Strassenmagazin Nr. 495 5. bis 18. März 2021
CHF 6.–
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Stadtgestaltung
Der Blick von unten Wie sich Nairobis Bevölkerung für eine saubere und sichere Stadt einsetzt. Seite 8
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BETEILIGTE CAFÉS
Die Corona-Krise trifft die Kleinen hart. Zeigen Sie Solidarität mit den Café Surprise.
IN BASEL Bäckerei KULT, Riehentorstrasse 18 | Bäckerei KULT «Elsi», Elsässerstrasse 43 | BackwarenOutlet, Güterstr. 120 | Café Bohemia, Dornacherstr. 255 | Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstr. 14 | Flore, Klybeckstr. 5 | Café Restaurant Haltestelle, Gempenstr. 5 | Kiosk Amann, Claragraben 101 | Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg | Quartiertreffpunkt Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 | Quartiertreffpunkt Lola, Lothringerstr. 63 | Les Gareçons to go, Badischer Bahnhof | Rest. Manger & Boire, Gerbergasse 81 | Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstr. 96 | Didi Offensiv, Erasmusplatz 12 | Radius 39, Wielandplatz 8 | Café Spalentor, Missionstrasse 1 | HausBAR Markthalle, Steinentorberg 20 | Treffpunkt Breite, Zürcherstrasse 149 IN LENZBURG feines Kleines, Rathausgasse 18 IN LUZERN Jazzkantine zum Graben, Grabenstr. 8 | Meyer Kulturbeiz, Bundesplatz 3 | Blend Teehaus, Furrengasse 7 | Quai4-Markt Baselstrasse, Baselstr. 66 | Restaurant Quai4, Alpenquai 4 | Quai4-Markt Alpenquai, Alpenquai 4 | Pastarazzi, Hirschengraben 13 | Netzwerk Neubad, Bireggstr. 36 | Sommerbad Volière, Inseli Park | Restaurant Brünig, Industriestrasse 3 | Arlecchino, Habsburgerstrasse 23 IN RAPPERSWIL Café good, Marktgasse 11 IN SCHAFFHAUSEN Kammgarn-Beiz, Baumgartenstr. 19 IN BERN Café Kairo, Dammweg 43 | Café MARTA, Kramgasse 8 | Café Tscharni, Waldmannstr. 17a | Café-Bar das Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 | LoLa Lorraineladen, Lorrainestr. 23 | Luna Llena Gelateria Rest. Bar, Scheibenstr. 39 | Rest. Genossenschaft Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 | Rest. Löscher, Viktoriastr. 70 | Rest. Sous le Pont – Reitschule, Neubrückstr. 8 | Rösterei Kaffee und Bar, Güterstr. 6 | Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 | Zentrum 44, Scheibenstr. 44 | Café Paulus, Freiestrasse 20 | Becanto GmbH, Bethlehemstrasse 183 | Phil’s Coffee to go, Standstrasse 34 IN BIEL Treffpunkt Perron bleu, Bahnhofplatz 2d IN ZÜRICH Café Zähringer, Zähringerplatz 11 | Cevi Zürich, Sihlstr. 33 | Quartiertreff Enge, Gablerstrasse 20 | Flussbad Unterer Letten, Wasserwerkstr. 141 | Kafi Freud, Schaffhauserstrasse 118 | Kumo6, Bucheggplatz 4a | Sport Bar Cafeteria, Kanzleistrasse 76 IN STEIN AM RHEIN Raum 18, Kaltenbacherstr. 18 IN WINTERTHUR Bistro Dimensione, Neustadtgasse 25 IN OBERRIEDEN Strandbad Oberrieden, Seestrasse 47 IN ST. GALLEN S’Kafi, Langgasse 11 IN MÜNCHENBUCHSEE tuorina boutique & café, Bernstrasse 2 IN DIETIKON Mis Kaffi, Bremgartnerstrasse 3a
Weitere Informationen: surprise.ngo/cafesurprise
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Kultur Kultur
Solidaritätsgeste Solidaritätsgeste
STRASSENSTRASSENCHOR CHOR
CAFÉ CAFÉ SURPRISE SURPRISE
Lebensfreude Lebensfreude Entlastung Entlastung Sozialwerke Sozialwerke
BEGLEITUNG BEGLEITUNG UND UND BERATUNG BERATUNG
Unterstützung Unterstützung
Job Job
STRASSENSTRASSENMAGAZIN MAGAZIN Information Information
SURPRISE WIRKT SURPRISE WIRKT
ZugehörigkeitsZugehörigkeitsgefühl gefühl EntwicklungsEntwicklungsmöglichkeiten möglichkeiten
STRASSENSTRASSENFUSSBALL FUSSBALL
Erlebnis Erlebnis
Expertenrolle Expertenrolle
SOZIALE SOZIALE STADTRUNDSTADTRUNDGÄNGE GÄNGE PerspektivenPerspektivenwechsel wechsel
Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf2die Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, uns ohne staatliche sind aufHinsicht Spenden Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. Gesellschaft. Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschenfinanzieren in der Schweiz. Unser Angebot Gelder wirkt inund doppelter – und auf den armutsbetroffenen Menschen surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC gewinnorientiert, 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1455 3Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht finanzieren uns ohne1255 staatliche surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3
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TITELBILD: EVANS OUMA
Editorial
Das Erbe Das ostafrikanische Kenia war von 1920 bis 1963 britische Kronkolonie. Die Strukturen der Hauptstadt Nairobi wurden aufgrund der Bedürfnisse der Europäer geschaffen: Der Stadtplan zeigt bis heute eine segregierte Stadt, die in ihren Grundzügen von der Kolonialmacht entworfen wurde. Die Europäer von damals sind unterdessen aus ihren Häusern und Vierteln ausgezogen, die bestehenden Machtstrukturen indes wurden von einer afrikanischen Polit-Elite übernommen. In diesem festgefahrenen System von sozialen Hierarchien hat sich die ärmere Bevölkerung nun selbst daran gemacht, ihre Lebensverhältnisse zu verändern und die Armenviertel in belebte Siedlungen umzuwandeln. Charles Gachanga ist die zentrale Figur einer solchen Basisbewegung im Stadtteil Dandora. Inzwischen sind internationale Organisationen und NGOs auf seine innovativen Stadtentwicklungsprojekte aufmerksam geworden. Auch die Politik kann sie nicht weiter ignorieren,
4 Aufgelesen 5 Was bedeutet eigentlich …?
Obdachlosigkeit
5 Vor Gericht
Juristischer Covirrsinn
6 Verkäufer*innenkolumne
Angst vor Fremden
7 Moumouni …
sie unterstützt oder sabotiert sie jedoch je nach politischer Wetterlage, wie ein Fähnchen im Wind. Ab Seite 8. Die Familie Eyrich trägt ein Erbe, von dem sie lange nichts wusste. Rosemarie Eyrichs Schwiegermutter traf als Ärztin Entscheidungen im Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten. Natürlich habe ihn all das überrascht, sagt der Sohn, der erst jetzt die Wahrheit über seine Grosseltern erfährt. Aber seien nicht die meisten Deutschen damals zu Tätern geworden? Viele sicher. Und genau darum geht es: Der Umgang mit dem Erbe trifft diese eine Familie emotional besonders heftig. Aber die Frage stellt sich auch heute immer wieder aufs Neue: Was bringt Menschen dazu, über andere zu ur teilen – abschliessend zu urteilen, selbst im w örtlichen und grausamen Sinn? Lesen Sie ab Seite 16. DIANA FREI
Redaktorin
8 Stadtplanung
24 Theater
15 Hinterlassenschaften
25 Buch
Ein Armenviertel in Nairobi hilft sich selbst
des Kolonialismus
16 Euthanasie
Gerda durfte nicht leben
Im kollektiven Erwachen Kosmische Fabelgestalt
26 Veranstaltungen 27 Tour de Suisse
28 SurPlus Positive Firmen 29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren 30 Surprise-Porträt
«Ich möchte gerne Arzthelferin werden»
Pörtner in Bern
... will den Niqab!
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Aufgelesen
News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
20 Jahre Wikipedia – in Zahlen Die frei zugängliche Online-Enzyklopädie basiert auf dem Prinzip des Crowd sourcing und umfasst mehr als 55 Millionen Artikel in mehr als 300 Sprachen. Mehr als 280 000 Freiwillige schreiben jeden Monat daran weiter, sie machen im Schnitt 350 Änderungen pro Minute. 1,5 Milliarden verschiedene Geräte mit insgesamt 15 Milliarden Aufrufen greifen jeden Monat auf Wikipedia zu. 89 Prozent der Artikel sind nicht auf Englisch. 7 Millionen Spender*innen finanzieren das Projekt mit im Schnitt jeweils 15 US-Dollar.
THE BIG ISSUE, LONDON
Brot nach Ladenschluss für Bedürftige in Tokio.
Brot statt Magazine
Pflegekräfte als Ware
Die «Nacht-Bäckerei» befindet sich unweit der Tokioer Bahnstation Kagurazaka in einer kleinen Seitengasse. Sie öffnet an drei Tagen die Woche nach Ladenschluss um 19.30 Uhr, donnerstags, freitags und samstags. Hier können Menschen mit wenig Geld Backwaren erstehen, die tagsüber in anderen Bäckereien nicht verkauft werden konnten. Normalerweise verkauft das Personal hinter dem Tresen die Strassenzeitung The Big Issue Japan. Mit der «Nacht Bäckerei» können die Verkäufer*innen die in der Pandemie weggebrochenen Einnahmen aus dem Strassenmagazin Verkauf ausgleichen. Die Zahl der Armutsgefährdeten steigt auch in Japan stark an, was den Bedarf an günstigen Lebensmitteln erhöht. Die seit Oktober offene «Nacht Bäckerei» kam genau zum richtigen Zeitpunkt.
1,7 Millionen Pflegekräfte arbeiteten 2018 in deutschen Gesundheitszentren. Das sind zu wenige. Laut einer Schätzung des Bundesinstituts für Berufsbildung werden im Jahr 2035 bundesweit 270 000 Kräfte fehlen. Abhilfe wird im Ausland gesucht, bis zu 15 000 Euro Kopfprämie zahlen Kliniken an Ver mittler*innen von gutem Fachpersonal. Beantragten 2012 noch weniger als 500 ausländische Pflegekräfte eine Zulassung in Deutschland, waren es 2019 schon rund 12 000. Mehr als hundert Millionen im Jahr werden in die Ver mittlung investiert. Es ist ein unregulierter Markt, wie die umfassende Recherche «Nurses for sale» der gemeinnützigen Redaktion Correctiv zeigte. Teilweise werden die angeworbenen Fachkräfte über Knebelverträge zur Amortisierung der Vermittlungssumme gezwungen.
THE BIG ISSUE JAPAN, TOKIO
BODO, BOCHUM/DORTMUND
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ILLUSTRATION: PRISKA WENGER
Was bedeutet eigentlich ...?
