Leben und wir
Aus dem Bauch heraus Eltern-Ratgeber gibt es wie Sand am Meer. Aber statt zu beruhigen, können sie auch verunsichern. Wiebke M. Litschke hat deshalb ihren eigenen, den Weg der intuitiven Erziehung gewählt und ein Buch darüber geschrieben. von inez ardelt
Warum werden Babys eigentlich nicht mit einer Gebrauchsanleitung geliefert? Das haben sich bestimmt alle Eltern schon einmal gefragt, wenn sie wieder einmal nicht ein noch aus wissen. Schlussendlich führt die Ratlosigkeit oft in die Buchhandlung, konkret in die Ratgeber-Abteilung – egal, ob virtuell via Suchmaschine oder real. Denn, so Wiebke M. Litschke, Autorin von Erziehen mit Herz & Bauchgefühl, „durch so einen Ratgeber kann ich etwas von meiner Verantwortung abgeben und mich auf jemand anderen, noch dazu einen Experten, verlassen“. Mit Tipps, Ratschlägen und Vergleichstabellen überhäuft, kann nach der Lektüre allerdings das nächste Problem auftauchen: Auf wen aus der Flut der Meinungen höre ich, und was tue ich, wenn mein Kind nicht in ein Schema passt? „Das kann einem das Leben mitunter noch schwerer machen“, so Litschke, die aus Erfahrung spricht. Sie
hat deswegen einen anderen Weg beschritten und ist bei ihrer Intuition gelandet. Die Beschäftigung mit ihrer eigenen inneren Stimme und wie sie sich auf das Elternsein auswirkt, kam Wiebke Litschke nicht in einer ruhigen, sonnigen Zeit, sondern aus der Not heraus. „Unser Sohn hat einen seltenen Gendefekt, der erst diagnostiziert wurde, als er schon viereinhalb Jahre alt war“, erzählt sie. Die Diagnose habe ihr und ihrem Mann jedoch gezeigt, dass sie auch ohne diese medizinische Erkenntnis sehr viel richtig gemacht haben. Intuitiv oder aus dem Bauch heraus nennt man das landläufig, wenn man auf Anhieb eine gute Entscheidung trifft, ohne die zugrunde liegenden Zusammenhänge explizit zu verstehen oder eine schnelle eingebungsmäßige Einsicht oder Erkenntnis ohne bewusste rationale Ableitung oder Schlüsse. So könne Intuition als gefühltes Wissen beschrieben werden, als unser Erfahrungswissen, das durch die Summe unseres Erlebens genährt wird. Treffen wir Entscheidungen, dann greifen wir auf einen großen Vorrat an Erlebnissen und Erinnerungen zurück. Informationslücken werden so indirekt und unbewusst mit Wissen gefüllt. „Wir entwickeln eigene Denkstrategien für effiziente Problemlösungen, sogenannte Faustregeln, die auf unser gespeichertes Wissen zurückgreifen, um daraus Schlüsse zu ziehen.“ Dadurch können Dinge gespürt werden, die nicht erklärbar oder begründbar sind.
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