32 HGV-Zeitung Juli 2020
PANORAMA
Unterstützung des Tourismus Europäische Union: Rückenwind für Tourismus, Saisonarbeiter und Grenzpendler Das Europäische Parlament, die EU-Kommission und der Europäische Rat rufen zur Unterstützung des Tourismus und zur verstärkten Solidarität und Koordinierung innerhalb der Tourismusbranche auf. Die Lungenkrankheit Covid-19 trifft den Tourismus, den Verkehr und die Kultur am stärksten. Allein im Tourismus sind europaweit 22,6 Millionen Menschen beschäftigt, sie tragen 9,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bei. Aufgrund der Corona-Pandemie sind derzeit 6,4 Millionen Arbeitsplätze gefährdet. Mitte Mai hat die Europäische Kommis-
sion Leitlinien zur Wiederaufnahme des Tourismus erlassen. Nun fordert das Europäische Parlament Normen und ausführliche Protokolle für gemeinsame Hygienemaßnahmen und Gesundheitsprotokolle. Der EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann betont: „Es geht darum, eine harmonisierte Vorgehensweise und die Sicherheit der Touristen und Arbeitskräfte zu garantieren.“ Gleichzeitig müsse die Tourismus- und Verkehrsbranche kurzfristig, aber auch langfristig unterstützt werden. Bei der schrittweisen Aufhebung inländischer und grenzübergreifender Beschränkungen dürfe es zu keiner Diskriminierung von einzelnen
EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann Ländern kommen. Auf EUEbene vereinbarte Maßnahmen müssten gegenseitig anerkannt werden. „Wir stellen uns klar gegen Vereinbarungen zwischen einzelnen Mitgliedstaaten, wie das beispielsweise Tourismuskor-
ridore sind“, erklärt Herbert Dorfmann. Es brauche zudem einen festgelegten Sicherheits-Schwellenwert bei der Aufhebung oder Einführung von Reisebeschränkungen, betont der Südtiroler EU-Parlamentarier. Ein solcher Schwellenwert müsse auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und zuverlässigen, einheitlichen Daten basieren. Außerdem werden im Entschließungsantrag zur Unterstützung des Tourismus klare Leitlinien und Vorsorgeaktionspläne für eine mögliche zweite Pandemie-Welle gefordert. Ein weiterer Antrag betrifft Saisonarbeiter und Grenzpendler. Die CoronaKrise habe gezeigt, wie wich-
tig Saisonarbeiter für den Tourismus, für die Landwirtschaft und die Pflege sind, erklärt Herbert Dorfmann. 17 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union leben und arbeiten derzeit in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihrer Staatsangehörigkeit; eineinhalb Millionen Menschen sind Grenzgänger. Grenzpendler und Saisonarbeitnehmer wurden von den Grenzschließungen und vorübergehenden Beschränkungen und Kontrollen besonders schwer getroffen. „Sie müssen von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen dürfen“, sagt der Südtiroler EU-Parlamentarier Dorfmann.
Bergdestinationen haben die Nase vorne Tourismus: Italiener schätzen Urlaub am Berg als sicherer ein Gute Neuigkeiten für die heimische Tourismusbranche: Eine Umfrage unter mehr als 1.500 Italienern zu Ferienzielen für den Sommer 2020 zeigt eine klare Präferenz für Urlaub in den Bergen. Die Befragung, in der die Bedürfnisse der italienischen Bevölkerung hinsichtlich des Neustarts im Tourismus erhoben wurden, wurde von Linda Osti, Professorin an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Freien Universität Bozen, und Consuelo R. Nava, Forscherin an der Università della Valle d’Aosta, durchgeführt. Deutlich geht daraus der Wunsch hervor, in Echtzeit über den Zustrom auf Sehenswürdigkeiten und touristische Routen informiert zu werden. Italien ist zweifelsohne ein Tourismusland. Das bestätigt auch der Anteil, mit dem die Tourismusbranche zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt: Laut Daten aus dem Jahr 2017 liegt das Land mit einem Gesamtbeitrag von rund 17 Prozent über dem weltweiten, aber auch europäischen Durchschnitt, wobei neben der direkten Wirt-
schaftsleistung des Sektors auch die Ausgaben eingerechnet wurden, die von direkten und indirekten Beschäftigten im Tourismus getätigt wurden. Zudem wies Italien mit einem Anteil von 10 Prozent an der Gesamtbeschäftigung und fast 3,4 Millionen Arbeitsplätzen überdurchschnittliche Werte auf.
