Surprise 502/21

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Strassenmagazin Nr. 502 18. Juni bis 1. Juli 2021

CHF 6.–

davon gehen CHF 3.– an die Verkäufer*innen

Schulden-Serie

Ertrinken in Schulden Wer verschuldet ist, wird krank, wie eine neue Studie zeigt. Seite 8

Bitte kaufen Sie nur bei Verkäufer*innen mit offiziellem Verkaufspass


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SURPRISE WIRKT Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf2die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3

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TITELBILD: MARCEL BAMERT

Editorial

Krank vor Schulden Eigentlich hatte Samuel Berger eine unbeschwerte Jugend. Dann, während seiner Lehre zum Metallbauer, hatte er plötzlich Kopfschmerzen, Fieber, Schwindel, wie aus dem Nichts. Irgendwann wurde bei ihm eine Metallunverträglichkeit festgestellt. Er liess sich zum Koch umschulen, vertraute darauf, dass die Kosten von der Invalidenversicherung getragen würden – was ein Irrtum war. Von da an verlor Berger die Balance, ihm wurde gekündigt, er verschuldete sich – und wurde dadurch noch kranker, noch lebensmüder. Dass Schulden sich negativ auf die Gesundheit auswirken können, ist mit Fakten und Zahlen belegt. Diese zeigen auch, dass es für die Lösung des Problems nicht einfach reicht, die Betroffenen aus der Misere zu holen. Es braucht darüber hinaus den Willen, die Verschuldung als gesamtgesellschaftliches Problem anzugehen. Warum das nötig ist, lesen sie ab Seite 8 in Teil 2 unserer grossen Recherche zu Schulden und Armut.

4 Aufgelesen 5 Was bedeutet eigentlich …?

Behinderung

8 Schulden-Serie – Teil 2

Rechnungen, die krank machen

Zweierlei in eigener Sache: Vor einem Jahr lancierten wir eine mehrteilige Serie zur Invalidenversicherung, am Ende waren es über 30 Seiten voller Hintergründe, Analysen, Einzelfälle, Interviews und Kommentare – aus der Feder unseres Reporters Andres Eberhard. Nun wurde die Arbeit ausgezeichnet: mit Platz 2 des Medienpreises des Schweizer Anwaltsverbands. Wir freuen uns sehr! Noch eine Ehre für unser Magazin: In dieser Ausgabe lesen Sie die 100ste Sozialzahl, die beliebte Kolumne von Carlo Knöpfel. 100 Mal knallharte Fakten zu sozialen Themen, 100 Mal messerscharfe Analyse von Missständen, 100 Mal subtile Hinweise darauf, wie sie sich beheben liessen. Vielen herzlichen Dank, Herr Professor Knöpfel. Und ja, wir wollen noch 100 Mal mehr davon! KL AUS PETRUS

Redaktor

22 Literaturbetrieb

27 Tour de Suisse 24 Kino

10 Jede Mahnung

wie ein Schlag

Film über Sans-Papiers

5 Vor Gericht

Streit um Glyphosat

Joanna Herzig

28 SurPlus Positive Firmen 29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren

18 Gefährliche Schulden

19 Kommentar Die Armutslücke droht 20 Asylunterkunft grösser zu werden Menschenrechte in Gefahr

30 Surprise-Porträt

7 Die Sozialzahl

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Pörtner in Bottmingen

16 Interview

6 Verkäufer*innenkolumne

Der Mann in Orange

26 Veranstaltungen

Autor*innen in Not

25 Buch

«Mein Wunschberuf ist Maler»

Tiefe der Oberfläche

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Aufgelesen News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören. FOTO: JACKIE DIVES

Essen auf der Strasse Das Strassenmagazin Curbside Chronicle aus Oklahoma City interessierte sich dafür, wie seine Verkaufenden zu ihrem Essen kommen und welche Lebensmittel sie normalerweise konsumieren. Die Befragten führten eine Zeitlang ein Nahrungs-Tagebuch, das vom Magazin fotografisch umgesetzt wurde. THE CURBSIDE CHRONICLE, OKLAHOMA CITY

Zielscheibe Demokratie

Heirat unter Zwang

Teurer Müll

Straftaten gegen Politiker*innen nehmen in Deutschland zu: von 1256 im Jahr 2018 auf 2629 im Jahr 2020. Dazu gehören u.a. Beleidigung (2020: 1247 Fälle), Nötigung (403) sowie Gewaltdelikte (78), darunter Erpressung (48) und Körperverletzung (17). 901 Straftaten waren politisch rechts motiviert, 370 politisch links.

Im letzten Jahrzehnt konnten laut UNICEF weltweit 25 Millionen Kinderehen verhindert werden: durch Aufklärung der Bevölkerung in den jeweiligen Regionen – darunter Subsahara, Lateinamerika oder Südostasien –, vor allem aber durch entsprechende Gesetze. Dabei sind 25 Millionen in zehn Jahren ein vergleichsweise geringer Erfolg: Weltweit werden pro Jahr 14 Millionen Kinder verheiratet, das sind 39 000 pro Tag. In Österreich sind es jährlich 200.

800 Euro – das ist der Wert der geniessbaren Lebensmittel, die Menschen in Österreich pro Kopf und Jahr als Müll behandeln. Insgesamt werden jährlich 521 000 Tonnen Lebensmittel weggeworfen, die Hälfte stammt aus privaten Haushalten. Zum Grossteil handelt es sich dabei um Brot, Gebäck, Obst und Gemüse.

HINZ & KUNZT, HAMBURG

APROPOS, SALZBURG

MEGAPHON, GRAZ

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ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

Was bedeutet eigentlich …?

Behinderung Behinderung ist eine Erfahrung, die alle Menschen immer wieder machen. Ein typisches Beispiel sind nicht ebenerdige Einstiege im öffentlichen Verkehr – für ältere Menschen oder solche mit Kinderwagen eine schwer überwindbare Barriere. Behinderung ist aber auch ein sozialer und rechtlicher Status. Als behindert gilt, wer körperlich, geistig oder psychisch eingeschränkt ist. Massstab sind dabei stets Menschen ohne Behinderungen. Damit problematisiert der Begriff – der im Übrigen auch kritisch gesehen werden kann –, wenn Menschen Leistungen nicht erreichen oder ein anderes Verhalten als erwartet an den Tag legen. Deshalb fordern Behindertenvertreter*innen, dass Menschen mit Behinderung als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft betrachtet und behandelt werden. Jedoch erlaubt der Begriff auch Massnahmen, die Diskriminierung verhindern: Menschen mit Behinderungen können Ansprüche und Leistungen geltend machen – in der Schweiz etwa bei der Invalidenversicherung. Ziel der Behindertenpolitik ist die Gleichbehandlung: Menschen mit Behinderungen sollen dieselben Teilhabemöglichkeiten und Lebenschancen haben – bei der Arbeit, in der Bildung, im sozialen und kulturellen Leben sowie in Gesundheitsfragen. Kritiker*innen werfen dem Bund vor, zu wenige Massnahmen umzusetzen und lediglich gute Absichten zu formulieren. Zentrale Anforderungen der von der Schweiz ratifizierten UNO-Behindertenrechtskonvention seien nicht erfüllt. Sie fordern eine nationale Behindertenpolitik – bislang haben lediglich einzelne Kantone wie Bern und Basel-Stadt eine solche formuliert. EBA Jan Weisser: Behinderung / Suzanne Auer: Behindertenpolitik. Wörterbuch der Schweizer Sozialpolitik. Zürich und Genf 2020.

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Vor Gericht

Streit um Glyphosat Nicht nur in der Schweiz sorgen Pestizide für rote Köpfe. In der EU kam es bei der letzten Zulassung von Glyphosat zu einem Gerichtsfall zwischen der EU-Kommission und der Region Brüssel-Hauptstadt. Das weltweit meistverkaufte Herbizid ist für viele der Inbegriff einer umweltschädigenden Agrarchemie. Hinweise darauf, dass Menschen durch Glyphosat Schaden droht, gibt es schon lange: Berichte von texanischen Baumwoll-Farmern, die öfter an Hirntumoren erkranken, oder von Kindern in den Dörfern am Rand der Sojafelder in der argentinischen Pampa, die häufiger mit Missbildungen geboren werden. Hierzulande wurde Glyphosat Anfang 2016 zum Stammtischthema. Als nämlich eine Stichprobe des Umweltinstituts München Glyphosat-Rückstände in vielen beliebten Biersorten nachwies. In jenen Tagen sollte auch der Entscheid über die weitere Zulassung des Stoffs in der EU fallen. Dieser stand auf der Kippe, weil die zur WHO gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung Glyphosat erstmals als «wahrscheinlich krebserregend» kategorisiert hatte. Damit widersprach die Agentur den einflussreichen staatlichen Aufsichtsbehörden der USA und der EU. Im Dezember 2017 stimmten dann 18 der 28 EU-Länder für die erneute Zulassung des Pflanzengifts. Und weiter ging der Streit: Die belgische Region Brüssel-Hauptstadt reichte beim EU-Gericht in Luxemburg Klage ein. Zu zweifelhaft sei die Unbedenklichkeit des Mittels. Zumindest hätten die Behörden die Risikoabklärungen

ausweiten müssen. Doch das Gericht schmetterte den Antrag 2018 ab. Die Regionalbehörde sei von der angefochtenen Verordnung nicht unmittelbar betroffen und dürfe somit auch nicht klagen. Das liessen die Belgier*innen nicht auf sich sitzen und zogen vor den Europäischen Gerichtshof EuGH, ebenfalls in Luxemburg. Damit trat Generalanwalt Michal Bobek auf den Plan. Seine Aufgabe ist nicht mit jener von Staatsanwälten zu vergleichen. Er unterbreitet dem Gerichtshof unabhängige Entscheidungsvorschläge. Daran gebunden ist der EuGH nicht, folgt ihnen jedoch in rund drei Viertel aller Fälle. Deshalb liess Bobeks Vorschlag zu Glyphosat im Juli 2020 aufhorchen. In seiner Sicht hatte das EU-Gericht die «unmittelbare Betroffenheit» zu eng ausgelegt. Die Brüsseler Regionalbehörde sei vom Zulassungsentscheid der EU sehr wohl betroffen. Sie wollte den Wirkstoff im Rahmen ihrer Null-Pestizid-Politik verbieten – was ihr aber mit der angefochtenen Zulassung verwehrt blieb. Nach fünf Monaten entschieden die EuGH-Richter: Brüssel-Hauptstadt darf nicht klagen. Der Entscheid der EU-Kommission sei nur die Genehmigung der Chemikalie gewesen. Über die Zulassung für das Inverkehrbringen des Herbizids hätten die EU-Staaten zu entscheiden gehabt. In Belgien sei dies die Föderalbehörde – darin sei die Region Brüssel-Hauptstadt aber nur mit einem Sachverständigen beteiligt und damit eben nicht unmittelbar betroffen. Vielleicht dachten sich die Richter*innen auch: Wozu die Zulassung von 2017 kassieren, wenn 2022 ohnehin die Überprüfung von Glyphosat ansteht. Man darf gespannt sein.

Y VONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin

in Zürich.

