 min)
DO, 26.11. 18.00 30 Jahre sixpackfilm: Hidden Treasures and Leftovers (Diverse, Ö 1995–2020, OF, 105 min)
Subversive Rache
(Gunvor Nelson / Craig Baldwin, USA 1966-2015, OF, 69 min)
TICKETS: TEL. 01/526 594 769 ODER WWW.VIENNALE.AT
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Überschäumen in zwanghafter Alltags „Kajillionaire“ und „Shirley“: Zwei US-Dramen mit Witz um Machtrituale in Kleinfamilien mit Anhang und das SCHRULLSTUDIEN: DREHLI ROBNIK
Das Gewand ist alt, die Miete überfällig; ein Whirlpool wär cool, man könnte einen anzahlen und nach Einmalnutzung retournieren. Dad (Richard Jenkins) ist leidend, Mum (Debra Winger) nüchtern, die Toch-
ter namens Old Dolio (Evan Rachel Wood) ist 26, heiser und gehemmt. Auf einem Flug (zwecks Gepäckversicherungsschwindel) schließt sich der Familie eine kesse Nudel an. Sie ist nämlich Fan der „Ocean’s 11“-Con-Movies. Die redselige Puerto-Ricanerin (Gina Rodriguez) wird Old Dolio aus ihrer Klemme befreien. Von Gefühlsarmut zur Emotionseruption: Die-
ses Emanzipationsnarrativ ist an sich konventionell. Und das filmübergreifende Thema des Nachspielens von „Familie“ weist ins Plakative: Volkshochschulkurssitzungen über Baby-Brust-Bindung als Modell der Elternbeziehung, das Vorspielen tröstlicher Family-Soundscapes – als wär’s von Yorgos Lanthimos – für alte Leute, die man beklaut. Allein, Julys sonniges Draufloserzählen – schon das Titelwort „Kajillionaire“, quasi „Fantastilliardär“, steht für Überschwang im Formulieren – versetzt Psychound Genremotive in Taumel: Als finsterstmöglicher Ort zum Rebirthing dient ein
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Frau im Haus ist Shirley Jackson (1916–1965), die Autorin vielverfilmter Horrorund Ichspaltungsromane
Tankstellenklo, das zum bestirnten Weltall gerät; Old Dolio tanzt, die Mähne fliegt; am Supermarktschluss ein Kassakuss, und zur Leitmotiv-Geigenschmacht eines Songklassikers schäumt nun auch Gesang – „Lonely ... I’m Mr. Lonely ...“ July vermittelt Exzentrik in klar komponier-
ten Bildern; die Indie-Regisseurin Josephine Decker versetzt Reproduktionsarbeitsalltag in diffuse Strudel. „Shirley“ betört mit seltsam bevölkerter Soundscape, verwischt den Blick im körpernahen Kameradelirium: Ränder sind unscharf, Bewegungen kurz, Anschlüsse unerwartet. Zwei Ehepaare im Campushaushalt um 1960: Das junge sucht eine Literaturwissenschafts-Postdoc-Stelle für ihn und eine Unterkunft, die ihr zum ambivalenten Gefängnis wird. „Little wifey“ versus Shirley: Frau im Haus ist Shirley Jackson (1916−1965), Autorin vielverfilmter Horror- und Ichspaltungsromane. Alle spielen sehr gut: Michael Stuhlbarg, Logan Lerman als sein Protegé, Odes-
FOTO: MAT T KENNEDY
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iranda Julys Filme entfalten oft multiethnische Sozietäten, die skurril wie Kunstprojekte verknüpft sind. Etwa in der Engführung von Kinderfantasie, Netzkunst und Galeriemilieu in „Me and You and Everyone We Know“ (2005). In „Kajillionaire“, einer Tragikomödie mit einem Anflug von Con-Artist-Movie, geht es nun um eine weiße Kleinfamilie, die sich mit Trickbetrug und Restl verwertung durchschlägt. Das erscheint als täglich gelebtes Performance-Ritual: etwa wenn die drei routinemäßig literweise triefenden Badeschaum von der Wand ihrer Wohnung wischen, die im Büro einer Bubble-Factory eingehaust ist; oder wenn die Tochter ihren Postschließfachdiebstahl als Modern-Dance-Choreografie gestaltet.
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Massage in Echtzeit Tsai Ming-liang setzt mit „Rizi“ seine Erkundung der Langsamkeit fort EINFÜHLUNG: GERHARD MIDDING
s ist eine kuriose Prozedur, der sich E Kang hier unterzieht. Merkwürdige Objekte sind auf seinen Rücken drapiert, klei-
Miranda Julys „Kajillionaire“ ist eine Tragikomödie mit Trickbetrügern und Modern-Dance-Choreografien (l.). Kleine Bosheiten, illegitime Berührungen: Elisabeth Moss in „Shirley“ mit Odessa Young (o.) und Michael Stuhlbarg (u.)
lebenskunst
FOTO: THATCHER KEATS / L AMF SHIRLEY INC. (2), VIENNALE (2)
Heim als unlebbaren Ort sa Young als Zofe, Muse und Schülerin von Elisabeth Moss. La Moss, sie macht uns ein: Königin im Reich der Ehehöllerollen als tippende Titanin mit Giftpilz-Gusto in dieser Lustgruselkammer von einem Biopic. Das Verschwinden einer Studentin, dem Shirleys neuer Roman gelten soll, ist eine Spur unter vielen Motivparallelen von schaurigem Werk und häuslichem Leben. Geschieht hier „Haunting“, ein Spuk? Oder das Irrewerden einer Intellektuellen im patriarchalen Sozialgefüge und übervollen Interieur? Endlose Bettschwere, kleine Bosheiten, illegitime Berührungen: Wie in Jacksons „Hill House“ oder im Film „Lizzie“ stachelt eine funkelnde Frau eine fragile an. Shirley selbst hat ihr lebensdienliches Arrangement: Ihr Narziss-Gemahl ermöglicht ihr das Saufen und Schreiben. Die junge Frau ist irgendwann Mutter, aber nie wieder „wifey“. F
„Kajillionaire“ Urania: Mo, 26.10., 21.15 + So, 1.11., 16 Uhr Stadtkino im Künstlerhaus: Mi, 28.10., 13 Uhr Filmcasino: Do, 29.10., 18 Uhr Gartenbau: Sa, 31.10., 23 Uhr (OmU)
„Shirley“ Urania: Fr, 23.10., 11 Uhr Stadtkino im Künstlerhaus: Di, 27.10., 15 Uhr Gartenbau: Do, 29.10., 23.15 Uhr Drehli Robnik ist Theoriedienstleister in Sachen Film Votiv: Fr, 30.10., 20.30 Uhr & Politik, Autor superer Bücher, zuletzt zu Machtspielen im Pandemiefilm („Ansteckkino“) (OF)
ne Holzstückchen liegen neben Metallscheiben, über denen Kugeln glühen oder wieder entzündet werden müssen. Diese Behandlung mag Heilung versprechen, erfordert aber komplizierte Brandschutzmaßnahmen. Es dauert eine Weile, bis wir entdecken, dass es sich bei ihr um eine besonders brenzlige Spielart der Akupunktur handelt. Orthopädische Unbill ist uns bereits aus Tsai
Ming-liangs früheren Filmen vertraut, die den Betroffenen eher Kontorsionen als Bewegungen gestatteten. Sein Stammschauspieler Lee Kang-Sheng, der früher die Jüngeren verkörperte, übernimmt in „Rizi“ (internationaler Titel: „Days“) nun den Part des Älteren, Gebrechlichen. Zuweilen erleben wir ihn nur als ruhende Figur, die atmet und schaut. Der zweite Protagonist Non (Among Houngheuangsy) ist etwas aktiver. Nicht, dass ihm Aufsehenerregendes widerfahren würde. Sein Dasein erfüllt sich in alltäglichen Verrichtungen, vornehmlich der Zubereitung von Mahlzeiten und deren Verspeisen. Auch er muss manchmal ruhen. Die Kamera bewegt sich zum ersten Mal nach einer Stunde; eher aus Notwendigkeit, denn einer tröstlichen kinetischen Energie folgend. Tsai hat seit jeher Geduld mit seinem Publikum. Ungern weiht der Taiwanese es zu früh ein in das, was gerade passiert. Liegt in diesem Zögern heute noch eine Provokation? Als sein Hauptwerk „Der Fluss“ 1997 im Wettbewerb der Berlinale lief, waren es nicht nur das Tabuthema Inzest, den Vater und Sohn am Ende vollziehen, sowie die Atmosphäre uneingeschränkter Hoffnungslosigkeit, die das Publikum verstörten. Das Unbehagen verdankte sich wesentlich auch dem quälend getragenen Rhythmus, der seinerzeit herkömmlicher Sehgewohnheiten spottete. Letztere haben sich seither geändert, und Ersterer gehört mittlerweile zur Grundausstattung, zum Alltagsgeschäft des Slow Cinema. Heute darf ein Film wie „Rizi“ also, ohne den Umweg der öffentlichen Empörung (allerdings einhergehend mit einem gewissen Überdruss), grundlegende Fragen über das Kino aufwerfen: jene nach Erwartung und Zumutung, nach Aufmerksamkeit und Geduld,
nach Legitimität oder Lässlichkeit erzählerischer Abkürzungen. Inzwischen herrscht noch größere Ereignislosigkeit bei Tsai. Er hat den Zeitfluss noch mehr verdickt. Aber beides wirkt nicht mehr so entmutigend wie früher. Gewiss, noch immer lasten Einsamkeit und eine existenzielle Traurigkeit auf seinem filmischen Kosmos. Aber die sanitären Katastrophen, die einst zwischen Jacques Tati und Apokalypse schillerten, scheinen behoben. Und diesmal findet eine erotische Begegnung statt, die geglückt, ja ekstatisch ist, und einen hübschen melodischen Nachklang hat. Die Spieluhr, aus der Chaplins „Smile“ erklingt, könnte sich zu einem der unvergesslichen Requisiten im Kosmos des Regisseurs mausern. Wäre „Rizi“ ein Kurzfilm von zwölf Minuten, würde er uns aufgrund seines Mangels an äußerer Handlung langweilen. Mit einer Laufzeit von über zwei Stunden jedoch lässt er Reaktionen zu, die weniger prosaisch sind: Nun wird die Form zu seiner zentralen Mitteilung. Das Verstreichen der filmischen Zeit soll erlebt werden; auch als Lebenszeit aller Beteiligten. Der Wechsel zwischen den Sphären der zwei Protagonisten ist ein wichtiges strukturierendes Element. Darin liegt sogar eine Zielstrebigkeit: Sie werden sich berühren. Die langen Einstellungen lösen einander ab, ohne dass das Vorangegangene verdrängt oder ausgelöscht würde. Die Tableaus wollen gemustert werden, manchmal auch enträtselt oder einfach nur bestaunt. Das Herzstück von „Rizi“ ist eine Massage, die der Regisseur in Echtzeit filmt. Den Gesten bleibt Zeit, sich als heilend oder stimulierend zu entpuppen. Wann hört die Massage auf, Therapie zu sein, wann fängt sie an, ihren erotischen Zweck zu erfüllen? Eigentlich stand dieser von Anfang an fest, aber ihre Doppeldeutigkeit verliert die Sequenz nicht einmal am Schluss. So ist es den ganzen Film über: Die Dinge verwandeln sich vor unseren Augen in das, was sie sind. F Gerhard Midding ist Filmkritiker und Übersetzer, schreibt u.a. für Berliner Zeitung, epd-Film und Falter Urania: Sa, 24.10., 11 Uhr Stadtkino im Künstlerhaus: Di, 27.10., 17.45 Uhr Gartenbau: So, 25.10., 20.30 + Do, 29.10., 14.30 Uhr Blickle Kino: So, 1.11, 20 Uhr (kein Dialog)
Kino ohne erzählerische Abkürzungen, im Bild: Lee Kang-Sheng und Among Houngheuangsy
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DIE HYPERNORMALISI Die Retrospektive „Recycled Cinema“ erzählt, wie Abfall und Archivmaterial, sogenanntes Found Footage, radikale neue Kunst gebiert TEXT: DOMINIQUE GROMES
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Dominique Gromes studierte in Wien an der Filmakademie. Sie arbeitet als Cutterin, schreibt Kritiken für den Falter und ist freie Radiomacherin für Ö1
Found Footage wird auch von Fernsehjournalisten verwendet. 2016 hat der BBC-Reporter Adam Curtis daraus seinen brandaktuellen Dokumentarfilm „HyperNormalisation“ zusammengestellt
FOTO: XXXX
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Das Plakat zur Viennale-Retro von sixpackfilm und Filmmuseum: von 23.10. bis 26.11.
FOTOS: ÖSTERREICHISCHES FILMMUSEUM, VIENNALE
ound Footage – das heißt in digitalen Zeiten: Die fiktive Stadt Liberty City, die den Hintergrund bildet zum Computerspiel „Grand Theft Auto“, in eine menschenleere Metropole zu verwandeln, in einen Ort des Stillstands und der Melancholie. Der Experimentalfilmer Phil Solomon hat in „Rehearsals for Retirement“ sämtliche Figuren auf den Straßen ausradiert – als Therapie, um mit dem Tod seines besten Freundes klarzukommen. Die Künstlerin Peggy Ahwesh verwendet Material aus dem Videospiel „Tomb Raider“. Und begibt sich auf die Suche nach weiblicher Identität in einer technologieaffinen Welt. Lara Croft trifft hier auf Wölfe, Tiger, Geier. Ihren inneren Monolog spricht sie mal als junges Mädchen, mal als alte Frau. Found Footage – das wird auch von Fernsehjournalisten verwendet. 2016 hat der BBC-Reporter Adam Curtis einen fast dreistündigen Film aus Nachrichtenmaterial und Youtube-Videos zusammengestellt, „HyperNormalisation“ ist der Titel des genau recherchierten und brandaktuellen Dokumentarfilms. Die Prämisse: Regierungen, Banken und Technologiepioniere haben in den 1970er-Jahren die komplexe „reale Welt“ aufgegeben, um an ihrer Stelle eine einfachere „Fake-Welt“ aufzubauen. In ihr können die Menschen manipuliert, belogen und ruhiggestellt werden. Von den Anfängen bei Google über die Beziehung zwischen dem Westen und dem Nahen Osten bis zur Präsidentschaft von Donald Trump spannt „HyperNormalisation“ einen beunruhigen Bogen – den man gesehen haben muss. F
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E R U N G D E S A L LTAG S
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Gefundenes Material (im Uhrzeigersinn): Werke von Elke Groen: „Tito-Material“ (Ö 1998), Bill Morrison: „Decasia“ (USA 1996), Len Lye: „Rhythm“ (GB 1957), Cécile Fontaine: „Silver Rush“ (F 1998) und Bruce Conner: „A Movie“ (USA 1957)
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VIENNALE 20 OF Originalfassung OmU Originalfassung mit deutschen Untertiteln OmenglU Originalfassung mit englischen Untertiteln englOF englische Originalfassung
