Grosseltern-Magazin 05/2021

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~ Ari meint ~

n e be m L h r ig e n e d aus s 19-Jä e i ne

WENIGER

RUMHETZEN

Um für meine Maturaarbeit einige Nachforschungen anzustellen, bin ich kürzlich nach Heidenau gereist, ein kleiner Ort neben Dresden. Unsere Kanti hat dort

Ich habe durch diese Begegnung festgestellt, wie tief das Denken,

eine Partnerschule. Dort habe ich mit einigen Lehrern gesprochen. Nach den Interviews übernachtete ich im Hotel «Mühlenhof». Ich war müde und etwas niedergeschlagen, als ich an die Rezeption kam. Was mich dort erwartete, überraschte mich sehr. Ich bin es von Hotels gewohnt, auf jemanden im Anzug zu treffen, meist telefonierend, aber dennoch auf ein schnelles und reibungsloses Einchecken vorbereitet. Doch so kam es nicht. Da an der Rezeption, da sass einer. Kaffeetasse und Aschenbecher griffbereit, die Nase in der Bildzeitung. Als er mich sah, grinste er frech, aber doch auch erfreut. «Setzen Sie sich erst mal», sagte er und streckte sich auf seinem Stuhl aus. Dann gab er mir einen Zettel zum Ausfüllen. Nachdem ich dies getan hatte, fragte er mich, wieso ich denn nicht länger bliebe. Dann schlug er mir vor, ich solle doch einen Spaziergang entlang des Flusses machen. Dann erzählte er mir von den drei besten Restaurants im Ort. Und schliesslich sahen wir uns noch gemeinsam die Zeitung an und stellten fest, dass Helene Fischer schwanger war von einem Akrobatik-Seiltänzer. Als ich oben in meinem Zimmer war, schüttelte ich zuerst den Kopf über diesen seltsamen Kauz. Doch dann begann ich, nachzudenken. Ich hatte diesen Menschen als «Personal» gesehen. Als blosse «Station» auf meinem Weg von einer Sache zur nächsten. Doch dieser Rezeptionist hat zu mir eine persönliche Beziehung aufgebaut. Er sah mich als Menschen, als Individuum, mit dem man sich austauschen kann.

immer nach dem nächsten zu greifen, in mir drin ist. Wie ich Stehenbleiben dem Rückschritt gleichsetze. Ich bin mir auch sicher, dass ich da nicht der Einzige bin. Was spricht denn dagegen, stehenzubleiben und die Herbstblätter zu betrachten? Nicht immer so zielorientiert zu sein? Woher kommt die Selbstverständlichkeit, alles nach seinem Nutzen zu bewerten und zu betrachten? Manchmal habe ich das Gefühl, dies liegt am Möglichkeiten-Überschuss. Es gibt einfach zu viel, das man zu tun oder aus dem man auszuwählen hat. Ein weiterer Grund könnte die zunehmende Vernetzung sein. Auf den sozialen Medien sehen wir jeden Tag Menschen, die uns irgendetwas erzählen. Irgendwelche Tipps geben, wie man sein Leben auch noch leben könnte. Meinungen, die man sich gar nicht anhören will. Und alle tönen sie so von sich selbst überzeugt. Als hätten sie den geheimen Schlüssel zum Geheimnis des Universums gefunden. Doch wieso sollte das überhaupt das Ziel sein? Als ginge es ständig darum, alles richtig zu machen. Dem Leben Strukturen zu geben oder Sinne, die es gar nicht braucht. Zu sich selbst zu stehen und seine sieben Sachen zusammenzuhaben, das reicht doch auch. Mal etwas richtig tun, statt zehn Dinge nur so halb. Ich werde das jetzt jedenfalls erstmal so tun. •

# 05 ~ 2021

Ari Teuwsen (19) ist Schüler an der Kantonsschule Wettingen.


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