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ILLUSTRATION: DINAH WERNLI

Verkäufer*innenkolumne

Der Mann in Orange Orange Mütze, oranger Pullover, orange Jacke, orange Hose, orange Schuhe, oranger Rucksack. Welche Farben er drunter trägt, kann ich leider nicht sagen, aber ich tippe, so wie Sie vielleicht auch, auf – Orange. Immerhin bemühe ich mich redlich, mal einen Blick auf seine Socken zu erhaschen, doch blieb mir diese Offenbarung bisher verwehrt. Aber genug der Spekulationen. Ich wende mich wieder den gegebenen Tatsachen zu. Von Kopf bis Fuss ganz in Orange gekleidet, samt Accessoires. So kennt man ihn, den Mann um die vierzig. Mit erhobenem Haupt und verschmitztem Lächeln, so, als wollte er sagen, ach rutscht mir doch alle den Buckel runter, bahnt er sich während der Rushhour in der Bahnhofunterführung zu Rapperswil seinen Weg durch die Menge, wohlwissend, dass er in seinem Aufzug einen unübersehbaren 6

Blickfang abgibt. Selbst im Winter, wenn sich die meisten in dunkle Farben kleiden, gibt er sich ganz in Orange, ohne Scheu, ohne Scham, wie eine wandelnde Litfasssäule. Er wäre unzweifelhaft der ideale Werbeträger für jede Firma, die auffallen will. Doch neulich geschah das völlig Unerwartete, das Undenkbare, das Unvorstellbare. Und wenn das Unvorstellbare wahr wird, ist die Wirkung um ein Vielfaches stärker, als wenn das Vorstellbare wahr wird. Er kommt. Mütze, Pullover, Jacke, Schuhe, Rucksack, wie gehabt und stilsicher in Orange. Aber was ist mit seiner Hose passiert? Trägt der Mann doch tatsächlich eine Jeans in schnödem Blau! Tags darauf thront auf seinem Kopf eine Mütze in einem undefinierbaren Graublau, und noch einen Tag später erscheint er in hellblauen Sneakers, die auch schon

bessere Tage gesehen haben. Und ich sehe ihm tatenlos zu, wie er sein Image bröckeln lässt. Doch ich frage mich: Was ist bloss mit ihm passiert? Einst Stilikone und Trendsetter. Und jetzt? So verändern wir Menschen uns stetig. Stets sind wir im Wandel begriffen. Was gestern gut für uns war, muss es morgen nicht mehr sein. Ich geniesse diesen Wandel. Ich möchte keinen Tag zurück. URS HABEGGER, 65, verkauft Surprise seit dreizehn Jahren in der Bahnhofunterführung von Rapperswil. Er schreibt nicht nur Kolumnen, sondern auch Kinderlieder. Und entwickelt sich dabei stetig weiter: Seit ein paar Tagen ist sein erstes Video mit fünfzehn seiner Kinderlieder auf YouTube zu finden: «Kinderlieder von Urs».

Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und Stephan Pörtner erarbeitet. Die Illustration zur Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.

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langzeitarbeitslose Sozialhilfebeziehende dank einem guten wirtschaftlichen Verlauf doch noch eine Stelle finden – und zwar auch dann, wenn dieses Erwerbseinkommen für die Haushalte nicht ganz existenzsichernd ist.

Die Armutslücke droht grösser zu werden Die Armutslücke ist in der sozialpolitischen Diskussion wenig präsent. Trotzdem ist sie eine zentrale Grösse für die Berechnung der Sozialhilfeausgaben. Die Armutslücke misst die Differenz zwischen der Armutsgrenze und dem verfügbaren Einkommen der armutsbetroffenen Haushalte. Wer kein Einkommen hat, weist eine grössere Armutslücke auf als Working-Poor-Haushalte, in denen Haushaltsmitglieder erwerbstätig sind. Das Bundesamt für Statistik gibt Auskunft über die mediane Armutslücke. Damit ist der mittlere Wert der Armutslücke gemeint. Die Hälfte der armutsbetroffenen Haushalte hat eine grössere, die andere Hälfte eine kleinere Armutslücke. Diese wird in Prozent der Armutsgrenze angegeben. In den Jahren vor der Corona-Krise ist ein leicht sinkender Trend in der Grafik erkennbar. Bemerkenswert ist, dass sich die Armutslücke in Bezug auf die schweizerische Bevölkerung und die Migrationsbevölkerung kaum unterscheidet. Unterschiede finden sich hingegen zwischen den Kantonen. Diese ergeben sich zum einen aus dem unterschiedlichen Ausmass an regionaler Armut, zum anderen lassen sie sich aber auch mit den verschieden ausgestalteten Sozialtransfers, die der Sozialhilfe vorgelagert sind, in Verbindung bringen. In jenen Kantonen, in denen diese Sozialtransfers grosszügiger ausgerichtet werden – etwa die Prämienverbilligung zur Krankenversicherung oder die Familien- und Kinderzulagen –, sind die Armutslücken kleiner.

Umgekehrt wächst die Armutslücke, wenn die Zahl der arbeitslos bleibenden Ausgesteuerten steigt und diese Sozialhilfe beanspruchen müssen. Das Gleiche gilt, wenn Working Poor ihr Pensum von einer Vollzeit- auf eine Teilzeitstelle reduzieren müssen. Es ist zu befürchten, dass die Corona-Krise zu einer sich öffnenden Armutslücke führen wird. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist in der Arbeitslosenversicherung massiv angestiegen. Nicht alle von der Erwerbsersatzordnung unterstützten selbständig Erwerbstätigen werden in ihr angestammtes Business zurückkehren können. Vielen Angestellten in Tieflohnbranchen wie dem Gastgewerbe oder der Hotellerie droht eine Kürzung des Beschäftigungsgrads oder der Verlust ihrer Stelle. All diese Faktoren können nicht nur die Zahl der sozialhilfebeziehenden Haushalte in die Höhe treiben, sondern auch die Höhe der Sozialhilfebeträge, die für diese Haushalte ausgegeben werden müssen. Damit zeichnet sich ab, dass die Kantone und Kommunen in den nächsten Jahren mehr Mittel für die Sozialhilfe bereitstellen müssen. Uns stehen wieder mühsame Budgetdebatten in den Parlamenten bevor.

PROF. DR. CARLO KNÖPFEL ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Die jährlich schwankende Armutslücke spiegelt die Verschiebungen in der Armutsbevölkerung wider. So kann es sein, dass die Armutslücke kleiner wird, wenn ausgesteuerte oder

Mediane Armutslücke 2009–2018

19,2 %

20,1 %

17,7 %

17,8 %

19,7 %

20,2 %

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18,6 %

22,2 %

20,8 %

Mediane Armutslücke 20

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INFOGRAFIK: BODARA ; QUELLE: BUNDESAMT FÜR STATISTIK: ARMUTSBERICHTERSTATTUNG.

Die Sozialzahl

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Schulden-Serie: In der Schweiz gibt es immer mehr Arme – auch weil es immer mehr Schulden gibt. Wir wollen wissen, was das mit den Leuten macht, wer davon profitiert und was sich ändern lässt.

Teil 2: Rechnungen, die krank machen TEXT SIMON JÄGGI

ILLUSTRATIONEN MARCEL BAMERT

Wer arm ist, hat meist Schulden, und wer Schulden hat, rutscht oft in die Armut ab – und wird nicht selten davon krank. Kein Wunder, denn der Druck von Schulden ist gross und wächst rasant an: am laufenden Band flattern Rechnungen ins Haus, es türmen sich Mahnungen, irgendwann steht das Betreibungsamt vor der Tür – meist früher denn später. Wann immer der Zusammenhang zwischen Verschuldung und Erkrankung erforscht wird, ist die Datenlage ziemlich klar: Schulden verursachen Leiden. Meist nagen sie an der Psyche der Betroffenen, sie führen zu mangelndem Selbstwertgefühl oder lösen Panikattacken und Depressionen aus. Dazu kommt die Scham, es in einer Leistungsgesellschaft, in der anscheinend alle mühelos alles erreichen, nicht geschafft, sondern versagt zu haben. Aber auch über körperliche Gebrechen wie Rücken- oder 8

Nackenschmerzen klagen Verschuldete. Schulden greifen die Menschen an, drücken sie nieder. Manchmal lässt sich die Schuldenspirale durchbrechen, die Betroffenen haben Glück und geraten an Menschen, die ihnen zur Seite stehen und sie beraten können: Schuldenprofis im besten Sinn. Zu oft sind aber Scharlatane am Werk, raffgierige Unternehmen, die sich schamlos an den Verschuldeten bereichern. Wir haben in Teil 1 unserer Schulden-Serie (Ausgabe 500) ausführlich über sie berichtet: über die entfesselte Inkassobranche, über private Schuldensanierer, Betreibungsämter und – überraschend vielleicht – die Krankenkassen. Was tun? Joanna Herzig hat die gesundheitlichen Auswirkungen von Überschuldung erforscht. Sie möchte an den Rädern des Systems Surprise 502/21


Schulden – Eine Serie in 4 Teilen Teil 1/Heft 500: Das Geschäft mit den Schulden Teil 2 /Heft 502: Rechnungen, die krank machen Teil 3/Heft 505: Wohlstand dank Schulden Teil 4/Heft 507: Weniger Schulden, weniger Armut

schrauben: mehr Hürden für die Kreditvergabe, erschwerter Zugang zu Kreditkarten speziell für Jugendliche, Verbilligung der Krankenkassenprämien (siehe Interview, Seite 16). Man kann von solchen Ansätzen halten, was man will – für manche werden sie zu bevormundend sein, für andere zu wenig an die Eigenverantwortung der Einzelnen appellieren. Aber sie stellen völlig zu Recht infrage, was in weiten Teilen unserer Gesellschaft noch immer für selbstverständlich gehalten wird: dass selber schuld ist, wer Schulden hat. Wäre dem so, hiesse das im Umkehrschluss: Die meisten Verschuldeten bezahlen ihre Rechnungen absichtlich nicht, sie versprechen sich daraus einen Vorteil, wollen schmarotzen. Doch dagegen sprechen alle bisher verfügbaren Daten. Im Übrigen würde eine solche Sicht unsere Gesellschaft aus der VerantworSurprise 502/21

tung nehmen – und damit auch die Frage ausser Acht lassen, ob wir uns, als Gesellschaft, am Ende nicht Schulden ganz bewusst leisten wollen, mehr noch: ob sich unser eigener Wohlstand letztlich gar den Schulden anderer verdankt. Mehr davon schon bald in Teil 3 unserer grossen Recherche über Armut und Schulden (siehe Box). KP

Hintergründe im Podcast: Radiomacher Simon Berginz redet mit Simon Jäggi über die Hintergründe der Recherche. surprise.ngo/talk

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Jede Mahnung wie ein Schlag Samuel Berger war Anfang zwanzig, als er in die Schulden rutschte und schwer erkrankte. Zehn Jahre später kämpft er sich immer noch zurück. TEXT SIMON JÄGGI