Features 3.30 PM (Ö 2020) R: Ludwig Wüst D: Andrew Brown, Markus Schramm, Roswitha Soukup. 74 min. Martin, ein mittelloser Schauspieler, und Anthony sind alte Freunde. Nach 15 Jahren treffen sie sich in Wien wieder, gehen herum und reden. Verbunden mit einem versteckten Objektiv tauchen Schrecken einer Kindheit auf und weichen nicht mehr aus dem Film. Ein Werk über Freundschaft, Kommunikation, Technologie, Geschichte und Erinnerung. Stadtkino im Künstlerhaus: Do 29.10., 20.30 + Belvedere 21: Fr 30.10., 20.30 + Filmmuseum: Sa 31.10., 13.30 (englOF) ADN / DNA (F/DZA 2020) R: Maïwenn D: Maïwenn, Louis Garrel, Marine Vacth, Fanny Ardant, Dylan Robert. 90 min. In den Ensemblefilmen von Regisseurin Maïwenn sind Disharmonien vorprogrammiert; zumal, wenn es um Familien geht. Jeder Angehörige trauert auf eigene Weise, als der Vater bzw. Großvater in „ADN“ stirbt. Sein Selbstverständnis bildete das Rückgrat der Familie: stolz auf seine maghrebinische Herkunft und ebenso stolz, Franzose zu sein. Nun gilt es, sein Erbe anzutreten – und die eigene Identität zu finden. Gartenbau: Fr 23.10., 11.30 + Urania: Di 27.10., 18.30 + Votiv Kino: Do 29.10., 18.00 + Filmcasino: Fr 30.10., 18.00 (OmenglU) A metamorfose dos pássaros / The Metamorphosis of Birds (P 2020) R: Catarina Vasconcelos. 101 min. In ihrem Debütfilm setzt sich Vasconcelos mit dem Leben ihrer vom Meer getrennten Großeltern und ihres nach einer Hyazinthe benannten Vaters auseinander. Die erlesenen Bilder und das persönliche Voice-over sind einem magischen Realismus verschrieben, aber das biografisch-dokumentarische Drama kommentiert gleichermaßen die jüngere, von den Spuren des Kolonialismus durchzogene Geschichte Portugals. Belvedere 21: Fr 23.10., 20.30 + Urania: Fr 30.10., 16.00 + Filmmuseum: Sa 31.10., 13.00 (OmenglU) An dà shealladh / The Two Sights (GB/USA 2020) R: Joshua Bonnetta. 87 min. Der kanadische Künstler Bonnetta erforscht mit seinem Langfilmdebüt auf der Inselkette der Äußeren Hebriden das, was man „das zweite Gesicht“ nennt: die Fähigkeit, mit Sphären jenseits der physischen Welt in Kontakt zu treten, ja sogar in die Zukunft zu sehen. Ein Phänomen, das zu verschwinden droht, weil niemand mehr daran glaubt. Über zwei Jahre lang sammelte Bonnetta analoges Material, Bild und Ton sowie Lieder, Musik und zahlreiche Geschichten – von unheimlich bis humorvoll. Le Studio: Fr 23.10., 20.30 + Belvedere 21: Mi 28.10., 21.00 (OmU) Anne at 13,000 ft (CAN/USA 2019) R: Kazik Radwanski D: Deragh Campbell, Matt Johnson, Lawrene Denkers, Dorothea Paas. 75 min. Anne ist Ende 20, arbeitet in einem Kindergarten und hat eine große Leidenschaft für das Fallschirmspringen. Doch Anne hat auch Probleme: Ihre Stimmung kann von einem Moment auf den anderen kippen, manchmal trinkt sie zu viel oder spielt unangemessene Streiche. Radwanskis Film, der mit viel Handkameraeinsatz eine unruhige Stimmung erzeugt, lässt unausgesprochen, womit seine Protagonistin zu kämpfen hat, während sie ihren Platz in der Welt sucht. Stadtkino im Künstlerhaus: Di 27.10., 20.30 + Le Studio: Mi 28.10., 18.00 + Urania: Do 29.10., 11.00 (OF) Anunciaron tormenta / A Storm Was Coming (E 2020) R: Javier Fernández Vázquez D: Justo Bolekia Boleká, Nieves Posa Bohome, Paciencia Tobilleri Bepe. 87 min. Ësáasi Eweera war einer der letzten Könige des Volkes der Bubi auf der äquatorialguineischen Insel Bioko. Er starb 1904 unter
mysteriösen Umständen. Der dokumentarische Filmessay rollt das dunkle Kapitel der spanischen Kolonialgeschichte als multiperspektivische Annäherung auf: mit ausgebleichten Bildern, Akten, die von Schauspielern verlesen werden, und gestochen scharfen digitalen Naturaufnahmen. Filmmuseum: Fr 30.10., 16.00 + Belvedere 21: Sa 31.10., 20.30 (OmenglU) Atarrabi et Mikelats (F/B 2020) R: Eugène Green D: Saia Hiriart, Lukas Hiriart, Ainara Leemans, Thierry Biscary. 123 min. Fantastisch angehauchtes Drama rund um den ewigen Kampf von Gut und Böse, verbunden mit der baskischen Mythologie: Regisseur und Schriftsteller Green erzählt von Zwillingsbrüdern, die einen Sterblichen zum Vater, aber die Göttin Mari zur Mutter haben. Diese hat ihre Kinder dem Teufel zur Erziehung anvertraut. Während Mikelats beschließt, bei seinem Meister zu bleiben, flieht Atarrabi in die Menschenwelt. Urania: Sa 24.10., 18.30 + Metro: So 25.10., 16.00 + Votiv Kino: Mo 26.10., 20.30 (OmenglU) Aufzeichnungen aus der Unterwelt (Ö 2020) R: Tizza Covi, Rainer Frimmel. 115 min. Mitten im Geschehen stehen der Wienerlied-Sänger Kurt Girk und sein Haberer Alois Schmutzer. Beide müssen ihre Nähe zum illegalen Kartenspiel „Stoß“ in einem umstrittenen Prozess mit langen Haftstrafen büßen. In ruhigen Schwarzweißbildern erzählen die zwei Charismatiker, ein ehemaliger Kieberer und ein Gefängniswärter über lange vergangene Zeiten. Eine Liebeserklärung an das Wien der 1960er-Jahre, dazu ein Sittenbild österreichischer Nachkriegsgeschichte. Meisterwerk, go for it! Gartenbau: So 25.10., 14.30 + Fr 23.10., 20.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: Sa 24.10., 17.45 + Votiv Kino: Do 29.10., 20.30 + Admiral Kino: So 1.11., 18.00 (OmenglU) Bitte warten / Please Hold the Line (Ö 2020) R: Pavel Cuzuioc. 86 min. Cuzuiocs Doku ist ein Roadmovie durch private Haushalte in Moldawien, Rumänien, Bulgarien und der Ukraine: Sie begleitet Telekommunikationstechniker im Außendienst. Ein Film über Isolation und Kommunikation in von Armut, Nationalismus und Konflikten geprägten Regionen, über Modernisierung und existenzielle Fragen, die sich in der Warteschleife auftun. Stadtkino im Künstlerhaus: Fr 30.10., 20.30 (OmU) + Admiral Kino: Sa 31.10., 20.30 (OmenglU) + Le Studio: So 1.11., 18.00 (OmU) City Hall (USA 2020) R: Frederick Wiseman. 272 min. Nach der National Gallery in London und der Public Library in New York porträtiert Wiseman die Stadtregierung von Boston und nimmt sich wieder ausgiebig Zeit für zugewandtes Beobachten: vom Alltagsgeschäft des Rathaus-Callcenters über die Vorbereitung der Baseballteam-Parade und die Planung sozialer Hilfen bis zu einer lesbischen Hochzeit. Viereinhalb Stunden, die das Porträt einer ganzen Stadt ergeben. Urania: So 25.10., 11.00 + Belvedere 21: Di 27.10., 18.00 (OF) ColOZio (MEX 2020) R: Artemio Narro D: Orlando Moguel, Diego Calva, Manolo Caso, Hector Kotsifakis. 90 min. Zwei junge Männer erfahren im Drogenrausch durch eine Weissagung, dass Luis Donaldo Colosio Murrieta, sozialdemokratischer Politiker und Präsidentschaftskandidat, in drei Tagen in Tijuana ermordet werden soll. Sie machen sich auf einen Roadtrip, um das Attentat zu verhindern. Narro spielt mit wahren Begebenheiten (Colosio wurde 1994 tatsächlich ermordet) und schuf eine eigenwillige politische Komödie. Le Studio: Mo 26.10., 20.30 + Urania: Mi 28.10., 11.00 (OmenglU) Los conductos (F/COL/BRA 2020) R: Camilo Restrepo D: Luiz Felipe Lozano. 70 min. Pinky ist einer Sekte entkommen und hält sich in der kolumbianischen Millionenstadt Medellín mehr schlecht als recht über Wasser. Doch seine Vergangenheit sitzt ihm wie ein lebendiges Schreckgespenst im Nacken. Camilo Restrepos farbenprächtiges, symbolistisch-albtraumhaftes 16-mm-Langfilm-
debüt beruht lose auf den Erinnerungen seines Hauptdarstellers und ist ein politischer Appell für ein Kolumbien jenseits von Drogen, Armut, Kriminalität und Gewalt. Stadtkino im Künstlerhaus: Fr 23.10., 15.30 + Admiral Kino: Sa 24.10., 20.30 + Urania: Mo 26.10., 11.00 (OmenglU) Davos (Ö 2020) R: Daniel Hoesl, Julia Niemann. 90 min. Alljährlich findet in der Schweizer Gemeinde Davos das World Economic Forum statt. Die Doku setzt in dem Moment ein, in dem sich der kleine Skiort wieder einmal in die Weltzentrale von Reichtum und politischem Protzgehabe verwandelt. Dem stehen die „common people“ – Bauern, Hotelpersonal, jugendliche Asylwerber, Sozialarbeiter – und die Widerstandsgesten, die sich im Ort entfalten, gegenüber. Ein Film über Gleichgewicht und Gegensätze, über den Kapitalismus in unserer fragmentierten Welt und den Einfluss der Mächtigen auf die Vielen. Stadtkino im Künstlerhaus: Sa 24.10., 20.30 + Le Studio: So 25.10., 18.00 + Metro: Mo 26.10., 16.00 (OmenglU) Desterro (BRA/P/ARG 2020) R: Maria Clara Escobar D: Carla Kinzo, Otto Jr., Rômulo Braga, David Lobo. 123 min. Laura und Israël leben mit ihrem Sohn Lucas in São Paulo. Sie haben ein schönes Zuhause, doch ihre Beziehung ist erkaltet. Eines Tages verschwindet Laura, und nun verlässt dieser ästhetisch wie emotional radikale Film, der Brasiliens politische Krise zum Inhalt hat, das vertraute Terrain: Die Bilder wirken wie entleert, räumliche und akustische Desorientierung greift um sich. Filmcasino: Di 27.10., 20.30 + Urania: Sa 31.10., 21.00 (OmenglU) The Disciple (IND 2020) R: Chaitanya Tamhane D: Aditya Modak, Arun Dravid, Sumitra Bhave. 127 min. „Wenn du diesen Weg gehen willst, lerne, einsam und hungrig zu sein“, wird Sharad geraten. Mit Mitte 20 ist er noch voller Hoffnung, ein Meister im klassischen Gesang der indischen Raga-Tradition zu werden. Doch sein Lebensweg gestaltet sich anders als erträumt. Eine Charakterstudie aus dem Mumbai von heute rund um Hingabe, Leidenschaft und die (vergebliche) Suche nach Vollkommenheit. Gartenbau: So 25.10., 11.30 + Urania: Mo 26.10., 18.30 + Filmcasino: Mi 28.10., 20.30 (OmenglU) Domangchin yeoja / Die Frau, die rannte (KOR 2019) R: Hong Sangsoo D: Kim Min-hee, Kwon Haehyo, Seo Younghwa, Song Seonmi, Kim Saebyuk. 77 min. Während ihr Mann auf einer Geschäftsreise ist, trifft sich Gamhee mit drei alten Freundinnen in Vororten von Seoul. In den 24 Stunden, die dieses leichte, von trockenem Humor geprägte Drama umfasst, wird viel geredet, in Fettnäpfchen getreten und über diese reflektiert: Manchmal verstehen wir unser Leben über das Bild, das wir anderen davon zeigen. Urania: Fr 23.10., 16.00 (OmU) + Gartenbau: Mo 26.10., 23.00 (OmU) + Fr 30.10., 15.00 (OmU) + Votiv Kino: Mi 28.10., 18.00 (OmU) + Le Studio: Do 29.10., 20.30 (OmU) Domovine / Homelands (SRB 2020) R: Jelena Maksimovi D: Jelena Angelovski, Trifonas Siapalinis. 63 min. Eine Frau, deren Großmutter als kommunistische Partisanin im griechischen Bürgerkrieg einst nach Jugoslawien geflohen ist, begibt sich auf Suche nach ihren Wurzeln. Sie wandelt zwischen verlassenen Häusern, in Schneelandschaften und über Sommerfelder, während Kriegsspuren, Archivbilder und Widerstandslieder mit Erinnerungen verschmelzen. Ein sehr persönlicher Film über die Trauer um eine verlorene Heimat. Metro: Fr 23.10., 11.00 + Filmmuseum: Do 29.10., 13.30 (OmenglU) Dorogie Tovarishchi! / Dear Comrades! (RUS 2020) R: Andrei Konchalovsky D: Julia Vysotskaya, Vladislav Komarov, Andrei Gusev, Yulia Burova. 120 min. 1962 wurde ein Arbeiteraufstand in der russischen Industriestadt Nowotscherkassk von der Sowjetarmee blutig beendet. In seinem Schwarzweißfilm erzählt Altmeister Konchalovsky von diesem lang verschwiegenen historischen Ereignis anhand einer Stalinistin, deren Tochter im Zuge der Proteste spurlos verschwindet. Als exzentrisches
TEXTE: MICHAEL OMASTA SABINA ZEITHAMMER
Drama zwischen Satire, Melodram, politischer Kritik und potenziellem Revisionismus regt „Dear Comrades!“ zu eigenem Denken an. Filmmuseum: Mo 26.10., 18.30 + Admiral Kino: Di 27.10., 18.00 + Gartenbau: Mi 28.10., 11.30 + Filmcasino: So 1.11., 18.00 (OmenglU) Druk / Another Round (DK 2020) R: Thomas Vinterberg D: Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsen, Magnus Millang, Lars Ranthe. 115 min. Winston Churchill, Franklin D. Roosevelt und Ernest Hemingway haben es vorgezeigt: Vielleicht lebt und arbeitet es sich besser mit einem konstant erhöhten Alkoholpegel im Blut? Vier Freunde, Lehrer an derselben Schule, wagen in Vinterbergs bitterkomischem Film ein Gruppenexperiment. Der Alkohol hilft ihnen zunächst über ihre existenzielle Ödnis hinweg, zeigt aber bald auch seine Schattenseiten. Gartenbau: Fr 23.10., 14.30 (OmenglU) + Do 29.10., 6.30 (OmU) + So 25.10., 23.15 (OmU) + Admiral Kino: Fr 30.10., 18.00 (OmenglU) + Votiv Kino: So 1.11., 18.00 (OmU) Effacer l’historique / Die digital Naiven (F/B 2020) R: Benoît Delépine, Gustave Kervern D: Corinne Masiero, Bouli Lanners, Denis Podalydès, Blanche Gardin. 106 min. Hasse dein Handy: Nachdem Marie, Bertrand und Christine aus unterschiedlichen Gründen zu Opfern des digitalen Zeitalters geworden sind – Sextape, Cyber-Mobbing, null Likes –, beschließen sie, den Tech-Giganten den Krieg zu erklären. Böse Satire mit vielen irren I deen. Urania: So 25.10., 18.45 + Gartenbau: Di 27.10., 14.30 + Votiv Kino: Fr 30.10., 18.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: Sa 31.10., 13.00 (OmU) El año del descubrimiento / The Year of the Discovery (E/CH 2020) R: Luis López Carrasco. 200 min. In einer Bar in Cartagena berichten Männer und Frauen von den Auswirkungen des EU-Beitritts auf die Region, ihre Arbeit und ihr Leben. Das sieht aus wie Oral History, doch das stets zweigeteilte Bild, das unterschiedliche Inhalte zusammenfügt und vom dokumentarischen Gestus in Richtung Fiktionalisierung führt, wirft die Frage auf: Wird hier wirklich von 1992 erzählt oder ist nicht eher von der Gegenwart die Rede? Admiral Kino: Sa 31.10., 16.30 + Filmmuseum: So 1.11., 13.30 (OmenglU) El prófugo / The Intruder (ARG/MEX 2020) R: Natalia Meta D: Guillermo Arengo, Mirta Busnelli, Daniel Hendler, Nahuel Pérez Biscayart. 90 min. Nach einem traumatischen Erlebnis lernt die Synchronsprecherin Inés den Orgelspieler Alberto kennen. Doch ein diffuses Unbehagen liegt über den Dingen, etwas lauert im Schatten: In einem langsamen Zusammenbruch scheint Inés den Bezug zur Realität zu verlieren. Getarnt als Horrorthriller, bewegt sich „El prófugo“ in einer Grauzone zwischen machistischer Übergriffigkeit und feministischer Befreiung. Admiral Kino: Fr 23.10., 18.00 + Urania: Mi 28.10., 21.00 + Gartenbau: Do 29.10., 11.30 (OmenglU) El tango del viudo y su espejo deformante / The Tango of the Widower and Its Distorting Mirror (CHL 1967/2020) R: Raúl Ruiz, Valeria Sarmiento D: Ruben Sotoconil, Sergio Hernández, Claudia Paz, Chamila Rodríguez, Luis Alarcón. 70 min. „Der Tango des Witwers“ sollte das Langfilmdebüt des chilenisch-französischen Filmemachers Raúl Ruiz (1941–2011) werden, blieb aber unvollendet. Nun legt Ruiz’ Witwe Valeria Sarmiento eine vervollständigte Fassung vor. Erzählt wird die Geschichte des Witwers Señor Iriarte, eines exzentrischen Gelehrten, der von surrealen Visionen seiner verstorbenen (oder ermordeten?) Frau heimgesucht wird. Gartenbau: Fr 23.10., 23.30 + Votiv Kino: So 25.10., 18.00 + Urania: Do 29.10., 16.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: Sa 31.10., 23.15 (OmenglU) Epicentro (Ö/F 2020) R: Hubert Sauper. 108 min. Was ist aus den utopischen Träumen geworden? Mit seinem Dokumentarfilm, der mitunter an die kinematografischen Essays Jean-Luc Godards denken lässt, unternimmt Hubert Sauper einen Streifzug durch Geschichte und Gegenwart Kubas. Ein leben-
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FOTOS: LE PAC TE
Alle Termine, Film für Film, vom 22. Oktober bis zum 1. November
