schau Magazin 4/2020

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schaupolitik

WIENS BÜRGERMEISTER MICHAEL LUDWIG

„Das Miteinander steht für mich im Mittelpunkt“ TEXT UND INTERVIEW: CHRISTOPH BERNDL

Als Landeshauptmann führte Michael Ludwig die Stadt sicher durch die Corona-Krise. Im schau-Interview spricht Wiens Bürgermeister über die hohe Lebensqualität, Unterstützung für Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Kultur, die bevorstehenden Wahlen im Herbst und sein neues „Herzensprojekt“.

schau: 2020 ist ein außergewöhnliches Jahr, das uns allen enorm viel abverlangt. Hatten Sie dennoch schon Zeit für ein paar Augenblicke Urlaub?

zeitig Naherholungsgebiete sind, die es in der Form so in keiner Großstadt gibt. Und das habe ich jetzt im Sommer doch teilweise genießen können.

michael ludwig: Ja, ich habe ein Es gab viele Bedenken bezüglich paar Tage mit einem reduzierten Ar- Urlaub, Wegfahren etc. Schätzt beitspensum im Büro verbracht und man jetzt das kleine Glück vor dafür einige Wanderwege in meiner der Haustür? unmittelbarer Wohngegend in Flo- Nehmen wir da das Film Festival auf ridsdorf frequentiert. Ich wohne ja in dem Rathausplatz. Wir haben das so der Nähe des Marchfeldkanals, des aufgebaut, dass man sich traut, herBisambergs und der Weinbaugebiete zukommen. Es war mir wichtig, Stammersdorf, Strebersdorf, Groß- auch wenn wir neue Richtlinien einjedlersdorf, wo es die guten Wiener halten mussten, dass wir nicht alles Weine gibt. Das Schöne in einer Mil- sofort absagen. Wir haben neue lionenstadt wie Wien ist, dass man Wege gesucht, wie eine Durchfühnicht nur guten Wein trinken kann, rung doch klappt. Es war eine wichsondern dass die Weinberge gleich- tige Entscheidung. Im Vordergrund 28 schau

Vertrauen ist eines der meistgenannten Wörter, wenn es um die gemeinsame Bekämpfung der COVID-19-Krise geht. Wie sorgen Sie als Bürgermeister dafür, dass das Vertrauen der Wienerinnen und Wiener in die Arbeit der Stadtverwaltung trotz der aktuellen Herausforderungen nicht schwindet?

Es ist ganz wichtig, dass man da einen Kompromiss findet. Dass man auf der einen Seite die Gesundheit in den Vordergrund rückt, aber nicht alles abschaltet. Es muss ja die

Lebensfreude gewährleistet sein, aber unter den Sicherheitsbedingungen, die vereinbart sind. Man muss Wien immer als Großstadt sehen. Es leben viel mehr Menschen auf engem Raum. Es gibt viel mehr unmittelbare Kommunikation in verschiedensten Organisationsformen. Wir liegen auch im internationalen Vergleich so gut, weil wir sichergestellt haben, dass die Kapazitäten des Wiener Gesundheitssystems nie überschritten worden sind. Diese Bilder, die wir aus Italien, Spanien und anderen Ländern kennen, die hat es bei uns in Wien Gott sei Dank nie gegeben. Aber das setzt voraus, dass es ein über Jahre und Jahrzehnte top aufgebautes Gesundheitssystem gibt, das für alle Menschen, unabhängig von sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, nutzbar ist. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise werden hingegen erst zeitverzögert voll spürbar werden und uns noch lange begleiten. Sollten jetzt die Wirtschaftsexpertinnen und -experten am Wort sein?

Völlig richtig! Wir sehen, dass es durch den Lockdown eine ganz starke Zäsur im Wirtschaftsbereich gegeben hat, aber auch am Arbeitsmarkt. Es ist eigentlich meine Hauptsorge auch in den nächsten Monaten, dass wir wieder Menschen in Arbeit bringen. Dass wir jene, die jetzt in Kurzarbeit sind, wieder vollzeit beschäftigen, die Unternehmen heft 4|2020

FOTOS: TANJA HOFER

Wiens oberster Krisenmanager: Mit besonnener Strategie steuert Bürgermeister Michael Ludwig Wien durch die schwierige Covid-Situation, wie er im Gespräch mit schau-Herausgeber Gerhard Milletich und Chefredakteur Christoph Berndl ausführt.

muss die Gesundheit der Bevölkerung stehen, die darf durch keine Art von Veranstaltung gefährdet werden. Außerdem wollten wir auch einen Optimismus vermitteln und wir sind eine Kulturstadt. Wir sind eine Stadt, die Kultur in den Genen hat. Und wir wollten auch insbesondere den Kulturschaffenden signalisieren, dass wir wollen, das auch unter CoronaBedingungen Künstlerinnen und Künstler auftreten können. Dass wir die Möglichkeit haben, Honorare auszubezahlen und der Wiener Bevölkerung auch ein attraktives Kulturangebot anzubieten. Wir haben unter dem Motto „Wien dreht auf“ einen Kultursommer in Wien mit 2.000 Künstlerinnen und Künstlern programmiert mit insgesamt 800 verschiedenen Veranstaltungsformen. Natürlich alle unter Einhaltung der strengen Corona-Regeln. Das Vertrauen muss da sein.


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