Samuel Berger ist im zweiten Jahr seiner Lehre zum Metallbauer, als ihn die Kraft verlässt. Schwindelanfälle, Kopfschmerzen, Fieberschübe, sie überkommen ihn plötzlich und ohne erkennbaren Grund. Für ihn ist es das Ende des Lebens, wie er es bisher kannte. Berger heisst eigentlich anders, sein richtiger Name soll hier ungenannt bleiben. Zu gross ist die Scham für das, was folgte. Bis zu seiner Erkrankung lebte Berger eine weitgehend unbeschwerte Jugend auf dem Land, in einer kleinen Gemeinde im Berner Emmental. Er fährt mit seiner getunten Ciao Piaggio durch die Gegend, macht mit Freunden die Nachbarschaft unsicher. Die Beziehung zu seinen Eltern ist gut. Der Vater arbeitet als Steinhauer, restauriert alte Sandsteingebäude. Die Mutter, eine gelernte Köchin, bleibt nach der Geburt ihres Sohnes zuhause. Als Samuel Berger sechzehn ist, trennen sich die Eltern. Berger entscheidet sich statt Gymnasium für eine Lehre. Dreimal die Woche spielt er Handball in der interkantonalen Auswahl, er fühlt sich in bester Verfassung. Seiner Lehre geht er mit Ehrgeiz nach. Bis im dritten Lehrjahr eine unerklärliche Krankheit ihren Anfang nimmt. Über ein halbes Dutzend Spezialist*innen untersuchen ihn, eine Ursache für die Symptome findet keiner. Irgendwann landet Berger verzweifelt in der Praxis eines Alternativmediziners. Diagnose: Metallunverträglichkeit, ausgelöst durch seine Arbeit. Berger hatte schon länger den Eindruck, dass die Metallwerkstatt etwas mit der Krankheit zu tun haben könnte. Die Diagnose erscheint ihm wie eine Erlösung. Er ahnt nicht, wohin ihn sein Weg in den nächsten Jahren führen wird. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Invalidenversicherung (IV), die Samuel Berger gleich zweimal durch ihre Maschen fallen lässt. Der Alternativmediziner verordnet Berger eine Entgiftungskur und rät ihm, er solle die Metallwerkstatt meiden. Er arbeitet von nun an viel im Büro und kann so seine Ausbildung trotzdem abschliessen. Doch es ist klar, er Surprise 502/21

kann nicht weiter auf dem gelernten Beruf arbeiten. Berger braucht eine zweite Ausbildung. Ein Verwandter von ihm leitet ein Restaurant in Grenchen und bietet ihm eine Lehrstelle in der Küche an. Er verlegt seinen Wohnsitz an den Jurasüdfuss und beginnt die Ausbildung zum Koch. Er und seine Eltern vertrauen darauf, dass die Unfallversicherung (SUVA) oder die IV aufgrund der Krankheit die Kosten für die Umschulung übernehmen und die Wohnungsmiete decken werden. Doch das ist ein folgenschwerer Irrtum. Kurzes, neues Leben Im Juni 2007, ein halbes Jahr nachdem Berger seine Ausbildung begonnen hat, erhält er Post von der IV. «Die Abklärungen haben ergeben, dass nach schulmedizinischer Erkenntnis keine Erkrankung vorliegt und hat damit das Vorliegen einer Berufskrankheit verneint», heisst es. Weil ein Alternativarzt die Diagnose gestellt hat, erachten die Versicherungen diese als ungültig. Auch der Sozialdienst will die Kosten an die Wohnung nicht übernehmen. Den Eltern fehlt das Geld, um die Miete weiterhin zu bezahlen. Nach einem Jahr muss Berger seine Lehre abbrechen und kehrt zurück ins Emmental. Zum ersten Mal flammt in ihm Wut auf, die ihn über Jahre begleiten wird. Seine Geschichte erzählt Berger am Ufer der Aare in Interlaken, wo er inzwischen wohnt. Ein Mann Anfang dreissig von kräftiger Statur, sein dunkler Vollbart reicht fast bis zur Brust. Er spricht mit sanfter Stimme. Es ist ein sonniger Frühlingstag, die Aare fliesst hier in einer streng begradigten Linie aus dem einen See in den anderen. Auf der anderen Seite des Flusses erhebt sich die Bergflanke hoch zum Hardergrat. Die abgebrochene Kochlehre liegt mehr als zehn Jahre zurück. «Seit dem Abschluss meiner Lehre hatte ich dafür gekämpft, dass ich auf eigenen Beinen stehen kann», sagt Berger rückblickend. 11


Nach dem Abbruch der Kochlehre braucht Berger Geld. Er versucht es doch noch einmal als Metallbauer, doch bereits nach wenigen Wochen kehren die Symptome zurück. Fieber, Schwindel, Kopfschmerzen. Er kündigt und findet über einen Bekannten eine Anstellung als Finanzberater. Ein neues Leben beginnt. Nach einer kurzen Ausbildung verkauft er auf Provision schweizweit Lebensversicherungen und Anlagemöglichkeiten, trägt jetzt einen Anzug und kommt herum. Berger verdient so viel Geld wie noch nie, bis zu 9000 Franken pro Monat. Er ist zwanzig Jahre alt, ans Sparen denkt er nicht. Er fliegt regelmässig zu seiner Freundin nach Deutschland, geht mehrmals pro Woche ins Restaurant essen und an den Wochenenden feiern. Mit der Arbeit steigen auch die Kosten. Berger braucht ein zweites Telefon, Anzüge und ein Generalabonnement der SBB. Doch der Höhenflug hält nicht sehr lange an. Nach einigen Monaten geht die Zahl von Bergers Kunden stark zurück und damit auch sein Einkommen. Die Kosten bleiben hoch, Berger nimmt einen Kredit auf – in der Hoff-

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nung, dass es bald wieder besser läuft. Doch die Verkäufe sinken weiter, nach einem Jahr erhält er die Kündigung. Dann wird ihm alles zu viel: die Krankheit während der Lehre, die Versicherungen, die seiner Diagnose keinen Glauben schenken, die abgebrochene Kochlehre, und jetzt noch die Entlassung aus seinem Beraterjob. «Irgendwann war es einfach genug, ich konnte nicht mehr.» World of Warcraft mit Reis Berger liegt nur noch zuhause im Bett, in der Wohnung im Emmental, die er von seiner Grossmutter mietet. Er geht nicht mehr vors Haus, öffnet keine Post, meidet das Telefon. Er flüchtet sich in Computerspiele, World of Warcraft, bis zu zwölf Stunden am Tag. Irgendwann ernährt er sich nur noch von Reis. Eines Tages steht seine Mutter vor der Wohnungstür, klopft dagegen. Als er nicht reagiert, versucht sie die Türe aufzubrechen. Schliesslich öffnet er, folgt seiner Mutter ins Auto und fährt mit ihr zum Arzt. Dieser diagnostiziert eine schwere Depression. Die Diagnose trifft Berger nochmal wie ein Hammerschlag. Der

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Dann kommen die Rechnungen, die Kosten der Inkassofirmen, die Verzugszinsen. Und schliesslich die Schuldscheine.

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Arzt empfiehlt ihm eine stationäre Therapie, doch Berger will nicht – zu sehr fürchtet er sich vor einer Stigmatisierung im Tal. «Dann landete ich, zäck, bei der Sozialhilfe.» Da Berger erst nach Ende seiner Arbeitszeit erkrankt ist, erhält er keine Krankenversicherung. Aufgrund seiner Depression ist er auch nicht für eine andere Stelle vermittelbar. Deshalb finanziert die Sozialhilfe seine Grundkosten, Wohnen, Essen, Kleider. Was ein Mensch in der Schweiz zum Leben braucht. Seine Rechnungen muss er selber bezahlen, die Steuern, Wehrpflichtersatzabgabe, das GA, die Telefonabonnemente. Doch das Bankkonto ist leer und die Mahnungen stapeln sich. Innerhalb von kurzer Zeit summieren sich die offenen Rechnungen auf über 20 000 Franken. Berger ist erst 21 Jahre alt. Inzwischen hat er die teuren Abonnemente längst gekündigt und seine Lebenskosten auf ein Minimum gesenkt. Doch einmal in Bewegung gekommen, läuft der Apparat immer weiter: Auf Rechnungen folgen Mahnungen mit Mahngebühren. Dann kommen die Betreibungen, dazu die Kosten der Inkassounternehmen, die Verzugs-

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zinsen obendrauf. Schliesslich die Schuldscheine. «Etwa ein Viertel der Gesamtschulden setzte sich aus solchen zusätzlichen Kosten zusammen. Alle diese Kosten werden auf die Leute abgewälzt, das macht die Verschuldung noch viel schlimmer», sagt Berger. Für ihn beginnt ein jahrelanger Kampf gegen die Schulden und ein weiter Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben. Der Arzt diagnostiziert eine rezidivierende depressive Störung. Hat sich Berger etwas stabilisiert, folgt die nächste grosse Krise. Eine langjährige Beziehung, die er trotz allem hatte aufrechterhalten können, zerbricht. In Phasen, in denen es ihm besser geht, sucht er Arbeit. Zuerst in einer Autogarage, dann beginnt er auf Anraten seiner Sozialarbeiterin eine Lehre als Metallbaukonstrukteur, wo er am Computer Baupläne zeichnet. Nach einem Jahr aber bricht er wieder ab. «In dieser Zeit habe ich nach jedem Strohhalm gegriffen, der sich angeboten hat. Und doch kam es nicht gut. Die Schulden hängen an Berger wie ein Anker, der ihn an Ort und Stelle festhält. Jede Mahnung ist ein zusätzlicher Schlag, sein Selbstvertrauen sackt ins Bodenlose. Berger denkt, er komme aus den Schulden nie mehr heraus. Immer wieder zieht er sich von der Aussenwelt zurück, denkt über Suizid nach. Der Kontakt zum letzten übriggebliebenen Freund bricht ab. Eine Therapeutin hält fest: «Deutliche Überlagerung der ‹ursprünglichen› psychiatrischen Krankheit durch die fatalen Folgen seiner nun langdauernden regressiven ‹Immobilisierung› im sozialen Rückzug.» Oder anders gesagt: Verschuldung und Arbeitslosigkeit verschlimmern seine Erkrankung. In einer Tagesklinik verliebt sich Berger in eine andere Patientin. Sie beginnen eine Beziehung. Erst als diese zerbricht, willigt er in eine stationäre Therapie ein. Vier Monate bleibt Berger in der Klinik. Hier lernt er sich selbst besser kennen. «Ich merkte, dass ich nicht mehr im handwerklich-technischen Bereich arbeiten möchte. Stattdessen zog es mich zum Sozialen hin.» Berger würde gern Arbeitsagoge werden oder einen Pflegeberuf lernen. Seine Hoffnungen setzt er erneut auf die IV. Es ist Februar 2014, als er sich dort anmeldet und ein Gesuch um berufliche Massnahmen stellt. Berger leidet da bereits seit vier Jahren unter Depressionen. Was ihm am meisten zusetzt – immer noch –, das sind seine Schulden und die ungewisse Zukunft. Er weiss: Will er einen Ausweg aus seiner Erkrankung finden, braucht er 14