diger Gedankenstrom voller Mikrogeschichten, gefasst in Bilder von melancholischer Schönheit und Düsternis. Gartenbau: So 25.10., 17.30 (OmU) + Stadtkino im Künstlerhaus: Mo 26.10., 15.15 (OmU) + Urania: Di 27.10., 11.00 (OmenglU) Eté 85 / Summer of ’85 (F 2020) R: François Ozon D: Benjamin Voisin, Félix Lefebvre, Valeria Bruni Tedeschi, Philippine Velge. 100 min. 1980er-Retro können nicht nur „Captain Marvel“ und „Wonder Woman 1984“, sondern auch Ozons neues Drama: An einem Strand der Normandie entspinnt sich im Sommer 1985 eine Liebesgeschichte zwischen dem 16-jährigen Alexis und dem etwas älteren David. Doch das tragische Ende dieser wendungsreichen Geschichte steht von Anfang an fest. Nach dem Roman „Dance on My Grave“ von Aidan Chambers. Votiv Kino: Fr 23.10., 20.30 + Urania: Sa 24.10., 13.45 + Filmcasino: So 25.10., 18.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: Mo 26.10., 23.00 + Gartenbau: Di 27.10., 11.30 (OmenglU) Eyimofe / This Is My Desire (NGA 2019) R: Arie Esiri, Chuko Esiri D: Jude Akuwudike, Temi AmiWilliams, Cynthia Ebijie, Tomiwa Edun. 116 min. Zwei Menschen beschließen aus der Megacity Laos nach Europa zu fliehen. Das nüchterne Drama der Brüder Esiri zeigt den Alltag, der zu dieser Entscheidung führt: Mofe, selbstgelernter Elektriker und Wachmann, und Rosa, Friseurin und Bartenderin, in ihrem ständigen Kampf mit Geldnot und Familienzwängen, mit Bürokratie und Korruption. Admiral Kino: So 25.10., 18.00 + Filmcasino: Mo 26.10., 18.00 (OmenglU) Fauna (MEX/CAN 2020) R: Nicolás Pereda D: Luisa Pardo Úrias, Francisco Barreiro, Lázaro Gabino Rodríguez. 70 min. Als die Schauspielerin Luisa ihren Eltern, die in einem mexikanischen Dorf leben, ihren Freund vorstellen möchte, stößt auch ihr Bruder dazu. Die Familie gerät in allerlei Gespräche und kommunikative Machtspielchen, als die Handlung plötzlich auf die nächste Erzählebene springt – und die Schauspieler in neuen Rollen erscheinen. Halb Komödie, halb Film noir, ist „Fauna“ eine Huldigung an die Kunst der Schauspielerei sowie ein Werk, das über Selbstdarstellung im Alltag und über das männliche, von Fernsehserien genährte Rollenverständnis reflektiert. Stadtkino im Künstlerhaus: Sa 24.10., 13.00 (OmenglU) + Le Studio: Di 27.10., 20.30 (OmU) + Metro: Sa 31.10., 21.00 (OmU) Février / February (BGR 2020) R: Kamen Kalev D: Ivan Nalbantov. 125 min. Dieses dunkel-poetische, spirituell angehauchte Drama folgt dem Leben eines Mannes und zeigt ihn in drei Kapiteln im Alter von acht, 18 und 82 Jahren. Alle seine Lebensphasen sind geprägt von Unfreiheit und der Koexistenz von Mensch und Natur. Immer wieder erscheinen Vögel, die auf einen größeren Zusammenhang hindeuten. Ein Mysterium wandelt sich in den Glauben an das Dasein als rätselhafte Folge von Inkarnationen. Filmcasino: Sa 24.10., 18.00 + Urania: So 25.10., 16.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: Fr 30.10., 13.00 (OmenglU) First Cow (USA 2019) R: Kelly Reichardt D: John Magaro, Orion Lee, Toby Jones. 122 min. Der einzelgängerische Koch Cookie strandet um 1820 in einer behelfsmäßigen Ansiedlung im Oregon Territory. Hier lernt er den chinesischen Immigranten King-Lu kennen. Als die erste Milchkuh im Landstrich eintrifft, starten die beiden ein kleines Schmalzgebäck-Unternehmen – mit nicht ganz legalen Methoden. Ein zärtlicher Western, dessen Beginn das Ende erklärt – nicht zu spät kommen! Gartenbau: Mo 26.10., 20.30 + Sa 24.10., 23.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: Mi 28.10., 15.30 + Urania: Fr 30.10., 18.30 + Filmcasino: Sa 31.10., 18.00 (OF) Frem (CZ/SVK 2020) R: Viera Cákanyová D: Martin Kovačík. 73 min. „Requiem for Homo Sapiens“ lautet der Untertitel dieses experimentellen Films zwischen Dokumentation und Science-Fiction. Auf einen elegischen Kommentar zum Schicksal des
Planeten Erde folgt ein mäandernder Drohnenflug über das gar nicht mehr ewige Eis der Antarktis. Aufnahmen von Robben, Delfinen, Pinguinen und Menschen sind in elliptischen Sequenzen montiert und lassen an den Blick eines Aliens denken. Urania: Fr 23.10., 18.30 + Le Studio: Sa 24.10., 20.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: Mo 26.10., 12.45 (englOF) Gunda (NOR/USA 2020) R: Victor Kossakovsky. 93 min. Der Alltag auf einem dänischen Bauernhof, mit einer Sau und ihren Ferkeln, einem einbeinigen Huhn und zwei Kühen als Hauptdarsteller. Bald sieht man die Tiere als beseelt, wie menschliche Wesen, doch wischt Kossakovsky in seiner schwarzweißen Doku ohne Dialog schließlich jede Romantik beiseite. „Ein großer, zu Herzen gehender Film über das Mysterium des Lebens“ (Bert Rebhandl). Gartenbau: Fr 30.10., 17.30 + Votiv Kino: Sa 31.10., 20.30 + Urania: So 1.11., 18.30 Her Name Was Europa (D 2020) R: Anja Dornieden, Juan David González Monroy. 76 min. Schwarz-weißer Essayfilm zum Thema Wiederauf erstehung – und zwar des 1627 ausgestorbenen Auerochsen, der wilden Urform des Hausrindes. Schon der deutsche Zoologe Lutz Heck, ein Freund Hermann Görings, träumte davon, ebenso wie niederländische Wissenschaftler heute, die an der Rückzüchtung des einst symbolträchtigen Tieres arbeiten. Filmmuseum: Fr 23.10., 21.00 + Metro: So 25.10., 19.00 + Sa 24.10., 19.15 (OmenglU) Her Socialist Smile (USA 2020) R: John Gianvito. 93 min. Cinephile kennen Helen Keller (1880–1968) aus Arthur Penns „The Miracle Worker“, der die Sprachfindung des taubblinden Mädchens erzählt. Gianvitos Doku porträtiert die erwachsene Schriftstellerin: Sie erwarb als eine der ersten Frauen einen Bachelor-Abschluss, trat für das Frauenwahlrecht, Antikriegspolitik und eine sozialistische Wende in den USA ein. Filmmuseum: Mo 26.10., 13.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: Fr 30.10., 18.00 + Metro: So 1.11., 11.00 (OF) Hochwald / Why Not You (Ö/B 2020) R: Evi Romen D: Thomas Prenn, Noah Saavedra, Josef Mohamed, Kida Khodr Ramadan. 108 min. Zu Weihnachten trifft Mario in seinem Südtiroler Heimatdorf seinen Jugendfreund Lenz wieder, für den er Gefühle hegt. Mario möchte Tänzer werden, Lenz ist Schauspieler, gemeinsam gehen sie nach Rom. Nach einem traumatisierenden Ereignis kehrt Mario allein in das Dorf zurück, in dem er, ehemals drogensüchtig und sehr jung Vater geworden, schon immer kritisch beäugt wurde. Mehrfach ausgezeichnetes Regiedebüt. Gartenbau: Mi 28.10., 17.30 + Filmcasino: Do 29.10., 20.30 + Metro: So 1.11., 13.00 (OmenglU) Hopper/Welles (USA 1970/2020) R: Orson Welles. 130 min. Zwei Superstars des amerikanischen Kinos in Schwarz-Weiß: 1970 trafen sich Dennis Hopper, gerade höchst erfolgreich mit „Easy Rider“, und Orson Welles zu einem Gespräch über Filme, Liebe und Revolutionen. Ein Zeitdokument und spannendes Zusammentreffen zweier Generationen, in dem Welles aus dem Off Fragen stellt und Hopper im Bild trotzig antwortet. Gartenbau: Sa 24.10., 14.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: So 25.10., 18.00 + Metro: Fr 30.10., 15.45 (OF) Intimate Distances (GB/USA 2020) R: Phillip Warnell D: Martha Wollner. 61 min. Eine Frau mit weißer Kurzhaarfrisur spricht auf der Straße Fremde an und verwickelt sie in Gespräche. Zu sehen ist die Arbeit der Casterin Martha Wollner, die in New York nach dem richtigen Mann für die Rolle eines Kriminellen sucht. Gefilmt ist das im Stil eines Überwachungsthrillers aus großer Distanz, ein rätselhaftes Voiceover erklingt dazu: ein experimentelles Abbild städtischen Lebens. Urania: Sa 24.10., 16.00 + Le Studio: Mo 26.10., 18.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: Do 29.10., 13.00 + Filmcasino: Sa 31.10., 20.30 (OF) Isabella (ARG/F 2020) R: Matías Piñeiro D: María Villar, Agustina Muñoz, Pablo Sigal, Gabriela Saidon. 80 min. Piñeiro hat den Frauenfiguren in Shakespeares Dramen bereits vier Filme gewidmet. In der jüngs-
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Mit atemloser Geduld gefilmt
Schauspielerregisseurin Maïwenn, oben mit Louis Garrel und Fanny Ardant, erweist sich erneut als Spezialistin für Ensemblefilm
Gebrochene Herkunft und Fragen der Identität: Maïwenns „ADN“ ls er aus Algerien kam, trug er stolz die Djellaba, den traditiA onellen Überwurfmantel. In Frank-
reich hingegen zog er, ebenso stolz, einen Dreiteiler an, der seinen Idolen Alain Delon und Yves Montand so gut stand. Jetzt ist der Großvater tot, dessen maghrebinisch-französische Identität das Rückgrat der Familie bildete. Was für Emir Fellah, nach langen inneren und öffentlichen Kämpfen, kein Widerspruch mehr war, könnte seine Angehörigen nun auseinanderreißen. Soll die Trauerfeier für den glühenden Atheisten in einer Kirche oder Moschee abgehalten werden? Sein Sarg, so viel sei verraten, ist mit der algerischen Flagge geschmückt. Jeder in der Familie trauert anders um ihn. Egoismus und Gemeinschaftssinn kollidieren heftig in „ADN“. Mit atemloser Geduld filmt Maïwenn („Poliezei“, 2011) die unterschiedlichen Temperamente, die vor diesem Scherben-
haufen stehen und ihm einen Sinn geben müssen. Was lange ungesagt blieb, bricht sich brüsk Bahn. Das ist mal schmerzlich, mal grausam, aber auch zukunftsweisend. Emir hat ihnen Charakterstärke vererbt. Aus dem charismatischen Ensemble (Fanny Ardant, Marine Vacth, Louis Garrel und anderen) sticht die Regisseurin allmählich selbst hervor. Die Enkeltochter Neige, die in Frankreich nicht Ndjema heißen sollte, forscht nach ihren Wurzeln. Ihre Identität wird zu einer Frage von DNS und Staatsangehörigkeit: Die Ansicht des Hafens von Algier ist verlockend. Die Schauspielerregisseurin, deren Mutter kabylischer Abstammung ist, erzählt auch von ihrer eigenen, gebrochenen Herkunft; jedoch nicht exklusiv. GERHARD MIDDING Gartenbau: Fr, 23.10., 11.30 Uhr, Urania: Di, 27.10., 18.30 Uhr, Votiv: Do, 29.10., 18 Uhr, Filmcasino: Fr, 30.10., 18 Uhr (OmenglU)
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ten Arbeit seiner Reihe „The Shakespeareads“ bewirbt sich die junge Schauspielerin Mariel in immer neuen Vorsprechterminen für die Rolle der Isabella in „Maß für Maß“. Während das Originalstück eine Doppelgänger/innen-Intrige entwickelt, geraten in Piñeiros Film Zeit und Raum in ungewöhnliche Bewegung. Urania: Fr 23.10., 21.30 + Le Studio: Sa 24.10., 18.00 + Metro: Mo 26.10., 13.45 + Stadtkino im Künstlerhaus: Sa 31.10., 15.30 (OmenglU) Jenayat-e bi deghat / Careless Crime (IRN 2020) R: Shahram Mokri D: Babak Karimi, Razieh Mansouri, Abolfazl Kahani, Mohammad Sareban. 139 min. Am 19.8.1978 verübten vier Männer als Protest gegen das Schah-Regime und die Kultur des Westens einen Brandanschlag auf das Cinema Rex im iranischen Abadan – 422 Menschen starben. Mokris Film folgt vier Männern im Iran der Gegenwart, die eine Wiederholung des Anschlags planen. Aber nicht nur: In sich überlappenden Zeitschlaufen gehen Fiktion und Historie vielfältige Verbindungen ein. Admiral Kino: Fr 23.10., 20.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: Mi 28.10., 18.15 + Filmmuseum: Do 29.10., 21.00 (OmenglU) Kajillionaire (USA 2019) R: Miranda July D: Richard Jenkins, Debra Winger, Evan Rachel Wood, Gina Rodriguez. 104 min. Sundance-Liebling Miranda July entwirft eine bizarre, tragikomische Familie, deren Leben von Armut, Gefühllosigkeit und Härte gekennzeichnet ist: Robert, Theresa und ihre Tochter Old Dolio schlagen sich in Los Angeles als Kleinbetrüger durch. Bei einer ihrer Aktionen lernen sie Melanie kennen, deren empathiefähige Normalität ganz frischen Wind in das Gefüge des Trios bringt. Glänzend besetztes Melodram. Urania: Mo 26.10., 21.15 + So 1.11., 16.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: Mi 28.10., 13.00 + Filmcasino: Do 29.10., 18.00 + Gartenbau: Sa 31.10., 23.00 (OmU) Kaze no denwa / Voices in the Wind (J 2020) R: Nobuhiro Suwa D: Motola Serena, Nishijima Hidetoshi, Nishida Toshiyuki, Miura Tomokazu. 139 min. Suwas Protagonistin Haru war neun Jahre alt, als sie ihre Eltern und ihren Bruder im Zuge des TohokuErdbebens und Tsunamis von 2011 verlor. Seitdem lebt sie bei ihrer Tante, doch der Schmerz über den
Verlust steht als Leere zwischen den beiden Frauen. Als die Tante überraschend ins Krankenhaus muss, fährt Haru in ihren alten Heimatort. Ein zärtliches Raodmovie über Trauer und Zuversicht. Metro: Sa 24.10., 16.30 + Urania: Do 29.10., 18.30 (OmenglU) Lahi, Hayop / Genus Pan (PHL 2020) R: Lav Diaz D: Nanding Josef, Bart Guingona, DMs Boongaling, Hazel Orencio, Joel Sarach. 157 min. „Gattung Pan“, also Schimpanse, lautet der deutsche Titel von Diaz Drama, das sich um drei hoffnungslos ausgebeutete Männer dreht. Angesiedelt ist es in der von Katholizismus, Gewalt und ökonomischen Abhängigkeiten geprägten Realität der Philippinen. Hier machen sich die drei auf einen beschwerlichen Weg in ihre Heimat, zur Insel Hugaw. Jederzeit haben sie dabei die Wahl: Menschlichkeit oder animalischer Trieb? Filmmuseum: So 25.10., 21.00 + Belvedere 21: Mi 28.10., 18.00 + Metro: Sa 31.10., 11.00 (OmenglU) La Nuit des rois / Night of the Kings (F/CIV/ CAN/SEN 2020) R: Philippe Lacôte D: Denis Lavant, Issaka Sawadogo, Steve Tientcheu. 93 min. Ein fantastisches Drama in Anlehnung an den Mythos der Scheherazade: Der junge Straßenkriminelle Zama kommt in ein Gefängnis mitten im Wald, das von seinen Gefangenen regiert wird. Um diese zu kontrollieren, pflegt man das Ritual des Geschichtenrezitierens. Zama wird ausgewählt, eine ganze Blutmondnacht lang hindurch zu erzählen – sonst ist sein Leben in Gefahr. Urania: Mo 26.10., 13.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: Fr 30.10., 15.30 + Gartenbau: Sa 31.10., 11.30 (OmenglU) Le Sel des larmes / The Salt of Tears (F/CH 2019) R: Philippe Garrel D: Logan Antuofermo, Oulaya Amamra, Souheila Yacoub. 100 min. Ein Beziehungsdrama in Schwarz-Weiß, angesiedelt in der Stadt der Liebe. Der Tischlersohn Luc kommt aus der Provinz nach Paris, um sich an einer Ausbildungsstätte zu bewerben. Bald findet er sich, bisher von der Liebe recht unbeleckt, hin und her gerissen zwischen drei Frauen: der sehr jungen Djemila, einer alten Schulfreundin und Betsy, die ihn in eine Dreiecksgeschichte verwickelt. Votiv Kino: Sa 24.10., 20.30 + Admiral Kino: So 25.10.,
LIEBE ZUM FILM VOM WIDERSCHEIN DES KINOS H a ns H urc h: E ss ays, Inter vi e w s u n d Ku r z tex te zum Thema F ilm, F ilmsc haffe n d e u n d K in o des ehema ligen Vienna le-D ire k tors
248 Seiten, € 22,90