Sorgenfreier Urlaub Die Sehnsucht nach Urlaub ist bei den Italienern sicherlich groß – doch wohin zieht es sie in diesen unsicheren Zeiten? „In dieser heiklen Phase ist es umso wichtiger, die stärksten Trends auf dem nationalen Markt zu verstehen, um vor dem Hintergrund der Corona-Krise möglichst früh die Bedürfnisse potenzieller Gäste zu verstehen und auch über die gesetzlich vorgegebenen Sicherheitsvorschriften hinaus Dienstleistungen anbieten bzw. Vorkehrungen treffen zu können“, erklären Osti und Nava. Dank solcher Maßnahmen könnten Urlaubsgäste die Sommerferien 2020 trotz Krise sicher und möglichst sorgenfrei verbringen, was
Der Urlaub in den Bergen ist in diesem Sommer gefragt. Foto: IDM/ Thomas Grüner
wiederum eine wichtige Voraussetzung für die Erholung der wirtschaftlich bedeutenden Tourismusbranche sei.
Umfrageergebnisse Die Hauptmotivation für einen Urlaub ist und bleibt für die Italiener das Bedürfnis, sich zu erholen. Darüber hinaus gewinnt im Sommer 2020 der Wunsch, Familie und Freunde zu besuchen, erheblich an Gewicht. Bezüglich der Urlaubsziele hat die Umfrage ergeben, dass ein Urlaub in den Bergen als sicherer eingeschätzt wird als ein Strandurlaub oder Städtereisen. Auch steigt das Sicherheitsgefühl laut Umfrage Woche für Woche: So werden die Monate August und September als sicherer eingeschätzt als der
Monat Juli. „Die Saison wird erst einmal in den Bergdestinationen starten, die bereits Mitte Juni als sicherer eingeschätzt wurden als ein Strandurlaub im August“, unterstreichen die beiden Wirtschaftswissenschaftlerinnen. Städte wiederum haben es am schwierigsten, das Vertrauen von Touristen wiederzugewinnen: Noch im Oktober werden sie von den Befragten als unsicherer eingeschätzt als die Berge im Juli. Bereits in den vergangenen Jahren hat das Phänomen des Overtourism vor allem in touristischen Hotspots für Diskussionen gesorgt. Im Sommer 2020 müssen die Tourismusdestinationen darauf tatsächlich Antworten liefern, um
potenzielle Gäste zu beruhigen. Eine Herausforderung besteht sicherlich darin, die Tourismusströme zeitlich und räumlich gut zu verteilen. „Dieses Problem könnte man durch das Angebot einer App lösen, die Touristen in Echtzeit anzeigt, wie überfüllt bestimmte Sehenswürdigkeiten oder touristische Routen sind”, lautet der Vorschlag von Osti und Nava. Rund 30 Prozent der Befragten gaben an, im bevorstehenden Sommer keinen Urlaub in Italien zu planen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Manchen Befragten fehlt dazu schlichtweg das Geld, anderen die Zeit, weil sie ihre Ferientage bereits während des Lockdowns aufbrauchen mussten. Vielfach dämpft die Wahrnehmung von Unsicherheit die Reiselust für die kommenden Monate. Auch die Aussicht auf einen Urlaub mit Einschränkungen schreckt ab, da damit ein verminderter Erholungswert sowie weniger Freiheit verbunden werden. Eine Minderheit der Befragten gab darüber hinaus an, ihren Urlaub lieber im Ausland verbringen zu wollen.