eine Perspektive. Berger hofft, dass die Versicherung eine Umschulung finanziert. Doch die IV lässt sich Zeit. Über ein Jahr später lehnt sie sein Gesuch um berufliche Eingliederungsmassnahmen mit der Bemerkung ab: «Unsere Abklärungen haben ergeben, dass auf Grund der aktuellen gesundheitlichen Situation keine stabile Belastbarkeit vorhanden ist und Eingliederungsmassnahmen nicht angegangen werden können.» Berger weiss, was er will «Von der IV erwarte ich gar nichts mehr», sagt Berger rückblickend. «Bei meiner ersten Erkrankung sagten sie, dass diese nicht existiert. Als ich während der Depression um Hilfe anfragte, sagten sie, ich sei zu krank.» Berger arbeitet weiter an sich. Er besucht über Monate eine Therapie in einer Tagesklinik, langsam verbessert sich sein Zustand. In all dieser Zeit lebt er von der Sozialhilfe. Eigentlich möchte er wieder arbeiten und seine Schulden abbezahlen. Stattdessen wächst Bergers Schuldenberg täglich weiter, denn auch die Sozialhilfegelder sind im Grunde aufgenommene Schulden. Ende 2015 stimmt die IV schliesslich einer arbeitsmarktlich-medizinischen Abklärung zu. Jetzt öffnet sich die Tür zur erhofften Umschulung, denkt sich Berger. Während insgesamt vier Wochen muss er in beobachtetem Rahmen seine Arbeitsfähigkeit unter Beweis stellen. Er schraubt Solarmodule zusammen, formatiert Excel-Tabellen, wechselt Velo-Pneus, reinigt Seminarräume, bedient eine Kasse im Betriebsrestaurant. Zudem muss er verschiedene Eignungs- und Interessentests durchlaufen. Zwischendurch fragt sich Berger auch mal, wozu das alles gut sein soll. Er weiss ja, was er will: einen Beruf im Sozialbereich. Am Ende der Abklärung stellt ihm der Leiter ein gutes Zeugnis aus. Er empfiehlt, die IV solle Berger bei der Berufswahl unterstützen: «Vorzugsweise in einem Tätigkeitsbereich, der Herrn Berger interessiert und in dem eine berufliche Zukunft vorstellbar ist.» Doch die IV ignoriert diese Empfehlung. Sie lässt Berger erneut fallen. Ein IV-Mitarbeiter teilt der zuständigen Sozialarbeiterin per Mail mit: «Auf Grund der Persönlichkeitsstruktur von Herrn Berger wird eine Umschulung in einen sozialen Beruf als nicht geeignet beurteilt. Die IV wird eine Umschulung zur Pflege deshalb nicht unterstützen. Herr Berger kann auf eigene Faust eine AusbilSurprise 502/21


dung zum Pfleger beginnen.» Und das tut er dann auch. Berger nimmt sein Leben in die Hand, beginnt eine Ausbildung zur Fachperson Betreuung in einem Heim für Menschen mit einer Behinderung. Er ist weiterhin auf die Sozialhilfe angewiesen, die einen Teil seiner Lebenskosten bezahlt. Die Arbeit im Heim ist anstrengend, körperlich wie physisch, es gibt Nachtschichten, Wochenenddienst inklusive. Trotz der Arbeitsbelastung findet er seine Lebensfreude wieder. Die IV-Gutachter*innen hatten behauptet, er sei einem solchen Beruf nicht gewachsen. Berger beweist sich selbst das Gegenteil. Nach drei Jahren beendet er die Lehre. Abschlussnote 5.5. «Jetzt bin ich am Abbezahlen», sagt Berger. Seit dem Lehrabschluss vor zwei Jahren arbeitet er weiterhin auf dem Beruf, zu hundert Prozent. Ein kleineres Pensum ist für ihn keine Option: Er will die Schulden tilgen. Er hat zusammen mit der Schuldenberatungsstelle Bern aufgestellt. Berger hat jetzt neue Freunde, einen neuen Wohnort, eine Freundin, mit der er inzwischen verlobt ist. Die SchulSurprise 502/21

den betragen noch 12 000 Franken, jeden Monat werden es 2000 weniger. So viel geht von Bergers Lohn jeweils weg, knapp die Hälfte seines Einkommens. Insgesamt hatte er sich auf rund 50 000 Franken verschuldet, bis in einem Jahr sollte er auf Null sein. Wenn denn wirklich alles so läuft, wie Berger sich das erhofft. Denn in den 50 000 Franken nicht eingerechnet ist all jenes Geld, das er von der Sozialhilfe erhalten hat. Berger kann nur schätzen, wie viel das ist. Es müssen mehr als 100 000 Franken sein, die über die Jahre zusammengekommen sind. Auch diese Gelder können von der Behörde zurückverlangt werden. Im Kanton Bern macht sie das besonders häufig. Ab einem Jahreseinkommen von mehr als 36 000 Franken ist die Sozialhilfe im Kanton Bern nämlich berechtigt, die Gelder zurückzufordern. «Dann bezahle ich bis zu meinem Lebensende ab.» Doch Samuel Berger ist zuversichtlich. Er hat Pläne. Er wünscht sich eine Familie. Ein Haus. Ein Auto. Und endlich wieder Urlaub. In den Ferien war er zuletzt vor mehr als zwölf Jahren. 15


«Überschuldeten Menschen geht es schlecht» Zu überschuldeten Menschen in der Schweiz gibt es kaum Studien. Joanna Herzig hat erstmals untersucht, wie sich Überschuldung auf die Gesundheit auswirkt. Ihre Ergebnisse sind erschütternd. INTERVIEW SIMON JÄGGI

Joanna Herzig, Sie haben für Ihre Masterarbeit überschuldete Personen zu ihrem Gesundheitszustand befragt. Wie stark leiden Betroffene unter ihrer Situation? Joanna Herzig: Man kann klar sagen, dass es überschuldeten Menschen im Vergleich zur restlichen Bevölkerung gesundheitlich sehr schlecht geht. In der Studie habe ich Betroffene aus dem Kanton Zürich befragt, ich gehe jedoch davon aus, dass diese Aussagen auch schweizweit zutreffen. Wie zeigt sich diese gesundheitliche Ungleichheit? Besonders deutlich zeigt sich das bei der mentalen Gesundheit. 24 Prozent der Überschuldeten zeigen Symptome einer Depression schweren Grades, bei der Allgemeinbevölkerung sind das lediglich 2,3 Prozent. Zudem denken überschuldete Menschen immer wieder an Suizid. In unserer Studie gab knapp ein Drittel der Betroffenen an, in den letzten zwei Wochen an einzelnen Tagen über Suizid nachzudenken. Einsamkeit ist ebenfalls ein sehr grosses Thema. Knapp 75 Prozent gaben an, sich manchmal bis sehr häufig einsam zu fühlen. Haben Betroffene auch ein grösseres Risiko von körperlichen Krankheiten? Obwohl das nicht der Fokus meiner Masterarbeit war, haben wir die Betroffenen auch danach befragt. Der selbst wahrgenommene allgemeine Gesundheitszustand ist ebenfalls deutlich schlechter als jener der Allgemeingesellschaft. Aus der Forschung weiss man, dass der selbst wahrgenommene Gesundheitszustand oft stark mit dem tatsächlichen übereinstimmt. Er ist zudem ein guter Indikator für die Lebenserwartung. Die Studie zeigte auch, dass Betroffene mehr Rückenschmerzen 16

und Nackenbeschwerden haben und häufig unter schwerwiegenden Schlafstörungen leiden. Sind psychische Erkrankungen eher Ursache oder Folge von Überschuldung? Knapp 90 Prozent der Befragten sagten, dass sie das Gefühl haben, ihr Gesundheitszustand werde stark oder teilweise durch die Schulden beeinflusst. Zu den genauen Kausalitäten können wir anhand unserer Zahlen aber keine Aussagen machen. Dazu bräuchte es Langzeitstudien. Weshalb ist das Wohlergehen von überschuldeten Personen so schlecht? Das kann ich nicht genau sagen. Unsere Studie zeigt, dass viele Betroffene wegen der Kosten zum Teil auf gesundheitliche Leistungen verzichten. Etwa auf Medikamente oder zahnärztliche Behandlungen. Zu den übrigen Faktoren können wir nur Annahmen treffen. Wer finanziell weniger Mittel hat oder überschuldet ist, kann weniger am sozialen Leben teilnehmen, das führt zu Einsamkeit. Hinzu kommen die Scham und die Perspektivenlosigkeit. Viele müssen ihre Schulden bis zum Lebensende abbezahlen. Man kann sich vorstellen, dass das alles sehr belastend ist. Welche Rolle spielt die Höhe der Schulden? Den Überschuldeten geht es psychisch schlecht, unabhängig davon, wie lange und wie hoch sie verschuldet sind. Erstaunlicherweise konnten wir weder einen Zusammenhang zwischen der Höhe und dem mentalen Gesundheitszustand der Überschuldeten noch zwischen der Dauer der Überschuldung und dem mentalen Gesundheitszustand feststellen. Offenbar ist

der Fakt der Überschuldung ausschlaggebend. Die Daten zeigen aber, dass es jenen überschuldeten Menschen mental besser geht, die eine starke Kontrollüberzeugung haben. Die also das Gefühl haben, sie könnten das eigene Leben weitgehend selber beeinflussen. Eine starke Kontrollüberzeugung wirkt sich positiv auf die mentale Gesundheit der Überschuldeten aus. Was schliessen Sie daraus? Dass nicht die Höhe oder die Dauer der Schulden, sondern die Kontrollüberzeugung ausschlaggebend für das mentale Wohlbefinden der Überschuldeten ist. Daraus ergeben sich Handlungsmöglichkeiten für die Prävention und Beratung. Man sollte sich in Zukunft überlegen, wie man die Kontrollüberzeugung der Betroffenen stärken kann. Die Perspektiven der Betroffenen sind ja meistens wirklich sehr beschränkt. Bräuchte es dafür nicht andere politische Rahmenbedingungen? Es stimmt, in der Schweiz sind die Aussichten für viele Betroffene hoffnungslos. Wir kennen in der Schweiz kein Entschuldungsverfahren. Das wäre ein wichtiger Schritt, um den Menschen eine andere Perspektive aufzuzeigen. Ob und inwiefern sich das auf den Gesundheitszustand der Betroffenen auswirkt, müsste jedoch noch untersucht werden. Sie erwähnten bereits die unbefriedigende Datenlage. Wird das Thema Überschuldung zu wenig erforscht? In der Schweiz ist die Forschungslage sehr dünn. Es beginnt damit, dass grundlegende Zahlen zur Überschuldung fehlen. Wir wissen nicht genau, wie viele MenSurprise 502/21


FOTO: DOMINIQUE MEIENBERG

schen von Überschuldung betroffen sind. Es gibt international einige Querschnittstudien, die Zusammenhänge zwischen Überschuldung einerseits und Krankheit, Mortalität und Sucht andererseits aufzeigen. Zur Frage, wie genau Überschuldung krank macht, gibt es aber kaum Untersuchungen. Es wäre spannend, hier mehr zu erfahren. Weshalb fehlt es an Forschung dazu? Ich kann da nur mutmassen. Es ist nicht einfach, Betroffene zu erreichen. Im Deutschen suggeriert zudem bereits der Begriff «Schuld», die Betroffenen seien selbst verantwortlich oder eben schuldig. Ich denke, das ist eine weit verbreitete Ansicht, die unter anderem dazu beiträgt, dass das Thema wenig Beachtung findet. Dabei ist Überschuldung auch ein strukturelles Problem. Sie betrifft alle Altersklassen und Leute mit unterschiedlichsten soziodemografischen Hintergründen. Überschuldung kann in der Schweiz fast alle treffen.