20.30 + Gartenbau: Fr 30.10., 23.00 + Sa 31.10., 17.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: So 1.11., 18.00 (OmenglU) Die letzte Stadt (D 2020) R: Heinz Emigholz D: John Erdman, Jonathan Perel, Young Sun Han, Dorothy Ko. 100 min. Philosophisch-Metaphysisches mit komischen Untertönen bietet dieser Spielfilm, in dem sich zunächst ein Archäologe und ein Waffendesigner in Israel über Liebe und Krieg unterhalten. Sodann setzt ein Reigen mit wechselnden Darstellern in wechselnden Rollen ein, der durch Athen, Berlin, Hongkong und São Paulo führt und Themen wie Inzest, Kriegsschuld und Kosmologie streift. Stadtkino im Künstlerhaus: Fr 23.10., 22.45 + Filmcasino: Sa 24.10., 20.30 + Metro: Mo 26.10., 11.00 (OmU) The Lobby (D/ARG 2020) R: Heinz Emigholz D: John Erdman. 76 min. Eine Art Fortsetzung zu „Die letzte Stadt“ von Emigholz (die auch trefflich allein funktioniert): diesmal mit einer einzelnen Figur namens „Old White Male“ (Performancekünstler Erdman), die in verschiedenen Apartmenthaus-Lobbys in Buenos Aires sitzt und sich in einer Mischung aus Sardonismus und Ekel über den Tod, das Bewusstsein und den Zustand heutiger menschlicher Beziehungen auslässt. Filmmuseum: Sa 24.10., 18.30 + Metro: Di 27.10., 13.30 (englOF) Lúa vermella / Red Moon Tide (E 2020) R: Lois Patiño D: Rubio de Camelle, Ana Marra, Carmen Martínez, Pilar Rodlos. 84 min. Uralte Mythen, die galicische Küstenlandschaft und das Meer sind die Zutaten dieses visuell beeindruckenden Films. Seitdem die Fluten den Fischer Rubio in die Tiefe gezogen haben, liegt ein Fluch über den Menschen eines kleinen Dorfs: Sie stehen erstarrt und können sich nicht bewegen, nur ihre Erzählungen sind im Voice-over zu hören. Doch Hilfe naht, denn drei Hexen sind von einem Berg herabgestiegen. Filmcasino: Fr 23.10., 18.00 + Le Studio: Do 29.10., 18.00 + Metro: Sa 31.10., 14.00 (OmenglU) Mainstream (USA 2020) R: Gia Coppola D: Andrew Garfield, Maya Hawke, Nat Wolff, Jason Schwartzman, Alexa Demie. 94 min. Gia Coppola, Enkelin von Francis Ford Coppola, beleuchtet auf surreale Weise die Social-Media-Besessenheit: Die Barkeeperin Frankie gründet zusammen mit ihrem Kollegen Jake und dem Sonderling Link einen Youtube-Kanal, in dem über die Konsumgesellschaft und den Mainstream gelästert wird. Doch mit zunehmendem Erfolg und dem Versuch, immer mehr Likes zu generieren, geraten die Dinge außer Kontrolle. Urania: Fr 30.10., 11.00 + Di 27.10., 21.00 + Gartenbau: Mi 28.10., 23.00 + So 1.11., 11.30 (OF) Malmkrog (RO/SRB/CH/SWE/BiH/MKD 2020) R: Cristi Puiu D: Frédéric Schulz-Richard, Agathe Bosch, Marina Palii, Diana Sakalauskaité. 201 min. Hochsteckfrisuren, feines Porzellan und Pelzkrägen: In einem winterlichen Herrenhaus treffen im späten 19. Jahrhundert ein Landbesitzer, ein Politiker, eine Gräfin, ein General und dessen Frau zusammen und diskutieren über Tod, Krieg, Glauben und Moral. Das Personal führt indes ein Eigenleben. Basierend auf „Drei Konversationen“ des russischen Philosophen, Theologen und Poeten Wladimir Solowjew. Stadtkino im Künstlerhaus: Mi 28.10., 21.15 (OmU) + Belvedere 21: Do 29.10., 18.00 (OmenglU) + Urania: Sa 31.10., 11.00 (OmU) Ma ma he qi tian de shi jian / Mama (CHN/F 2020) R: Li Dongmei D: Cheng Shuqiong, Wang Xiaoping, Ge Wendan, Xia Guoli, Gong Xinyan. 134 min. Basierend auf ihren Kindheitserinnerungen und besetzt mit Laiendarstellern, erzählt Li Dongmei in ihrem Spielfilmdebüt vom ländlichen China der frühen 1990er-Jahre. In langen, oft unbewegten Einstellungen laufen sieben Tage eines Dorflebens mit Arbeit und Schule, Geburt und Tod ab. Ein Werk voller Schönheit, inspiriert von Robert Bresson und Yasujirō Ozu. Metro: Sa 24.10., 21.30 + Urania: Mi 28.10., 13.30 (OmenglU) Maɬni – Towards the Ocean, Towards the Shore (USA 2020) R: Sky Hopinka. 80 min. Majestätische Wälder, breite Flüsse, das Meer. Überlegungen zu Reinkarnation, der spirituellen Welt, dem Wesen des Menschen. Regisseur Sky Hopinka, selbst indigener Abstammung, erlaubt mit seiner Doku einen Blick in die Welt der Nachfahren amerikanischer Ureinwohner an der Nordwestküste des Pazifiks. Die „Canoe People“ haben durch die Wiederaneignung ihres kulturellen Erbes zu einer Art Versöhnung mit der Gegenwart gefunden. Belvedere 21: Fr 23.10., 18.00 + Metro: Mi 28.10., 16.00 (OmenglU)
Miss Marx (I/B 2020) R: Susanna Nicchiarelli D: Romola Garai, Patrick Kennedy, Felicity Montagu. 107 min. Das Biopic über Karl Marx’ jüngste Tochter, Eleanor Marx (1855–1898), ist der heurige Eröffnungsfilm. Nach dem Tod ihres Vaters tritt Eleanor ein schweres Erbe an: Einerseits soll sie dessen Werk bewahren, andererseits hat sie eigene Ambitionen. Sie nimmt als Sozialistin an den Kämpfen der Arbeiter teil, engagiert sich gegen Kinderarbeit und ist unter den Ersten, die Kapitalismus und Tyrannei der Männer in Zusammenhang bringen. Doch keine noch so klare feministische Erkenntnis bewahrt sie vor dem Scheitern im Privatleben – im Alter von 43 Jahren begeht sie Suizid. Nicchiarelli blickt in ihrem Film auch in die Zukunft: Führt eine Linie von Eleanor zu den Punk-Rebellinnen? Eine Frage, die der Score von „Miss Marx“ suggeriert, und ein toller, aus der Zeit fallender Tanzauftritt gen Ende. Gartenbau: Do 22.10., 20.00 + Sa 24.10., 11.00 + Admiral Kino: Do 22.10., 20.30 + Belvedere 21: Do 22.10., 20.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: Do 22.10., 20.30 + Metro: Do 22.10., 20.30 + Urania: Do 22.10., 20.30 + Le Studio: Do 22.10., 20.30 + Votiv Kino: Do 22.10., 20.30 + Filmcasino: Do 22.10., 20.30 + Filmmuseum: Do 22.10., 23.00 (OmU) My Mexican Bretzel (E 2019) R: Nuria Giménez Lorang D: Frank A. Lorang, Ilse G. Ringier. 74 min. Bilder eines Luxuslebens in Paris, Barcelona, New York und New Orleans. Dem Ehepaar Vivian und Léon Barrett geht es gut, wie die Gedanken der Frau in ihren Tagebuchaufzeichnungen offenbaren. Aber Achtung, fröhlicher Schwindel: Die Regisseurin hat sich zu den Urlaubsfilmen ihrer Großeltern die Geschichte einer leicht gelangweilten Society-Lady ausgedacht. Found Footage einmal anders. Admiral Kino: Di 27.10., 20.30 + Filmmuseum: Mi 28.10., 18.30 + Metro: Do 29.10., 21.00 (englOF) Nackte Tiere (D 2020) R: Melanie Waelde D: Marie Tragousti, Sammy Scheuritzel, Michelangelo Fortuzzi. 83 min. Katjas große Leidenschaft ist das Jiu-Jitsu. Ansonsten hängt sie, irgendwo in einer anonymen deutschen Stadt, in einer improvisierten WG mit Gleichaltrigen ab. Melanie Waeldes intensives Spielfilmdebüt erzählt von fünf jungen Menschen, die einen letzten Winter zusammen verbringen, bevor die Schule endet: zwischen Jugend und einer ungewissen Zukunft, Aggression und Sexualität, Chaos und Freiheit. Stadtkino im Künstlerhaus: Fr 23.10., 18.00 + Votiv Kino: Sa 24.10., 18.00 + Urania: Do 29.10., 21.30 (OmenglU) Never Rarely Sometimes Always / Niemals selten manchmal immer (USA 2020) R: Eliza Hittman D: Sidney Flanigan, Talia Ryder, Ryan Eggold, Sharon Van Etten. 101 min. Autumn ist 17 Jahre alt und ungewollt schwanger. Zusammen mit einer Freundin fährt sie von Pennsylvania nach New York, wo einer Minderjährigen der Schwangerschaftsabbruch auch ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigten erlaubt ist. Auf dem Weg liegen allerlei Widrigkeiten und Demütigungen, die das Vorhaben zu einem Kraftakt machen. Ein ruhiger Film, der die Doppelmoral einer sexistischen Gesellschaft herausarbeitet. Gartenbau: Sa 24.10., 20.30 + Di 27.10., 6.30 + Votiv Kino: So 25.10., 20.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: Mo 26.10., 18.00 + Filmcasino: Mi 28.10., 18.00 (OmU) Nomadland (USA 2020) R: Chloé Zhao D: Frances McDormand, David Strathairn, Linda May, Swankie und Bob Wells. 108 min. Fern, eine Frau Anfang 60, wird in einem von Rezession gebeutelten Amerika und nach dem Tod ihres Ehemannes zu einer modernen Nomadin, die in ihrem Van lebt. Zhaos Film vereint die Schönheit der Landschaft des amerikanischen Westens mit dem Thema Einsamkeit, führt in die Welt von Gelegenheitsjobs in den Lagern von Amazon und in Trailerparks mit ihren ganz eigenen Communitys. Besetzt ist der Film neben Frances McDormand mit Laiendarstellern, die tatsächlich „houseless“ sind. Ausgezeichnet mit dem Goldenen Löwen der Filmfestspiele von Venedig. Gartenbau: So 1.11., 14.30 + Fr 30.10., 20.30 + Do 29.10., 18.00 (OmU) Nomery / Numbers (UKR/PL/CZ/F 2020) R: Oleg Sentsov D: Evhen Chernykov, Agatha Larionova, Oleksandr Begma. 104 min. Mittlerweile ist der Filmemacher Oleg Sentsov wieder frei, doch bei dieser Parabel auf ein totalitäres System führte er noch aus einem sibirischen Lager Regie: Zehn nur mit Nummern bezeichnete Menschen sind in einer Art Gefängnis strikten wie sinnlosen Ritualen unterworfen. Ein ungeplantes Kind bringt die Ord-
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V I E N N A L E 2 0 F A L T E R nung ins Wanken, es kommt zum Aufstand. Doch in dieser Dystopie bringen weder Revolution noch Tod die Freiheit. Filmmuseum: So 25.10., 13.30 + Urania: Di 27.10., 13.45 (OmenglU) Notturno (I/F/D 2020) R: Gianfranco Rosi. 100 min. Der italienische Dokumentarist Rosi, der 2016 mit dem Festivalhit „Seefeuer“ von sich reden machte, hat im Grenzgebiet der Länder Syrien, Irak, Kurdistan und Libanon drei Jahre lang Menschen gefilmt, die auf wechselnden Seiten von den Kriegen in der Region betroffen und traumatisiert sind. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage: Kann sich das Leben aus den Ruinen erheben? Votiv Kino: Di 27.10., 18.00 + Gartenbau: Do 29.10., 20.30 + Mi 28.10., 14.30 + Urania: Fr 30.10., 21.15 + Stadtkino im Künstlerhaus: Sa 31.10., 20.30 (OmenglU) Orphea (D 2020) R: Alexander Kluge, Khavn De La Cruz D: Lilith Stangenberg, Ian Madrigal. 99 min. Der deutsche Schriftsteller, Philosoph und Filmemacher Alexander Kluge hat im philippinischen Poeten, Sänger und Filmemacher Khavn einen kongenialen Partner gefunden. Im transsexuellen Underground von Manila macht sich eine Rocksängerin namens Orphea auf die Suche nach ihrem in der Unterwelt gefangenen Eurydiko. Ein Musik-Essay-Film, irgendwo zwischen Brecht’scher Operette und Installation. Metro: Fr 23.10., 16.00 + Belvedere 21: Sa 24.10., 20.30 (OmenglU) Ping jing / The Calming (CHN 2020) R: Song Fang D: Qi Xi, Ye Yuzhu, Song Dijin. 93 min. Lin Tong, eine junge Filmemacherin mit gebrochenem Herzen, reist in einer arbeitsfreien Phase durch Japan, Hongkong und China und sucht neuen Halt im Leben. Ein sanftes, stilles Werk, das den emotionalen und psychischen Raum zwischen nachklingenden Erinnerungen und einer ungewissen Zukunft ausleuchtet. Natureindrücke und kleine Gesten der Zuwendung beginnen die Leere zu füllen. Urania: Fr 23.10., 13.30 + Votiv Kino: Mo 26.10., 18.00 + Metro: Fr 30.10., 21.00 (OmenglU) Quo vadis, Aida? (BiH/D/F/NL/NOR/Ö/PL/RO 2020) R: Jasmila Žbanić D: Jasna Đuričić, Izudin Bajrović, Boris Ler, Dino Bajrović, Johan Heldenbergh, Teun Luijkx, Edita Malovčić. 103 min. Die aus Bosnien gebürtige Filmemacherin Jasmila Žbanić und die aus Graz stammende Kamerafrau Christine A. Maier tauchen 25 Jahre nach dem Massenmord von Srebrenica tief in die europäische Geschichte ein. Machtlos muss UN-Übersetzerin Aida zusehen, wie binnen weniger Stunden eine Tragödie unfassbaren Ausmaßes über die Stadt und ihre Familie hereinbricht. Gartenbau: Sa 24.10., 17.30 (OmU) + Urania: So 25.10., 21.15 (OmenglU) + Filmcasino: Mo 26.10., 20.30 (OmU) + Metro: So 1.11., 16.00 (OmenglU) Responsabilidad empresarial / Corporate Accountability (ARG 2020) R: Jonathan Perel. 68 min. Der argentinische Filmemacher Jonathan Perel hat sich in seinem Werk ganz der Aufarbeitung der argentinischen Militärdiktatur (1976–1983) verschrieben. Diesmal besucht er 25 Industrie standorte im ganzen Land, deren Betreiber mit der Militärjunta kooperiert haben, und informiert über die Verbrechen, in die diese verstrickt waren. Darunter natürlich auch VW. Stadtkino im Künstlerhaus: Sa 24.10., 15.30 + Filmmuseum: Do 29.10., 16.00 (OmenglU) Rizi / Days (TWN 2019) R: Tsai Ming-liang D: Lee Kang-Sheng, Anong Houngheuangsy. 127 min. Kang lebt in einem großen Haus, Non in einem kleinen Appartement in der Stadt. Tsai Ming-Liang folgt ihren alltäglichen Verrichtungen, der sie auf geradezu rituelle Weise nachgehen, mit größtmöglicher Geduld und Ruhe. Worte sind überflüssig, stattdessen Auge und Ohr, Anblick und Geräusch. Am Ende dieses die Sinne schärfenden, dialoglosen Dramas begegnen sich die beiden Männer. Urania: Sa 24.10., 11.00 + Gartenbau: So 25.10., 20.30 + Do 29.10., 14.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: Di 27.10., 17.45 + Belvedere 21: So 1.11., 18.00 Sandlines, the Story of History (MEX/IRQ 2020) R: Francis Alÿs D: Mohamed, Ali, Fatma, Demoa, Younis. 61 min. Der Fotograf, Maler, Aktions- und Videokünstler Alys lässt eine Gruppe aufgeweckter Kinder aus einem Bergdorf in der Nähe von Mossul, die im eigentlichen Leben Schaf- und Ziegenhirten sind, das letzte Jahrhundert irakischer Geschichte nachspielen. Mit einem Minimum an Requisiten und Kostümen gelingen eindrucksvolle Bilder, die vom Kolonialismus und seinen Folgen erzählen. Le Studio: Fr 23.10., 18.00 + Belvedere 21: Mo 26.10., 20.30 (OmenglU)