Obdachlosigkeit Vagabunden, Penner, Clochards oder Landstreicher: Die Geschichte kennt viele abwertende Begriffe für obdachlose Menschen. In der Vormoderne half man Betroffenen denn auch nicht, weil man davon ausging, dass sie freiwillig umherzögen. Man sprach gar von einem «gene tischen Wandertrieb». Erst im 20. Jahrhundert wurde Obdachlosen geholfen – zunächst aus Barmherzigkeit, später im R ahmen des modernen Sozialstaats. Heute wird Obdachlosigkeit nicht mehr als selbstverschuldete Lebenslage angesehen, sondern als extreme Form von Armut und sozialer Exklusion. Die Ursachen sind struktureller Art: zu wenige günstige Wohnungen; eine «aktivierende» Sozialpolitik, die Sozialleistungen als zeitlich befristete Notlösung sieht; die Prekarisierung auf dem Arbeitsmarkt sowie mehr Menschen auf der Flucht. Zur Obdachlosigkeit in der Schweiz gibt es nur vereinzelte lokale Studien. Klar ist, dass hohe Wohnkosten oft zu Armut führen. Rund 11 Prozent aller Haushalte geben mehr Geld fürs Wohnen aus, als sie es sich leisten könnten. Unter armutsbetroffenen Menschen sind es 82 Prozent. Europäische Länder bekämpfen Obdachlosigkeit mit Strategien wie «Housing first». Dabei wird Obdachlosen bedingungslos eine Wohnung zur Verfügung gestellt, statt dass diese sich erst dafür qualifizieren müssen. Die Schweiz hat die europäische Sozialcharta nicht ratifiziert, weswegen sich Massnahmen auf die in der Bundesverfassung festgelegte Nothilfe beschränken. Sans-Papiers nutzen Notunterkünfte aber nicht, weil sie sonst den Migrationsbehörden gemeldet würden und ihnen die Ausweisung droht. EBA Matthias Drilling & Jörg Dittmann: Obdachlosigkeit. Wörterbuch der Schweizer Sozialpolitik. Zürich und Genf, 2020. Surprise 495/21
Vor Gericht
Juristischer Covirrsinn Haben Sie sich auch schon gewundert, wenn Sie durch die Supermärkte und Einkaufszentren geschlendert sind? Warum Klatschheftli zu den Gegenständen des täglichen Gebrauchs gehören – nicht aber Bücher? Warum der Interdiscount zu Home office-Zeiten zu ist, aber die Parfümerie offen? Restlos einleuchtend sind die Massnahmen gegen die Pandemie nicht. Diese sind jeweils in Covid-Verordnungen festgeschrieben – und eine Filialleiterin eines Grossverteilers soll letzten April dagegen verstossen haben. Sie hat laut Strafbefehl widerrechtlich Fahrradzubehör, Gartenartikel und Spielwaren zum Verkauf angeboten. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft alles keine «Gegenstände für den täglichen Gebrauch». Sie habe sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wollen, so der Vorwurf. Deshalb soll sie mit einer bedingten Geldstrafe von 4700 Franken und 1200 Franken Busse bestraft werden. Die Frau sagt, sie habe nur die Anweisungen ihrer Vorgesetzten umgesetzt und wehrt sich gerichtlich gegen den Strafbefehl. «Niemand wusste, was denn Dinge des täglichen Bedarfs sein sollen.» Einmal hiess es: Kein Fahrradzubehör verkaufen! Dann doch. Es sei eine hektische Zeit gewesen. Erst hätten sie im Laden die verbotenen Waren wie eben Spielzeug und Gartenbedarf mit aufgeschnittenen Müllsäcken abgedeckt, aber die seien immer heruntergerutscht. Also benutzten sie rot-weisses Absperrband – das wurde ständig von Kunden runtergerissen. So war es auch, als Polizis-
ten im Laden waren – kurz darauf flatterte der Strafbefehl ins Haus. Ihr Verteidiger spricht von «überaus schwammigen Gesetzesbestimmungen». Einen klaren Rechtsbegriff, was «Gegenstände des täglichen Gebrauchs» sind, existiere nicht. Der Branchenverband der Detailhändler habe sich damals vergeblich um eine klare Ansage des Bundes bemüht. Und weshalb sollte während des Lockdowns, als viele aufs Velo umstiegen, um nicht die ÖVs benutzen zu müssen, Kettenfett nicht zum täglichen Bedarf gehören? Und sowieso: die Covid-Verordnungen seien eben genau keine Gesetze. Also: Freispruch! Ganz genau, sagt auch der zuständige Einzelrichter. Ziel einer solchen Verordnung sei die Prävention. Auf deren Basis könnten Behörden Läden schliessen oder dafür sorgen, dass die Absperrungen korrekt sind – aber nicht jemanden rückwirkend bestrafen. Eine Verurteilung würde schräg in der rechtlichen Landschaft stehen: Denn es gilt der Grundsatz, dass Menschen wissen müssen, welches Verhalten zu einer Strafe führt. Bis heute sei unklar, was man hätte verkaufen dürfen, was nicht. Besonders inte ressant findet der Richter: Nicht einmal die einvernehmenden Staatsanwälte und Polizisten hätten gewusst, wovon sie reden. Sie sprachen immer von lebensnotwendigen Waren – nicht täglicher Gebrauch. Korrigendum: «Vor Gericht» Heft 494
Im letzten Heft stand, das Obergericht Zürich habe einen Goldhändler wegen Geldwäscherei und Hehlerei für 15 Monate ins Gefängnis geschickt. Das ist nicht korrekt: Die Strafe wurde bedingt ausgefällt. Verhält er sich zwei Jahre lang wohl, bleibt der Mann in Freiheit. Y VONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin
in Zürich. 5
Verkäufer*innenkolumne
Angst vor Fremden Ich verkaufe Surprise am Bahnhof Winterthur. Leute, die ich ein-, zweimal pro Woche sehe, lächle ich an und grüsse sie, unabhängig davon, ob sie ein Heft kaufen. Manche grüssen zurück, andere schauen weg, manche schauen böse.
ILLUSTRATION: MICHAEL LEUTHOLD
Ein grosser Mann hat mich jedes Mal, als er an mir vorbeiging, angerempelt. Beim dritten Mal habe ich laut geschrien, er solle aufhören, er sei ein Rassist. Ein Angestellter der Bahnreinigung eilte herbei, er habe alles gesehen und rufe die Polizei. Der Grosse flüchtete und kam nicht mehr bei mir vorbei. Später habe ich erfahren, dass er eine andere Surprise-Verkäuferin ange rempelt und geschlagen hat. Er tauchte auch bei ihr nicht mehr auf. Ich weiss nicht, ob der Mann krank war oder ob er einfach zu viel Schlechtes über Muslime gehört hat, ohne sie zu kennen.
Die Frau ist darauf verschwunden, aber zwanzig Minuten später kam sie zurück. Ich hatte Angst vor ihr und wich zurück, ich dachte, sie wolle mich wieder schlagen. Doch sie faltete die Hände wie zum Gebet. Ich verstand, dass sie mir nichts Böses wollte. Sie entschuldigte sich und lud mich zu einem Kaffee ein. Sie sagte, sie sei sehr dankbar, dass ich nicht die Polizei rief. Warum sie solche Angst vor der Polizei hat, habe ich nicht gefragt. Sie möge Frauen mit Kopftuch nicht, sagte sie, weil sie in den Medien so viel Schlechtes über uns gehört habe. Ich antwortete, es komme nicht aufs Äussere an, sondern auf das, was man im Herzen habe. Sie habe einen Fehler gemacht, meinte sie. Seither kauft sie jedes Heft bei mir, und wenn ich nicht da bin, ruft sie mich an, wir haben inzwischen die Nummern getauscht. Sie fragt, wo ich bin und wie es mir geht. Seit neun Jahren kennen wir uns jetzt. Sie spricht Italienisch, ich spreche Italienisch, und so können wir uns gut unterhalten. Sie dankt mir immer wieder dafür, dass ich damals nicht die Polizei geholt habe. Warum, weiss ich immer noch nicht. Schlussendlich sind wir alle Menschen, die in Frieden leben wollen.
So war das bei einer Frau, sie war damals 63 Jahre alt, die mich immer beschimpft hat: Ich solle abfahren, zurück dahin, wo ich herkomme. Eines Tages schlug sie mir unvermittelt ihre Hand tasche ins Gesicht. Ein Mann rannte ihr hinterher und hielt sie fest. Er wollte die Polizei rufen und fand, ich solle eine Anzeige zu machen.
SEYNAB ALI ISSE, 49, hat den Rassismus nicht erst in Europa kennengelernt, sondern bereits in Libyen, wo sie bei einer Familie arbeitete. Einmal liess sie einen Teller fallen. Die Familie schlug sie, sodass sie ins Spital musste. Eine Anzeige könne sie als Somalierin nicht machen, fand die Polizei. Komme hinzu, dass sie arm sei.
Er war Schweizer und wollte mir helfen, aber ich wollte das nicht. Ich habe nicht geblutet. Ich will keine Probleme, ich will nur in Frieden leben. In meiner Heimat Somalia herrscht Krieg, dort hatte ich genug Probleme, darum musste ich flüchten.
Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und Stephan Pörtner erarbeitet. Die Illustration zur Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.
ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING
Blick in den Spiegel, dass meine Augenbrauen unzähmbar verstrubbelt und die Falten um meine Nase herum tiefer geworden sind. Ich dürfte mich einfach nicht verhüllen, selbst wenn ich befände, dass die Welt nicht bereit ist für diesen unbehandelten Makel einer jungen Frau. Jaja, ich weiss, man soll in diesem Feminismus heutzutage immer selbst bewusst und sexy oder aufmüpfig behaart und «out there» sein, aber das braucht Energie! Und manchmal wäre es schlicht einfacher, sich schnell was überzuwerfen – so wie Eva damals fand, es sei voll nervig, im Paradies immer perfekt rasiert sein zu müssen und sich deshalb einen Sweater und ein paar Jeans überwarf. Ich muss ganz ehrlich sagen, manchmal würde ich sogar im Schwimmbad gern einen Gesichtsschleier tragen. Und das nicht aus Radikalitätsgründen. Sondern weil ich gemerkt habe, dass meine Badi-Begleitungen sehr schlecht darin sind, mich darauf hinzuweisen, wenn ich einen Popel an der Nase habe. Man stelle sich vor, dass ein Verhüllen des Gesichts für den Fall eines ungewollten Popel flitzers strafbar sein soll! Und das, weil unsere radikalen Feminist*innen hinter dem Verhüllungsverbot uns mit ihrer Symbolpolitik alles verbieten wollen!
Moumouni …
… will den Niqab! Nun ist also in diesem Jahr das 50-jährige Jubiläum der Einführung des Frauenstimmrechts in allen Kantonen. Ich betrachte all die Schweizer Jubiläums festivitäten zum Anlass einer demokratischeren Demokratie, sage: «Trallalaa!» und fühle mich dabei wie die Mutter eines 18-Jährigen, der nun legal saufen darf. Die sich fragt, ob er denn wirklich soviel saufen muss! Heisst, ich frage mich, ob in diesem Land im Rausch der direkten Demokratie nicht manchmal vergessen geht, dass, nur weil man über alles abstimmen kann, es schädlich ist, tatsächlich über alles abzustimmen. Was macht es mit einer Gesellschaft, das Gefühl zu haben, es sei rechtens, per Mehrheitsentscheid zu bestimmen, wer welche Kleidung trägt oder nicht trägt? Ich weiss es nicht. Aber es macht mir Angst. Surprise 495/21
Ich habe natürlich ein Interesse daran, dass das Verhüllungsverbot nicht zu einem Verfassungsartikel wird. Es gibt nämlich auch andere Gründe, das Gesicht zu verhüllen, ausser aufmüpfig gegenüber unserer ach so säkularen, feministischen Demokratie zu sein: Nicht nur gefährliche Hooligans und Islamis tinnen können das Bedürfnis haben, sich zu verhüllen. Mir fallen mehrere Szenarien ein, bei denen ich es lächerlich oder je nachdem skandalös fand, dass irgendwelche Leute so demokratietrunken waren, dass sie über etwas abgestimmt haben, das sie schlicht und einfach nichts angeht! Man stelle sich vor, ich bin mal wieder im Stress, bevor ich aus dem Haus gehe, weil all diese Frauensachen so lange dauern. Und dann (im letzten Moment!) entdecke ich beim abschliessenden
Und nein, ich verharmlose nicht den gewaltbereiten Islamismus – ich weiss, dass das ein Problem ist, unter dem im Übrigen weltweit in erster Linie andere Muslime leiden, nicht nur die «west lichen» Staaten, die das Gefühl haben, Islamismus sei in einem Vakuum im Orient entstanden und wehe nun aus dem Nichts wie ein Sandsturm zu uns rüber. Ich wäre ja froh, wir würden statt auf Gesichtsschleier auf Waffenexporte verzichten – das wäre mal ein Symbol!
FATIMA MOUMOUNI hat grössere Angst vor der Radikalisierung der Gesellschaft als vor einem Gespenst, das sich von einem Verhüllungsverbot abschrecken lässt.
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Der Traum vom Garten Stadtplanung Dandora, ein Viertel der kenianischen Hauptstadt Nairobi, drohte zu verelenden. Bis die Bevölkerung die Stadtgestaltung selbst in die Hand nahm. TEXTE VALERIE THURNER FOTOS EVANS OUMA
KENIA
Dandora
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1 Nairobi, Mustard Seed Court: Dass diese grüne Ecke etwas Besonderes ist, lässt sich im Vergleich zur Umgebung erahnen. 2 Als Charles Gachanga nach Jahren in sein Viertel zurückkehrte, wusste er: Die Lebensumstände hier müssen sich verbessern.