«Überschuldung ist ein strukturelles Problem. Sie betrifft alle Altersklassen und Leute mit unterschiedlichen Hintergründen.» JOANNA HERZIG

Projektleiterin bei der Schuldenpräventionsstelle der Stadt Zürich und hat einen Master in Erziehungswissenschaften und einen Master of Public Health.

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Was ist für Sie die wichtigste Erkenntnis? Wir konnten die Vermutung vieler Fachpersonen bestätigen, dass es überschuldeten Personen gesundheitlich sehr schlecht geht. Dabei sind die Unterschiede zwischen den Überschuldeten und der Gesamtbevölkerung massiv. Zudem konnten wir zeigen, dass es einen schützenden Faktor gibt. Nämlich die Kontrollüberzeugung, und das gibt uns Handlungsspielraum. Ich erhoffe mir zudem, dass die Thematik dank der Untersuchung mehr Aufmerksamkeit findet. Denn Schuldenprävention ist auch Gesundheitsförderung. Was müsste die Politik tun, damit Überschuldete weniger unter ihrer Situation leiden? Es bräuchte mehr Daten, das wäre der erste wichtige Schritt. Damit man sieht, wie viele Menschen von Überschuldung betroffen sind und ob es neben einer starken Kontrollüberzeugung noch weitere schützende Faktoren gibt. Zudem müsste es meiner Meinung nach ganz grundsätzlich schwieriger werden, Schulden zu machen. Zum Beispiel, indem man die Hürden für eine Kreditvergabe erhöht, jungen Erwachsenen den Zugang zu Kreditkarten erschwert, mehr Personen Prämienverbilligung erhalten und die Steuern direkt vom Lohn abgezogen werden. Hier gibt es viel Handlungsbedarf. 17


Gefährliche Schulden TEXT SIMON JÄGGI

INFOGRAFIK MARCEL BAMERT

Für ihre Studie zu den gesundheitlichen Folgen von Überschuldung befragte Joanna Herzig 219 betroffene Personen im Kanton Zürich. 38, 1 % der Befragten gaben Arbeitslosigkeit als Grund für ihre Verschuldung an. Weitere häufig genannte Gründe waren Überforderung, Krankheit oder Unfall und Trennung.

86,7 %

der Befragten haben das Gefühl, dass ihr Gesundheitszustand zum Teil oder stark durch die Schulden beeinträchtigt wird.

19,8 % gaben an, (sehr) häufig keine Medikamente zu kaufen und dies aufgrund fehlender finanzieller Mittel.

30,1 % gaben an, aufgrund fehlender finanzieller Mittel (sehr) häufig nicht zur Ärztin oder zum Arzt zu gehen.

24 % der überschuldeten Personen weisen Symptome für eine Depression schweren Grades auf. Sind sie zudem nicht erwerbstätig, sind es sogar 29,3%. In der Gesamtbevölkerung sind es 2,3 %.

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Surprise 502/21


Kommentar

53,2 % gaben an, (sehr) häufig auf zahnmedizinische Leistungen zu verzichten und dies aufgrund fehlender finanzieller Mittel.

30,9 % der Überschuldeten dachten in den letzten zwei Wochen an einzelnen Tagen darüber nach, sich das Leben zu nehmen oder sich Leid zuzufügen.

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QUELLE: JOANNA HERZIG: OVER-INDEBTEDNESSS, MASTERY AND MENTAL HEALTH. A CROSS-SECTIONAL STUDY AMONG OVER-INDEBTED ADULTS IN THE CANTON OF ZURICH, SWITZERLAND. ZÜRICH 2020

Kein Pardon Über uns allen hängt ein Damoklesschwert: Am Ende des Monats müssen wir die laufenden Rechnungen bezahlen. Ob der Lebenspartner plötzlich stirbt oder eine schwere Krankheit zuschlägt, die Rechnungen laufen weiter. Gläubiger*innen kennen in der Regel kein Pardon. Wer seiner Zahlungspflicht nicht fristgerecht nachkommt, wird bestraft. Schuldenberge in der Höhe von mehreren zehntausend Franken sammeln sich innerhalb von wenigen Monaten an. Sie wieder abzubezahlen, dafür reicht oft ein Leben nicht. Der Kapitalismus fusst auf Schulden und Krediten. Diese halten das System am Laufen wie die Kohlen den Hochofen. Das funktioniert so lange, wie die grosse Mehrzahl der Schuldner*innen ihre Rechnungen pünktlich begleicht. Schulden sind die Sollbruchstelle des kapitalistischen Systems. Menschen mit Schulden sind einberechnet und werden zugleich konsequent sanktioniert. Ihnen droht die Maximalstrafe: der Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben. Somit ist jede Geschichte zur Überschuldung immer auch eine Mahnung an alle anderen: Verschuldet euch nicht, sonst droht euch dasselbe Schicksal! Ruhepausen vom Zahlungsdruck sind niemandem vergönnt. Die Rechnung scheint einfach: Die Ausgaben dürfen die Einnahmen nicht übersteigen. Doch die Realität ist komplizierter. Wer in der Gesellschaft etwas gelten will, muss konsumieren können. Das suggeriert uns die Werbeindustrie seit über hundert Jahren. Geld ausgeben ist eine Tugend; auch in weniger privilegierten Gesellschaftsteilen haben Statussymbole einen hohen Wert. Das ist der Nährboden, auf dem existenzielle Verschuldung gedeiht. Krankheit oder Jobverlust sind Brandbeschleuniger auf dem Weg in die finanzielle und oft auch persönliche Katastrophe. Schulden, so die verbreitete Darstellung, sind das Ergebnis individuellen Scheiterns. Die deutsche Sprache macht es den Menschen besonders schwer, die strukturelle Problematik hinter der Verschuldung zu erkennen. Schulden sind semantisch eng verwandt mit Schuld, von wo es zur Sünde nur noch ein kurzer Weg ist. Doch diese Verknüpfung ist ebenso falsch wie gefährlich. Überschuldung und die damit verbundenen Katastrophen sind an erster Stelle Ausdruck von gesellschaftlichen Verhältnissen und der Funktionsweise unseres Finanzsystems. Als Gesellschaft brauchen wir einen neuen Umgang mit der Überschuldung: Weg von Sanktion und Stigmatisierung, hin zu einer umfassenden Unterstützung und Entlastung der Betroffenen. SIM

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«Ein System, das Missbrauch und Gewalt begünstigt» Asylunterkunft In Schweizer Bundesasylzentren kommt

es laut Amnesty International immer wieder zu Gewalt gegen Asylsuchende durch Sicherheitsleute. INTERVIEW SIMON JÄGGI

Alicia Giraudel, Sie haben ein Jahr lang zu Fällen von Gewalt in Bundesasylzentren recherchiert. Die Ergebnisse seien «alarmierend», sagen Sie. Weshalb? Die Recherche von Amnesty ergab das Bild eines verbreitet respektlosen und gewalttätigen Umgangs mit schutzsuchenden Menschen. Die Übergriffe reichen von psychischer Gewalt und Diskriminierung bis hin zu Fällen von massiver körperlicher Misshandlung. Können Sie uns Beispiele nennen? Ein minderjähriger Asylsuchender ging nach einem Angriff durch Sicherheitsleute zu Boden. Die Angestellten traktierten ihn mit Tritten gegen Kopf und Bauch, bis er bewusstlos wurde. Ein anderer Mann wurde bei Minustemperaturen in einen Container gesperrt, bis er das Bewusstsein verlor und mit starker Unterkühlung hospitalisiert werden musste. Das sind nur zwei Beispiele. Wir haben mit insgesamt vierzehn betroffenen Menschen gesprochen. In mehreren Fällen kam es zu massiver Gewalt, woraufhin die Opfer im Spital versorgt werden mussten. Bei den schwersten Misshandlungen könnten die Kriterien für Folter erfüllt sein. Das verantwortliche Staatssekretariat für Migration SEM kritisiert, Amnesty International stelle die Schweiz mit diesem Vorwurf «auf eine Stufe 20

mit Unrechtsregimes» und das habe «nichts mit der Realität in den Bundesasylzentren zu tun». Folter ist nicht nur, was anderswo passiert. Gemäss Völkerrecht ist Folter das vorsätzliche Zufügen von grossen körperlichen oder seelischen Schmerzen oder Leiden. Zum Beispiel um eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund. Dabei wird die Verletzlichkeit eines Menschen, der sich in der Obhut des Staates befindet, gezielt ausgenutzt. In einigen der von uns dokumentierten Fälle ist es durchaus angebracht, von Folter zu sprechen. Abschliessend beurteilen könnte das aber nur der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte oder ein Uno-Ausschuss. Klar ist, dass es immer wieder zu schwerer Gewalt gegen Asylsuchende kommt. Es ist traurig, dass der Bund dabei über den Wortgebrauch diskutieren will. Statt Vorwürfe pauschal zurückzuweisen, sollte das SEM dringend das System in den Bundesasylzentren hinterfragen und grundlegend verbessern.

den sich zuerst die Opfer, in diesem Fall war es umgekehrt. Zuerst dachten wir, es handle sich um Einzelfälle. Die Recherche weitete sich dann immer mehr auf die gesamte Schweiz aus.

Wie wurde Amnesty auf das Thema aufmerksam? Am Anfang standen Beschwerden von Betreuer*innen und Sicherheitsangestellten, die Fehlverhalten von Arbeitskolleg*innen bei uns gemeldet haben. In der Regel mel-

Welche Faktoren begünstigen aus Sicht von Amnesty Gewalt gegen Asylsuchende? Das ganze System fusst auf der Annahme, dass Asylsuchende gefährlich seien. Alles beginnt mit dem Umgang mit den Menschen, die in den Bundesasylzentren un-

Insgesamt stellten im vergangenen Jahr rund 15 000 Personen ein Asylgesuch, Sie haben mit 14 Asylsuchenden gesprochen. Sind das mehr als Einzelfälle? Wir haben insgesamt mit 32 Personen Interviews geführt. Darunter ehemalige und aktuelle Mitarbeiter*innen der Bundesasylzentren. Wir haben von ihnen zahlreiche Hinweise auf weitere Fälle erhalten. Diese konnten wir jedoch nicht näher untersuchen, da die Betroffenen die Schweiz inzwischen wieder verlassen mussten und nicht auffindbar waren. Zudem wissen die meisten Asylsuchenden nicht, an wen sie sich wenden sollen. Viele haben auch Angst davor, Misshandlungsvorfälle zu melden, weil sie glauben, eine Beschwerde könnte ihr Asylverfahren negativ beeinflussen. Während der Recherche zeigte sich insgesamt ein System, das solche Fälle von Missbrauch und Gewalt begünstigt.

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tergebracht sind. Statt zu deeskalieren, befeuern Sicherheitsleute oftmals die Eskalation. Es kommt zu Beleidigungen oder übermässigen Sanktionen gegen Asylsuchende. Auf Protest oder Widerspruch folgen sofort Zwangsmassnahmen oder physische Gewalt. Das System ist zudem intransparent und so ausgelegt, dass Misshandlungen unerkannt bleiben können.

