public Sonderheft - Voranschlag VRV 2015

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Investitionen – Aktivierung oder Instandhaltung? Michael Dessulemoustier-Bovekercke (Moore Stephens)

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lle Gemeinden in Österreich werden ein nicht unerhebliches Anlagevermögen in ihren Eröffnungsbilanzen aufweisen. Neben den vielen in Gemeindebesitz befindlichen Grundstücken werden auch viele Gebäude und Straßen zu einem hohen GesamtVermögenswert führen, der auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten laufend instand zu halten ist. Dies wird zu umfangreichen Maßnahmen führen, die in den Rechnungsabschlüssen und Voranschlagsrechnungen der Gemeinden darzustellen sind. Es sind zwei Darstellungsvarianten denkbar: • Aktivierung der Maßnahmen auf die bestehenden Restbuchwerte des bereits vorhandenen Vermögenswertes • Erfassung der Maßnahmen als Aufwand in der Ergebnisrechnung Diesbezüglich bestehen in der VRV Vorgaben, die zu berücksichtigen sind. In § 24 Abs 8 VRV 2015 wird festgelegt, dass angefallene Aufwendungen, die zu einer Vermehrung der Substanz, Vergrößerung der nutzbaren Fläche oder einer wesentlichen Verbesserung der Funktionen führen, zu aktivieren sind und gem. § 24 Abs 5 VRV 2015 abzuschreiben sind. Diese Regelung führt in mehrfacher Hinsicht zu Zweifelsfragen:

Verbesserung der Substanz Neben den hier angeführten Zweifelsfragen dürften die „Substanzmehrung“ und die „Vergrößerung der nutzbaren Fläche“ verhältnismäßig einfach zu beantworten sein, da diese regelmäßig gut messbar sein werden. Wesentliche Verbesserungen sind in diesem Zusammenhang schwieriger und oft nicht eindeutig zu beurteilen. Eine wesentliche Verbesserung ist immer dann gegeben, wenn sich die Wesensart des zu beurteilenden Vermögenswertes grundlegend ändert (vorher: Lagerhalle; nachher Veranstaltungssaal) oder wenn die Nutzung erheblich kostengünstiger wird (Austausch aller alten Kastenfenster gegen wärmedämmende Isolierglasfenster). Ein weiterer Anhaltspunkt ist jeweils die Frage, ob lediglich ein Austausch stattfindet, oder ob ein Vermögenswert durch die Aufwendungen eine grundlegend vorteilhaftere Nutzung erfährt.

1. Oftmals führt alleine bereits die Abgrenzung, ob es zu einer wesentlichen Verbesserung des Vermögenswertes gekommen ist, zu erheblichen Schwierigkeiten.

Beispiel: Vor dem Umbau befand sich am Gemeindezentrum eine Steinfassade ohne Dämmung. Im Zuge eines Umbaus wurde die gesamte alte Fassade abgenommen und wärmedämmende Fassadenelemente angebracht. Es handelt sich um eine wesentliche Verbesserung und damit auch um eine Aktivierungspflicht. Wäre hingegen das Gemeindezentrum bereits gedämmt gewesen und wird die Fassade lediglich neu gestrichen, liegt keine wesentliche Verbesserung vor und der Aufwand ist sofort ergebniswirksam.

2. Wenn die Frage der wesentlichen Verbesserung geklärt ist, stellt sich die weitere Frage, über welchen Zeitraum die angefallenen Aufwendungen abzuschreiben sind.

Funktionsverbesserungen sind daher immer gegeben, wenn eine über den ursprünglich geplanten Nutzungsumfang (im Zeitpunkt der Anschaffung/Herstellung) hinausgehende Nutzungsmöglich-

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keit erreicht wird, wie z. B. bei Umbau eines Schulgebäudes in Büroräumlichkeiten oder Wohnungen unter Änderung der Raumaufteilung, Einbau von zusätzlichen Sanitärräumlichkeiten, Errichtung zusätzlicher/neuer Eingänge oder erstmaligem Einbau einer Zentralheizung. Keine Funktionsverbesserung liegt vor bei Maßnahmen, die „nur“ den ursprünglichen Zustand wieder herstellen. Es handelt sich dann um Sanierungen aufgrund der Abnutzung über die Nutzungsdauer oder um reine Modernisierungsmaßnahmen. Diese stellen eindeutig Erhaltungsaufwand dar. Erfolgt eine Generalsanierung, bei der mindestens drei der fünf nachfolgenden Maßnahmen gesetzt werden, kann von einer wesentlichen Verbesserung der Funktion eines Gebäudes ausgegangen werden: • • • • •

Erneuerung des Außenverputzes mit Erhöhung des Wärmeschutzes Austausch von Heizungsanlagen Austausch von Elektro-, Gas-, Wasser- oder Heizungsinstallationen Austausch von Sanitäranlagen Austausch von mindestens 75 Prozent der Fenster

Neue Nutzungsdauer Die zweite Zweifelsfrage, die in diesem Zusammenhang zu klären ist, ist jene nach der Nutzungsdauer. Streng am Wortlaut der VRV 2015 gemessen – die Erläuterungen tun diese Frage mit dem wenig konkreten Begriff „dementsprechend“ ab – müsste für die aktivierten Aufwendungen jedenfalls eine eigene Nutzungsdauer festgelegt werden, was mitunter zu eigenartigen Ergebnissen führen würde.


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