Auf der gepflegten Strasse, bekannt als Badilisha Street (in der Landessprache Suaheli sinngemäss: die Strasse des Wandels) ist ständig Betrieb. Viele kleine Geschäfte reihen sich hier aneinander: Haarsalon, Teehaus, Kiosk und eine Videothek mit selbstgebrannten DVDs. Ein grün-orange bemaltes Haus sticht ins Auge: der Hauptsitz der «Dandora Transformation L eague», jener Bürgerinitiative aus dem Quartier, der Dandora sein sauberes Strassenbild verdankt. Hier befindet sich auch das Büro ihres Gründers Charles Gachanga. Man betritt sein Reich durch ein Stahltor mit der Aufschrift «Mustard Seed Court». Mit Senfsamen hat der Ort, so scheint es, zwar nicht viel zu tun. Doch davon später. Hundert Meter weiter erreicht man durch den engen Hofweg eine grüne Wiese, wo der grossgewachsene Mann Anfang vierzig seine einjährige Tochter an der Hand führt, die gerade ihre ersten Schritte wagt. Dandora ist Teil der sogeSurprise 495/21
nannten Eastlands, eines dicht besiedelten Stadtteils im Osten der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Eines der ärmeren Gebiete. Grünflächen oder Bäume gibt es kaum, und Ortskundige sagen, hier sei es ständig zwei bis drei Grad heisser als in den begrünten Oberschichtvierteln im Westen. Orte der Entspannung sind rar inmitten des hektischen Alltags. Auf den Zufahrtstrassen herrscht pausenloser Verkehr. Die Matatus – lokale, privat betriebe Minibusse – oder frisierten Motorräder brausen lärmend und stinkend durch die Hauptstrassen. Obwohl über 60 Prozent der Bewohner*innen von Nairobi zu Fuss unterwegs sind, gibt es kaum sichere Gehwege. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind überaltert und in den Händen von Kartellen. Zum Flanieren und Verweilen lädt die Stadt nicht ein, und diejenigen, die sich das leisten könnten, fahren ohnehin Offroader. Charles Gachanga ist in Dandora aufgewachsen und hat sämtliche Phasen mit-
erlebt, durch die dieser Stadtteil gegangen ist. Dandora steht dabei exemplarisch für die urbanen Herausforderungen vieler afrikanischer Grossstädte (siehe Zweittext zur kolonialen Stadt). Als Gachanga 1978 im Alter von zwei Jahren mit seinen Eltern und fünf Geschwistern in die Siedlung zog, galt Dandora als aufstrebender Bezirk unweit einer Industriezone. Die lokale Textilbranche, die Kaffeehändlergewerkschaft, britische Bauunternehmen oder Autowerkstätten waren hier ansässig und boten zehntausende Arbeitsplätze. Die Bewohner*innen behaupten stolz, in Dandora habe es das erste Kino sowie den ersten Supermarkt der Stadt gegeben. «Jeden Abend vor dem Eindunkeln sassen wir Kinder draussen, wenn die Werksirenen der Fabriken zum Schichtwechsel heulten. Unsere älteren Brüder und Onkel gingen zur Nachtschicht. Wir wohnten in der letzten Strasse vor dem Busch und schauten über die grünen Hügel, wo Antilopen gras9
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3 Bevor sie den Mustard Seed Court überhaupt gestalten konnten, schafften Gachanga und seine Mitstreiter erst mal viel Müll weg. 4 Die Badilisha Street bietet Platz zum Spielen. Weiter unten reihen sich einfache kleine Geschäfte aneinander. 5 Wilfred Olal kämpft seit fünfzehn Jahren gegen Polizeigewalt und staatliche Vernachlässigung der ärmeren Bevölkerung.
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Charles Gachanga verschickte eine Textnachricht an die Nachbarschaft: «Dandora ist kein Slum, sondern eine Siedlung.»
ten und manchmal auch Elefanten und Giraffen vorbeizogen», erinnert sich Ga changa. Und doch folgte der Abstieg. Von der Mülldeponie zur Siedlung Nairobi war bereits in den frühen 1970er-Jahren eine der am schnellsten wachsenden Städte weltweit, die Wohnungsnot erreichte alarmierende Ausmasse. Um der Ghettoisierung der Vorstädte entgegenzuwirken, vergab die Weltbank im Rahmen eines Unterstützungsprogramms an die Behörden von Nairobi einen Kredit über 16 Millionen US-Dollar, um kostengünstigen Wohnraum für die Arbeiterklasse zu schaffen. Doch die Parzellen gingen unter der Hand weg und immer mehr Besitzer*innen vermieteten die Wohnflächen illegal. Die Gebäude wurden aufgestockt, um mehr Profit aus den Parzellen zu schlagen. Vierzig Jahre später war Dandora genau zu dem Ghetto geworden, das die Gelder hätten verhindern sollen, mit grassierender Arbeitslosigkeit und Kriminalität. Die grösste offene Mülldeponie Ostafrikas lag nur wenige hundert Meter entfernt, sonderte giftige Rauchwolken und Dämpfe ab und diente vor allem als Umschlagplatz für Waffen und Drogen. Sämtliche Bemühungen von internationalen Organisationen und der lokalen Politik haben es trotz dem wachsenden Druck aus der Bevölkerung nicht geschafft, ein funktionales Entsorgungssystem zu etablieren. Charles Gachangas Traum von einem Garten begann 2013, als er von einem mehrjährigen Aufenthalt in Tansania zurückgekehrt war. Er verschickte eine Textnachricht an die Nachbarschaft, um eine Versammlung einzuberufen. «Dandora ist Surprise 495/21
kein Slum, sondern eine Siedlung», tippte er in sein Mobiltelefon. Er schrieb von seinem Traum eines grünen Gartens, wo Kinder spielen und die Älteren sich zum Tee treffen. Wo auf der Wiese Bürgerversammlungen stattfinden, im Schatten der Avocadobäume hinter seinem Elternhaus. An die Versammlung kamen gerade mal zwei Personen: sein alter Freund Mope und ein interessierter Nachbar. Zu dritt begannen sie die verschüttete Abwasserkanalisation freizulegen und den Müll wegzuschaffen. Gachanga hatte eine Vision: Dandora sollte blühen und der Wandel irgendwann die ganze Stadt erfassen. Das Unternehmen «Mustard Seed» (Senfsamen) war geboren: Was klein beginnt, kann am Ende sehr gross sein. Die Senfpflanze hat einen der ausgeprägtesten Grössenunterschiede zwischen Samen und ausgewachsener Pflanze. Einen weiteren Mitstreiter fand Ga changa in Robinson Esialimba. Ein Unternehmer, der zwischen Kenia und der Schweiz pendelte und überzeugt war von der Notwendigkeit einer sozialen und lebenswerten Stadt. Er wuchs selbst in den Eastlands von Nairobi auf und erkannte das Potenzial von «Mustard Seed»: grüne, sichere und saubere öffentliche Räume, die eine Basis für einfache Erwerbstätigkeiten bieten würden. Zusammen mit Gachanga entwickelte er eine Strategie. Die Bewohner*innen sollten Serviceleistungen, die der Staat nicht bieten kann – Sicherheit, Müllentsorgung und Kanalreinigung – selbst in die Hand nehmen. Und zwar so: Dandora ist wie ein Raster gebaut. Zu den Wohneinheiten gelangt man über Fusswege, die von der Strasse abgehen. Diese Gassen funktionieren heute als
selbstorganisierte Einheiten des Entsorgungs- und Sicherheitssystems. Ein Weg aus der Kriminalität Und wie würde man nun die jungen Leute von Dandora dazu motivieren, sich in der Aufwertung des öffentlichen Raums zu engagieren? Esialimba hatte eine weitere Idee: ein Gestaltungswettbewerb, für den sich Teams registrieren konnten. Sie sollten einen öffentlichen Raum neugestalten, den sie selbst aussuchten. So wurden innerhalb von zwei Jahren Dutzende Plätze freigelegt und begrünt, es wurden Sitzmöglichkeiten und Spielplätze angelegt. Gachanga und Esialimba gründeten die «Dandora Transformation League», eine Basisorganisation, die ihrem Anliegen eine Anlaufstelle und ein Gesicht gab. 2018 wurde der jährlich stattfindende Wettbewerb zum ersten Mal auf die gesamte Stadt ausgeweitet. Geschätzt 4000 hauptsächlich junge Leute engagierten sich in etwa 200 Gruppen. Evans Otieno, 28, hat eine illegale Müllkippe hinter seinem Haus in einen wundervollen Garten verwandelt: Im Believers Court, wo jetzt eine Sitzgruppe und eine kleine Bibliothek zum Verweilen einladen, hat er sogar ein öffentliches Klo und eine Hasenzucht eingerichtet. Viel Geld macht Otieno wie alle anderen nicht mit seinem Engagement. Von den Einnahmen für die Serviceleistungen bleiben ihm monatlich etwa 100 Franken, dafür koordiniert er die Einheit und ist eigentlich immer vor Ort. Doch die Vision von «Mustard Seed» funktioniert. Die Armut trieb viele junge Männer in die Kriminalität, viele hier haben ein Vorstrafenregister. Die örtliche Polizeistelle schätzt, dass die Kriminalitätsrate seit der Gründung der «Dandora Transformation League» um 70 Prozent zurückgegangen ist. Das hält auch der Menschenrechtsaktivist Wilfred Olal für realistisch. Auch er ist in Dandora aufgewachsen und kämpft seit fünfzehn Jahren mit seinem Team aus Freiwilligen gegen Polizeigewalt und die staatliche Vernachlässigung der ärmeren Bevölkerung: «Die Dandora Transformation League hat dem Quartier nicht nur ein völlig neues Erscheinungsbild verliehen, sondern den Leuten Hoffnung gegeben. Die meisten jungen Männer hier sind arbeitslos, und langsam verstehen sie, wie diese Initiative ihnen den Weg zu einem einfachen Einkommen ebnet.» 11
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Hier wohnt Nairobis ärmere Bevölkerung. Dandora galt einst als aufstrebender Bezirk. Doch als die Hauptstadt in den frühen 1970er-Jahren schnell anwuchs, folgte der Abstieg. Surprise 495/21
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In Nairobi hat auch die Städteagentur der Vereinten Nationen, UN Habitat, ihren Hauptsitz des globalen Südens. 2012 gründete sie ihr Programm für öffentliche Räume, 2015 machte sie in Nairobi eine Ausschreibung für Stadtentwicklungsprojekte von Graswurzel-Organisationen. Sie hielt nach möglichen Lösungsansätzen von der Basis Ausschau, um das Schwinden von öffentlichen Plätzen aufzuhalten. Das Konzept von «Mustard Seed» überzeugte die Jury. UN Habitat finanzierte in der Folge die Aufwertung der Badilisha Street. Sie wurde zur Modellstrasse mit gepflegtem Kopfsteinpflaster und damit nicht nur attraktiver, sondern auch belebter und sicherer. Ladenbesitzer* innen können heute ihre kleinen Geschäfte sorgloser betreiben als früher. Andere arbeiten als Reinigungspersonal oder als Sicherheitsaufsicht, sie waschen Matatus und bewachen Parkplätze oder vermieten die neu geschaffenen Gemeinschaftsplätze für private Veranstaltungen. Für den Unterhalt und die nächtliche Bewachung bezahlt die Anwohnerschaft eine Kollekte an die «Dandora Transformation League», was den Freiwilligen ein kleines Einkommen garantiert. Grosse Namen wie die UNO In den vergangenen rund zehn Jahren entstanden in den Eastlands, aber auch anderswo in Nairobi immer mehr solcher Graswurzel-Initiativen, die sich zunehmend ihr Recht auf Stadt erkämpfen und den öffentlichen Raum bespielen. Dessen Nutzung und Bewahrung wurde durch die rasante Urbanisierung und damit exponenziell ansteigende Bewohnerzahl immer dringlicher. Während der vergangenen sieben Jahre steckte Charles Gachanga seine gesamte Energie und sein ganzes Herzblut in sein Projekt. Ohne ihn hätte die Bewegung wohl kaum über Jahre hinweg überlebt, er wurde denn auch mehrfach ausgezeichnet. Trotzdem kann er auch heute noch gerade kaum seine Miete bezahlen. «Während sich die etablierten NGOs ihre Gehälter auszahlen, muss ich meinen Leuten hier erklären, warum die ‹Dandora Transformation League› das nicht tun kann», sagt Gachanga. Er spricht damit ein strukturelles Problem an. Die meisten Basisorganisationen werden von Leuten geleitet, die aus eigenem Antrieb nach möglichen Auswegen aus der Armut suchen. Das führt zu Konflikten innerhalb der Com14
Die Vereinten Nationen finanzierten die Aufwertung der Badilisha Street. Sie wurde zur Modellstrasse mit gepflegtem Kopfsteinpflaster.