Im Bericht fokussiert Amnesty auf das Fehlverhalten der Sicherheitsleute. Sind diese allein für Eskalationen verantwortlich? Es ist uns klar, dass die Arbeit der Sicherheitsleute nicht einfach ist. Auch von Asylsuchenden geht in gewissen Fällen Gewalt aus. Aber in den untersuchten und uns bekannten Fällen war Gewalt gegen Sicherheitskräfte nicht ausgeprägt. Die Übergriffe gingen vom Sicherheitspersonal aus. Es gibt zudem eine starke Machtasymmetrie. Asylsuchende brauchen Schutz. Dem Staat obliegt eine besondere Obhutspflicht gegenüber den Menschen in den Bundesasylzentren, und er muss die Menschenrechte dieser Personen entsprechend achten und schützen. Wie ist die Situation in den Bundesasylzentren insgesamt? Es gibt einerseits einen sehr hohen Kontrolldruck, verbunden mit einem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber den schutzsuchenden Menschen. Diese haben nur sehr wenig Autonomie und sind zahlreichen Regeln unterworfen. Die AusSurprise 502/21

FOTO: ZVG

Woran machen Sie das fest? Es fehlt an einem funktionierenden Überwachungssystem innerhalb der Zentren. Bei Zwischenfällen verfassen Sicherheitsangestellte die Berichte sehr einseitig. Uns wurde von den befragten Sicherheitsleuten gesagt, dass diese Berichte oft zu Ungunsten der Asylsuchenden abgeändert würden. Betroffene Asylsuchende oder Zeugen werden kaum je angehört und interne Untersuchungen sind äusserst selten. Zudem gibt es keine unabhängige Stelle, an die sich Betroffene wenden können. Insgesamt schaut das SEM zu wenig genau hin. Das Thema Gewaltprävention hatte innerhalb der Behörde bisher wenig Priorität. So hat das SEM erst vor Kurzem ein Gewaltpräventionskonzept für die Bundesasylzentren erstellt. Zudem haben viele Mitarbeiter*innen Angst, ihre Stelle zu verlieren, wenn sie von Gewaltvorfällen berichten.

gangszeiten sind stark beschränkt, ebenso die Essenszeiten. Sie dürfen keine Musik machen oder hören, es gibt keine Möglichkeiten, Zwischenmahlzeiten im Zentrum einzunehmen. Mit dem neuen Asylverfahren, das seit Anfang 2019 in Kraft ist, bleiben die Menschen zudem bis zu viereinhalb Monate in den Zentren. Deutlich länger als zuvor. Hinzu kommt ein rigides Bestrafungssystem. Immer wieder beschlagnahmen Mitarbeitende Mobiltelefone von Asylsuchenden, verweigern ihnen den Zutritt zum Zentrum oder sperren sie in einem Besinnungsraum ein. Können Sie kurz erklären, was ein Besinnungsraum ist? Gemäss dem Betriebskonzept des SEM ist ein Besinnungsraum eine Isolationszelle, wo eine Person maximal zwei Stunden eingesperrt werden darf, wenn sie eine Gefahr für andere oder sich selbst darstellt. Mitarbeitende müssten bei einer Einsperrung sofort die Polizei alarmieren, das SEM informieren und einen Ereignisbericht verfassen. Minderjährige dürfen nicht im Besinnungsraum festgehalten werden. In vielen uns bekannten Fällen haben Sicherheitskräfte gegen diese Regeln verstossen. Zudem kam es in mehreren Fällen in diesen Räumen zu Gewalt gegenüber Asylsuchenden.

«Es kommt regelmässig zu Beleidigungen oder übermässigen Sanktionen gegen Asylsuchende.»

Was möchten Sie mit Ihrem Bericht bezwecken? Wir haben Hinweise auf zahlreiche schockierende Fälle erhalten. Mit dem Bericht wollen wir den Opfern und Whistleblower*innen eine Stimme geben. Und wir wollen eine Veränderung bewirken. Damit das SEM die Missstände nicht mehr als Einzelfälle abtun kann, sondern beginnt, das systemische Problem zu erkennen.

ALICIA GIR AUDEL

Welche Massnahmen fordert Amnesty? Am wichtigsten ist, dass das Schutz- und Überwachungssystem reformiert wird. Es braucht unter anderem ganz dringend eine unabhängige Beschwerdestelle für Asylsuchende und Whistleblower*innen. Ebenso müssen bei Misshandlungsvorwürfen gründliche, rasche und unabhängige Untersuchungen durchgeführt werden und der Bund muss verantwortliche Mitarbeiter*innen konsequent zur Rechenschaft ziehen. Zudem sollte die Nutzung der Besinnungsräume hinterfragt und Minderjährige sollten nicht mehr in diesen Zentren untergebracht werden.

Juristin und Flüchtlingskoordinatorin bei Amnesty International Schweiz

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Visitenkarten, keine Cash Cows Literaturbetrieb Wegen Corona wurden Buchpublikationen verschoben und

Auftritte abgesagt. Aber auch sonst gilt: Vom Buchverkauf allein lässt es sich nicht leben. TEXT DIANA FREI

Rosa, grüne und gelbe Post-its, die sich zu Handlungssträngen zusammenfügen. Ein Schreibblock, dazu Caffè latte und Sfogliatelle vom SBB-Spettacolo, Unterzeile: «Geplottet wird traditionell im Zug …» So sieht #writerslife auf Facebook oder Instagram aus. Es gehört dem Krimiautor Sunil Mann, der auch fast jeden Tag ein neues Schulhaus postet, wo er eine Lesung hält. Manchmal sind es drei an einem Tag, manchmal vier. Schullesungen sind etwas weniger lukrativ als Erwachsenenlesungen, etwa in Buchhandlungen, aber die Menge summiert sich. Die Erträge aus den Buchverkäufen seien «minim», sagt Mann, sie machten etwa ein Fünftel seines Einkommens aus. Hinzu kämen sporadische Auftragsarbeiten für Magazine, Banken oder Genossenschaften. «Zusammen ergibt das ungefähr einen Primarlehrerlohn.» Der Plot im Zug, die ganz frühen Phasen beim Schreiben: Ist das schon bezahlte Arbeit bei einem Autor, der sich etabliert hat? «In dem Fall war es das nicht», sagt Mann, «weil ich da noch keinen Vertrag abgeschlossen hatte. Aber ich weiss in der Zwischenzeit, dass ich in der Regel einen Abnehmer finde, wenn ich etwas schreibe.» Gemäss einer Umfrage von Suisseculture Sociale von 2016 können lediglich 21 Prozent der Autor*innen in der Schweiz von der Literatur leben. Kommt hinzu, dass sie in der Regel sehr bescheiden leben: Insgesamt verdienen nur 23 Prozent mehr als knapp 25 000 Franken aus der lite22

rarischen Tätigkeit. Die Lebenssituationen der Schreibenden sind sehr unterschiedlich, aber grundsätzlich unsicher. Die Autorin Renata Burckhardt sagt etwa: «Ich arbeite an diversen Institutionen und Orten und für unterschiedlichste Projekte. Mein Einkommen setzt sich zusammen aus Aufträgen für theatrale Texte, Stücke, szenische Einrichtungen, Kolumnen, Essays, Schreibworkshops, Dozenteneinsätze und selten Lesungen. Es ist toll, aber auch anstrengend. Unsicherheit muss man aushalten können. Und immer wieder muss man sogar Auftraggebern erklären, dass man gewisse Sachen gerne schriftlich vereinbart hat – was in anderen Branchen total üblich ist.» Im Kollektiv das System ausgleichen Jemand wie der Autor und Spoken-Word-Künstler Gerhard Meister lebt von den Einkünften aus seinen Theaterstücken und Hörspielen und eigenen Auftritten, auch mit der Gruppe Bern ist überall. «Wenn ich ein neues Theaterstück schreibe, dann im Auftrag des Theaterhauses oder der Gruppe, die das Stück aufführen werden. Ich bekomme ein Honorar, und für die Aufführungen gibt es zusätzlich Tantiemen.» Jede*r Autor*in ist in einer anderen Situation. Das sagt auch Daniela Koch vom Zürcher Rotpunktverlag. Und: «Jeder Text ist anders, jede Zusammenarbeit ist anders. Standard ist bei uns, dass wir 20 bis 30 Seiten Text brauSurprise 502/21

FOTO(1): BARAK SHRAMA, FOTO(2): MICHAEL ISLER

Milena Moser (links) ist ausgewandert, um sich die Freiheit beim Schreiben zu bewahren. Christoph Simon (rechts) kann vom Schreiben leben, für ein Auto reicht es allerdings nicht.


chen und ein Exposé. Je nach Interesse bestellt man dann mehr.» Der Rotpunkt-Verlag konnte dank einer grösseren Spende einen Autorenfonds einrichten, aus dem je nachdem Vorschüsse bezahlt werden können – in der Belletristik auf Basis des ganzen Manuskripts, bei einem Sachbuch nach einem überzeugenden Konzept und allenfalls einem Probekapitel. Entsteht ein Buch, wird per Vertrag die Beteiligung am Verkauf festgelegt, in der Regel sind das neun bis zwölf Prozent. «Vorschüsse hab ich noch nie bekommen», sagt der Berner Autor und Slam-Poet Christoph Simon (der in anderen Verlagen publiziert). «Die Bücher sind eher Visitenkarten als Cashcows. Dank ihnen kommt man zu Lesungen, Festivals, in Schulen und an bezahlte Aufträge.» Simon kann seit dem ersten Roman vom literarischen Schreiben leben. «In bescheidenen Verhältnissen allerdings, ohne Auto, bis vor Kurzem in Wohngemeinschaften lebend und Kindertagesstätten-subventioniert.» Auch Ronja Fankhauser hatte mit «Tagebuchtage Tagebuchnächte» auf Anhieb einen beachtlichen Erfolg und viel Presseecho. Entstanden war das Buch als Maturarbeit. Die Publikation ist gerade mal ein Jahr her, und Fankhauser lebt unterdessen in einem Kollektiv mit knapp zwanzig anderen, manche mit regelmässigem Einkommen, manche freischaffend. «Manchmal verdiene ich einen Monat lang recht viel und dann wieder gar nichts. Es gibt im Kapitalismus generell Menschen, die wenig arbeiten und viel verdienen und umgekehrt. Unsere Lebensform versucht, die Ungleichheit des Systems auszugleichen.» Gerade beim Schreiben ist oft von nötigem Mut die Rede, von Frustrationstoleranz und Durchhaltewillen. Worauf Fankhauser aber hinweist: Die Frage, wer sich die nötige Sicherheit verschaffen kann und genügend Selbstvertrauen hat, hängt nicht nur mit der eigenen Persönlichkeit zusammen. Sondern auch mit dem gesellschaftlichen Status. «Schriftsteller*in kann nur werden, wer die Zeit und das Geld hat, um erstmal unbezahlt ein Buch zu schreiben und eine Veröffentlichung zu organisieren – das sind meistens eher reiche, weisse Leute, oft auch heterosexuell und cis – Menschen also, die sehr privilegiert sind.» Fankhauser fehlen denn auch die vielfältigeren Perspektiven in der Schweizer Literaturszene: People of Color, Menschen mit Migrationserfahrung, mit Beeinträchtigungen oder chronisch Kranke sind kaum vertreten. Dragica Rajčić Holzner ist in Kroatien geboren und kam 1980 zum ersten Mal in die Schweiz. Sie schreibt ihr ganz eigenes Deutsch, in dem die Nicht-Muttersprachlerin deutlich erkennbar bleibt: Es ist die Sprache von Eingewanderten, die sie zu Literatur gemacht und sich damit einen Platz in der Schweizer Literaturszene geschaffen hat. «Meine Sprache hat den Leuten gezeigt, dass Literatur und Poesie auch möglich ist, wenn die Muttersprache eine andere ist», schreibt sie per Mail. Nach zehn Jahren Arbeit hat sie letztes Jahr zwei Bücher veröffentlicht. 27 Lesungen wurden wegen Corona abgesagt. «Da ich aber einen Werkbeitrag und den Buchpreis des Kantons Zürich und den Schweizerischen Buchpreis bekommen habe, kann ich nun ein Jahr lang vom Schreiben leben. Zum ersten Mal in meinen Leben. Ich bin 62.» Die PensionsSurprise 502/21