Seif gheir aadi / An Unusual Summer (PSE/D 2020) R: Kamal Aljafari. 80 min. Poetische Doku mit ungewöhnlicher Ausgangssituation: Nachdem sein Auto beschädigt wurde, installierte der Vater des Filmemachers eine Überwachungskamera. Ihre Aufnahmen werden zum Porträt eines arabischen Viertels im israelischen Ramla. Gemeinhin Unbemerktes rückt in den Fokus: Regen, herumwehende Gegenstände oder geheimnisvolle Frauen, die in den Pixeln der niedrigen Bildauflösung verschwinden. Belvedere 21: Mo 26.10., 18.00 + Metro: Fr 30.10., 13.30 (OmenglU) Seize printemps / Frühling in Paris (F 2020) R: Suzanne Lindon D: Suzanne Lindon, Arnaud Valois, Frédéric Pierrot. 73 min. Suzanne Lindon, die Tochter des Schauspielers Vincent Lindon, erzählt in ihrem Spielfilmdebüt eine melancholisch-leichte Liebesgeschichte: Die 16-Jährige Suzanne (Lindon), die von ihren Altersgenossen gelangweilt ist, verliebt sich in einen älteren Mann. Ein Werk über Neugier, Euphorie, Lebenshunger und Enttäuschung, bestückt mit poetisch-minimalistischen Tanzszenen. Gartenbau: Mi 28.10., 20.30 (OmU) + Stadtkino im Künstlerhaus: Do 29.10., 18.00 (OmenglU) + Admiral Kino: Fr 30.10., 20.30 (OmU) + Votiv Kino: Sa 31.10., 18.00 (OmenglU) Selva trágica / Tragic Jungle (MEX/F/COL 2020) R: Yulene Olaizola D: Indira Andrewin, Gilberto Barraza, Mariano Tun Xool, Lázaro Gabino Rodríguez. 96 min. Eine alte Maya-Legende aus Yucatán, verlegt ins Jahr 1920: Eine Gruppe von mexikanischen Arbeitern erntet seit Monaten im Dschungel Gummi, als plötzlich eine junge Frau auf der Flucht vor einem Sklavenhalter auftaucht und die Arbeiter um den Verstand bringt. Doch das ruchlose Begehren der Männer weckt einen mystischen weiblichen Dämon namens Xtabay auf. Nimmt hier die Natur selbst Rache an den Eindringlingen? Stadtkino im Künstlerhaus: Fr 23.10., 13.00 + Filmcasino: So 25.10., 20.30 + Urania: So 1.11., 11.00 (OmenglU) Sheytan vojud nadarad / Doch das Böse gibt es nicht / There Is No Evil (D/CZ/IRN 2020) R: Mohammad Rasoulof D: Mohammad Seddighimehr, Mahtab Servati, Zhila Shahi. 150 min. Bis in die jüngste Vergangenheit wurden im Iran einfache Armeerekruten als Henkershelfer herangezogen. Rasoulof zeigt, welche Folgen diese Tätigkeit für die jungen Männer und ihre Familien hat. Vier einzelne Geschichten, erzählt mit enormer Beherrschtheit und manchem Schockmoment, ergeben zusammen einen nachhaltigen Appell gegen die Todesstrafe. Ausgezeichnet mit dem Goldenen Bären der Berlinale. Urania: Sa 24.10., 21.30 (OmU) + Votiv Kino: Mi 28.10., 20.30 (OmU) + Gartenbau: Fr 30.10., 11.30 (OmenglU) + Belvedere 21: Sa 31.10., 17.30 (OmenglU) Shirley (USA 2019) R: Josephine Decker D: Elisabeth Moss, Michael Stuhlbarg, Odessa Young, Logan Lerman. 106 min. Zwei Ehepaare, das eine älter und etabliert, das andere jung und voller Pläne für die Zukunft. Josephine Decker setzt das, was zwischen den Frauen passiert, zentral. Shirley, die an die Horrorautorin Shirley Jackson angelehnte Schriftstellerin, die aus ihren Neurosen Literatur gebiert, benutzt und manipuliert auch Rose. Doch die ist klug genug, daraus ihrerseits Lehren zu ziehen. (Barbara Schweizerhof) Urania: Fr 23.10., 11.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: Di 27.10., 13.00 + Gartenbau: Do 29.10., 23.15 + Votiv Kino: Fr 30.10., 20.30 (OF) Siberia (I/D/MEX 2020) R: Abel Ferrara D: Willem Dafoe, Dounia Sichov, Simon McBurney. 91 min. Fortsetzung der Erforschung der männlichen Lebenskrise, die Abel Ferrara mit „Tommaso“ begann, der 2019 auf der Viennale zu sehen war: Gerade unterhält Protagonist und Ferrara-Alter-Ego Clint noch eine Art Taverne in einem tief verschneiten Tal, schon springt der Film ins Reich der seelenerforschenden Fantasmagorie. Die Suche nach Sinn und Erlösung als wilde metaphorische Reise. Gartenbau: Mo 26.10., 14.30 + Di 27.10., 20.30 + Urania: Sa 31.10., 18.30 (OmU) Si c’était de l’amour / If It Were Love (F 2020) R: Patric Chiha. 82 min. Chiha zeigt Ausschnitte von Gisèle Viennes Tanzstück „Crowd“, das die Rave-Szene der 1990er reflektiert. 15 junge Frauen und Männer bewegen sich darin zu Technomusik in extremer Verlangsamung. In Zweiergesprächen mit den Tänzer/innen ist die zentrale Frage: Was gibst du von dir in den vorgegebenen Part? Eine Trennung zwischen der Bühnen- und der eigenen
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Das Filmdebüt eines Multitalents
Eine ganz neue Begeisterung erfüllt den stillen Teenager Suzanne bei der Begegnung mit Raphaël: Suzanne Lindon, unten mit Arnaud Valois
Erste Liebe in Paris: „Seize printemps“ von Suzanne Lindon uzanne ist 16, lebt behütet in S Paris, trägt gern weiße Hemden in Übergröße und ist schrecklich ge-
langweilt: von der Schule, den Partys und den gleichaltrigen Burschen. Vor einem Theater sieht sie täglich einen grüblerischen Schauspieler – und ihre Leidenschaft ist geweckt. Sie stellt dem mehr als doppelt so alten Raphaël nach, und so entsteht eine vorsichtige Annäherung zwischen ihr und dem sensiblen Künstler. Mit „Seize printemps“ erweist sich die 20-jährige Suzanne Lindon, Tochter der Schauspieler Sandrine Kiberlain und Vincent Lindon, als vielversprechendes Multitalent: Sie übernahm Drehbuch, Regie und Hauptrolle und singt auch noch das Schluss-Chanson. Ihr Filmdebüt ist eine Coming-of-Age-Geschichte, die das Abenteuer der ersten Liebe wunderbar herausarbeitet: Ganz neue Begeisterung erfüllt die stille Suzanne, die nun durch die Straßen
eines ausgesprochen heimelig dargestellten Paris tanzt. Auf minimalistischen Tanz greift Lindon öfter zurück, insbesondere dann, wenn Suzanne und Raphaël sich nahekommen. Der große Altersunterschied – immerhin verlieben sich hier ein 35-Jähriger und eine Minderjährige – wird kaum thematisiert. Er erzeugt ein leicht provokatives Unwohlsein unter der Oberfläche, ist vor allem aber Zeichen der freien Sehnsüchte einer Jugendlichen: In einer sanft-utopischen Szenerie, in der ihr niemand etwas Böses will oder sie bedrängt, macht Suzanne aus der Kindheit selbstbestimmte erste Schritte in ein Erwachsenenleben, das erst noch kommt. SABINA ZEITHAMMER
Gartenbau: Mi, 28.10., 20.30 Uhr (OmU) Stadtkino im Künstlerhaus: Do, 29.10., 18 Uhr (OmenglU), Admiral Kino: Fr, 30.10., 20.30 Uhr (OmU), Votiv: Sa, 31.10.,18 Uhr (OmenglU)
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verletzlichen Persönlichkeit ist nicht vorgesehen. Metro: Fr 23.10., 21.00 (OmU) + Belvedere 21: Sa 24.10., 18.00 (OmenglU) + Le Studio: So 25.10., 20.30 (OmU) Slow Machine (USA 2020) R: Paul Felten, Joe DeNardo D: Chloë Sevigny, Stephanie Hayes, Scott Shepherd, Eleanor Friedberger, Ean Sheehy. 72 min. Danielle flüchtet in ein Haus auf dem Land, in dem eine Band gerade ein Album aufnimmt. Doch in einer Rückblende ist dieselbe Frau eine andere: die Schauspielerin Stephanie, die sich auf die Rolle einer Flüchtenden vorbereitet. Auch die narrative Stringenz wurde in diesem No-Budget-Experimentalfilm eingespart, der mit langen Dialogen und vignettenartigen Szenen ein Bild des Unbewussten zeichnet. Filmcasino: Fr 23.10., 20.30 + Urania: Mo 26.10., 16.15 + Stadtkino im Künstlerhaus: Fr 30.10., 23.00 (OF) Ta fang jian li de yun / The Cloud in Her Room (CHN/HK 2020) R: Zheng Lu Xinyuan D: Jin Jing, Liu Dan, Chen Zhou. 101 min. Die 22-jährige Wizu fährt zum traditionellen Neujahrsfest in eine chinesische Megacity, ihre Heimatstadt. Sie trifft die längst zerstreute Familie, driftet durch die Tage, ihr Freund kommt zu Besuch. Wie dokumentarisch fängt dieses experimentell angehauchte Drama in SchwarzWeiß einen melancholischen Schwebezustand ein, während die Zuseher sich stets erst zurechtfinden müssen, wie die Figuren zusammengehören. Votiv Kino: Di 27.10., 20.30 + Belvedere 21: Fr 30.10., 18.00 (OmenglU) Tipografic majuscul / Uppercase Print (RO 2020) R: Radu Jude D: Bogdan Zamfir, Serban Lazarovici, Ioana Iacob, Serban Pavlu. 128 min. 1981 wird der Gymnasiast Mugur Călinescu vom rumänischen Geheimdienst beschuldigt, regierungskritische Parolen verbreitet zu haben. 2012 collagiert die Theatermacherin Gianina Cărbunariu aus den dazugehörigen Akten ein dokumentarisches Bühnenstück. Regisseur Radu Jude stellt diese Theaterversion nun in scharfen Kontrast zu zeitgenössischem Found-Footage-Material aus dem nationalen TV-Archiv. Metro: Fr 23.10., 13.15 + Filmmuseum: Sa 31.10., 18.00 + Urania: So 1.11., 13.00 (OmenglU) Todos os mortos / All the Dead Ones (BRA/F 2020) R: Caetano Gotardo, Marco Dutra D: Carolina Bianchi, Mawusi Tulani, Clarissa Kiste. 120 min. São Paulo im Jahr 1899: Vor kurzem wurde die Sklaverei abgeschafft, doch überall ist sie noch präsent, prägt die Gedanken und Gefühle der Menschen. In dieser Umbruchsituation treffen zwei zerrissene und ineinander verstrickte Familien aufeinander – die einen waren die Sklaven der anderen. Ein Film, der in Gestalt eines Historiendramas die brasilianische Gegenwart verhandelt. Metro: Di 27.10., 11.00 + Urania: Sa 31.10., 16.00 (OmenglU) The Truffle Hunters (I/USA/GR 2020) R: Michael Dweck, Gregory Kershaw. 84 min. Dweck und Kershaw tauchen mit ihrer Doku tief in die Welt des begehrten weißen Trüffels ein: Sie zeigen die bescheidene Lebensweise der alten Männer und ihrer Hunde, die in den Wäldern Norditaliens in der Erde wühlen, um den Trüffel zu finden. Ebenso wie die Händler, die Auktionen, den überhitzten Markt, dem Klimawandel und kriminelle Konkurrenz zusetzen. Das melancholische Werk über das Altwerden, das Ökosystem und den Kapitalismus ist der diesjährige Abschlussfilm der Viennale. Gartenbau: So 1.11., 19.00 + Filmcasino: So 1.11., 20.30 + Votiv Kino: So 1.11., 20.30 + Le Studio: So 1.11., 20.30 + Belvedere 21: So 1.11., 20.30 + Admiral Kino: So 1.11., 20.30 + Filmmuseum: So 1.11., 21.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: So 1.11., 21.00 + Urania: So 1.11., 21.00 + Metro: So 1.11., 21.00 (OmU) Was bleibt I Šta ostaje I What Remains / Revisited (D/Ö/BIH 2020) R: Clarissa Thieme. 70 min. Vor elf Jahren fuhr die deutsche Filmemacherin Thieme für ihren Kurzfilm „Was bleibt | Šta ostaje | What remains“ durch Bosnien und Herzegowina und filmte Plätze, an denen im Bosnienkrieg Kriegsverbrechen geschehen waren. Für die Langfilmfortsetzung dieses Projekts kehrte sie an die Orte zurück – mit einem plakatwandgroßen Abbild jeder Szene aus dem Kurzfilm. Begegnungen mit Anwohnern zeigen, dass die Wunden der Vergangenheit mancherorts ein wenig vernarbt sind, während sie andernorts unverändert offenliegen. Stadtkino im Künstlerhaus: Fr 23.10., 20.30 + Admiral Kino: Sa 24.10., 18.00 + Metro: So 25.10., 13.45 (OmenglU)
Wohnhaft Erdgeschoß / Resident Ground Floor (Ö/D 2020) R: Jan Soldat. 48 min. Porträt eines Mannes am Rand der Gesellschaft: Heiko ist 51 Jahre alt, misanthropisch und hat kaum das Nötigste zum Leben. Er erinnert sich an seine geliebten Großeltern, die schwierige Beziehung zur Mutter, den Missbrauch durch den Vater und die DDR, in der er noch Arbeit hatte. Heute wohnt er allein in Berlin, schaut schwule Pornos, ist am liebsten nackt und uriniert überallhin. Filmmuseum: Di 27.10., 16.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: Sa 31.10., 18.00 (OmenglU) The Works and Days (of Tayoko Shiojiri in the Shiotani Basin) (Teil 1) (USA/SWE/J/GB 2020) R: C.W. Winter, Anders Edström D: Tayoko Shiojiri, Hiroharu Shikata, Ryo Kase, Mai Edström, Kaoru Iwahana, Jun Tsunoda, Masahiro Motoki. 240 min. Jede Viennale braucht ihren Monsterfilm. Das achtstündige Drama entstand in einem Gebirgsdorf in der japanischen Präfektur Kyoto und beleuchtet Arbeit und Mußestunden einer Bäuerin, stellt eine Familie und eine Region vor. Während sich die Jahreszeiten abwechseln, wird das Vergehen der Zeit erlebbar. „Ein Film, in dem Hauptdarstellerin Tayoko Shiojiri das fiktionale Geschehen und die Trauer um einen tatsächlichen Verlust auf herzzerreißende Weise verbindet“ (Berlinale). Belvedere 21: So 25.10., 11.00 + Admiral Kino: Mi 28.10., 18.00 (OmenglU) The Works and Days (of Tayoko Shiojiri in the Shiotani Basin) (Teil 2)) (USA/SWE/J/GB 2020) R: C.W. Winter, Anders Edström D: Tayoko Shiojiri, Hiroharu Shikata, Ryo Kase, Mai Edström, Kaoru Iwahana, Jun Tsunoda, Masahiro Motoki. 240 min. Der zweite Teil des achtstündigen Dramas. Belvedere 21: So 25.10., 11.00 + Admiral Kino: Do 29.10., 18.00 (OmenglU) The World to Come (USA 2020) R: Mona Fastvold D: Katherine Waterston, Casey Affleck, Vanessa Kirby, Christopher Abbot. 98 min. Der amerikanische Nordosten um 1850: Die Pioniersfrau Abigail glaubt daran, eine „Neue Welt“ gestalten zu können, auch wenn der Tod ihrer Tochter sie und ihren Ehemann in eine schwere Krise gestürzt hat. Als die elegante Tallie ihre Nachbarin wird, entwickelt die schüchterne Abigail nie gekannte Gefühle. Bedroht von der Härte der sie umgebenden Wildnis und Tallies Ehemann, entsteht eine gemeine Liebe. Gartenbau: Di 27.10., 23.00 + Sa 31.10., 20.30 + Urania: Mi 28.10., 18.30 + Filmcasino: Fr 30.10., 20.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: So 1.11., 13.00 (OF) Zabij to i wyjedz z tego miasta / Kill It and Leave This Town (PL 2019) R: Mariusz Wilczyński D: . 88 min. Wilczyńskis autobiografisch gefärbtes Langfilmdebüt ist ein singuläres Zeichentrickwerk: Eine albtraumartige Reise in das Łódź seiner Kindheit, in dem das Verlorene in Gestalt schmerzender Erinnerungen haust. Das Erschrecken über die existenzielle Einsamkeit letztlich jedes Einzelnen ist in transformationsfreudige, alles andere als gefällige Szenen gefasst. Mit den Stimmen von Krystyna Janda, Andrzej Chyra, Maja Ostaszewska, Małgorzata Kożuchowska. Votiv Kino: Fr 23.10., 18.00 + Urania: Di 27.10., 16.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: Do 29.10., 15.30 + Le Studio: Sa 31.10., 20.30 (OmenglU) Zaho Zay (Ö/F/MDG 2020) R: Georg Tiller, Maéva Ranaïvojaona D: Nabiha Akkari, Eugène Ranaïvojaona, Eva Ranaïvojaona. 77 min. Als (alb-)traumhafter Hybrid zwischen Dokumentation und Fiktion, Poe sie und sozialer Reflexion zeigt sich dieses Werk, das in einer überfüllten Haftanstalt auf Madagaskar angesiedelt ist: Eine Gefängniswärterin wartet auf die Ankunft ihres kriminellen Vaters; in ihrem Voice-over imaginiert sie ihn als Serienmörder. Ist der Mann, der sie als Kind zurückließ, nur ein Geist? Stadtkino im Künstlerhaus: So 25.10., 21.00 + Admiral Kino: Mo 26.10., 20.30 + Metro: Di 27.10., 16.00 (OmenglU) Zeus Machine. L’invincibile / Zeus Machine. The Invincible (I 2019) R: David Zamagni, Nadia Ranocchi D: Eleonora Amadori, Sergio Fantoni, Marco Mazzoni. 74 min. Die Zapruder filmmakersgroup, angesiedelt im Feld zwischen bildender, performativer und kinematografischer Kunst, inszeniert in zwölf Vignetten die nie erzählten Geschichten von Herkules. Der mythische Held begegnet den Zuschauern in diesem Werk, das Dokument von Performances und selbst eine Performance ist, als entfernte Übersetzung an alltäglichsten Orten, wie Tankstellen, Supermärkten oder Sporthallen.