munity: hier die Erwartungen der Beteiligten, dort der eigene Überlebenskampf. Und wenn dann die Menschen grosse Namen wie UNO sehen, glauben sie, es käme viel Geld in die Gemeinde. Politischer Druck durch Netzwerk Die grösste Herausforderung ist allerdings das etablierte Klassendenken und die politische Kultur in Kenia. Das Selbstverständnis der Politelite ist eher auf persönlichen Gewinn ausgerichtet als darauf, sich in den Dienst des Volkes zu stellen. Politiker*innen sabotieren Initiativen aus dem Volk allzu oft – aus Angst, die Kontrolle zu verlieren. Gachangas Mitstreiter Robinson Esialimba findet deutliche Worte, was die Beziehung zu einigen Lokalpolitiker*innen in den Eastlands von Nairobi angeht: «Ohne politische Unterstützung könnten solche Initiativen noch überleben. Doch wenn sich Lokalpolitiker dagegen wehren, hast du trotz offizieller Partnerschaft mit dem Bezirksgouverneur keine Chance.» Kaum war die «Dandora Transformation League» als Organisation offiziell eingetragen, gründeten einige Lokalparlamentarier eine eigene Organisation, die behauptete, die gleichen Ziele zu verfolgen. «Sie taten sich allerdings nur durch Sabotage-Akte hervor», ärgert sich Esialimba. Die Lokalpolitiker, die sich offensichtlich durch das Engagement aus der Zivilgesellschaft provoziert fühlten, riefen vor ein paar Jahren zum Boykott der Organisation auf. «Ich habe so viele Initiativen gesehen, die mit Elan starteten und kurz darauf starben», sagt Esialimba. «Aus dem einfachen Grund, dass ihnen die Unterstützung der Regierung zu einer dauerhaften Ver-
änderung fehlte.» Der letzte Gouverneur von Nairobi zeigte sich engagiert und integrierte die «Dandora Transformation League» in sein Programm der Stadtaufwertung. Hunderten von jungen Leuten wurde für ihr Engagement, das in erster Linie Reinigungs- und Aufräumarbeiten umfasste, ein monatliches Salär in Aussicht gestellt. Doch der Gouverneur wurde im vergangenen Jahr seines Amtes enthoben. Die Jugend von Dandora wartet bis heute auf ihren Lohn für fünf Monate Arbeit. Obwohl es etliche Organisationen und Initiativen an der Basis gibt, entsteht wenig politischer Druck auf die Regierung. Olal plant deshalb, noch dieses Jahr ein übergeordnetes Komitee zwischen der «Dandora Transformation League» und anderen Initiativen zu bilden, um eine geeinte Strategie und politische Stimme zu entwickeln. Auch Robinson Esialimbas Vision geht in eine ähnliche Richtung. Er gründete ein Netzwerk, das verschiedene Basisorganisationen mit der Privatwirtschaft zusammenbringen soll. Es könnte nun sein, dass die jahrelangen Bemühungen der Bürgerinitiativen, der beteiligten NGOs und der UN-Organisationen langsam Früchte zu tragen beginnen: Anfang dieses Jahres hat die Stadtregierung von Nairobi immerhin verkündet, dass die Mülldeponie bei Dandora demnächst durch eine hochmoderne Abfallrecycling anlage ersetzt werden soll.
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Die koloniale Stadt Segregation Die Kolonialvergangenheit von Subsahara-Afrika wirkt sich bis heute blockierend auf Stadtentwicklungsprozesse aus. Zum Beispiel in Kenias Hauptstadt Nairobi.
Die ersten Missionare waren bereits Mitte des 19. Jahrhunderts ins Gebiet des heutigen Kenia gekommen, die Engländer besetzten das Gebiet im Zuge der Errichtung des Protektorats Britisch Ostafrika ab 1895. Vor mehr als hundert Jahren wurde dann Nairobi als Transitpunkt für die UgandaEisenbahn der britischen Kolonialverwaltung gebaut, um Mombasa an der Küste des Indischen Ozeans mit dem Viktoriasee im Inneren Ostafrikas zu verbinden. Das Ziel war, Bodenschätze zu fördern. Die Inder kamen als Arbeitskräfte des britischen Empires für den Eisenbahnbau nach Ostafrika. Ab 1907 löste Nairobi Mombasa als Hauptstadt des Protektorats ab, das 1920 zur britischen Kronkolonie Kenia wurde. Die Hauptstadt Nairobi wurde von Anfang an als entwickelte sich zur archetypische Kolonialstadt gebaut, die Wohngebiete konsequent nach ethnischer Zugehörigkeit trennte. In den grünen Hügeln im Westen wohnten die Europäer, gleich etwas unterhalb und näher zur Innenstadt war das «asiatische Wohnquartier» mit dem Bahnhof. Im zentralen Geschäftsviertel lebten die Inder*innen, unweit der Bazare und Tempel. Im Osten Nairobis, in den heutigen Eastlands, wurden die Behausungen für die wenigen Afrikaner*innen errichtet. Seit 1936 wuchs die Bevölkerung Nairobis von knapp 50 000 auf 119 000 Einwohner*innen im Jahr 1948, als die erste gesamthafte Volkszählung in Kenia durchgeführt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dann auch zum ersten Mal ein Stadtplan publiziert. Dieser konsolidierte das Prinzip der Segregation, das sich bis heute im Stadtbild manifestiert. In die Wohlstandsquar-
tiere der ehemaligen weissen Siedler zog nach der Unabhängigkeit von 1963 die neue einheimische politische Elite. Die geografischen, wirtschaftlichen und politischen Ausschlussmechanismen – durchaus vergleichbar mit jenen des südafrikanischen Apartheidstaates – wirken bis heute nach: zum Beispiel in der rasanten Bildung von informellen Siedlungen, den Slums. Bis heute ist Nairobi eine stark segregierte Stadt, die Ungleichheit hat weiter zugenommen. Die grosse Mehrheit der Bevölkerung lebt in dicht besiedelten Vierteln mit schlechter Grundversorgung und oft unter dem Existenzminimum. Gleichzeitig riss eine neue politische Elite auf illegale Weise Landstriche und Grundstücke an sich; öffentlicher Raum kam immer mehr in die Hände von Privatleuten. Korrupte Strukturen Die Strukturanpassungsprogramme der Weltbank der 1980er-Jahre förderten eine weitgehende Privatisierung von staatlichen Serviceleistungen, die viele Entwicklungsländer wirtschaftlich nachhaltig destabilisiert hat. Die städtische Armut stieg ab den 1990er-Jahren im gesamten globalen Süden massiv an. Die wirtschaftliche Liberalisierung, die Globalisierung und das NichtEngagement des Staates in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens führten zu ungeregelten Entwicklungen, die auch das rasante Wachstum von Slums vorantrieben. Je geringer die Macht der staatlichen Institutionen ist, desto eher bilden sich korrupte Strukturen heraus. Das geschieht zum Beispiel, wenn staatliche oder kommunale Leistungen in private Hände übergehen,
Nairobi wurde von Anfang an als archetypische Kolonialstadt gebaut, die Wohngebiete konsequent nach ethnischer Zugehörigkeit trennte. Surprise 495/21
wenn öffentlicher Verkehr, Müllentsorgung, Wasser- und Stromversorgung nur noch nach dem Kriterium der Profitabilität funktionieren. In den Quartieren entstanden privat betriebene Mülldeponien auf öffentlichem Grund, und der öffentliche Nahverkehr gelangte unter die Kontrolle von Kartellen. Stadtgestaltung von unten – also die Beteiligung der Bevölkerung an planerischen Entscheidungsprozessen und die Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse – ist ein vergleichbar junges Phänomen in Kenia. Erst in der neuen föderalistischen Verfassung von 2010 wurde die Teilhabe der Bevölkerung in der Stadtplanung erwähnt. Tief verankerte Klassenunterschiede sowie überkommene, revisionsbedürftige Gesetze und eine Top-Down-Politik behindern weiterhin partizipative Ansätze. Es fehlt bis heute an einer städtebaulichen Gesamtstrategie, was Planung und Nutzung betrifft. So gibt es immer noch kein staatliches Gesetz, das den öffentlichen Raum und seine Nutzung definiert und reguliert. Manche Verordnungen stammen noch aus der Kolonialzeit. So kann «Fehlverhalten» im öffentlichen Raum bestraft werden, wozu auch «Herumlungern» zählt. Auch wenn dieses Gesetz kaum mehr zur Anwendung kommt, hat sich der Gedanke erhalten, dass ein unproduktiver Aufenthalt im öffentlichen Raum unerwünscht sei. Diese latente Kriminalisierung von Bürger*innen vermittelt den Leuten, dass ihnen der öffentliche Raum gar nicht zustehe. Seit einigen Jahren entstehen vermehrt zivilgesellschaftliche Bestrebungen, die Stadtplanung zu demokratisieren und stärker auf die Bedürfnisse aller Bewohner*innen abzustimmen. Doch nach wie vor haben die städtischen Planungsinstrumente die Mittel- und Oberschicht im Blick und schliessen damit den Grossteil der Bevölkerung aus. Ein positiver Trend zeichnet sich seit Kurzem in der Gestaltung von Parkanlagen und Naherholungsgebieten ab: Nach Jahren der Vernachlässigung hat die Regierung jetzt ein umfassendes Aufwertungsprogramm von städtischen Parks sowie die Sanierung der Flüsse angeordnet. 15
Aus Gründen der Papierersparnis Euthanasie Rosemarie Eyrich und Klara Häffelin verbindet nichts miteinander. Ausser eine Unterschrift auf einem Dokument aus der NS-Zeit und die Suche nach der Wahrheit. TEXT ANNA-THERESA BACHMANN FOTOS LANDO HASS
Noch immer zeigt das Kalenderblatt auf dem Schreibtisch des Berliner Arztes Klaus Eyrich 2013, das Jahr, in dem er starb. Nie wäre es seiner Frau Rosemarie eingefallen, die Schubladen und Regale in seinem Arbeitszimmer zu durchstöbern. Auch jetzt, fünf Jahre nach seinem Tod, fällt es ihr schwer. Die 88-Jährige tritt ans Fenster, durch das kurz vor Weihnachten 2018 fahles Winterlicht scheint, und schliesst die Augen. «Ich bin froh, dass er das nicht mehr erleben muss», sagt sie. «Das» ist die Aufarbeitung von all den Dingen, die Klaus Eyrich seiner Frau Rosemarie in fünfzig Jahren Ehe womöglich verschwiegen hat. Seine Jugend in Stuttgart und das, was seine Mutter, die Ärztin und Kinderbuchautorin Hedwig Eyrich, Kindern und Jugendlichen während der NS-Zeit angetan hat. Drei Monate später, im Februar 2019, sitzt 650 Kilometer von der Villa der Eyrichs in Berlin entfernt eine zweite Frau in ihrem kleinen Wohnzimmer und drückt die schmalen Lippen zusammen. Vor Klara Häffelin liegt auf der Blümchentischdecke ein Blatt Papier, das sie noch nie gesehen hat. Es ist das einzige Dokument, das Auskunft darüber gibt, wer an der Ermordung ihrer Schwester vor 76 Jahren beteiligt war. Blaues Minus für Leben, rotes Kreuz für Tötung Am 30. Januar 1948 schickt Psychiaterin Hedwig Eyrich einen Brief an die Spruchkammer 3 in Stuttgart. Es ist eines von vielen Schreiben, wie sie in jenen Tagen bei den als «Spruchkammern» bekannten Laiengerichten eingehen. Gegen Eyrich liegen mehrere Anschuldigungen vor. Von einem Ingenieur etwa, dem Eyrich ein Schreiben verweigerte, um seine 35 Jahre jüngere Braut zu heiraten. Oder von einer jungen Frau, die ihr Auserwählter verliess, nachdem ihn Eyrich auf den «stark asozialen Einschlag» seiner Verlobten und ihren «schwachsinnigen» Bruder hingewiesen hatte. Hedwig Eyrich soll nun erklären, was wirklich an ihrer alten Arbeitsstätte geschah. Städtisches Gesundheitsamt – so prangte es in Frakturschrift neben dem Eingang des fünfstöckigen Hauses mit den Giebeltürmchen in der Rotebühlstrasse 43. 16