kasse hat sie sich bereits 2018 auszahlen lassen. Sie werde nicht in der Schweiz alt werden, meint sie, sondern nach Kroatien ziehen: «Ich habe zu viele AHV-Beitragslücken.» Milena Moser hat sich längst einen Namen gemacht, aber sagt: «Das Etikett Bestsellerautorin ist etwas trügerisch. Ich verdiene zwischen 15 000 und 25 000 Franken an einem Buch, in dem zwei bis vier Jahre Arbeit stecken.» Ihren Lebensunterhalt verdient sie mit Lesungen und Auftritten, Kursen, Kolumnen und Auftragsarbeiten. «Doch diese Verzettelung hat das Schreiben von Romanen immer mehr eingeschränkt. Ich bin in erster Linie in die USA ausgewandert, um mein Schreiben zu schützen.» Moser konnte dadurch ihren Lebensstandard so reduzieren, dass sie mehr Freiheiten hat und sich stärker auf Romane konzentrieren kann. Trotzdem schreibt sie seit Anfang 2020 wieder eine wöchentliche Kolumne im SonntagsBlick, was gerade in Pandemie-Zeiten geholfen hat. Weil sie in den USA lebt, bekam sie keine Schweizer Ausfallentschädigungen für entfallene Auftritte. Ihr Mann Victor Zaballa ist Künstler, er hat für das Jahr 2020 vom US-Staat einen «Stimulus» von 1200 Dollar bekommen. «Victor hat im Gegensatz zu mir langjährige Erfahrung im Armsein», sagt Moser. «Wir sind ganz gut durchgekommen. Zum Teil auch dank den Lebensmittelvorräten, die er angelegt hatte.» Alle erwähnten Autor*innen – und viele mehr – haben uns für unsere Sommer-Literaturausgaben «Perfekt» vom 2. Juli und «Defekt» vom 16. Juli einen Text geschenkt.

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PIERFR ANCESCO FAVINO

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BARBAR A RONCHI

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MATTIA GAR ACI

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Progetto «Made in Italy» sostenuto dal Ministero per i Beni e le attività Culturali e per il Turismo MiBACT, in collaborazione con Istituto Luce Cinecittà

JETZT IM KINO 23


«Privilegierte haben immer eine Wahl» Kino In seinem Spielfilmdebüt «Spagat» regt Regisseur Christian Johannes Koch zum Nachdenken darüber an, wie wir als Gesellschaft mit Sans-Papiers umgehen. TEXT MONIKA BETTSCHEN

Das einfühlsame Drama «Spagat» taucht ein in das FamilienleWas war Ihnen bei der Recherche wichtig? ben der Lehrerin Marina, die eine Affäre mit Artem, dem Vater Als Filmemacher möchte ich mich politisch äussern können, ohne ihrer Schülerin Ulyana, hat. Das Vater-Tochter-Gespann hat keine dass eine Geschichte schon auf den ersten Blick als politisches Aufenthaltsbewilligung. Als Ulyana bei einem Diebstahl erwischt Statement daherkommt. Vielmehr möchte ich zeigen, wie das Lewird, werden alle Beteiligten auf eine Zerreissprobe gestellt. Der ben einzelner Menschen konkret von einer jeweiligen Politik beFilm halte uns einen Spiegel vor, sagt der Schweieinflusst wird. Zusammenhänge können durch zer Regisseur Christian Johannes Koch im TeleFilme sichtbar gemacht werden, gerade deshalb fongespräch. halte ich die Recherche für zwingend notwendig: Der Regisseur Sie war auch essenziell in der Entwicklung von Herr Koch, Ihr Spielfilm-Erstling «Spagat» «Spagat». Mir wurde klar, dass ich eine grosse Verantwortung trage, sowohl im Umgang mit jehandelt vom Alltag zweier Sans-Papiers und nen, die mir Einblick in ihren Alltag im Verborgevon einer durchschnittlichen Schweizer nen gewährten, als auch in Bezug auf die PerFamilie. Weshalb haben Sie diesen beiden spektivenwahl, wie ich ihre Lebensumstände zeige. Lebensrealitäten gleich viel Raum gegeben? Vor einigen Jahren bin ich auf Gesetzestexte zum Thema Sans-Papiers gestossen, die mich nicht Die Lehrerin Marina verheddert sich durch ihre Affäre mit Artem in einem Lügengeflecht. mehr losgelassen haben. Demnach gibt es für ein Kind etwa die Pflicht, zur Schule zu gehen, aber Und als Artem sich bei der Arbeit in einer gleichzeitig dürfte es gar nicht im Land sein. Ich Kiesgrube verletzt, übernimmt sie heimlich die Behandlungskosten. Womit sie aber erkannte, wie scheinheilig unser Rechtssystem die Loyalität zu ihrer Familie gefährdet … diese Menschen behandelt. In diesem WiderDer Filmemacher Christian spruch liegt der Kern von «Spagat». Als sich die Und mehr noch! Als Lehrerin hat Marina – aus Johannes Koch, 35, hat an der Idee für einen Spielfilm verdichtete, war für mich Filmuniversität Babelsberg gesellschaftlicher Perspektive – die Pflicht, sodeshalb klar, dass dies kein Migrationsfilm über Filmregie studiert. «Spagat» ist wohl im Klassenzimmer als auch im Privatleben «die anderen» werden sollte, sondern einer über nach mehreren Kurzfilmen sein eine Vorbildfunktion zu erfüllen. Durch ihre priuns. Die Art, wie das Schweizer Umfeld im Film erster Langspielfilm. vaten Verstrickungen überschreitet sie aber Grenzen und bricht Gesetze. Zum Beispiel, als agiert, hält uns allen einen Spiegel vor. 24

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Die Tiefe der Oberfläche Buch In der Graphic Novel «Nachtgestalten» ziehen zwei Kneipenbrüder durch die Nacht. «Ich habe die Tiefe der Oberfläche entdeckt», hat der 2005 verstorbene deutsche «Poet unter den Kabarettisten», Hanns Dieter Hüsch, einmal gesagt. Dieses Bonmot passt bestens zur heiter-melancholischen Graphic Novel «Nachtgestalten» des tschechischen Autors Jaroslav Rudiš und des österreichischen Comiczeichners Nicolas Mahler. Zwei Männer gehen durch die Nacht. Sie schweigen, reden und ziehen von Kneipe zu Kneipe, um dort zu schweigen, zu reden und Bier zu trinken. Zwischendurch wird eine Pausentaste gedrückt, wenn wieder ein Wirt seine Kneipe schliesst und die beiden, wie andere Nachtgestalten auch, zurück auf die Strasse geschwemmt werden, wo sie ihre Odyssee fortsetzen. Manchmal gehen sie nur schweigend durch die Nacht. Manchmal sitzen sie still vor ihrem Bier. Der erste Satz, der das Schweigen bricht, ist: «Hast du eigentlich mit Hana geschlafen?» Männergespräche eben. Gespräche, die sich um Frauen drehen oder darum, wie toll es doch wäre, wie ein Wisent (ein europäischer Bison) allein oder mit anderen Wisent-Kumpels durch die Wildnis zu ziehen, dort, wo man fern aller Kritik und allem Rumgemäkel lebt. Im Mai besucht man dann die Frauen, um sich zu paaren und die Kinder anzuschauen. Das reicht. Für die Frauen wär’s auch besser. Dumm nur, wenn man die Natur hasst, ein Städter durch und durch ist. Und dumm auch, wenn man das Unglück anzieht. Zum Beispiel von einem Hubschrauber gerettet werden muss, weil man mit Sommerlatschen an einem Berghang strandet. Schuld daran ist, ausser der eigenen Dummheit, vor allem die Geschichte, die der Unglücksrabe, obwohl er studierter Historiker ist, nicht versteht und die ihn nicht loslässt. Dann beginnt die Oberfläche zu bröckeln, das Wortgeplänkel gewinnt an Tiefe. Dann schwappt Theresienstadt hoch und die Grosseltern, die vergast wurden, mit Zyklon B, das immer noch hergestellt wird, wenn auch unter einem anderen Namen. An einem Ort, an dem der Enkel nicht im Zug vorbeifahren kann, ohne sich zu betrinken. Noch so ein Unglück, denn die Frau, mit der er ein neues Leben anfangen könnte, verabscheut diese hilflose Sauferei. Es ist eine berührende Tragikomödie. Langsam, lakonisch und liebenswert. In den wunderbaren Bildern von Nicolas Mahler, die mit nichts als Schwarz und Blau und Weiss die Nacht, die Gedanken und die Gespräche einfangen. Und auch die Liebe kommt nicht zu kurz, denn da ist immer wieder Hana und die Erinnerung an sie, die sich mit keinem Bier der Welt wegtrinken lässt. CHRISTOPHER ZIMMER

sie sich als Mutter von Artems Tochter Ulyana ausgibt, damit diese an einer Meisterschaft im Kunstturnen teilnehmen kann. Irgendwann wird Marina der Boden zu heiss, aber letztendlich muss sie erkennen, dass sie bereits zu tief in der Geschichte drinsteckt. Diese Szenen sollen klarmachen: Marina befindet sich zwar in einem Dilemma, aber sie hat jederzeit eine Wahlmöglichkeit. Ein Privileg, das ihrem Geliebten und dessen Tochter verwehrt bleibt. Nur Privilegierte haben immer eine Wahl. Ulyana will aber nicht auf ihren Traum verzichten. Somit handelt «Spagat» auch vom Schmerz, den gerade Kinder wegen der Unmöglichkeit zur Selbstverwirklichung erleben? Ja, auf jeden Fall. Trotzdem, in manchen Szenen darf «Spagat» auch als Ermächtigungsfilm verstanden werden, wenn auch nicht mit Happy End. Ulyana erlaubt sich, entgegen den Umständen, für ihre Karriere im Profisport zu kämpfen und nimmt sich auch die Freiheit heraus, zu einer sozialen Gruppe dazuzugehören. Doch gleichzeitig wird klar: Alleine kann sie es nicht schaffen, denn sie ist abhängig von einem System, das andere geschaffen haben. Und in diesem System neigt man zur Haltung, dass marginalisierte Menschen, seien sie nun Sans-Papiers, Arbeitslose oder Menschen mit einer Behinderung, keinen Anspruch auf Selbstverwirklichung erheben dürfen. Sie müssen zuerst ihren gesellschaftlichen Status verändern, bevor sie träumen dürfen. Die Corona-Krise hat die prekäre Lage vieler Sans-Papiers offensichtlich gemacht: Bilder von Warteschlangen an Essensausgaben schockierten die Schweizer Öffentlichkeit. Wie haben Sie darauf reagiert? Diese Bilder haben mich nicht überrascht, aber nachdenklich gemacht, denn in der Schweiz spielt sich vieles hinter Fassaden ab. Hier lebt man oft Tür an Tür mit Menschen, die jederzeit abgeschoben werden könnten, und duldet dies mehrheitlich stillschweigend, womöglich auch, weil man es einfach nicht weiss. So wie die Nachbarn von Artem und Ulyana. Christian Johannes Koch: «Spagat», CH 2020, 110 Min., mit Rachel Braunschweig, Alexey Serebryakov, Masha Demiri u.a. Läuft ab 24. Juni im Kino.