Metro: Sa 31.10., 18.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: So 1.11., 15.30 (OmenglU)
Shorts/Kurzfilme Ad una mela (Viennale-Trailer 2020) (I/Ö 2020) R: Alice Rohrwacher. 2 min. Licht und Schatten, ein Mädchen greift sich einen Apfel. Dazu ferne Klaviermusik (J.S. Bach), danach ein Gedicht von Pablo Neruda (er liest selbst): Wenn wir deine runde Unschuld beißen, sind wir wieder für einen Moment auch eben erst geschaffene Kreaturen: sogar wir haben etwas von einem Apfel. Gartenbau: Sa 24.10., 11.00 + Do 22.10., 20.00 + Belvedere 21: Do 22.10., 20.30 + Votiv Kino: Do 22.10., 20.30 + Urania: Do 22.10., 20.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: Do 22.10., 20.30 + Le Studio: Do 22.10., 20.30 + Metro: Do 22.10., 20.30 + Filmcasino: Do 22.10., 20.30 + Admiral Kino: Do 22.10., 20.30 + Filmmuseum: Do 22.10., 23.00 (OF) Explaining the Law to Kwame (IL 2020) R: Roee Rosen D: Hani Furstenberg. 23 min. Provokateur Rosen exzerpiert mit diesem Monolog einen Teil aus seinem Work-in-Progress „Kafka for Kids“, der Sinn und Sinnlichkeit miteinander verschränkt. Filmmuseum: Di 27.10., 16.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: Sa 31.10., 18.00 (OmenglU) The Human Voice (E 2020) R: Pedro Almodóvar D: Tilda Swinton. 30 min. Eine freie Adaption des Einakters „Die menschliche Stimme“ (1930) von Jean Cocteau: ein Telefongespräch zwischen einer Frau und ihrem Geliebten, die sich getrennt haben – die Geschichte einer großen Liebe, von Einsamkeit, Schmerz und Abhängigkeit. Urania: Sa 24.10., 16.00 + Le Studio: Mo 26.10., 18.00 + Stadtkino im Künstlerhaus: Do 29.10., 13.00 + Filmcasino: Sa 31.10., 20.30 (OmenglU) Imperial Irrigation (D/Ö/USA 2020) R: Lukas Marxt. 20 min. Mit einer Länge von 72 Kilometern, einer Breite von 32 Kilometern und einer Tiefe von 23 Metern in der Mitte der Senke war der Salton Sea der größte Binnensee Kaliforniens. In den 1930ern wurde der See ein Marinestandort, in den 1940ern Testgelände für Atombomben-Attrappen und dann schlussendlich ein Opfer der landwirtschaftlichen Monokultur der USA. Die Geschichte dieses Sees bildet den Hintergrund für ein beeindruckendes Kurzfilmexperiment. Urania: Fr 23.10., 18.30 + Le Studio: Sa 24.10., 20.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: Mo 26.10., 12.45 (englOF) Kurzfilmprogramm 1: Somewhere in this World (Ö/I/USA/CAN/GB 2019/20) R: Diverse. 63 min. Avantgardistisches von Antoinette Zwirchmayr: „Oceano mare“ (Ö/I 2020), Friedl vom Gröller: „Sacrificio per la sirena“ (Ö/I 2020), Mary Helena Clark: „Figur Minus Fact“ (USA 2020), Halima Ouardiri: „Clebs“ (CAN/Marokko 2019), Ben Rivers: „Look Then Below“ (GB 2020). Filmmuseum: Fr 23.10., 16.00 + Metro: Mi 28.10., 14.30 (OmenglU) Kurzfilmprogramm 2: The Future Will Tell (Ö/I/F/SRB/LVA 2020) R: Diverse. 76 min. Gezeigt werden „Leonardo“ (Friedl vom Gröller, Ö/I 2020), „Pirmais tilts“ (Laila Pakalnina, Lettland 2020), „Omelia contadina“ (J. R., Alice Rohrwacher, I/F 2020), „L’Avenir le dira“ (Pierre Creton, F 2020), „Mikrokazeta – najmanja kazeta koju sam ikad vidio“ (Igor Bezinović und Ivana Pipal, HRV/SRB 2020), „Spring Will Not Be Televised“ (Michael Heindl, Ö 2020). Filmmuseum: Sa 24.10., 16.00 + Metro: Do 29.10., 13.30 (OmenglU) Kurzfilmprogramm 3: Sent Messages (CAN/ ISL/USA/RUS/E/NZL/IND/ARG 2019/20) R: Diverse. 73 min. Programm mit „Point and Line to Plane“ (Sofia Bohdanowicz, CAN/ISL/USA/RUS 2019), „Autoficción“ (Laida Lertxundi, USA/E/NZL 2020), „The Game of Shifting Mirrors“ (Amit Dutta, IND 2020), „Desaparición incompleta“ (Alan Martín Segal, ARG 2020). Filmmuseum: So 25.10., 16.00 + Metro: Fr 30.10., 11.00 (OmenglU) Kurzfilmprogramm 4: Shared Spaces, Emotional Spaces (F/P/BRA/CAN 2020) R: Diverse. 88 min. Gezeigt werden Arbeiten von Mathilde Girard: „Les Episodes – printemps 2018“ (F 2020), Leonardo Mouramateus: „A chuva acalanta a dor“ (P/BRA 2020), Annie MacDonell und Maïder Fortuné: „Communicating Vessels“ (CAN 2020). Filmmuseum: Mo 26.10., 16.00 + Le Studio: Fr 30.10., 20.30 (OmenglU) A Tongue Called Mother (B 2019) R: Eva Giolo D: Alba Giolo, Pascale Gerbaux & Colette Vuylsteke. 18
min. Handlungen und Worte dreier Generationen von Frauen einer Familie – und von Kindern, die das Lesen erlernen: eine Meditation über Worte, die vom Körper gelernt und vergessen wurden. Metro: Fr 23.10., 11.00 + Filmmuseum: Do 29.10., 13.30 (OmenglU)
Monografie: Christoph Schlingensief 100 Jahre Adolf Hitler. Die letzte Stunde im Führerbunker (BRD 1988/89) R: Christoph Schlingensief D: Volker Spengler, Brigitte Kausch, Margit Carstensen, Dietrich Kuhlbrodt, Alfred Edel, Andreas Kunze, Udo Kier, Marie-Lou Sellem, Asia Verdi. 54 min. Nazideutschland am Ende, taumelnde Bonzen, gellendes Scheinwerferlicht, permanentes Sirenenheulen, kurzum: „Der Untergang“ nicht als tragischer Kitsch (wie bei Eichinger-HirschbiegelGanz), sondern als anarchische Zertrümmerung ewiggestriger Folklore. – Vorfilm: „Für Elise“ (BRD 1982). Metro: Mo 26.10., 21.00 (OmenglU) Die 120 Tage von Bottrop (D 1997) R: Christoph Schlingensief D: Margit Carstensen, Irm Hermann, Volker Spengler, Udo Kier, Helmut Berger, Sophie Rois, Martin Wuttke, Frank Castorf, Leander Haußmann, Kurt Kren. 62 min. Untertitel: „Der letzte neue deutsche Film.“ Eine skurrile Hommage an die Größen des alten und neuen deutschen Kinos, insbesondere Leni R. und Rainer Werner, und mit Martin Wuttke als Schlingensief. „Wenders würde diesen Film eine wehmütige Parodie nennen, Fassbinder hätte ihn nie gedreht“ (Schlingensief). – Vorfilm: „Mensch, Mami, wir dreh’n ’nen Film“ (BRD 1977). Filmcasino: Di 27.10., 18.00 (OmenglU) The African Twintowers (D/Namibia 2005–08) R: Christoph Schlingensief D: Christoph Schlingensief, Dirk Rohde, Irm Hermann, Robert Stadlober, Patti Smith. 70 min. „Schlingensief inszeniert deutsche Geschichte, deutschen Wahnsinn. Und er reicht in diesen Tagen bis zum Koalitionsvertrag, und er führt nach Deutsch-Südwest. So hieß diese Gegend früher. Die Wüste bebt.“ (Der Spiegel) – Vorfilme: „Krise“ (D/Namibia 2005) und „Say Goodbye to the Story (ATT 1/11)“ (D 2011). Metro: Sa 24.10., 11.00 (OmenglU) Das deutsche Kettensägenmassaker. Die erste Stunde der Wiedervereinigung (D 1990) R: Christoph Schlingensief D: Karina Fallenstein, Susanne Bredehöft, Artur Albrecht, Brigitte KauschKuhlbrodt, Volker Spengler, Alfred Edel, Udo Kier. 63 min. Blutig-böse Satire zum Fall der Mauer, dazu eine Hommage an das Splatter-Kino. Nur gibt’s zum Dessert diesmal keine Teenager, sondern die vielzitierten Ossis! Schlingensiefs vielleicht „klassischster“, kompaktester, am häufigsten zitierter Film. Metro: Mo 26.10., 21.00 (OmenglU) Egomania – Insel ohne Hoffnung (BRD 1986) R: Christoph Schlingensief D: Udo Kier, Tilda Swinton, Uwe Fellensiek, Anna Fechter, Dietrich Kuhlbrodt. 86 min. Alles geht zu Ende, auch die Liebe: Tilda Swinton geistert, als märchenhafte Schönheit, durch die Landschaft in diesem Film, Udo Kier als Dandy von Aschenbachs tragischem Format, verspeist kleine Kinder in Gesellschaft böser Hexen und dröhnender Punkrock-Zitate. „Rette sich, wer kann, vor gebildeten Exegeten“ (Die Zeit). – Vorfilm: „Bye Bye“ (BRD 1985). Stadtkino im Künstlerhaus: So 25.10., 23.15 + Metro: Do 29.10., 11.00 (OmenglU) Die Filme nach den Film-Filmen: Theaterfilme (D/CH/Namibia 2004–10) R: Christoph Schlingensief. 110 min. Das vorliegende Programm ist eine kleine Sensation. Es wurde von Frieder Schlaich (Filmgalerie 451) eigens für die Viennale aus Schlingensiefs Nachlass zusammengestellt und bietet die vorläufig einzigartige Gelegenheit, die in anderen Kontexten – an der Volksbühne Berlin, in Bayreuth, am Zürcher Schauspielhaus oder im Teatro Amazonas – entstandenen filmischen Arbeiten einmal auf der Kinoleinwand zu sehen. Stadtkino im Künstlerhaus: Sa 24.10., 23.00 Menu Total (BRD 1985) R: Christoph Schlingensief D: Helge Schneider, Volker Bertzky, Dietrich Kuhlbrodt, Alfred Edel, Anna Fechter. 81 min. 20 Jahre vor „Mein Führer“ von Dani Levy machte Helge Schneider für Schlingensief den Hitler: Ein ganzes Ensemble von unerwünschten Wiedergängern erwacht in diesem „Horror-Nazi-Psychiatrie-Film“ mit kannibalistischem Einschlag zu neuem Leben. „Genial obszön!“, meinte Die Zeit, wogegen der
V I E N N A L E 2 0 F A L T E R Tagesspiegel Berlin wiederum die „größte Sauerei aller Zeiten!“ sah. Das Urteil Schlingensiefs selbst: „Mein bester Film“. – Vorfilm: „My Wife in 5“ (BRD 1985). Metro: Mi 28.10., 11.00 + Sa 24.10., 13.45 (OmenglU) Mutters Maske (BRD 1987/88) R: Christoph Schlingensief D: Brigitte Kausch-Kuhlbrodt, Karl Friedrich Mews, Helge Schneider, Anna Fechter, Udo Kier. 83 min. Frage (Alexander Kluge): „Erzählen Sie doch einmal über ‚Mutters Maske‘. Was ist das für ein Film?“ – Antwort (Christoph Schlingensief): „Das ist mein Remake von ‚Opfergang‘ (1944) von Veit Harlan.“ Empfehlung. Stadtkino im Künstlerhaus: So 25.10., 15.30 + Admiral Kino: Mo 26.10., 18.00 (OmenglU) Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien (D 2020) R: Bettina Böhler. 124 min. Mit seinen Aktionen und Interventionen in Theater, Fernsehen, Oper und Kunst hat der deutsche Regisseur Christoph Schlingensief (1960–2010) über zwei Jahrzehnte den kulturellen und politischen Diskurs mitgeprägt. Die kurzweilige, mitunter oberflächlich geratene Doku der Cutterin Böhler zeigt den Weg des Multitalents vom quasi pubertierenden Filmemacher im Kunstblutrausch über den Bühnen-Revoluzzer von Berlin und Bayreuth bis hin zum Bestsellerautor. Gartenbau: Fr 23.10., 17.15 + Stadtkino im Künstlerhaus: So 25.10., 12.30 (OmenglU) Terror 2000 – Intensivstation Deutschland (D 1992) R: Christoph Schlingensief D: Margit Carstensen, Peter Kern, Udo Kier, Alfred Edel, Christoph Schlingensief, Oskar Roehler. 75 min. Asylantenschicksale und neonazistische Gewalt in einem (von Autonomen des Rassismus geziehenen) Spielfilm, der haltlos zwischen Politsatire, Detektivstory, Vulgärdokumentarismus, Splattermovie und Klamauk à la „Schloss am Wörthersee“ laviert. Schlingensief zieht alle Register, die die Political Correctness verboten hat, und setzt einen groben Keil auf den groben Klotz deutscher Gegenwart. – Vorfilme: „Die Schulklasse“ (BRD 1969) und „ZAK – Nazis vom Mars“ (Co-Regie: Thomas Menke, D 1991–93). Filmmuseum: Di 27.10., 21.00 (OmenglU) Tunguska – Die Kisten sind da (BRD 1984) R: Christoph Schlingensief D: Irene Fischer, Mathias Colli, Anna Fechter, Alfred Edel, Christopher Krieg (d.i. Schlingensief). 75 min. Drei Filmforscher sind unterwegs Richtung Nordpol, um den Eskimos vor Ort Avantgardefilme vorzuführen. Christoph Schlingensief geht „mit Lust und Liebe, aber mutwillig mit allem um, was der experimentelle Film zäh und fleißig erarbeitet hatte; er geniert sich nicht, gleichzeitig einen Erzählfilm und einen Actionfilm und eine Show anzubieten“ (epd Film). – Vorfilm: „What Happened to Magdalena Jung? Die Macht der Unschuld“ (BRD 1983). Metro: Fr 23.10., 18.45 + Filmcasino: Fr 30.10., 13.30 (OmenglU) United Trash (D 1994/95) R: Christoph Schlingensief D: Thomas Chibwe, Udo Kier, Kitten Nativadas, Dietrich Kuhlbrodt, Joachim Tomaschewska. 76 min. Von schwulen Generälen, vereinsamten Ehefrauen, exkommunizierten Bischöfen und Glasmurmeln in der Nase: Hier in Afrika kann der Deutsche noch zeigen, was er kann. Gedreht auf Video, deutscher Underground (auch gezeigt unter dem Titel „Die Spalte“). – Vorfilm: „Mein 1. Film“ (BRD 1968). Stadtkino im Künstlerhaus: Di 27.10., 12.30 (OmenglU)
FOTOS: PANAMA FILM
Monografie: Isabel Pagliai Isabella Morra (F 2015) R: Isabel Pagliai. 22 min. Die Renaissance-Dichterin Morra, die Tochter eines italienischen Adeligen, lebte viele Jahre in frei gewählter Einsamkeit und starb durch die Hand ihrer Brüder. Ihr tragisches Schicksal inspirierte die Filmemacherin zu dieser Meditation über ein Kinderheim in Boulogne-sur-Mer. Filmmuseum: Fr 30.10., 18.30 + Metro: Sa 31.10., 16.00 (OmenglU) Orfeo (F 2017) R: Isabel Pagliai. 16 min. An den Ufern der Arve beschwört Filmemacherin Pagliai ihre Kindheit herauf: „Lose inspiriert vom Mythos des Orpheus folgt der Film den sanften Strömungen des Flusses, mäandernd zwischen den Welten.“ (Ohne Dialog) Filmmuseum: Fr 30.10., 18.30 + Metro: Sa 31.10., 16.00 Tendre (F 2020) R: Isabel Pagliai D: Chaïnes Bizot, Hugo Mercier, Mia Desmoulin, Tony Desmoulin. 43
min. Hugo erzählt Mia von seiner Liebe zu einem Mädchen. Der Film folgt seiner Erinnerung, die Zeit beginnt sich aufzulösen. „So wird in diesen sinnlichen Bildern greifbar, was es bedeutet, jung zu sein. Selten kam eine filmische Realität so nah an Peter Pans Nimmerland.“ (Patrick Holzapfel) Filmmuseum: Fr 30.10., 18.30 + Metro: Sa 31.10., 16.00 (OmenglU)
FEATURES
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Unbehagen in Bild und Ton
Kinematografie: Želimir Žilnik Gde je dve godine bio Kenedi / Kenedi, Lost and Found (SRB/MNE 2005) R: Želimir Žilnik D: Kenedi Hasani, Denis Ajeti. 26 min. Im zwei Jahre nach „Kenedi Goes Back Home“ entstandenen „Kenedi, Lost and Found“ findet Zilnik den jungen Titelhelden seines vorherigen Films ausgerechnet in Wien wieder und folgt dem Rom Kenedi auf seiner Reise zurück nach Serbien. Filmmuseum: Di 27.10., 13.30 (OmenglU) Rani radovi / Frühe Werke / Early Works (YU 1969) R: Želimir Žilnik D: Milja Vujanović, Bogdan Tirnanić, Marko Nikolić, Čedomir Radović, Slobodan Aligrudić. 78 min. Prophetisch erzählte Zilnik bereits 1969 vom Untergang eines ganzes Landes: Die weiblichen Hauptfigur trägt den Namen Jugoslavija, ihr gewaltsamer Tod hat eine fast surreal anmutende Aktualität. Offiziell gefiel die Allegorie über das Scheitern der sozialistischen Revolution ganz und gar nicht – bei der Berlinale hingegen wurde Zilniks Spielfilmdebüt mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Filmmuseum: Sa 24.10., 13.30 (OmenglU) Stara skola kapitalizma / The Old School of Capitalism (SRB 2009) R: Želimir Žilnik D: Živojin Popgligorin, Robert Paroci, Zoran Paroski, Lazar Stojanović, Ernest Larsen. 122 min. Serbien in der Zeit der Transformation nach Ende des Kommunismus: Die Überreste des zerschlagenen Proletariats versuchen, ihre Rechte zu erkämpfen. Žilniks Dokudrama mixt dokumentarische Aufnahmen von Streiks mit Spielszenen: ein Unternehmer, der sich weigert, die Arbeiter zu bezahlen, wird von einer Gruppe Anarchisten entführt. Filmmuseum: Mi 28.10., 13.00 + Metro: Do 29.10., 15.45 (OmenglU) Tako se kalio celik / The Way Steel Was Tempered (YU 1988) R: Želimir Žilnik D: Lazar Ristovski, Tatjana Pujin, Ljiljana Blagojević, Relja Basić, Lidija Stevanović, Dragan Dimitrov. 101 min. Die Abwicklung der Schwerindustrie in den 1980ern ruft einen Kunstsammler aus dem Westen auf den Plan, der die Fabrik mitsamt dem Stahlarbeiter Leo als Kunstobjekt übernehmen will: „Höhepunkt (und Abgesang) des sozialistischen Realismus!“ (Robert Weixlbaumer) Metro: So 25.10., 11.00 (OmenglU) Tito po drugi put medu Srbima / Tito zum zweiten Mal unter den Serben / Tito Among the Serbs for the Second Time (YU 1994) R: Želimir Žilnik D: Dragoljub Ljubičić, Milan Pavlović. 43 min. Žilniks 1994 entstandener, teils dokumentarischer, teils fiktiver Film lässt über den Schauspieler Ljubičić (in Marschallsuniform und mit Brille) den verstorbenen Tito wieder aufleben – konfrontiert die Bevölkerung so mit ihrer noch unaufgearbeiteten Vergangenheit und damit auch der Gegenwart des Milošević-Regimes. Filmmuseum: Di 27.10., 13.30 (OmenglU) Tvrdava Evropa / Festung Europa (SLO 2000) R: Želimir Žilnik D: Svetlana Zajceva, Emil Tchouk, Hannah Nortman. 80 min. „Die Grenze gibt es nicht“, behauptet eine Polizistin, die im italienischslowenischen Karst eine unsichtbare Linie in der Natur bewacht. Želimir Žilnik zeigt, wie real diese Grenze ist, zumindest für Flüchtlinge, die auf den Touristenpfaden verzweifelt nach Möglichkeiten zur illegalen Passage suchen. Urania: Mi 28.10., 16.15 (OmenglU)