Am Pförtner vorbei nahm Hedwig Eyrich dort den Aufgang in der Mitte des Gebäudes bis zu ihrem Büro im vierten Stock. Die Baupläne des 1944 zerstörten Hauses zeigen es noch. Hier, in der Abteilung Erb- und Rassenpflege, stellt die Ärztin nicht nur Ehefähigkeitszeugnisse aus. Die Abteilung ist die Schaltstelle der Kindereuthanasie in Baden-Württemberg. Hier landen die Meldebögen, auf denen Hebammen und Ärzte Kinder und Jugendliche mit geistigen und körperlichen Behinderungen erfassen. Eine geheime Anordnung des Reichsministeriums des Inneren in Berlin. Hedwig Eyrich, die die Abteilung Erbund Rassenpflege in Stuttgart von April 1943 bis Juli 1944 leitet, entscheidet, welche Meldebögen an den «Reichs ausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden» in die Reichshauptstadt Berlin weitergeleitet werden. Dort vermerken die Gutachter: blaues Minus für Leben, B für Beobachtung, rotes Kreuz für Tötung. Hedwig Eyrich und ihre Mitarbeiter weisen die Minderjährigen daraufhin in eine der über dreissig Kinderfachabteilungen ein. So nennen die Nazis die abgegrenzten Bereiche in Psychiatrien und Krankenhäusern, in denen Mediziner Kinder und Jugendliche vergiften, sie verhungern lassen oder in eine von sechs Tötungsanstalten im gesamten Reichsgebiet überstellen, um sie zu vergasen. Darunter auch Minderjährige, die keine Behinderung haben, aber als schwer erziehbar gelten. Euthanasie heisst wörtlich übersetzt «guter Tod» oder «Sterbehilfe». Damit hat das alles aber nichts zu tun. Etwa 5000 Minderjährige werden in den Kinderfachabteilungen umgebracht, insgesamt fallen den Euthanasiemorden 300 000 Menschen zum Opfer. Mit alledem will Hedwig Eyrich nichts zu tun gehabt haben. So behauptet sie es zumindest in ihrem Brief an die Spruchkammer von 1948: «Rassenpolitik haben weder das Amt noch ich betrieben», schreibt sie. Rassenhygiene, also Eugenetik, sei das gewesen, eine anerkannte Wissenschaft. Eyrich habe beraten und geholfen. Und überhaupt: Die Ärztin habe viele jüdische Freunde gehabt, sich Surprise 495/21
Hedwig Eyrich leitete von 1943 bis 1944 die Abteilung Erbund Rassenpflege in Stuttgart. Sie entschied, welche «erb- und anlagebedingten schweren Leiden» erfasst wurden. Surprise 495/21
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«Erst kurz vor ihrem Tod hat mir die Schwiegermutter dafür gedankt, was ich aus ihrem Sohn gemacht habe.» ROSEMARIE E YRICH
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bis 1933 in einem Frauenrechtsverein engagiert, sei nie in der Partei gewesen. Rechtfertigungen auf zwei A4-Doppelseiten, getippt mit Schreibmaschine und unterschrieben mit krakeliger Unterschrift. «Dr. Hedwig Eyrich». Sagt sie doch die Wahrheit? Es ist der Beginn einer neun monatigen Spurensuche. Der Professor lehrt Rassenhygiene Die Suche beginnt mit einer Zeitreise in die Weimarer Republik, in die Hörsäle der Universität Tübingen. Dort lauscht ab 1918 eine 25-jährige Fabrikantentochter aus Reutlingen den Medizin-Vorlesungen. Hedwig Braun heisst sie, so prangt es in Schnörkeln auf ihrer Studienakte. Später steht darauf der Zusatz «Eyrich», die Studentin heiratete 1924 ihren Kommilitonen Max, einen wohlhabenden Arztsohn mit schweren Augenlidern. Einer ihrer Professoren ist Robert Gaupp, Leiter der Tübinger Nervenklinik und Vordenker jener «Wissenschaft», die sich anmasst, über Leben und Tod zu entscheiden. Gaupp gehört seit 1910 der Gesellschaft für Rassenhygiene an, die ausgehend von Charles Darwins Selektionstheorie nun auch Menschen in schwache und starke Gruppen einteilen will. Doch sie wollen noch mehr: Gaupp und seine Mitstreiter wollen Menschen, die sie für «lebensunwert» halten, weil sie Krankheiten wie Epilepsie oder «Schwachsinn» vererben könnten, daran hindern, sich fortzupflanzen. «Ohne ihre Sterilisierung kann der eugenische Gedanke einer Reinigung des ganzen Volkes von seinen minderwertigen Elementen niemals verwirklicht werden», erläutert Gaupp in einem Vortrag von 1925. Sowohl Herr als auch Frau Eyrich sind da gerade als Gaupps Assistenzärzte angestellt. Was sie von ihm lernen, wenden sie schon bald an. Nur einmal deutete er etwas an Anfang 2019 welkt Laub in den gepflegten Hecken, hinter denen sich die Villen am Rande Berlins verschanzen. Wer hier lebt, gehört laut Statistik zu den wohlhabendsten und gesündesten Bewohnern der Stadt. Ein elektronisch gesichertes Metalltor führt zur Villa, in der Rosemarie Eyrich wohnt. Seitdem ihr Mann Klaus tot ist, lebt sie hier allein mit Stinkebein, einer Collie-Hündin. Die döst neben ihrem Frauchen auf dem Wohnzimmerteppich, umgeben von farbenfrohen Gemälden. Eines sticht besonders hervor: eine rotschwarze Gestalt über dem Sofa. «Die Last des Menschen» lautet der Titel des Bildes. Erst jetzt fällt der Witwe auf, dass sie nur wenig über die Kindheit und Jugend ihres Mannes Klaus weiss. Nur einige Anekdoten. Wie die vom Ford Eifel, dem Kassenschlager des Dritten Reiches. Einmal sei Klaus Eyrich mit seinem Vater Max damit unterwegs gewesen. Bei Glatteis, beide konnten kaum noch bremsen. Was in dieser Erzählung fehlt, sind die Dienstfahrten, die Psychiater Dr. Max Eyrich mit dem Ford unternahm. 1933 wurde er zum Landesjugendarzt Baden-Württembergs ernannt. Eine Arbeit, die er als «erbbiologisches Sieb» beschrieb. Und Max Eyrich siebte. Von 1934 bis 1939 stellte der Arzt mehr als 800 Anträge auf Zwangssterilisation, für die sich sein früherer Professor Gaupp eingesetzt hatte. Das «Gesetz zur Surprise 495/21
Verhütung erbkranken Nachwuchses» erlaubte sie nun. Schon Schulkinder rechneten da aus, wie viel Geld der Staat für «Geisteskranke und Krüppel» ausgeben müsse, das in der Folge der gesunden «Volksgemeinschaft» fehle. 1933 zieht die Familie Eyrich nach Stuttgart. Unter den neuen Machthabern vollendet sie ihren gesellschaftlichen Aufstieg. Dazu gehört nicht nur der Ford Eifel. Auf dem Stuttgarter Sonnenberg, einer damals neu entstehenden Nachbarschaft für Wohlhabende, baut die Familie ein Haus. Zwei Stockwerke, dahinter ein Garten. Während ihr Mann «siebt», verbringt Hedwig Eyrich die meiste Zeit hier mit den beiden Kindern und veröffentlicht 1938 ihr erstes Kinderbuch, «Die Mädchen vom Sonnenberg». Darin spielt ihre Tochter Beate die Haupt-, ihr Sohn Klaus die Nebenrolle. Wie auch im wahren Leben. Als Schauplatz dient das Haus der Autorin. Und auch sie selbst und ihr Mann kommen darin vor. Auf 190 Seiten beschreibt die Ärztin die Sommerferien und stilisiert sich selbst zur NS-Vorzeigemutter, die es geniesst, Wildblumen im Wald zu pflücken. An einer Stelle wandert ihr Mann mit den Kindern durch den Schwarzwald. Tochter Beate im Arm «wie zwei wackere Kameraden», Sohn Klaus hinterhertrottend. Als die Wandernden ein Dorf passieren, schaut eine Frau aus dem Fenster ihres Hauses, das Gesicht zu einem breiten Grinsen verzogen. Die Kinder haben Angst. «Das ist eine Kranke, die hat vor Jahren eine Gehirngrippe gehabt, Kinder, das sind arme bedauernswerte Geschöpfe, die nie mehr gesund werden können», sagt der Vater: «Und nun vergesst diesen traurigen Anblick.» Zwischentöne, die mit heutigem Wissen eher nach Schauermärchen als Ferienidyll klingen. Hedwig Eyrichs Schwiegertochter Rosemarie kennt das Buch vom Sonnenberg. Gelesen hat sie es nie. In ihren hohen Bücherregalen in Berlin reihen sich Werke über Bauhaus-Architektur an Bände des persischen Dichters Rumi. Das Lesen, sagt sie, sei ihr Ersatz für die Klinik gewesen. Sie war selbst Ärztin. Anfang der 1960er Jahre ist sie die Vorgesetzte eines zurückhaltenden jungen Arztes mit schweren Lidern: Klaus Eyrich. Als die drei gemeinsamen Kinder auf die Welt kommen, beendet sie ihre Kariere. Erziehung, Literatur, immer habe die Schwiegermutter Hedwig alles besser gewusst und Rosemarie Eyrich kleingeredet. «Hypertroph» ist das Wort, das Rosemarie Eyrich benutzt, wenn sie über ihre Schwiegermutter spricht – überzogen, eingebildet. Ein Begriff abgeleitet aus der Medizin. Ein Foto von ihrem Hochzeitstag zeigt Klaus Eyrich am Esstisch sitzend, seinen Schwager und seine Mutter Hedwig neben ihm. «Da haben sie ihn wieder in die Zange genommen», sagt Rosemarie Eyrich. Die beiden Frauen geraten immer öfter aneinander: «Erst kurz vor ihrem Tod hat mir die Schwiegermutter dafür gedankt, was ich aus ihrem Sohn gemacht habe.» Klaus Eyrich war ein erfolgreicher Anästhesist, der sich bereits in den 1980er-Jahren öffentlich im Tagesspiegel gegen den Sparzwang in Kliniken aussprach. Im wiedervereinigten Berlin arbeitete er zuletzt an der Charité, rezitierte vor seinen Studierenden Goethes «Faust» und 19
Nachforschungen laufen ins Leere Karl-Horst Marquart weiss, wie schwer es ist, einen schriftlichen Beweis zu finden, der Hedwig Eyrich mit den Stuttgarter Euthanasiemorden in Verbindung bringt. Der Mediziner im Ruhestand arbeitete in den 1990er20
Jahren im Stuttgarter Gesundheitsamt und trug nach Feierabend Beweise für die NS-Verstrickung seiner Behörde zusammen. Bis heute kämpft er gegen das Schweigen. Von den 74 Stuttgarter Opfern der Kindereuthanasie wurden die meisten, 39, im hessischen Eichberg ermordet. Mindestens elf Minderjährige wurden zwischen April 1943 und Juli 1944 in die Tötungstrakte der Kinderfachabteilungen eingewiesen. Also zu jener Zeit, zu der Hedwig Eyrich die Abteilung Erb- und Rassenpflege des Gesundheitsamtes leitete. Was fehlt, um die Mitschuld der Ärztin zweifelsfrei zu beweisen, ist ihre Unterschrift. Geografische Distanzen, verschachtelte Bürokratie und die gezielte Vernichtung vieler Akten durch Mitarbeiter des Stuttgarter Gesundheitsamtes kurz vor Kriegsende seien einige der Gründe, weswegen Nachforschungen oft ins Leere liefen, sagt Marquart. Für andere Opfergruppen des NS-Regimes war die öffentliche Aufmerksamkeit grösser. Um die Ermordeten und Zwangssterilisierten aus dem Euthanasie-Programm der Nazis blieb es lange ruhig. Noch immer ist es schwer, Entschädigungszahlungen einzufordern. Und das Stigma «lebensunwert» oder «asozial» lastet teilweise bis heute auf den Familien. Vielen fällt es schwer, über das zu sprechen, was ihnen und ihren Angehörigen angetan wurde. Eine von jenen, die sich trauen und Karl-Horst Marquart von ihrem Schmerz erzählt haben, ist Klara Häffelin. Ein Stolperstein für Gerda An einem Tag im Juli 2019 ächzt Klara Häffelin einen kurvigen Weg zur Anhöhe einer Psychiatrischen Klinik hinauf. In der Ferne reifen an Weinhängen Trauben in der stechenden Sonne. Selbst die Kronen der Bäume, die der Psychiatrie ihren Namen geben, spenden nur wenig Schatten: Eichberg. Die Rentnerin hat lange auf diesen Tag gewartet. Seit mehr als sieben Jahrzehnten ist ihre Schwester Gerda tot. Jetzt trennen die 82-jährige nur noch wenige Meter bis zu einem Stück Wiese, unter dem Gerda begraben liegt. Klara Häffelin war noch nie zuvor hier. Karl-Horst Marquart ist heute mitgekommen, genau wie Inge Möller von der Stolperstein-Initiative in Häffelins Geburtsort Stuttgart-Zuffenhausen. Und Siglinde Ulmer, Klara Häffelins jüngere Schwester, die Gerda nie kennenlernen durfte. Sie alle bilden 76 Jahre später den Trauerzug, den das Kind nicht hatte. Fünf Monate zuvor sass Klara Häffelin 300 Kilometer entfernt in ihrem kleinen Wohnzimmer in Vaihingen an der Enz. Einem Städtchen in der Nähe von Stuttgart, dessen Häuser verstreut um ein Bergschloss liegen. Im Wandschrank der pensionierten Verkäuferin jagen sich Rehlein auf Zinnkrügen, ein hölzerner Jesus hängt über der Wohnzimmertür. Vor ihr auf der Blümchentischdecke liegt ein Foto. Darauf: Klara Häffelins Mutter und Tante, sie selbst und vier ihrer insgesamt sieben Geschwister. Auf dem Bild hat Gerda den Kopf zur Seite gedreht, ihr Kleidchen weht ihm Wind. Das Foto diente einer Künstlerin als Vorlage für ein Porträt des Kindes, das in Klara Häffelins Schlafzimmer hängt. Neben dem Foto liegt ein Schreiben, das Klara Häffelin noch nie zuvor gesehen hat. Es ist ein auf Schreibmaschine verfasster Brief des
QUELLE: BILD (2): STADTARCHIV STUTTGART, BILD (3): MIT GENEHMIGUNG DES SONNENBERG-VEREIN E. V.
