Freie Zeit
„Da schaut her, das ist mein Revier“ Wer Wildnis erleben will, muss nicht weit reisen. Diese Erfahrung hat unsere Autorin Susanne Sonnleitner gemacht, die einen Naturexperten durch die oberösterreichischen Donau-Auen begleitet hat. Grenzwertige Geschmackserlebnisse sind nur ein Grund, warum diese Tour in Erinnerung bleibt. von susanne sonnleitner
Bernd Pfleger ist Wildnis-Experte und Naturschützer aus Leidenschaft. Der Natur mit Achtsamkeit zu begegnen, ist ihm wichtig. Unten: Wir haben eine Schwarznuss gefunden.
„Wenn eine auf euch zugerannt kommt, dann müsst ihr zur Seite springen. Die will euch nicht angreifen, sondern bloß weglaufen. Dann heißt es, Weg freimachen!“ Angespannt und wie angewurzelt stehen wir auf dem schmalen Trampelpfad im Auwald. Ringsum Bäume. Kniehohes Gras taucht die Kulisse in sattes Grün, meterhohe Bäume, umschlungen von Lianen, lassen Urwald-Feeling aufkommen. Mitten in diesem Naturidyll zehn Erwachsene und vier Kinder, die sich alle gerade die gleiche Frage stellen: Werden wir einem Wildschwein begegnen? Wir, das sind ich und meine Familie und weitere Naturinteressierte, haben sich an diesem Sonntagvormittag im Mai auf die Tour mit einem Wildnis-Experten begeben. „Auf den Spuren der Wildnis“ nennt Bernd
Pfleger seine halbtägige Tour durch die Donau-Auen vor den Toren von Linz, die im Rahmen des NATURSCHAUSPIELs stattfindet. Es ist ein Projekt im Auftrag der Abteilung Naturschutz des Landes Oberösterreich, das Menschen Wissen über den Wert und den Schutz der Natur vermitteln soll (das gesamte Programm findet sich unter www.naturschauspiel.at).
Von Singvögeln und Fröschen Zunächst folgen wir noch den Spuren der Zivilisation. Wir unterqueren die Gleise der Westbahn und stehen unvermittelt vor einem Rapsfeld. Heuschrecken zirpen, die Sonne legt sich auf den geschotterten Weg. Hoch über einem kleinen Wald kreist ein Greifvogel. „Vielleicht ein Wanderfalke“, meint Bernd, „ein Vogeljäger. Normalerweise nehmen wir ihn nicht wahr, weil er hoch oben fliegt. Doch er stürzt sich blitzschnell auf seine Beute.“ Schnell wie der Blitz saust auch der nächste Vogel an uns vorbei. Stare sind die Düsenjets unter den Vögeln, erfahren wir. Und: Der Frühling eignet sich gut, um Singvögeln zu lauschen, denn es ist Brutzeit. Die Männchen fliegen ihr Revier ab und singen an den Grenzen. Sie
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