Austrian Auteurs Die ersten Tage (Ö 1971) R: Herbert Holba D: Ariane Niehoff, Olga Felber, Heinz Herki, Karl-Heinz Hayek, Gerhard und Wolfgang Stingl. 77 min. Der einzige abendfüllende Spielfilm des Wiener Kinomachers Herbert Holba ist den Pionieren des Stummfilmkinos gewidmet – ein Kinematogramm mit Musik und Geräuschen sowie 67 Zwischenti-
Öha, da stimmt was nicht! Das Androidenmädchen Elli, gespeist mit fremden Erinnerungen, dient als Gefäß für Wünsche und Sehnsüchte
Eine faszinierende Dystopie: Sandra Wollners „Trouble with Being Born“ nbehaglich wird einem da U schon. Wenn man in das wächserne kindliche Gesicht blickt und
der mädchenhafte Körper gar nicht mädchenhafte Posen einnimmt. Als dieses Kind, Elli, leblos im Pool treibt und der Mann, den sie „Papa“ nennt, dies nur mit einem „nicht schon wieder“ kommentiert, merkt man schon: Öha, da stimmt was nicht! Elli (Lena Watson, ein Pseudonym, um die minderjährige Darstellerin zu schützen) ist ein Androidenmädchen, gespeist mit fremden Erinnerungen der spurlos verschwundenen Tochter, die Trauer, Einsamkeit und verbotene Triebe tilgen soll. Elli ist nur das, was ihr Programmierer wollte, das sie ist. Hier unterscheidet sich der kluge Film „The Trouble with Being Born“ von Sandra Wollner von anderen Werken des Genres. Kein Herrschaftsanspruch von Maschinen, keine Sehnsucht, Mensch zu werden. Elli dient aus-
schließlich als Gefäß für Wünsche und Sehnsüchte ohne Tabus, das am Ende nur an die Leere erinnert, die es eigentlich füllen sollte. Ohne Erinnerung gibt es keine Bedeutung. Die Erwachsenen scheinen sich jedoch in ihren vergangenen Erinnerungen zu verlaufen; und ohne es zu merken, werden sie Geister ihrer eigenen Geschichte, merkt Regisseurin Wollner an. Der Film erzählt dies elliptisch, mit sprunghaften Bilder, die einer bedrückenden Realität verhaften sind und von einer latent beunruhigenden Tonspur sowie Ellis Voice-over zusammengehalten werden. Eine faszinierende Dystopie, die universale Fragestellungen zu Einsamkeit und Erinnerungen miteinander verschränkt und mehr als eindrücklich nachhallt. MARTIN NGU YEN
Gartenbau: Mo, 26.10., 17.30 Uhr; Stadtkino im Künstlerhaus: Di, 27.10., 22.45 Uhr; Urania: Do, 29.10., 13.30 Uhr (OmenglU)
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teln, in welchem sich eine Gruppe von Waldläufern durch Solidarität einer nahenden Bedrohung zu erwehren vermag. Metro: Mo 26.10., 18.30 (OmenglU) Die glücklichen Minuten des Georg Hauser (Ö 1974) R: Mansur Madavi D: Walter Bannert, Ernst Epler, Lore Heuermann, Lili Glas, Christine Heuer, Dieter Schrage. 75 min. Ein stehender Topos des Ö-Films der 1970er: die Langeweile und Wohlstandsverwahrlosung unter der Herrschaft der Sozialdemokratie. Hier macht ein gewisser Hauser, überzeugend gespielt von Walter Bannert, der später ins Regiefach überwechseln sollte, kaputt, was ihn kaputt macht. Metro: Di 27.10., 18.30 Jesus von Ottakring (Ö 1976) R: Wilhelm Pellert D: Rudolf Prack, Hilde Sochor, Peter Hey, Susanne Altschul, Stephan Paryla. 98 min. Bevor es noch den sogenannten neuen Ö-Film gab, entstand diese moderne Parabel um gesellschaftliche Intoleranz (nach dem Bühnenstück von Pellert und Korherr). Rudolf Prack feierte ein kleines Comeback, etliche (damals noch langmähnige) Falter-Leute versuchten sich als Kleindarsteller. In Deutschland wusste man mit dem Jesus, der nur bis in den 16. Hieb kam, nicht viel anzufangen. Der Film hieß dort „Die Neider nicht gezählt“. Metro: Mi 28.10., 18.30 Schwitzkasten (Ö 1978) R: John Cook D: Hermann Juranek, Christa Schubert, Franz Schuh, Waltraut Misak, Johanna Froidl. 97 min. Die Geschichte eines Arbeiters, wie sie hierzulande nie zuvor – und seither nie wieder – erzählt ward. Hermann verliert seinen Job beim Stadtgartenamt, die Eltern schmeißen ihn aus der Wohnung, er kommt ins Kriminal. Dann, die wunderbar schöne Volte, fällt er wieder auf die Füße, bekommt eine neue Arbeit und eine gute Frau. Das absolute Meisterwerk des Wiener Films, geschrieben von Cook und Helmut Zenker, dem Autor des (nachher erschienenen) Romans „Das Froschfest“. Metro: Do 29.10., 18.30 (OmenglU) Zechmeister (Ö 1981) R: Angela Summereder D: Herbert Adamec, Asher Mendelssohn, Gernot Klotz, Claudia Schneider, Peter Weibel, Fritz Mikesch. 83 min. Zwei Männer durchsuchen ein Haus und verhaften eine Frau, Maria Zechmeister, von der man nicht weiß, wie sie aussieht. Verhaften sie wegen des Mordes an ihrem Gatten. Exzellent, so Christine Gaigg, die damalige Falter-Kritikerin: „Bei der Betrachtung von ‚Zechmeister‘ sitzt man nicht bloß im Kino – man tut etwas, man leistet Kinoarbeit.“ Metro: Fr 30.10., 18.30 (OmenglU)
Kollektion Diagonale ’20 – Die Unvollendete Gli appunti di Anna Azzori / Uno specchio che viaggia nel tempo / The Notes of Anna Azzori / A Mirror That Travels Through Time (Ö/D/F 2020) R: Constanze Ruhm D: Mit Gemma Vannuzzi, Mona Abdel Baky, Kheda Durtaeva, Ljubica Jaksic. 72 min. „Constanze Ruhm begegnet Anna in einem Archiv, in Alberto Grifis und Massimo Sarchiellis vierstündigem Dokumentarfilm ‚Anna‘ aus den 1970ern. Der Frage nachgehend, wer die ominöse Protagonistin war, münden die Reflexionen in einer feministischen Reise durch Kulturgeschichte, Raum und Zeit.“ (Sebastian Höglinger) Metro: Mi 28.10., 21.15 + Le Studio: Fr 30.10., 18.00 (OmenglU) Jetzt oder morgen / Running on Empty (Ö 2020) R: Lisa Weber. 90 min. Über drei Jahre haben Filmerin Lisa Weber und Kamerafrau Caroline Steinbrecher ihre Protagonistin Claudia begleitet, die mit 15 einen Sohn bekam und mit diesem nun bei ihrer Mutter und ihrem Bruder lebt. Die Kamera beobachtet Claudia hautnah beim Aufwachen und Zubettgehen, beim ritualisierten Zähneputzen, beim Rauchend-aufs-Handy-Starren und beim sinnlose Bewerbungen Schreiben, hat sie doch keinen Schulabschluss. Was bleibt, wenn Arbeitslosigkeit und Herkunft alle Hoffnung auf eine andere Zukunft verstellen? Aus dem Off erklingt die Ballade „When You Believe“ von Whitney Houston und Mariah Carey, unerfüllte Wünsche und Sehnsüchte finden in ihr Ausdruck. Eine Studie über das Vergehen der Zeit und über das, was passiert, wenn scheinbar nichts passiert. (Berlinale) Gartenbau: Di 27.10., 17.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: Do 29.10., 23.00 + Urania: Fr 30.10., 13.30 (OmenglU)
Ordinary Creatures (Ö 2020) R: Thomas Marschall D: Anna Mendelssohn, Joep van der Geest, Lynne Rey, Anat Stainberg, Alois Frank. 75 min. „Keep your eyes on the road, your hands upon the wheel“ – den Ratschlag von Jim Morrison hätten Martha und Alex beherzigen sollen, doch auf ihrer Fahrt durch eine idyllische Gegend sind sie vor allem mit sich selbst beschäftigt. Erst als das reale Leben in Gestalt eines Hundes und seines ergrimmten Besitzers in ihre kleine, egoistische Welt einbricht, kommen die Dinge in Gang – und das mehr, als ihnen lieb ist. Stadtkino im Künstlerhaus: Mo 26.10., 20.45 + Le Studio: Sa 31.10., 18.00 (englOF) A Proposal to Project (Ö 2019/20) R: Diverse. 75 min. Acht – zum Teil zweifelhafte – Vorschläge aus den Kurzfilmwettbewerben (Spielfilm, Dokumentarfilm, Innovatives Kino) der abgesagten Diagonale ’20. Arbeiten von Viktoria Schmid: „A Proposal to Project in Scope“, Katrina Daschner: „Pomp“, Kurdwin Ayub: „pretty-pretty“ und „Lololol“, Friedl vom Gröller: „Elite“ und „sen.“, Raphaela Schmid: „Fische“, Cana Bilir-Meier: „This Makes Me Want to Predict the Past“. Filmmuseum: Mi 28.10., 16.00 + Metro: So 1.11., 18.30 (OmenglU) Die Revolution frisst ihre Kinder! (Ö/BF 2020) R: Jan-Christoph Gockel D: Raphael Muff, Serge Bambara, Laurenz Leky, Evamaria Salcher, Étienne Minoungou, Julia Gräfner. 73 min. Theaterregisseurin Julia Gräfner (gespielt von Schauspielerin Julia Gräfner) reist mit ihrem Ensemble nach Burkina Faso, um „Dantons Tod“ von Büchner aufzuführen. Als es vor Ort zum Volksaufstand kommt, verfällt sie dem Irrglauben, sie als Theatermacherin hätte die politischen Unruhen losgetreten. Mockumentary. Metro: So 25.10., 21.15 + Le Studio: Di 27.10., 18.00 (OmenglU) The Trouble with Being Born (Ö/D 2020) R: Sandra Wollner D: Lena Watson, Dominik Warta, Jana McKinnon, Ingrid Burkhard, Simon Hatzl. 94 min. Vielschichtiger, unbehaglicher Science-FictionNoir, ausgezeichnet mit dem Großen DiagonalePreis 2020: die Geschichte eines folgsamen Androiden namens Elli und der Geister, die wir alle in uns tragen. Gartenbau: Mo 26.10., 17.30 + Stadtkino im Künstlerhaus: Di 27.10., 22.45 + Urania: Do 29.10., 13.30 (OmenglU) Wood (Ö/RO/D 2020) R: Ebba Sinzinger, Michaela Kirst, Monica Lazurean-Gorgan. 96 min. Ein Umweltkrimi. Die gemeinnützige Organisation Environmental Investigation Agency, kurz EIA, ist den Machenschaften des illegalen internationalen Holzhandels auf der Spur. Allen voran Alexander von Bismarck, ein ehemaliger US-Marine, der verdeckt gegen Profiteure und Großunternehmen ermittelt. Metro: Di 27.10., 21.00 + Le Studio: Mi 28.10., 19.45 (OmU)
Recycled Cinema 30 Jahre sixpackfilm: Hidden Treasures and Leftovers (Ö 1995–2020) R: Diverse. 105 min. Österreich-Programm zum Jubiläum des Verleihs: „Farbversuchsprogramm“ (Stefanie Weberhofer, 2020), „Sound Suppression“ (Johann Lurf, 2012), „Comparing Local Spectres (Version Originale 1/2)“ (Constanze Ruhm, Emilien Awada, 2015), „dot dot dot“ (Rainer Kohlberger, 2017), „Besucher einer mir vertrauten Vergangenheit“ (Gabriel Tempea, 2020), „Ulyssesschnitzel“ (Dieter Kovacic, 2005), „Food Speculations“ (Ralo Mayer, 2019), „i deal, you deal, we all deal with the Neu new deal. (Kurz)“ (Borjana Ventzislavova, 2020), „Hotel Room Movie“ (Klub Zwei, 1995), „edge of doom“ (Michaela Grill, 2020), „Double Elvis“ (Henry Hills, 2020). – In Anwesenheit der Filmschaffenden. Filmmuseum: Do 26.11., 18.00 (OF) Ascent (NL/J 2016) R: Fiona Tan. 80 min. Kaum ein Naturdenkmal wurde öfter gemalt und fotografiert als Japans heiliger Berg, der Fuji. Fiona Tan hat über 600 Fotografien dieses Vulkans als visuelles Material für ihren Essayfilm ausgesucht und eine fiktionale Erzählung darübergelegt. Filmmuseum: Mo 23.11., 18.30 + Sa 24.10., 21.00 (OmenglU) Le Cinéma au service de l’histoire + Arbeiter verlassen die Fabrik (F / D 1935 / 1995) R: Germaine Dulac / Harun Farocki. 87 min. Film im Dienst der Geschichte: Zunächst der erste Tonfilm von Germaine Dulac, „eine unabhängige Produktion und zugleich eine Art Fazit ihrer Wochenschauarbeit bei Gaumont, kompiliert Archivmaterial aus
40 Jahren, von den Anfängen des Films bis in die Gegenwart. Dabei entwickelt sich in ‚Le Cinéma au service de l’histoire‘ nicht nur ein Blick auf Frankreich im historischen und internationalen Kontext, sondern auch auf den Film als Akteur, seine Rolle in der Geschichte und seine Bedeutung als Form der Geschichtsschreibung“ (Heide Schlüpmann). Anschließend analysiert Harun Farocki den berühmten ersten Film der Brüder Lumière von den Arbeitern beim Verlassen ihrer Fabrik in Lyon: Hierarchien und Wertsysteme tun sich auf, Geschichte wird sichtbar. Filmmuseum: Mo 16.11., 21.00 + So 1.11., 18.30 (OF) Dead Men Don’t Wear Plaid (USA 1982) R: Carl Reiner D: Steve Martin, Rachel Ward, Reni Santoni, Carl Reiner. 88 min. Eine charmante Persiflage auf den klassischen Film noir: Privatdetektiv Steve Martin bekommt einen komplizierten Fall zu lösen – und begegnet dabei einer Reihe von Hollywoodstars der 1940er-Jahre (unter anderen Burt, Bette und Bogey), die in hunderten Originalausschnitten eingearbeitet sind. Mit einem Score des genialen Miklós Rózsa. Filmmuseum: Mo 2.11., 18.30 + Sa 14.11., 21.00 (OF) Decasia (USA 2002) R: Bill Morrison. 67 min. „Decasia“ steht für „Symphony in Decay“. Der gleichnamige Film dokumentiert die bildmächtige Live-Multimedia-Inszenierung dieser vom US-Komponisten Michael Gordon geschriebenen „Fantasie über den Zerfall“. – Vorfilm: Morrisons „The Film of Her“ (1996), Musik: Bill Frisell, Henryk Górecki. Filmmuseum: Di 27.10., 11.00 (OF) De Maalstroom: Een Familiekroniek / The Mahlstrom: A Family Chronicle (NL 1997) R: Péter Forgács. 60 min. Forgács’ „private“ Geschichte der Shoah, montiert aus Home Movies der niederländischen Familie Peereboom, deren Mitglieder anno 1942 vermeintlich für ein deutsches „Arbeitslager“ rekrutiert wurden; in Wahrheit deportierten die Nazis sie ins Vernichtungslager Auschwitz. Filmmuseum: Mo 26.10., 11.00 (OmenglU) Dial H-I-S-T-O-R-Y + It Felt Like a Kiss (B/GB 1997 / 2009) R: Johan Grimonprez / Adam Curtis. 122 min. Zurerst eine Arbeit des an Kunstinstituten in Belgien und den USA geschulten, zeitweilig in Berlin lebenden Johan Grimonprez: „Dial H-I-S-TO-R-Y“, ein Found-Footage-Kompendium (mit Bill ’n’ Boris als Guest Stars), orchestriert von David Shea. Anschließend „It Felt Like a Kiss“ von Adam Curtis. Filmmuseum: Fr 13.11., 21.00 + Do 29.10., 11.00 (OF) „Feind Footage“: Bilder als Beute (GB/D/USA/Ö 1943–2001) R: Ridley / Kaiser / Capra / Kren / maschek. 81 min. Found beziehungsweise Feind Footage: Bilder lassen sich umwenden, wechseln die Front, stellen ihre Herkunft bloß. Filme von Charles Ridley: „Germany Calling (The Lambeth Walk)“ (GB 1941), Deutsche Wochenschau: „Herr Roosevelt plaudert“ (D 1943), Alfred Kaiser: „Ein drittes Reich“ (Ö 1975), Frank Capra: „Your Job in Germany“ (USA 1945), Alexander Kluge: „Porträt einer Bewährung“ (BRD 1965), Kurt Kren: „20/68 Schatzi“ (Ö 1968), maschek: „der graue star 2 – die wehrmacht“ (Ö 2001). Go for it. Filmmuseum: So 8.11., 21.00 (OF) Filme von Arthur Lipsett (CAN 1961–1968) R: Arthur Lipsett. 71 min. Arthur Lipsett (1936–1986), ein Kanadier, gehört zu den Entdeckungen dieser Retrospektive. Schon sein Debütfilm, „Very Nice. Very Nice“ (1961) wurde für den Oscar nominiert. In rascher Folge realisierte Lipsett eine Reihe intensiver Arbeiten, darunter „21–87“ (1964), „Free Fall“ (1964), „A Trip Down Memory Lane“ (1965) und „Fluxes“ (1968). Filmmuseum: Mi 18.11., 21.00 + Sa 31.10., 11.00 Filme von Bruce Conner (USA 1957–1981) R: Bruce Conner. 83 min. Arbeiten von Bruce Conner (1933–2008), einer Schlüsselfigur des US-amerikanischen Avantgardefilms und „letzter Zauberer des 20. Jahrhunderts“ (Harvard Film Archive): „Cosmic Ray“ (1961), „Report“ (1963–67), „America Is Waiting“ (1981), „Crossroads“ (1976), „Valse Tristze“ (1977), „Take the 5:10 to Dreamland“ (1976), „Mongoloid“ (1978), „A Movie“ (1957). Filmmuseum: Mo 2.11., 21.00 Filme von Cécile Fontaine (F 1984–2006) R: Cécile Fontaine. 77 min. Fontaine macht „handmade films“ im buchstäblichen Sinn des Wortes, indem sie das Ursprungsmaterial an durch chemische Bäder, das Ablösen von Farbschichten und Abfilmen im selbstgemachten optischen Printer
