MENSCHEN IM PORTRAIT
KLÖPPEL-EXPERTINNEN ADELHEID WALCHER UND ANNA KAMMERLANDER
Einfach spitze
Sie heißen Fledermäuse, Mücken, Schnecken, Nester und sind in diesem Fall keine Vertreter aus der Tierwelt, sondern Namen der Prettauer Klöppelspitzen. Seit Jahrzehnten setzt sich der Klöppelverein Prettau für die Erhaltung des alten Kunsthandwerks ein. Auch jetzt im August geben Präsidentin Adelheid Walcher und Anna Kammerlander ihr Wissen wieder in der Sommerklöppelschule an junge Mädchen weiter. „Damit Prettau auch in Zukunft das Dorf des Klöppelhandwerks bleibt.“ Im Interview erzählen sie, wie sich die Klöppelmode im Lauf der Zeit gewandelt hat und worauf es beim Klöppeln mit jungen Mädchen heute ankommt. PZ: Das Klöppelhandwerk ist aus Prettau nicht wegzudenken. Wie kam dieses in Wien heimische Handwerk damals ins abgelegene Dorf im hinteren Ahrntal? Adelheid Walcher: Als das Kupferbergwerk Prettau 1893 geschlossen wurde, blieben die Knappen ohne Arbeit. Der damalige Pfarrer schaute sich um eine andere Erwerbsquelle um und machte das Spitzenklöppeln in Wien ausfindig. Drei Frauen aus dem Ort wurden nach Wien geschickt, um das Handwerk zu erlernen. Als sie zurückkamen, gaben sie ihr Wissen im Dorf weiter. Übrigens auch an Männer: Die Not war so groß, dass auch sie klöppelten. Der Verdienst ist beim Klöppeln seit jeher sehr gering. Aber damals gab es eben keine Alternativen. Die geklöppelten Spitzen hat man dann im Geschäft gegen Lebensmittel eingetauscht. Und heute? Der Stundenlohn liegt unter zwei Euro. Klöppeln ist eine Leidenschaft, kein existenzerhaltendes Handwerk. Wir haben alle sonst einen Verdienst oder die Männer daheim. Was braucht es zum Klöppeln? Ein Klöppelkissen, das sogenannte Binggile, ein Körbchen, in das es hineinkommt und die Klöppel, die immer paarweise verwendet werden. Ich sage immer: Das ist wie in der Ehe. Dann natürlich Garn, der auf die Klöppel aufgespult wird, die Vorlagen, die auf dem Binggile angebracht werden und Stecknadeln. Und Geduld, das ist das Um und Auf. Wo hast du das Klöppeln gelernt? Die Mutter hat wie alle Frauen im Dorf geklöppelt. Mit fünf Jahren bin ich zum ersten Mal in die Klöppelschule gegangen. Die dauerte damals acht Wochen, und es war sehr streng. Unsere geklöppelten Spitzen haben auch den Beamten in Bozen gefallen. Wir mussten die schönsten immer ans Amt schicken (lacht).
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PZ 15 | 29. J U L I 2021
Adelheid Walcher, 70 (links im Bild), steht seit 1996 dem Klöppelverein Prettau als Präsidentin vor. Gemeinsam mit Anna Kammerlander, 68, leitet sie seit Jahrzehnten die Sommerklöppelschule im 600-Seelen-Ort am Fuße von Rauchkofel und Klockerkarkopf. Die gebürtigen Prettauerinnen haben, wie die meisten Mädchen in der damaligen Zeit, bereits mit fünf Jahren mit dem Klöppeln angefangen. Besonders wichtig ist Walcher und Kammerlander die Abhaltung der jährlichen
Anna Kammerlander: Ich erinnere mich noch gut an diese Zeit zurück. Unsere Lehrerinnen waren die Loise und die Hilda. Die Klöppelschule war aufgebaut wie die richtige Schule. Der Kurs ging, mit einer kurzen Unterbrechung zu Mittag, von 8 Uhr morgens bis 15 Uhr am Nachmittag. Wir haben das sehr ernst genommen. War die Klöppelschule wichtiger als die Schule selbst? Uns Mädchen schon. Wenn wir gut geklöp-
Sommerklöppelschule, um die Tradition des Kunsthandwerks im Dorf zu erhalten und an die junge Generation weiterzugeben. Die Gemeinde unterstützt den Klöppelverein, der auch Ausstellungen und Klöppelvorführungen organisiert, jedes Jahr mit einem Beitrag. Die Klöppelschule wurde früher vom Amt für Handwerk bezahlt, danach sprang die Berufsbildung ein und seit ein paar Jahren gestaltet sich die Finanzierung schwierig. Aufhören kommt für sie trotzdem nicht // in Frage.
pelt haben, haben uns die Lehrerinnen etwas vorgelesen, was uns sehr gefallen hat. Dann gab es auch die Schweigstunde, da hieß es ruhig sein. Wenn wir einmal nicht zum Kurs gehen konnten, weil wir Zuhause mithelfen mussten, dann fanden wir das immer sehr schade. Ihr unterrichtet seit mittlerweile vielen Jahrzehnten in der Sommerklöppelschule. Wie fängt so eine Ausbildungswoche an?