empfing Kollegen aus der ganzen Welt in seiner Berliner Villa. «Höflich unverbindlich», sagt seine Frau über ihn. «Distanziert, aber nicht kalt», sein Sohn Christoph. «Konservativ, aber nicht rechts», sagen sie beide. Christoph Eyrich war der erste gewesen, den seine Mutter kurz vor Weihnachten mit neuen Erkenntnissen über die Familie angerufen hatte. Nun sitzt er in den Sessel versunken neben ihr. Fast scheu beginnt er zu erzählen. Natürlich habe ihn all das überrascht. Aber seien nicht die meisten Deutschen damals zu Tätern geworden? Bei seiner Geburt war Grossvater Max bereits tot. An seine Grossmutter Hedwig erinnert sich der 54-Jährige nur schemenhaft. Viel über die Vergangenheit gesprochen hatten er und sein Vater nicht. Ohnehin: «Richtig präsent war er nicht», sagt Christoph Eyrich. Kinderwagen schieben, zusammen blödeln. Das Vatersein war nichts für den Arzt Klaus Eyrich. Wie für viele Männer seiner Generation. Morgens um sieben verliess der Anästhesist das Haus, kehrte erst spät zurück an den Familienesstisch. Selbst dann gab es vor allem ein Thema: die Klinik. «Er hat euch geliebt, Christoph», sagt Rosemarie Eyrich. «Das schliesst sich ja nicht aus», entgegnet ihr Sohn. «Aber er konnte nicht zärtlich mit den Kindern sein», sagt sie. «Wegen der Mutter», glaubt sie. Was genau Klaus Eyrich über seine Eltern wusste, können weder seine Frau noch sein Sohn sagen. Beide hatten bisher angenommen, dass Hedwig Eyrich während des Krieges nicht berufstätig war. Und über seinen Vater hatte Klaus Eyrich nur erzählt, dass er Kinder vor der Euthanasie gerettet habe. «Wieso habe ich nicht gedacht, dass da etwas nicht stimmen kann?», fragt sich sein Sohn Christoph heute. Dass sein Vater etwas wusste, ist wahrscheinlich. Bei Kriegsende war Klaus Eyrich immerhin schon achtzehn Jahre alt und die meisten Bekannten seiner Eltern waren überzeugte Nazis. Nur einmal deutete Klaus Eyrich seiner Frau gegenüber etwas an, wenige Jahre vor seinem Tod. Es ging um die Dia gnosen, die sein Vater stellte. Damals wehrte sie ab, wollte nichts vom Krieg hören. Zu schmerzhaft waren die eigenen Erinnerungen: Hunger, Kälte, die endlose Flucht vor den russischen Truppen aus Ostpreussen, als sie vierzehn Jahre alt war. «Wir waren Dreck», sagt Rosemarie Eyrich. Vielleicht sei es ihre grosse Wut auf die Nazis gewesen, weswegen ihr Mann sich nicht traute, die Vergangenheit seiner Eltern anzusprechen. Jetzt, da sie die Wahrheit kennt, sucht Rosemarie Eyrich nach Bruchstücken in ihrer Erinnerung. Aber der, der ihre Fragen beantworten könnte, ist nicht mehr da. Und die Familie ihrer Schwägerin Beate – Hedwig Eyrichs geliebter Tochter –, will von alledem nichts hören. Rosemarie Eyrich verärgert diese Reaktion so sehr, dass sie beschliesst, den Kontakt zur Familie ihres Mannes abzubrechen.
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1 Max Eyrich wurde 1933 zum Landesjugendarzt in Baden-Württemberg ernannt. 2 Städtisches Gesundheitsamt in Stuttgart: An der Rotebühlstrasse 43 befand sich die Abteilung Erb- und Rassenpflege. 3 Eine Gruppe vom «Bund Deutscher Mädel» zieht durch die damalige Adolf-Hitler-Strasse in Stuttgart Sonnenberg. 4 Familie Wild mit Mutter und Tante in den 40er-Jahren in Zuffenhausen. Klara Wild, spätere Häffelin, ist das Mädchen rechts aussen. Auch Gerda ist dabei: links aussen. Surprise 495/21
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«So behindert kann Gerda nicht gewesen sein, wenn sie den Weg zum Haus selbst gefunden hat.» KL AR A HÄFFELIN
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Gesundheitsamts Stuttgart an die Kinderfachabteilung in Eichberg am Rhein. Betreff: «Kind Gerda Wild, geb. 26.05.1940 gest. 5.10.1943» «Auf Ihr Schreiben […] das heute hier einging, verweisen wir auf den [vorherigen] Schriftwechsel […]. Demnach wird aus Gründen der Papierersparnis u. der Arbeitsvereinfachung auf das Ausfüllen der Fragebogen verzichtet.» Unterschrieben in krakeligen Buchstaben von «Dr. Hedwig Eyrich». Die dem Schreiben vorausgegangene Anfrage der Anstalt fehlt. Wahrscheinlich wollte das Klinikpersonal weitere Informationen über Gerda oder eine Kostenabrechnung einholen. Für Klara Häffelin ist das unwichtig. Sie wendet den Blick nicht von dem Dokument, streicht mit ihren faltigen Händen darüber. Immer und immer wieder. «Aus Gründen der Papierersparnis». Dass ihre Schwester in den Augen der Ärztin Eyrich nicht einmal ein Blatt Papier wert war, Klara Häffelin kann es nicht begreifen. Kriegsknappheit hin oder her. Ein Jahr zuvor, 1942, hatte das Papier noch für den zweiten Roman der Unterzeichnerin gereicht: «Inge und der verlorene Prinz». Eine Mädchengeschichte, in der eine Puppe zum Leben erwacht. Da schlagen in Stuttgart längst Bomben ein. Klara Häffelin hat die Bombennächte selbst erlebt. Sie und ihre Geschwister mussten immer mit Trainingsanzügen ins Bett gehen, für den Fall, dass es Fliegeralarm gab. Einmal, während eines Alarms, rannte Gerda aus dem Luftschutzbunker, der 700 Meter vom Haus der Familie entfernt lag. Sie alle suchten das kleine Mädchen und fanden Gerda vor der Haustür. «So behindert kann sie nicht gewesen sein, wenn sie den Weg allein gefunden hat», sagt Klara Häffelin. Mit drei Jahren konnte Gerda noch nicht sprechen. Sie hatte ihre eigene Weise, sich mitzuteilen. «Gerda hat uns immer ihren Schnuller hingehalten», erzählt Klara Häffelin, «damit wir ihr Zucker drauf machen.» Eine offizielle Diagnose gab es nie. Doch für das Gesundheitsamt Stuttgart war Gerda «lebensunwert». Eines Tages holte eine Krankenschwester das Kind ab. Die Mutter war zu diesem Zeitpunkt allein zu Hause mit den jüngeren Kindern. Der Vater arbeitete auf einer Baustelle. Als er zurückkam, war das Kind weg. Die Krankenschwester hatte der Mutter gesagt, dass Gerda an einen Ort käme, wo sie sprechen lerne. Zwei Wochen später war das Mädchen tot, offiziell gestorben an einer Lungenentzündung, in der Kinderfachabteilung Eichberg. Seit 2013 erinnert ein Stolperstein im Stuttgarter Stadtteil Zuffenhausen an Gerdas Schicksal. Manchmal fährt Klara Häffelin mit ihrem Auto die dreissig Minuten von ihrer Wohnung bis zu dem Stein, um ihn zu putzen. Wenn das Messing anläuft, könne man den Namen nur noch schlecht lesen. Ihr Weg führt dann vorbei an einem Bach, an dessen Uferpfaden sie mit ihren Geschwistern spielte. Heute wehen im Gestrüpp Fetzen aus Plastiktüten wie Fähnchen im Wind. «Hier wohnte Gerda Wild. Eingewiesen 21.9.1943, Heilanstalt Eichberg, ermordet 5. Oktober 1943, Kinder-Aktion», steht ein paar Meter weiter auf dem Stolperstein. Vom Ort, an dem ihre Schwester umgebracht wurde, erfuhr Klara Häffelin erst durch den Stein. Surprise 495/21
Ein richtiges Grab gibt es für Gerda nicht. Ihre Leiche wurde direkt auf einer Wiese der Anstalt vergraben. Namenlos, in einem Massengrab mit vielen der anderen 400 Kinder und Jugendlichen, die dort ermordet wurden. Als man Gerda dorthin brachte, war Walter Schmidt Direktor der Anstalt. Beim Personal trug er den Namen «Massenmörder». Weil er im Gegensatz zu vielen anderen NS-Anstaltsleitern Kinder und Erwachsene eigenhändig zu Tode spritzte. Von etwa 200 Klinikopfern entnahm Schmidt Gehirne. Getränkt in Formaldehyd, schickte er sie für «Untersuchungen» an die Universität Heidelberg. Schmidt wurde 1946 zwar zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt, aber schon 1953 war er wieder frei. Später arbeitete er wieder als Arzt. Kaum jemand, der an dem Euthanasie-Programm beteiligt war, wurde nach dem Krieg zur Rechenschaft gezogen. Auch die Eyrichs aus Stuttgart nicht. Max Eyrich wurde 1949 im Grafeneck-Prozess angeklagt. Dort erzählte er seine Version der Geschichte. Es ist jene, die seine Familie bis zum Dezember 2018 glaubt: Er habe alle Möglichkeiten genutzt, um Kinder vor der Euthanasie zu retten. Auch das Gericht glaubte ihm. Unterstützung bekam er von seinem ehemaligen Universitätsprofessor Robert Gaupp, der ihn mit einem Schreiben entlastete. Unterdessen war auf dem Sonnenberg eine Antwort auf Hedwig Eyrichs Brief vom Januar 1948 eingetroffen: «Formell ist die Betroffene nicht belastet», schrieb die Stuttgarter Spruchkammer: «Es war nun einmal ihre Aufgabe, rein ärztlich-sachlich Feststellungen zu treffen.» Von Euthanasie ist darin keine Rede, angeklagt wurde Hedwig Eyrich nie. Nach dem Tod von Max Eyrich brachte sie 1963 ein letztes Buch heraus: «Schulversager», ein unvollendetes Werk ihres Mannes. Es steht bis heute unkommentiert in den Regalen der Universität Tübingen. Dort, wo für beide alles begann. Klara Häffelin läuft im Juli 2019 die letzten Meter bis zur Wiese im hessischen Eichberg, unter ihren Sandalen knirscht der Kies. Ein paar Patienten der Psychiatrie kommen ihr entgegen. Die Klinik ist noch immer in Betrieb. Vor einer kleinen Kapelle erstreckt sich die Wiese am Hang, auf dem wilde Erdbeeren und Rotklee blühen. Ein namenloses Mahnmal gegenüber ist die einzige Erinnerung an Gerda und die anderen Ermordeten. «Glauben Sie, ein Pfarrer war dabei?», fragt Klara Häffelin. Dann geht sie ein Stück allein über das Gras, ihre jüngere Schwester schaut ihr nach. Unter einer Konifere bleibt Klara Häffelin stehen. Efeu schlängelt sich um einen Grabstein, eine rote Kerze lehnt daran. Es ist das Grab eines Vorgängers von «Massenmörder» Walter Schmidt. «Direktor der Anstalt 1911– 1931», lautet die Inschrift. «Dem Doktor haben sie ein Denkmal gesetzt», sagt Klara Häffelin. Wo man ihre Schwester Gerda genau verscharrt hat, kann niemand sagen.
