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Er ist übergegangen… „Übergehen“ sagt man im Ahrntal, wenn man einen Gebirgspass überquert, von einer Seite des Berges auf die andere wechselt, von hier nach dort. „Übergehen“ war sein Ding, so etwas wie seine selbstgewählte Lebensaufgabe: Unzählige Male hat Udo Kühn den Krimmler Tauern überquert, hat den Steig aus dem Krimmler Achental ins Ahrntal erkundet – mit den Füßen und mehr noch mit seiner Forschungstätigkeit, mit der er den Archiven hier und dort unzählige Geschichten und Geheimnisse über den geschichtsträchtigen Saumpfad entlockte.

te. Wer dokumentiert beispielsweise die Wegsanierungen durch Alpenverein und Naturpark in der Jetztzeit? Die Tätigkeit der Wegmacher war immer schon so selbstverständlich, dass anscheinend kein Chronist ausführlicher darüber schrieb oder schreibt. Der Tauernübergang steht dabei im Mittelpunkt meines Interesses, aber es geht um die Wege im Gebirge allgemein. Und es geht auch um Wegmacher und Wegbereiter im übertragenen Sinn.“ So ein Wegbereiter im übertragen Sinn war auch Udo Kühn selbst – am Krimmler Tauern, aber auch ganz anderswo: In Polen etwa, wo er als Dokumentar mehrere Projekte zur VölDas erste Mal stand Udo Kühn – der 19-Jährige kerverständigung und zu sozialen wie demohatte zuvor eine Anstellung als Knecht im Pinzkratischen Themen begleitete. gau gefunden – im Jahre 1949 am Grenzpass zwi- Udo Kühn war eng mit den Krimler Tauern In seiner Wahlheimat im Odenwald an der hesschen den damals noch besetzten Österreich und verwurzelt. Er wurde am 01.10.1929 gebo- sisch-bayrischen Grenze ist Udo Kühn – Vater, ren und starb am 09.09.2020. Italien. Es war Liebe auf den ersten Blick! SeitGroß- und Urgroßvater, Ingenieur in Ruhe und her ließen ihn die Berge nicht mehr los. Besonders angetan hatten Archivar bis ans Lebensende – Anfang September, drei Wochen vor es ihm alte Saumwege und Schmugglerpfade, allen voran „sein“ seinem 91. Geburtstag, zum letzten Mal übergegangen, hat die SeiKrimmler-Tauernweg. Und als aus dem Darmstädter Dreher im zwei- te gewechselt – für immer, von hier nach dort. ten Bildungsweg ein Ingenieur wurde, erreichte auch seine Liebe Hat dem Ahrntal die Erinnerung an die Flucht Tausender Juden über zum 2.634 m hohen Gebirgspass eine andere Ebene: Seit 1986 gab den Krimmler Tauern im Sommer 1947 zurückgebracht – Udo Kühn, // ta Udo Kühn zusammen mit seiner Frau Gertrud die „Kleine Krimm- verstorben am 9. September 2020. ler Tauernbibliothek“ heraus. Sechs Schriften umfasst die Reihe heute: Keine schicken Bücher zum Herzeigen, sondern kleine Broschüren – zum Großteil noch auf der Schreibmaschine getippt, über Matrizen vervielfältigt, mit Spiralen gebunden, im Eigenverlag herausgegeben. Aber darin haben die Kühns so viel Wissenswertes rund um den Krimmler Tauern zusammengetragen, dass so manche wissenschaftliche Publikation dagegen blass aussieht. So wurde darin ein erstes Mal auf die Flucht tausender Juden über den Tauern im Sommer 1947 aufmerksam gemacht. Als 50 Jahre später unter dem Namen „überGehen 1947 - 1997“ ein erstes Mal grenzüberschreitend dieses Ereignisses gedacht wurde, war Udo Kühn als Berater und Referent dabei.

GESELLSCHAFT & MENSCHEN

UDO KÜHN, DER KENNER DES SAUMPFADES ÜBER KRIMMLER TAUERN, IST VERSTORBEN

SEIN WIRKEN BLEIBT UNVERGESSEN

Neben der Erinnerung an die jüdische Fluchtbewegung mit weltgeschichtlichem Hintergrund recherchierte der Ingenieur, der im Laufe der Jahre auch die Ausbildung zum wissenschaftlichen Dokumentar absolvierte, vor allem die Geschichte der Familie Geisler, die das Krimmler Tauernhaus seit über 110 Jahren bewirtschaftet. Und er spürte den Wegmachern nach, denen er auch die fünfte Schrift aus der „Kleinen Krimmler Tauernbibliothek“ widmete. Das Warum erklärte der Verfasser anlässlich der Vorstellung seiner „Wegmacher am Tauern“ in Kasern 2001 so: „Gerade weil die Arbeit der Wegmacher so unscheinbar war und ist und allzu leicht vergessen wird, erscheint es mir gut, darauf einmal aufmerksam zu machen. Wir sollen nicht nur über die Wege wandern, sondern auch einmal die Jahrhunderte lange Arbeit sehen, die dahintersteckt. Wieviel Energie, Einfallsreichtum und auch handwerkliches Geschick waren nötig, um die unwirtlichen Berge begehbar zu machen. Es geht aber auch um eine Würdigung der Arbeit des kleinen Mannes: Diesbezüglich schlägt mein Herz einfach links. Es geht mir aber auch um eine Dokumentation des Wegebaues in den Bergen bis heu-

„Radio ist das Begleitmedium Nr. 1 und damit mitten unter uns!“ Albert Dejaco (Radiomoderator)

T. 393 22 33 222

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