an seine Grenzen bringt: „Home Movie“ (1986), „Overeating“ (1984), „Almaba“ (1988), „Cruises“ (1989), „Japon Series“ (1991), „La pêche miraculeuse“ (1995), „Spaced Oddities“ (2004), „Silver Rush“ (1998), „The Last Lost Shot“ (1999), „Cross World“ (2006). In Anwesenheit der Filmemacherin! Filmmuseum: So 25.10., 18.30 Filme von Peter Tscherkassky (Ö 1985–2015) R: Peter Tscherkassky. 86 min. Ein rasanter Querschnitt durch Tscherkasskys reichhaltiges Schaffen, einige seiner wichtigsten Werke aus drei Jahrzehnten filmischen Arbeitens und Denkens: „Manufraktur“ (1985), „Happy-End“ (1996), „Shot-Countershot“ (1987), „Coming Attractions“ (2010), „The Exquisite Corpus“ (2015), „Instructions for a Light and Sound Machine“ (2005) und „Outer Space“ (1999). In Anwesenheit des Filmemachers! Filmmuseum: Sa 31.10., 18.30 (OF) Filme von Phil Solomon (USA 1989–2013) R: Phil Solomon. 88 min. Filmer Phil Solomon (1952– 2019) hat sich einen „inversen Archäologen“ genannt, der – jiddisch – Schmutz auf gefundene Filmartefakte werfe, um eine Balance zwischen Figuration und Abstraktion zu erreichen: „Remains to Be Seen“ (1989/94), „Twilight Psalm II: Walking Distance“ (1999), „The Emblazoned Apparitions“ (2013), „Rehearsals for Retirement“ (2007), „Last Days in a Lonely Place“ (2008), „Twilight Psalm IV: Valley of the Shadow (2013). Filmmuseum: Fr 13.11., 18.30 + Sa 24.10., 11.00 Filme von Santiago Álvarez (CU 1965–1969) R: Santiago Álvarez. 68 min. Vier kurze Filme des großen Agitprop-Filmers: „Now“ (1965), AntiRassismus-Unterricht mittels Wochenschaubildern und einem Song: „Während der ersten Welle der Black-Panther-Bewegung lud mich Bob Williams ein und spielte mir die Platte ‚Now‘ von Lena Horne vor. Ich hörte sie mir an und dachte: das ist ein Film! Ich wollte nicht hinzuerfinden, ich wollte den Song erzählen“ (Álvarez). „Hasta la victoria siempre“ (1967), ein dokumentarisches Gedicht, angelehnt an Che Guevaras Tagebuch, eine sehr persönliche und doch allgemein gültige Auseinandersetzung mit dem Revolutionär. „L.B.J.“ (1968) führt Lyndon B. Johnson als Prototyp des „guten Amerikaners“ vor, doch die Home Movies glücklicher Familienfeste werden mit Bildern kombiniert, die den USPräsidenten nun mit dem Tod von Martin Luther Kings und der beiden Kennedys in Verbindung bringen. „79 primaveras“ (1969), ein Nekrolog auf Hô Chí Minh. Filmmuseum: Fr 6.11., 18.30 (englOF) Film ist. 1–6 + Film ist. 7–12 (Ö 1998/2002) R: Gustav Deutsch. 150 min. Deutschs berühmtes Work in Progress, eine fulminante Montage, die von der Faszination des frühen Kinos und der Schönheit des wissenschaftlichen Films spricht: Slapstick à la Arbuckle, ein Kleinkind beim Gehen, das Auge eines Hurricans, die Hunde des Zufalls et cetera. Ohne Dialog. Musik von Werner Daffeldecker, Christian Fennesz, Martin Siewert und Burkhard Stangl. Filmmuseum: Fr 30.10., 21.00 + Mi 25.11., 21.00 Found Footage ist Intervention (Ö/YU/CAN// BRD/NL 1973–2012) R: Galeta / Ponger / Tan / Brinckmann / Rimmer / Périot. 78 min. Filme von Ladislav Galeta: „Two Times in One Space“ (YU 1976), Lisl Ponger: „Passagen“ (Ö 1996), Fiona Tan: „Facing Forward“ (NL 1999), Christine Noll Brinckmann: „Der Fater“ (BRD 1986), David Rimmer: „Watching for the Queen“ (CAN 1973), Jean-Gabriel Périot: „The Devil“ (F 2012). Filmmuseum: Mi 25.11., 18.30 + Do 29.10., 18.30 (OF) Geschichte erinnern (Ö/H/ČSSR/USA 1970–1998) R: Tajiri / Groen / Mihálik / Bódy. 67 min. „History and Memory“ (Rea Tajiri, USA 1991) schildert mit Fragmenten aus Hollywoodfilmen und Wochenschauen wie die US-Regierung nach Pearl Harbor weit über 100.000 japanisch-stämmige Amerikaner in Internierungslager steckte. „TitoMaterial“ (Elke Groen, Ö 1998) analysiert zugleich die Vergänglichkeit von Filmmaterial und des Tito-Personenkults. „Lilli Marlen“ (Peter Mihálik, ČSSR 1970) zeigt Vietnamkriegs-Bombenangriffe nicht als schockierende Anomalie, sondern als Markenzeichen der US-Außenpolitik. „Privát történelem“ (Gábor Bódy, H 1978) ist ein originelles Experiment: Ein Sprachtherapeut rekonstruierte anhand der Lippenbewegungen, was in stummen Amateur-Aufnahmen aus Ungarn im Zweiten Weltkrieg gesprochen wurde. Es offenbart sich
FOTOS: REC TANGLE / CLOSE UP FILMS
V I E N N A L E 2 0 F A L T E R ein schrecklicher Kontrast zwischen fröhlichem Geplapper und Bildern von marschierenden Juden auf dem Weg ins Ungewisse. (Jurij Meden) Filmmuseum: Mo 9.11., 18.30 (OmenglU) HyperNormalisation (GB 2016) R: Adam Curtis. 166 min. Für sein Magnum Opus hat Adam Curtis, britischer Essayfilmer und linker Querdenker, das Archiv der BBC durchforstet. Ergebnis ist das Mammutprojekt „HyperNormalisation“, das, kurz gefasst, behauptet, dass die Welt, wie wir sie zu kennen glauben, seit vier Jahrzehnten quasi eine kreierte Schimäre ist. Filmmuseum: So 15.11., 21.00 + Fr 23.10., 11.00 (OF) Imitations of Life (CAN 2003) R: Mike Hoolboom. 75 min. Hoolboom, geboren 1959 in Toronto, ein Jäger und Sammler in Sachen gefundenes Material, spielt hier schon im Titel aufs klassische Hollywoodkino, genauer: Douglas Sirks großes Melo „Imitation of Life“ (1959) an. „In zehn Kapiteln geht ‚Imitations of Life‘ der Frage nach, was die Bilderproduktion bedeutet: Beschneidet sie unsere Emotionen oder bereichert sie die Suche nach Erkenntnis? Die Vielzahl der filmischen Quellen unterstreicht die Ambivalenz des Themas.“ (Brigitta Burger-Utzer) Filmmuseum: So 22.11., 21.00 + Do 5.11., 21.00 (OF) Nash vek / Unser Jahrhundert (UdSSR 1983) R: Artavazd Peleshyan. 50 min. Peleshyan, gebürtiger Armenier des Jahrgangs 1938, gilt Kennern als Schöpfer philosophisch-poetischer Werke, in denen er Archivmaterial gemäß seinem künstlerischen Credo „Der Mensch ist größer als die Sprache“ neu montiert. Jean-Luc Godard soll ihn zum wahren Erben „der Geheimnisse des Kinos“ erklärt haben. Filmmuseum: So 1.11., 11.00 + Sa 14.11., 18.30 Pays barbare / Barbarisches Land (F/I 2013) R: Yervant Gianikian, Angela Ricci Lucchi. 65 min. Das Found-Footage-Filmer-Duo Gianikian und Ricci Lucchi arbeitet sich erneut an ethnografischem Film ab. „Pays barbare“ von 2013 basiert auf kurz vorher aufgefundenem Filmmaterial zu den Kolonialbestrebungen des faschistischen Italien in Afrika. An den Archivbildern soll auch das erotische Imaginäre des Kolonialismus anschaulich werden. Filmmuseum: Mi 28.10., 11.00 (OmenglU) A Perfect Body Is an Embarrassing Body (Ö/ USA/ZA 1995–2020) R: Marte / Everson / Swiczinsky / Gary / Subrin / Mistry. 100 min. Found Footage und die Repräsentation des weiblichen Körpers: „Do we need to have an accident?“ (Sabine Marte, Ö 2011), „Something Else“ (Kevin Jerome Everson, USA 2007), „Lezzieflick“ (Nana Swiczinsky, Ö 2008), „The Giverny Document (Single Channel)“ (Ja’Tovia Gary, USA/F 2019), „Swallow“ (Elisabeth Subrin, USA 1995), „Cause of Death“ (Jyoti Mistry, ZA/Ö 2020). Filmmuseum: Fr 23.10., 18.30 + Mi 18.11., 18.30 Poesie des Abfalls (I/CAN/Ö/BRD/GB/USA 1968–2015) R: Gioli / Saito / Hein / LeGrice / Heller / Fruhauf / Müller. 82 min. Recycling von Gefundenem, buchstäblich: Programm mit „L’operatore perforato“ (Paolo Gioli, I 1979), „Engram of Returning“ (Daïchi Saïto, CAN 2015), „Rohfilm“ (Wilhelm & Birgit Hein, BRD 1968), „Berlin Horse“ (Malcolm LeGrice, GB 1970), „Her Glacial Speed“ (Eve Heller, USA 2001), „Mirror Mechanics“ (Siegfried A. Fruhauf, Ö 2005), „Sleepy Haven“ (Matthias Müller, D 1993). Filmmuseum: Di 27.10., 18.30 + So 22.11., 18.30 Pornografie dekonstruieren (USA/J/Ö/YU/RUS 1962–2014) R: Diverse. 82 min. Der Titel ist Programm: „The Color of Love“ (Peggy Ahwesh, USA 1994), „On Eye Rape“ (Iimura Takahiko, J 1962), „Pression“ (Ljubomir Simunić, YU 1975), „Kalkito 2“ (Dietmar Brehm, Ö 2002), „The Shadow of Your Smile“ (Alexei Dmitriev, RUS 2014), „Sodom“ (Luther Price, USA 1989), „Removed“ (Naomi Uman, USA 1999), „Mayhem“ (Abigail Child, USA 1987). Filmmuseum: So 15.11., 18.30 + Mi 28.10., 21.00 (OF) Reframing Dream Factory (D/CAN/Ö/YU/B/USA 1936–2007) R: Müller / Lemieux / Arnold / Simunić / Cornell / Provost / Milošević / Kubelka / Schwentner. 88 min. Found-Footage-Filmer/innen unterlaufen die Konventionen des klassischen Erzählkinos, indem sie den Kontext von Bildern und Tönen veschieben: „Home Stories“ (Matthias Müller, D 1990), „Western Sunburn“ (Karl Lemieux, CAN 2007), „passage à l’acte“ (Martin Arnold, Ö 1993), „Gerdi, zločesta vještica“ (Ljubomir Simunić, YU,
1973–76), „Rose Hobart“ (Joseph Cornell, USA 1936), „Papillon d’amour“ (Nicolas Provost, B 2003), „Last Tango in Paris“ (Miodrag Milošević, YU 1983), „Dichtung und Wahrheit“ (Peter Kubelka, Ö 2003), „la petite illusion“ (Michaela Schwentner, Ö 2006). Filmmuseum: Fr 30.10., 11.00 Shred, Scretch, Sync (Ö/USA 1978–2019) R: Gamsjäger / Baron, Goodwin / Grill, Siewert / Lurf / Draschan / Ahwesh / Proctor / Birnbaum / Weberhofer. 79 min. Programm mit „blowfeld“ (Rainer Gamsjäger, Ö 2004), „LOSSLESS #5 & #3“ (Rebecca Baron, Doug Goodwin, USA 2008), „cityscapes“ (Michaela Grill, Martin Siewert, Ö 2007), „Twelve Tales Told“ (Johann Lurf, Ö 2014), „Freude“ (Thomas Draschan, Ö 2009), „She Puppet“ (Peggy Ahwesh, USA 2001), „A Movie by Jen Proctor“ (Jennifer Proctor, USA 2010–12), „Technology Transformation: Wonder Woman“ (Dara Birnbaum, USA 1978/79), „Kopierwerk“ (Stefanie Weberhofer, Ö 2019). Filmmuseum: Mi 4.11., 21.00 Stereotypien des Westens (GB/CAN/RUS 1924–2018) R: Brunel / Salloum, Suleiman / Markov. 101 min. Adrian Brunels „Crossing the Great Sagrada“ (GB 1924) ist eine entlarvende Bearbeitung von Reisefilm-Outtakes. „Introduction to the End of an Argument“ (CAN 1990) von Jayce Salloum und Elia Suleiman beschäftigt sich mit dem verzerrten westlichen Bild der arabischen Kultur im Allgemeinen und der Intifada im Besonderen. „Our Africa“ (RUS 2018), so Filmemacher Alexander Markov, ist „ein wirbelsturmartiger Überblick der Ansichten, Leidenschaften und Strategien, die in der Arbeit sowjetischer Filmteams in Afrika von 1960 bis 1990 sichtbar werden“. Filmmuseum: Mo 23.11., 21.00 + Mo 26.10., 21.00 (englOF) Subversive Rache (USA 1966–2015) R: Gunvor Nelson / Craig Baldwin. 69 min. Zum Auftakt: „Schmeerguntz“ von Gunvor Nelson und Dorothey Wiley (USA 1966), eine drastische Konfrontation medial vermittelter Bilder vom Frausein mit der Realität junger Mütter. Anschließend das Hauptwerk von Found-Footage-Feuerwerker Craig Baldwin: „Tribulation 99: Alien Anomalies Under America“ (USA 1991), ein Kalter-Krieg-Fiebertraum aus B-Pictures, Wochenschauen, Reisedokumentationen, Industriefilmen. Und schließlich Baldwins kurzes „Bulletin“ (USA 2015). Empfehlung! Filmmuseum: So 8.11., 18.30 + Do 26.11., 21.00 (OF) Swastika (GB 1973) R: Philippe Mora. 113 min. Der Film des jungen Australiers Mora sorgte 1973 in Cannes für Aufsehen und war in Deutschland lange Zeit verboten. „Swastika“ ist eine Kompilation von damals noch weithin unbekannte Privataufnahmen Adolf Hitlers am Obersalzberg. Mit nachsynchronisiertem Ton, aber ohne Kommentar erschafft der Film eine Atmosphäre, in der die Banalität des Bösen fast physisch spürbar wird. Filmmuseum: So 25.10., 11.00 + Mo 9.11., 21.00 (dF) Die Unschuld des Frühen (D/GB/USA/Ö 1925–2008) R: Frampton / Gehr / Pinschewer, Seeber / Pfaffenbichler / Lye. 57 min. Wegen seiner starken Wirkung und Expressivität greifen Filmkünstler/innen auf das „Kino der Attraktionen“, wie Filmtheoretiker Tom Gunning es nennt, zurück und rücken ihm mit zeitgenössischen Tricks zu Leibe: „Gloria!“ (Hollis Frampton, USA 1979), „Eureka“ (Ernie Gehr, USA 1972), „KIPHO“ (Julius Pinschewer & Guido Seeber, D 1925), „Mosaik mécanique“ (Norbert Pfaffenbichler, Ö 2008) und „Rhythm“ (Len Lye, GB 1957). Not to be missed! Filmmuseum: Do 5.11., 18.30 Velikiy put / Der große Weg (UdSSR 1927) R: Esfir Shub. 114 min. Anlässlich des zehnten Jahrestags der Oktoberrevolution entstanden, sollte „Der große Weg“ die Errungenschaften des Sozialismus feiern. Zudem zeigte er dem sowjetischen Publikum erstmals auch Szenen aus Lenins Privatleben. (Live-Klavierbegleitung: Elaine Loebenstein) Filmmuseum: Mi 4.11., 18.30 Videogramme einer Revolution (D/RO 1992) R: Harun Farocki, Andrei Ujica. 107 min. Ein erhellender Videoessay über die mediale Konstruktion von Wirklichkeit: Der Sturz des Diktators Nicolae Çeauşescu im Dezember 1989 und das Bild, das via TV davon vermittelt wurde. Material des rumänischen Fernsehens wird ergänzt durch Amateurfilme, denn als das Regime fällt, „gehen die Kameras auf die Straße“ (Kommentartext). Filmmuseum: Fr 6.11., 21.00 + Mo 16.11., 18.30 (OmU)
FEATURES
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Französisches in Schwarz-Weiß
Der junge Kunsttischler Luc steht im Zentrum eines wehmütigen Liebesreigens: Logann Antuofermo mit Souheila Yacoub beziehungsweise Louise Chevillotte
Das Verhängnis der Leichtigkeit: Philippe Garrels „Le Sel des larmes“ er Film ist erst wenige MinuD ten alt, als unversehens die Stimme eines Erzählers aus dem
Off erklingt. Diese erloschen geglaubte Konvention tritt scheinbar ohne Not auf den Plan. Was in den Figuren von „Le Sel des larmes“ (deutsch: „Das Salz der Tränen“) vorgeht, würden wir auch so verstehen: Die Liebe bleibt nicht, wo sie ist. Die Erzählstimme hat den Vorzug, Ironie ins Spiel zu bringen und Philippe Garrels einnehmend unverbrauchten Darstellern zuzeiten unter die Arme zu greifen. Luc kommt nach Paris, um sich an einer Eliteschule für Kunsttischler zu bewerben. Damit erfüllt er den Lebenstraum, der seinem Vater (André Wilms) verwehrt blieb. In der großen Stadt weist ihm Djemila den Weg und verliebt sich in ihn. Daheim allerdings trifft er Geneviève wieder, die er aus den Augen verloren hatte und die ihn nun nicht mehr gehen lassen will. Als er
an der Schule angenommen wird, begegnet er Betsy, womit der Reigen noch nicht zu Ende ist. Für Luc ist die Liebe weder Spiel noch Verbindlichkeit, sondern eine Folge von Gelegenheiten. Renato Bertas Kamera unterstreicht das Schillern der Gefühle, in dem sie behände den Fokus verschiebt, eine Spannung zwischen Schärfe und Unschärfe schafft. Der Regisseur ist fasziniert von den Anfängen der Liebe, dem frühen Zauber, der erhabenen Verlegenheit. Die ersten Umarmungen filmt er hinreißend als Choreografie des Tastens, Drängens und der zärtlichen Abwehr. Er respektiert die entschlossene Verletzbarkeit der Frauen, entdeckt darin die größere Klugheit. GERHARD MIDDING
Votiv: Sa, 24.10., 20.30 Uhr; Admiral: So, 25.10., 20.30 Uhr; Gartenbau: Fr, 30.10., 23 Uhr + Sa 17.30 Uhr; Stadtkino im Künsterhaus: So, 1.11., 18 Uhr (OmenglU)
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