Hintergründe im Podcast: Die Autorin Anna-Theresa Bachmann spricht mit dem Radiomacher Simon Berginz über die aufwändige Recherche und ihren Umgang mit dem Thema. Mehr auf: surprise.ngo/talk 23
Im kollektiven Erwachen Theater «Nouvelle Nahda», eine internationale Kollaboration zwischen Beirut und Zürich,
musste wegen der Corona-Pandemie neue Wege gehen. Aber nicht nur deswegen. TEXT MONIKA BETTSCHEN
Schmerz fordert ungeteilte Aufmerksamkeit. Ob grell stechend nach einer Verletzung oder erdrückend dumpf nach einem Verlust, es gibt kein Entrinnen. «Ich denke an die Schönheit des Schmerzes und wie Schmerz manchmal das Beste in uns hervorbringt», hört man den libanesischen Autoren, Aktivisten und Kuratoren Ibrahim Nehme im Filmessay «Nouvelle Nahda» sagen, während leichter Wellengang auf einer Wasseroberfläche die gespiegelte Silhouette eines Menschen zerfranst. So, als würde er von seinem Schmerz in Stücke gerissen. Ursprünglich war «Nouvelle Nahda» für die Bühne gedacht. Vor eineinhalb Jahren begannen eine Gruppe libanesischer Kunstschaffender und das Theater Neumarkt in Zürich eine Kollaboration mit dem Ziel, eine Bewegung für sozialen Wandel aus dem Kunst- und Kulturbereich heraus zu starten. Aber wegen Corona platzten die Premieren, und die Künstler*innen mussten nach neuen Lösungen suchen. Anstelle eines Bühnenstücks veröffentlichte die Gruppe eine umfangreiche Onlinepublikation mit eigenen Texten, Video-Talks und zuletzt eben den dokumentarischen Filmessay. Im März ist zudem eine Foto-Sound-Textinstallation mit Fotos von den Protesten 2019 und von der Explosionskatastrophe 2020 in Beirut geplant, umgesetzt von Myriam Boulos (Fotos) und Nour Sokhon (Sound). Denn nicht nur die Pandemie überschattete die Entstehung von «Nouvelle Nahda». Auch diese beiden Ereignisse beeinflussten den künstlerischen Prozess, der sich laufend den neuesten Entwicklungen anpasste. «Wir setzten uns nicht nur kreativ mit dem Wandel auseinander, sondern erlebten ihn auch parallel dazu», sagt Ibrahim Nehme im Online-Gespräch. Im Zürcher Kulturhaus Kosmos ist im Rahmen von «Nouvelle Nahda» ein Gespräch mit dem Filmemacher Samir und Ibrahim Nehme anlässlich des Arabischen Frühlings vor zehn Jahren ge24
plant. In Nehmes Heimat Libanon haben sich innenpolitische Spannungen und Wirtschaftskrisen in den vergangenen Jahren immer wieder in Revolutionen oder bürgerkriegsähnlichen Zuständen entladen. «‹Nahda› bedeutet Wiedergeburt und bezieht sich auf die Zeit der arabischen Renaissance Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts», sagt Nehme. «Damals herrschte hier ein Klima des Aufbruchs, welches auch mit einer Blütezeit der Kultur einherging. Diese Veränderungen erlaubten es den Menschen, neue Perspektiven zu sehen. ‹Nahda› handelt in diesem Sinn auch vom Erwachen, vom sich Erheben oder auch davon, archaische Systeme, die nicht mehr funktionieren, infrage zu stellen.» Nehme setzt sich auf vielfältige Weise dafür ein, an den progressiven Geist dieser Zeit anzuknüpfen. Zuhören in einer polarisierten Welt 2012 gründete er das Outpost Magazine, eine politische Publikation, die sich selbst als «Magazin der Möglichkeiten» beschreibt. Aus dem Projekt gingen später auch der Radiosender Mansion und The Output, ein Pop-up-Café im jordanischen Amman, hervor. Nehme interessiert sich für den Zusammenhang zwischen Kulturschaffen und sozialer Wirkung. «Die Geschichte des Libanon ist eine Geschichte des konstanten Wandels und hat die Menschen widerstandsfähig gemacht. Für das Projekt ‹Nouvelle Nahda› haben wir uns damit auseinandergesetzt, wie sehr Wandel und Traumata uns prägen, welche Veränderungen sie in Gang setzen und dass wir akzeptieren müssen, dass Veränderung die einzige Konstante im Leben ist.» Im Filmessay zeichnet die Gruppe in einem Prolog und sieben Kapiteln den Prozess des unaufhaltsamen Wandels nach. Es sind kleine Episoden über Schmerz, Verlust und Heilung. «Um Veränderung akzeptieren zu können, braucht es zuerst ein BeSurprise 495/21
FILMSTILLS: NOUVELLE NAHDA
Kosmische Fabelgestalt Buch «Licht im Dunkeln» schildert
die abenteuerliche Geschichte vom ersten Bild eines Schwarzen Lochs. Dienstag, 10. April 2019, 15.07 MEZ. In einem weltweit synchronisierten Event wird zeitgleich in Brüssel, Washington, Tokio, Santiago de Chile, Shanghai und Taipei der Weltöffentlichkeit die erste Aufnahme eines riesigen Schwarzen Lochs präsentiert – von Messier 87 (kurz M87), 6,5 Milliarden Sonnenmassen schwer, 55 Millionen Lichtjahre entfernt. Die Projektion zeigt einen rot glühenden Ring um ein tiefschwarzes Zentrum. «Eine kosmische Fabelgestalt», schreibt der Astrophysiker Heino Falcke, hat zum ersten Mal «für jeden sichtbar Form und Farbe angenommen.» Dabei muss man sich mal vorzustellen versuchen, womit man es hier zu tun hat. Supermassereiche Schwarze Löcher sind Weltraumfriedhöfe. Sie verschlingen schier unersättlich Gasnebel, Planeten und Sterne. Sie krümmen den Raum und scheinen selbst den Lauf der Zeit anzuhalten. Was ihnen zu nahe kommt, wird nie wieder freigegeben – nicht einmal das Licht. Doch wie soll man so etwas dann überhaupt sehen können? Hinter diesem «das Unmögliche möglich machen» steht eine gewaltige, weltweite Koordinationsarbeit: wissenschaftlich, finanziell, räumlich. Hunderte von Forscher* innen, die teilweise unter Lebensgefahr jahrelang zusammengearbeitet haben. Radioteleskope rund um die Welt, die aufeinander abgestimmt werden mussten. Ein Kraftakt der Wissenschaft. Und eines ihrer grossen Abenteuer, das Millionen Menschen begeistert hat. Das Buch von Heino Falcke und Jörg Römer erzählt, packend und verständlich, von diesem Abenteuer. Zugleich ist es eine gute Einführung in die Astrophysik. In klaren Schritten schildert es die Geschichte der Astronomie, erklärt die Relativität von Raum und Zeit und führt uns vom Urknall, dem Beginn der Zeit, bis hin zu den Schwarzen Löchern, die für das Ende dieser Zeit stehen. Und sei es auch nur deshalb, weil am Rand von Schwarzen Löchern unsere Möglichkeit, zu forschen und zu messen, endet. Die Geschichte, die hier erzählt wird, ist auch ein Stück Menschheitsgeschichte. Immer schon haben die Menschen zum Himmel aufgeblickt. Und die Astronomie entstand nicht zuletzt aus der Hoffnung, in den Sternen Antwort auf die grossen Fragen des Lebens zu finden. Heino Falcke, nicht nur hoch dekorierter Wissenschaftler sondern auch gläubiger Christ, stellt sich auch diesen Fragen, die umso brennender werden, je mehr wir uns der Grenzen unseres Wissens bewusst werden – gerade dann, wenn wir sie zu erweitern versuchen. CHRISTOPHER ZIMMER
«Nouvelle Nahda», Koproduktion Theater Neumarkt Zürich und Kulturraum STATION Beirut; Episode 1: Onlinepublikation und Video-Talks; Episode 2: Filmessay «Nouvelle Nahda», Video on Demand; Foto-Sound-Textinstallation mit Bildern von Myriam Boulos und Soundpieces von Nour Sokhon; «Kosmo politics», Gespräch über 10 Jahre Arabellion, Mo, 22. März, mit Samir, Ibrahim Nehme u. a., Kosmos, Zürich. Alle Infos online. www.theaterneumarkt.ch
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FOTO: ZVG
wusstsein dafür. Und die Bereitschaft, etwas loszulassen, das seine Gültigkeit verloren hat.» Erwachen im Sinne von Nahda beginne auf der persönlichen Ebene, und erst danach könne es zu einem kollektiven Erwachen erstarken, zu einer Bewegung, sagt Nehme. «Kunst und Kultur können nicht alle Probleme dieser Welt lösen, aber einen Raum schaffen für neue Ansichten. Sie begünstigen ein Klima des gegenseitigen Verständnisses. Der Akt des Zuhörens kann lebensverändernd sein: Wir leben in einer polarisierten Welt, in der wir uns bemühen müssen, den Standpunkt des Gegenübers zu akzeptieren und nicht zu verurteilen.» Die Corona-Pandemie sieht Nehme als eine Chance für die Menschheit. «Wir befinden uns mitten in einem kollektiven Erwachen. Die Welt ist dabei, sich in einem grossen Ausmass zu verändern, aber noch können wir die ganze Tragweite nicht erkennen, weil wir damit beschäftigt sind, diese Krise zu überstehen. Nahda hat in diesen Zeiten eine neue Bedeutung erhalten.»
Heino Falcke, Jörg Römer: Licht im Dunkeln. Schwarze Löcher, das Universum und wir. Klett-Cotta 2020, CHF 36.90
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BILD(1): CHRISTOPH NIEMANN, BILD(2): EN COLOR / JUGENDFILMTAGE, BILD(3): CHRISTIAN HELMLE
Veranstaltungen Basel «Big City Life», Ausstellung, bis So, 20. Juni, Di bis So, 11 bis 17 Uhr, Cartoonmuseum Basel, St. Alban-Vorstadt 28. cartoonmuseum.ch
Online «45. Schweizer Jugend filmtage», kostenloses Online-Festival, Do, 18. bis So, 21. März. jugendfilmtage.ch Die Schweizer Jugendfilmtage sind das grösste nationale Filmfestival für den Nachwuchs. In fünf Wett bewerbskategorien messen sich insgesamt 45 Kurzfilme aus der Deutschschweiz, der Romandie und dem Tessin. Dazu werden drei Kurz filme aus dem «BorderPass»-Film workshop vom Sommer 2020 ge zeigt, in dem Jugendliche aus der Schweiz, Serbien und Bosnien und
Die Stadt kann als Labor der Moderne gefeiert oder als Ort der Laster kritisiert werden, man kann das Dorf in ihr finden oder an ihrer Anony mität verzweifeln, ihre Poesie entdecken oder ihr Chaos zeigen. Da sind die liebevollen Zeichnungen des Parisers Sempé und die präzisen Alltags beobachtungen des Graphic-Novel-Pioniers Will Eisner. Die bittere Re aktion auf 9/11 des Comic-Künstlers und Pulitzer-Preisträgers Art Spie gelman und die surreal unterlegten Stadtgeschichten Gabriella Giandellis. Oder die zwischen Wahnsinn und Humor oszillierenden Welten Helge Reumanns und Frans Masereels Holzschnitte. Mit Blut gemalte Reportagen von Michael Matthys oder die Kartonstadt des belgischen Künstlerduos Thierry Van Hasselt und Marcel Schmitz. Und natürlich die skizzenhaften und doch präzisen Stadt-Aquarelle von Christoph Niemann. Die formalen Mittel und inhaltlichen Ansätze der renommierten Künstler*innen aus Europa und den USA sind grundverschieden, gemeinsam ist ihnen eins: Sie alle verstehen die Stadt als sozialen Raum. DIF
St. Gallen «Città irreale», Ausstellung in Kooperation mit dem Theater St. Gallen, bis So, 8. August, Kunstmuseum St. Gallen, Kunstzone in der Lokremise, Grünbergstrasse 7. kunstmuseumsg.ch Auch hier, die Stadt als sozialer Kontext: Es tauchen elementare Behausungen auf oder ein Flug zeuginnenraum als Versatzstück der globalen Mobilität. Da zeigt sich die Alltäglichkeit von Objek ten, die uns zuhause begleiten und
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dazu fast das komplette Gegenteil davon: Reiterdenkmäler, zack, ein Ding im Stadtraum, das man zu nichts gebrauchen kann, uns aber an Grosses erinnert. Wir stossen auf ein lebensgrosses Figurenen semble von fünf jungen Menschen in typischen Posen der Gene ration Z, während der Wasserturm draussen zur unheimeligen Raum installation wird. In einem thea tralen Audiowalk werden die Kunstwerke zu akustisch belebten Schauplätzen. Zu einer «città irre ale»: einer Stadt, die es nicht gibt, die es aber geben könnte. DIF
Herzegowina zur gemeinsamen Arbeit aufeinandertrafen. Das Fo kusprogramm wiederum zeigt me xikanisches Filmschaffen. Das Land hat erst seit Kurzem professionelle Ausbildungsmöglichkeiten. Die bis ins Jahr 2000 bestehende 71-jährige Regierungsdiktatur beschnitt sys tematisch kreative Ausdrucksfor men und führte so zu einer Verzö gerung im Dokumentarfilmschaffen. Umso grösser ist jetzt die Energie, den in den Medien ständig wieder kehrenden Themen (Drogengewalt, illegale Migration, Menschenhan del) eigene, authentische Geschich ten gegenüberzustellen. DIF
Di bis So, 10 bis 17 Uhr, Mi bis 19 Uhr, Kunstmuseum Thun, Thunerhof, Hofstettenstr. 14. kunstmuseumthun.ch Seine Mosaik- und Glasbilder ken nen manche von öffentlichen Plät zen, Eingangs- und Treppenhaus bereichen oder Sakralbauten. Aber auch Ernst Ramseiers Holzschnitte sind bekannt. In Langnau im Em mental geboren und letztes Jahr in Krattigen gestorben, kam Ramseier auf seinen zahlreichen Reisen aber weit herum. Die Ausstellung «Kopflandschaften» nimmt die Besucher*innen mit: von Thun an den Brienzersee, dann bis nach Boston, in die Stube des Künstlers, zu Bekannten, in herbstliche Gär ten und durch verschneite Land schaften. Ramseier übernahm gerne die Rolle des stillen Beob achters, was in seinen Werken oft überdeutlich wird. Seine charakte ristische Bildsprache und die dabei sachlich wirkende Präsenz der Bildmotive spiegeln sich in den Holzschnitten genauso wie in sei nen Ölgemälden wider, von denen manche hier zum ersten Mal aus gestellt sind. DIF
Thun «Ernst Ramseier: Kopfland schaften», Ausstellung, Sa, 6. März bis Di, 16. Mai,
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satz zu Bubenberg wird er von einem ornamentverzierten Kuppeldach geschützt. Auch er trägt keine Handschuhe und auch sonst keine Kleider. Gegenüber, vor dem Hauptsitz einer Ver sicherung, ragt eine Zackenlinie aus roten Rohren bis fast ins vierte Stockwerk. Eine Ausstellung zum Thema Kunst und Nachhaltigkeit wird bis zum 31. März verlängert, was wenig nützt, wenn die Museen weiterhin geschlossen bleiben. Im Schaufenster des Nähmaschinen ladens hängen farbige Wimpel: «Weiternähen!», dazu eine Telefonnummer. Es ist einleuchtend, dass Handarbeiten wie das Nähen wieder hoch im Kurs stehen. So kann die zuhause verbrachte Zeit sinnvoll genutzt werden, aus alten Sachen neue nähen ist nachhaltig, spart Geld und Ressourcen. Die Starbucks-Filiale ist offen, konsumiert werden muss draussen. So wird das steinerne Fenstersims von zwei Frauen zur Kaffeebar umgenutzt, der Kälte bei Gebäck und Gespräch getrotzt, und die Sonnenbrille hilft, das dazugehörige Winterkurortgefühl heraufzubeschwören.
