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KULTUR
Die vielen Wege des Untergangs Die große Ausstellung „Der Untergang des Römischen Reiches“ an drei Standorten in Trier geht unter anderem der Frage nach, warum das Imperium Romanum unterging. Als sicher gilt heute, dass es mehrere Ursachen dafür gab und dass das Ende der Weltmacht nicht plötzlich kam. Über den „Aufstieg und Fall der großen Mächte“ hat der britische Historiker Paul Kennedy vor gut 30 Jahren ein Buch verfasst, also zur Zeit des Zusammenbruchs der Sowjetunion – und damit eine intensive Diskussion unter Fachleuten entfacht. Er erbrachte Indizien für die These, dass die Macht und der Einfluss von Staaten im Wesentlichen durch ihre Ökonomie bestimmt wurde. Kennedy konzentrierte sich in seinem Werk auf die Neuzeit und begann mit dem Aufstieg der Habsburger. Über den Untergang des Römischen Reiches haben sich die Historiker schon lange vorher die Köpfe zerbrochen. Dabei kam es zu höchst unterschiedlichen Theorien: Früh war umstritten, ob innere Faktoren oder der Druck durch äußere Angreifer wie etwa die Hunnen für den Niedergang entscheidend waren. Während das Weströmische Reich im Jahr 476 nach Christus mit dem Tod von Kaiser Romulus Augustulus endete, so die weit verbreitete Auffassung, überdauerte das Oströmische Reich diesen Zusammenbruch und ging erst 1453 mit der Eroberung Konstantinopels durch Sultan Mehmed II., bei der Kaiser Konstantin XI. starb, zu Ende. Maßgeblich in der älteren Forschung war vor allem das Werk „The History of the Decline and Fall of the Roman Empire“ des britischen Historikers Edward Gibbon (1737-1794) im Zeitalter der Aufklärung. Er ging davon aus, dass Rom nicht durch äußere Einwirkungen, sondern vielmehr wegen innerer Schwäche untergegangen war. Gibbon
gab zum großen Teil dem Christentum die Schuld, wobei er sich weitgehend mit der Theorie Voltaires (1694-1778) traf, während Montesquieu (1689-1755) die Dekadenz des antiken Reiches als hauptsächlichen Faktor für den Untergang betrachtete. Warum das Imperium Romanum unterging und wie die Weltmacht, die jahrhundertelang mit Hilfe einer straffen Verwaltung und gut ausgebauten Infrastruktur nahezu perfekt organisiert war, schließlich scheiterte – diesem großen Rätsel der Geschichte geht in Trier die große Ausstellung „Der Untergang des Römischen Reiches“ nach, die am 26. Juni eröffnet wurde und an drei Standorten der Stadt bis zum 27. November zu sehen ist. Die Schau wird begleitet von einem Programm aus Vorträgen, Workshops und weiteren Events. Dazu gehören auch Sonderführungen für Gruppen und Veranstaltungen für Jugendliche und Kinder. Die einstige römische Residenzstadt ist der ideale Ort für die Ausstellung. Über die Ausgangssituation für den Untergang sollen die ersten Räume des Rheinischen Landesmuseums Aufschluss geben, wie Projektleiterin Anne
Kurtze bei meinem Rundgang durch die Ausstellung erläutert. Schließlich verfügt nicht jeder Besucher oder jede Besucherin über das Basiswissen über jenes Weltreich, das im 8. Jahrhundert vor Christus entstanden war und dessen Herrschaftsform sich im Laufe der Zeit von einer Königsherrschaft (etwa ab 753 v. Chr.) zur Republik (ab 509 v. Chr.) und schließlich zum Kaisertum (ab 27. v. Chr.) wandelte. Der erste Kaiser war der Großneffe von Julius Caesar, Gaius Octavius, der als Kaiser Augustus bekannt wurde. Er war bis zu seinem Tod 14. n. Chr. Alleinherrscher. Das Römische Reich nahm zur Zeit seiner größten Ausbreitung ein riesiges Gebiet ein, das die meisten Teile Europas, Nordafrikas und des Nahen Ostens umfasste. Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Christus schien „die Macht, über die die Herrscher des Imperium Romanum verfügten, fast grenzenlos“, erklärt der Archäologe Marcus Reuter, Direktor des Rheinischen Landesmuseums Trier. „Etwa 300 Jahre später hatte sich die Situation jedoch grundlegend geändert. Von der Allmacht des römischen Kaisertums war fast nichts mehr
Der letzte Kaiser musste nicht mehr wie üblich durch Mord aus dem Weg geräumt werden, sondern durch einen Verwaltungsakt.