4 | SPIRIT | Joël Vermin
«ICH WÜRDE ALLES NOCHMALS GENAU GLEICH MACHEN» Die Anfänge in Bern, die Zeit in Übersee, die belastenden Wochen in Lausanne und die Rückkehr zum SCB: Joël Vermin (30) spricht im spirit offen über Sportliches und Privates. Joël Vermin sitzt im Restaurant der PostFinance Arena, nestelt in der Hosentasche und klaubt das Handy hervor. Dann sucht er diesen einen Song, dessen Melodie sich ins Gedächtnis eingebrannt hat. Vermin blickt auf den verregneten Vorplatz. Er erinnert sich an seine Anfänge, das tiefliegende Eisfeld vor dem Stadion, welches später einer unterirdischen Trainingshalle sowie zusätzlichen Parkplätzen weichen sollte. Dort, auf diesem Eisfeld «im Graben», wie es Vermin formuliert, hat er zum Eishockey gefunden. Er lief rauf und runter im freien Eislauf. Und wenn er an diese Zeit als 10-Jähriger denkt, «dann kommt mir dieses Lied in den Sinn, welches regelmässig aus den Boxen beim Eislauf ertönte». 20 Jahre später steht Vermin beim SC Bern als Symbol für bessere Zeiten, für Aufschwung und Spielfreude. Der Berner ist zurückgekehrt, nach Hause gekommen. Zur Aufbruchstimmung gehört auch der Blick zurück. Als er vor kurzem ein paar Kisten bei seinen Eltern abholte, fiel ihm ein Mäppchen mit SCB-Autogrammkarten auf. Vermin war ein ruhiger Junge, eher scheu, Flegeljahre kannte er kaum, stattdessen war da die Leidenschaft für den SCB. Im Zimmer hingen Poster seiner Helden, Patrik Juhlin etwa, der um die Jahrtausendwende nach Bern gekommen war, und Derek Armstrong, der zwar nur eine Saison (2001/02) beim SCB spielte, das Trikot aber immer lässig hinten in die Hose steckte, was den Jungspund beeindruckte.
Die Eltern als Vorbild Vermin durchlief beim SCB alle Nachwuchsstufen. Urs-Peter «Üpu» von Allmen
war sein erster Trainer, ein Anhänger der tschechischen Schule. «Er hat die wichtige Basis gelegt», sagt Vermin. Später prägten ihn Konstantin Kuraschew und Lars Leuenberger als Trainer. Mit 17 Jahren debütierte er als «Gitterbueb» gegen Rapperswil in der höchsten Liga. In der Saison nach dem Meistertitel 2010 erhielt der Youngster konstant Auslauf in der ersten Mannschaft. Der damalige Trainer Larry Huras hielt viel von Vermin, das kam dem Flügel zupass. Er durfte häufig mit Ivo Rüthemann und Martin Plüss in einer Linie spielen. Die wichtige Rolle blieb, als der Trainer wechselte, Antti Törmänen auf Huras folgte. In der Saison 2012/13 erlebte Vermin den Höhepunkt, Bern bezwang Gottéron im Playoff-Final: «Die letzten zehn Minuten der entscheidenden Partie werde ich nie vergessen. Wir führten klar und ich konnte die ganzen Emotionen in der Halle und auf der Bank so richtig geniessen.» Nach dem Titelgewinn wurde der Berner von Tampa Bay gedraftet. Er unterschrieb einen Vertrag bei den Lightning, wurde noch eine Saison nach Bern ausgeliehen und ging in der Folge nach Übersee. Der Wechsel war nicht einfach für einen wie Vermin, der eher zurückhaltend ist. Im Angewöhnungsprozess halfen ihm Geschichte und Erfahrung seiner Eltern. Mutter Marta ist Ungarin und kam 1982 in die Schweiz. Sie arbeitete als Pflegefachfrau und lernte bei der Arbeit Hans Vermin kennen, der aus den Niederlanden in die Schweiz gezogen war. «Beide kamen aus dem Ausland in die Schweiz, mussten ihr Leben hier von null an aufbauen. Als ich
nach Nordamerika ging, musste ich nicht nach Vorbildern suchen – sie waren vor meiner Nase», sagt Vermin. Seit längerem führen die Eltern im Fischermätteli eine Physiopraxis. Wobei Hans Vermin als Nebentätigkeit in der SCB-Hockeyschule tätig ist. Der Kontakt zu Joël ist eng, der Sohn besitzt neben dem Schweizer auch den niederländischen Pass.
Die AHL als Lebensschule Doch zurück zu Tampa Bay: Vermin bestritt 24 NHL-Partien, sammelte vier Assists. Bei den Toren steht eine 0, was Vermin «schon ein bisschen schmerzt», wie er sagt. «Aber es ist nicht so, dass ich jeden Morgen aufwache und denke: Scheisse, so ein NHLTor fehlt mir!» Mehrheitlich spielte der Stürmer in der AHL bei Syracuse Crunch. Er habe das «Ellböglen» gelernt, «und ich wurde gezwungen, auf Leute zuzugehen, musste aus mir herauskommen, entwickelte mich als Mensch». Die AHL sei eine gute Lebensschule. «Das Leben als NHL-Profi ist der Hammer, speziell in Tampa Bay, wo du raus aus dem Stadion gehst und Ferienfeeling hast. In der AHL aber war die Stimmung eine andere, da ist Testosteron im Überschuss vorhanden, der Kampf um NHLPlätze ist gross, einige sind sehr egoistisch unterwegs», erzählt Vermin. Wobei dies in Syracuse nicht so extrem der Fall gewesen sei. Dort teilte er die Wohnung mit Cory Conacher. Mit Conacher verbindet Vermin neben der Freundschaft auch ein Schreckmoment, der in Zusammenhang mit der DiabetesErkrankung des Kanadiers steht. Am Mor-