Tour de Suisse
Pörtner in Bern Surprise-Standort: Hirschengraben Einwohner*innen: 133 883 Sozialhilfequote in Prozent: 4,6 Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 16,6 Besonderheit des Bubenberg-Denkmals: Der Ritter wird zu Fuss, ohne Pferd dargestellt.
Hirschengräben gibt es in mehreren Städten, in Zürich zum Beispiel, nur ist dort der Graben ein Wall. In Bern ist von einem Graben auch nichts zu sehen, trotzdem wäre es natürlich interessant, einen Hirschengraben in seinem Urzustand anzutreffen. Früher wurden tatsächlich Hirsche in wenig artgerechter Umgebung gehalten, waren eine beliebte Attraktion, bevor ihnen zoologische Gärten den Rang abliefen, oder in dieser Stadt der noch immer existierende Graben eines anderen Tiers, des Bären. In der heutigen Zeit gibt es hier weder Hirschen noch Bären, den Temperaturen nach wären es ohnehin Eisbären oder Polarhirsche, sofern es diese überhaupt gibt. Stattdessen warten vor allem Velos den ganzen Platz entlang auf ihre Besitzer* innen. Man kann sich ungefähr vor Surprise 495/21
stellen, wie der Platz aussieht, wenn velofreundlichere Temperaturen herrschen und die Geschäfte offen sind. Eine junge Frau fährt ohne Handschuhe. Das muss wehtun, spätestens wenn die Finger wieder auftauen. Ebenfalls keine Handschuhe trägt Adrian von Bubenberg auf seinem Denkmalsockel, an dem neben Helm und Waffen auch Handschuhe angebracht sind. «Solange in uns noch eine Ader lebt, gib keiner nach», so das Motto, das in modernen Konfliktlösungsseminaren wohl auf wenig Zustimmung stossen würde. Am anderen Ende des Platzes steht ein Brunnen, der J. V. Widmann gewidmet ist. Was sein Motto war, ist nicht bekannt, vermutlich war es etwas weniger Martialisches. Die Statue jedenfalls stellt einen schmächtigen jungen Mann dar, der eine Art Amor auf dem Kopf trägt, im Gegen-
Auf dem Platz stünden auch Stühle und Bänke, aber die sind mit einer Schneeschicht belegt. Nicht einmal der mit einem Alpenpanorama bemalte Elektrokasten vermag da zum Verweilen einzuladen. Gratis Luft wird beworben, was auf den ersten Blick befremdend wirkt. Kostet jetzt schon die Luft etwas? Nur in Bahnhöfen, wo alles und jedes der wirt schaftlichen Nutzung unterworfen wird, würde es einen nicht wundern, wenn die Atemluft in Rechnung gestellt würde. Erst auf den zweiten Blick wird klar, dass es sich um einen Veloladen handelt, der die Gratisluft anbietet. Verwegen wäre es nachzufragen, ob es sich um warme Luft handelt.
STEPHAN PÖRTNER Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.
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Wir alle sind Surprise #493: Pörtner in Ittigen BE
#492: Kriminalisierung als Falle
«Die Hässlichkeit von Einkaufszentren»
«Politik und Prostitution: das nordische Modell»
Ich las grad den Artikel von Stephan Pörtner in obiger Ausgabe und möchte ihm gratulieren dazu. Ich war noch nie in Ittigen, aber erkenne leider genau, was er hier beschreibt. Ich dachte bereits, ich sei die Einzige, welche die Hässlichkeit von solchen Einkaufszentren und deren Einfluss auf die Anwohner bedrückt. Mit wenigen treffenden Worten hat er die Misère beschrieben. Man kann nur hoffen, dass auch Stadtplaner den Artikel als treffende Warnung lesen werden. U. FRIEDLI, ohne Ort
#493: Morsches Zuhause
#477, 482, 485, 487: Serie zur IV
«Fundierte Beiträge»
«Völlig einseitig»
Wieder habe ich ein Surprise-Heft mit hochaktuellen, brisanten Berichten vor mir. Den Autor*innen ein grosses Lob für ihre fundierten Beiträge, sei’s zur Wohnungsmisere für Sozialhilfe-Bezüger bei uns oder über den tragischen Konflikt in Bergkarabach!
Ich lese Ihr Heft meist sehr gerne. Aber die völlig einseitige Berichterstattung über die IV nervt mich. Natürlich ist der gesetzliche Rahmen der IV verbesserungsfähig und die IV bekommt zu wenig Geld, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden, aber schreiben Sie auch mal über die engagierte und psychisch extrem belastende Arbeit, die die Eingliederungsfachpersonen der IV Tag für Tag mit viel Herzblut und immer wieder sehr erfreulichen Erfolgen ausüben!
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Impressum Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T +41 61 564 90 90 M+41 76 325 10 60 anzeigen@surprise.ngo Redaktion Verantwortlich für diese Ausgabe: Diana Frei (dif) Klaus Petrus (kp), Sara Winter Sayilir (win) Reporter: Andres Eberhard (eba), Simon Jäggi (sim) T +41 61 564 90 70 F +41 61 564 90 99 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch
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Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Simon Berginz, Monika Bettschen, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Seynab Ali Isse, Anna-Theresa Bachmann, Lando Hass, Michael Leuthold, Evans Ouma, Valerie Thurner Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Geneh migung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik Druck AVD Goldach Papier Holmen TRND 2.0, 70 g/m2, FSC®, ISO 14001, PEFC, EU Ecolabel, Reach Auflage 28 500 Abonnemente CHF 189, 25 Ex./Jahr Helfen macht Freude, spenden Sie jetzt. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3
Klaus Petrus stellt das nordische Modell schlecht hin. Er umgeht den Problemkreis von Menschenhandel und Sex-Sklaverei. Er ignoriert, dass die meisten Frauen Opfer sind. Haupttäter sind Banden des organisierten Verbrechens. Diese Banden verlieren beim nordischen Modell das Interesse und ziehen sich zurück, da der «Markt» nicht mehr lukrativ ist. Die Zwangsprostitution ging im Norden sehr wohl zurück. Ich stütze mich dabei auf Manfred Paulus, Kriminalhauptkommissar aus Deutschland. Er ist Experte im Bereich Menschenhandel. Es gilt, hinzuschauen beim unsäglichen Leid durch Frauen- und Kinderhandel sowie Sex-Sklaverei. G. E. R ADECKE, Winterthur
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FOTO: KLAUS PETRUS
Surprise-Porträt
«Ich möchte gerne Arzthelferin werden» «Ich verkaufe Surprise seit zwei Jahren bei der Migros in Arlesheim. Ich stehe dort zwei- oder dreimal pro Woche. Weil ich eine dreizehn Monate alte Tochter habe, geht das nur, wenn mein Mann frei hat und auf sie aufpassen kann. Einige Menschen, die bei mir kaufen, kenne ich schon ganz gut. Eine Frau hat mich mal gefragt, was ich mache, wenn ich nicht gerade Surprise verkaufe. Ich habe ihr erzählt, dass ich einen Deutschkurs besuche, aber mir das Geld für den nächsten Kurs fehlt. Sie hat ihn bezahlt, das hat mich sehr gefreut. Ich komme aus Somalia und lebe seit dem 3. August 2008 in der Schweiz. Ich bin zuerst mit dem Schiff nach Italien ge kommen. Die Überfahrt war wirklich nicht einfach, aber ich bin angekommen. Dann war ich ein paar Monate lang in Italien. Ich wollte aber weiter in die Schweiz. In Italien war das Leben zu schwierig, ich musste manchmal draussen schlafen. Das hat mir Angst gemacht. Somalia habe ich verlassen, weil dort Krieg war. Mein Vater ist schon gestorben, als ich drei Jahre alt war. Meine Mutter hatte sechs Kinder zu versorgen. Wir hatten ein Familienrestaurant, wo ich auch mitgeholfen habe. Aber wegen des Kriegs gab es irgendwann keine Arbeit mehr für uns. Das Dorf, aus dem ich komme, liegt im Süden von Somalia. Die Terrormiliz al-Shabaab ist oft gekommen, vor allem nachts, und hat viele Menschen getötet, die ich kenne. Ich hatte Angst. Ich bin dann allein nach Europa gekommen. Meine zwei Schwestern sind in Somalia verheiratet, zwei Brüder sind nach Südafrika ausgewandert und ein Bruder lebt bei meiner Mutter. Kurz nach meiner Ankunft in der Schweiz habe ich meinen Mann kennengelernt. Auch er stammt aus Somalia. Wir haben uns am Bahnhof in Basel zum ersten Mal gesehen. Er hat mich gefragt, wie ich heisse, wir haben uns unterhalten, ich habe ihm meine Nummer gegeben und dann haben wir uns ver abredet. Zwei oder drei Monate später haben wir geheiratet. Da war ich neunzehn Jahre alt. Wir leben in Münchenstein und haben vier Kinder. Unsere jüngste Tochter ist dreizehn Monate alt, die drei anderen Kinder sind schon sieben, neun und elf. Mein Mann arbeitet als Koch im Kantonsspital Liestal. Auch zuhause kocht er sehr viel. Ich habe fünf Jahre lang als Zimmermädchen in einem Hotel gearbeitet. Den Job habe ich aber vor zwei Jahren verloren. Ein Freund erzählte mir dann von Surprise. Mit dem Geld, das ich durch den Verkauf verdiene, helfe ich meiner Mutter in Somalia. Sie ist sehr krank, sitzt im 30
Zeynab Ahmed, 31, floh vor der Terrormiliz al-Shabaab und kam vor dreizehn Jahren allein in die Schweiz. Heute wohnt sie mit ihrer Familie in Münchenstein BL.
ollstuhl und kann nicht mehr arbeiten. Seit der Corona- R Pandemie verkaufe ich aber weniger Hefte. Deshalb verdiene ich auch weniger Geld. Ich möchte gerne noch einmal nach Somalia reisen, um meine Mutter zu sehen. Es wäre auch schön, wenn sie meine Kinder einmal treffen könnte. Ich vermisse meine Mutter sehr. Ich kann sie immerhin sehen, wenn ich per WhatsApp- Videocall mit ihr spreche. Wir haben hier in der Schweiz einige Freunde, aber wegen Corona ist es schwierig, sie zu sehen. Seit fünf Jahren kommt eine Frau als Familienbegleitung vom Roten Kreuz zu uns. Wenn ich zum Beispiel einen Brief schreiben muss, hilft sie mir. Manchmal spielt sie auch mit meinen Kindern. Sie hilft mir viel. Ich liebe diese Frau wie meine Mutter. Mein Mann und ich haben mittlerweile den Ausweis B in der Schweiz. Damit kann ich mehr machen und planen als zuvor. Ich möchte weiter Deutsch lernen und Arzthelferin werden. Die Arbeit würde mir gut gefallen, aber dafür muss ich zuerst noch mehr Deutschkurse besuchen. Ein einziger Kurs kostet mich allerdings 1000 Franken: 600 Franken für den Kurs und 400 Franken für die Betreuung meiner Tochter während dieser Zeit. Das ist viel Geld, doch wer weiss, vielleicht wird es einmal klappen, und ich bekomme es zusammen.» Aufgezeichnet von EVA MELL Surprise 495/21
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