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FOTO: ZVG

FOTOS: FRENETIC FILMS

Ein Spagat, der nicht sein dürfte: Ulyana lebt mit ihrem Vater illegal in der Schweiz, ihre Ambitionen im Kunstturnen werden zur potenziellen Gefahr.

Jaroslav Rudiš, Nicolas Mahler: «Nachtgestalten» Luchterhand 2020 CHF 27.90

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BILD(1): JULIEN MUDRY, BILD(2): THEATER BASEL, BILD(3): YVES BACHMANN, BILD(4): NIFFF

Veranstaltungen

Fribourg Internationales Festival Belluard Bollwerk, Do, 24. Juni bis Sa, 3. Juli, Forteresse du Belluard und Fortunée des Remparts; begrenzte Kapazitäten: Vorverkauf nutzen. belluard.ch

schwommen sein. Dieses konstante Neuverhandeln beeinflusst auch unsere menschlichen Werte. Was ist Identität in Bezug auf Herkunft, Geschichte und Geografie? Der marginalisierte, migrierende Körper ist dabei zentral, aber es geht um weit mehr als Geflüchtete oder Asylsuchende. Auch der Transkörper ist ein migrierender Körper. Oder aktivistische Bewegungen, indem sie die Werteverschiebungen im System fordern. Um Grenzen geht es also im Themenzyklus 5 der Gessnerallee. Und die sind oft auch verunsichernd, zum Beispiel in Fatima Moumounis «Die neue Unsicherheit» am Freitag, 2. Juli. «Ich werde als Token oder Messias zu allen möglichen Veranstaltungen

Das Belluard Bollwerk ist ein interdisziplinäres Festival für darstellende Kunst, und mit dem diesjährigen Programm feiert es die Veränderung: Metamorphosen aller Art. Ausgangspunkt sind aktuelle gesellschaftliche und identitätspolitische Kämpfe, vergessene Orte und Erzählungen. Auf dem Programm stehen Neuinszenierungen, Performances, Konzerte, Spaziergänge, Vorträge. Ihnen gemeinsam sind radikale, experimentelle Ansätze – und trotzdem: viel Konstruktives. Oder einfach: künstlerische Praktiken, die unsere Art, in der Welt zu sein, hinterfragen und neu erfinden. Dazu hat der Schweizer Künstler und Architekt Giona Bierens de Haan für das Belluard – nebst dem traditionellen Bollwerk – auch gleich eine zweite Festung geschaffen: eine aufblasbare Skulptur, ein modulares Objekt. Eine futuristische Szenerie. DIF

Basel «Art Stands with Refugees», Ausstellung, bis Do, 24. Juni, täglich ausser montags, 11 bis 18 Uhr, Foyer Public, Theater Basel. unhcr.org/ dach/ch-de/art-stands-withrefugees-2021

Auf Einladung der Schweizer Vertretung des Flüchtlingshochkommissars der Vereinten Nationen UNHCR hat die Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW Lehrveranstaltungen organisiert, die die Gründung der UN-Flüchtlingsorganisation und den 70. Geburtstag der Genfer Flüchtlingskonvention thematisierten. Die Student*innen aus dem Kurs «Art Stands with Refugees – HGK meets UNHCR» des «Arada»-Regisseurs Jonas Schaffter haben ihre Arbeiten meist in

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enger Zusammenarbeit mit von Flucht und Vertreibung betroffenen Menschen gemacht. Zu sehen sind sie nun in einer Ausstellung im Foyer Public des Theater Basel. Dieses versteht sich als öffentlicher Stadtraum – was natürlich nicht ganz stimmt, es ist immer noch das Stadttheater. Aber in der Tat wären es genau solche Orte, die eine Stadt ausmachen müssten: Räume ohne Konsumationszwang. Dafür mit freiem WLAN und Handyladestation. Es gibt hier Kinderecke, Arbeitsplätze und eine Zweigstelle der GGG-Stadtbibliothek zur freien Nutzung. Tun darf man hier so ziemlich alles, was nicht stört und DIF nicht kommerziell ist.

eingeladen, in denen es um Antirassismus, Diskriminierung, Migration und sogar Flucht geht. Absurd, was letzteres anbelangt. Da erzähle ich weissen Menschen dann immer, dass ich glaube, dass Unsicherheit in solchen Themen erstmal was Gutes ist, weil sie uns erlaubt, einen Schritt zurück zu gehen und zu hinterfragen.» DIF

Neuchâtel «The Last Swiss «Neuchâtel International Fantastic Film Festival (NIFFF)», Fr, 2. bis Sa, 10. Juli, Festivalzentrum Théâtre du Passage, Maximilien-de-Meuron 4. nifff.ch

Nicht erschrecken, es sind zu einem guten Teil Genrefilme aus Taiwan, deren Bedeutung für das fantastische Filmschaffen hier vorgeführt wird: die Zombie-Komödie «Get The Hell Out» etwa, der Horror-Hit «The Tag-Along» oder eine queere Zukunftsvision frei nach Shakespeare («As We Like It»). Aber auch mit dem Kinder-KurzfilmProgramm lässt sich der Reichtum des taiwanesischen Nachwuchses entdecken. Gesprächsrunden mit Filmschaffenden und Fachleuten, zeitgleich aus Neuchâtel und Taipeh gestreamt, bieten einen Überblick über das taiwanesische Filmschaffen. Zusätzlich sind im Musée d’Histoire Naturelle de Neuchâtel (MHNN) vier immersive Arbeiten eingerichtet. Auch die Literatur ist am NIFFF wieder präsent: Die Autoren Wu Ming-yi und Chi Ta-wei erklären, wie sie im Gewand des magischen Realismus oder der Science-Fiction aktuelle Themen verhandeln: ökologische Verantwortung, kulturelle Identität sowie Gender- und Queer-Theorien. DIF

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Zürich «Zyklus 5», Theater, bis Sa, 17. Juli, Gessnerallee, Gessnerallee 8. gessnerallee.ch Grenzen sind unsichtbare Linien. Sie existieren in unserem Bewusstsein, deshalb sind wir herausgefordert, die Demarkation unserer Identität stets neu zu definieren: Sie soll agil, durchlässig, ver-

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Jemand gurkt in einem elektrifizierten, dreiräderigen Ei über den Parkplatz, auf dem drei Männer bei ihren Autos warten, da sie beim Einkaufen nur stören würden. Gleich zwei Fitnesscenter gibt es, auf jeder Seite des Ladens eines. Lange waren die ja geschlossen. Wahrscheinlich sind viele Fitnessfreudige aufs Velofahren umgestiegen, wie der Mann in Vollmontur, der sich im Laden verpflegt. Was aber tun all diejenigen hier, die Krafttrainings absolviert haben, wie der muskulöse Arm suggeriert, der auf einer der Eingangstüren prangt? Oder jene, die Kurse besucht haben, bei denen man zu stampfender Musik schweisstreibende Übungen absolviert und dabei von hochmotivierten und topfitten Coaches angeschrien wird?

Tour de Suisse

Pörtner in Bottmingen Surprise-Standort: Coop Einwohner*innen: 6693 Anteil Ausländer*innen in Prozent: 28,7 Sozialhilfequote in Prozent: 2,0 Beliebtes Ausflugsziel in der Region: Gartenbad beim Schloss Bottmingen

Auf dem Weg nach Bottmingen fährt man auf der einen Seite der Hauptstrasse durch klassische Blocksiedlungen, die einst Synonym für Verstädterung und Anonymität waren, heute schon fast wieder anheimelnd wirken und als Beispiele verdichteten Bauens durchgehen. Vor dem Einkaufszentrum wird der Birsig überquert, sofern man den Hauptstrassen vermeidenden Weg gewählt hat, auf dem ein Mann einen zersägten Baumstamm auf einer am Velo befestigten Sackkarre transportiert. Zwei Stücke liegen längs, ein drittes quer darüber, sodass es aussieht, als werde ein wuchtiges Kreuz transportiert. Gegenüber dem Einkaufszentrum befindet sich ein Restaurant im Untergeschoss eines Blocks, der dreieckige Aussenbereich liegt zwischen Hauptstrasse Surprise 502/21

und Parkplatz. Auch der Kirchenturm ist funktional, viereckig und aus Beton. In einem Minipark, mit Wiesenstück, Bank und Papierkorb, steht ein Pavillon aus Metall und Glas, der einen Elektrokasten enthält, acht mit Pfeilen versehene Knöpfe, vier mit «Lampenausfall», «Warten», «Bahn» und «Störung» beschriftete Leuchten und eine fünfte für «Alles Rot». Es gibt einen Drehschalter, der sich in die Positionen «Automat», «Hand» oder «Blinken» stellen lässt. Vermutlich kann von dieser Kabine aus die Ampelanlage manuell gesteuert werden. Es muss sich um eine Kreuzung von strategischer Bedeutung handeln, deren Funktionieren auch in Krisenzeiten und Notsituationen unabdingbar ist. Entsprechend untersagt ist das Anbringen von Plakaten und das Besprayen des Kabäuschens.

Gibt es wohl alles irgendwie auch im Internet, ist aber gewiss nicht dasselbe. Gerade in Blocksiedlungen kann es zu Nachbarschaftskonflikten führen, wenn oben eine Zumba-Lektion stattfindet und in der Wohnung darunter ein ZoomMeeting. Da sind wohl alle froh, wenn Arbeit und Sport wieder in den dafür vorgesehenen und dazu eingerichteten Räumlichkeiten stattfinden und in den Siedlungen die Rentner*innen und die Elternteile mit Kleinkindern tagsüber unter sich sind und Konflikte auf mit Ruhebedürfnissen inkompatible Spiel- und Schreitriebe beschränkt bleiben. Eine Tramstation weiter steht auch das Wahrzeichen Bottmingens, das Schloss, umgeben von einem Wassergraben und einem Park, in dem gebaut wird. Das Schloss lässt sich von einer Bank aus bewundern, die unter einem Baum steht, dessen Stammumfang darauf schliessen lässt, dass er schon hier stand, als von Blocksiedlungen noch nicht einmal geträumt wurde.

STEPHAN PÖRTNER

Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.

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IND 0.– S AB 50 ABEI! SIE D

Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist.

SURPLUS – DAS NOTWENDIGE EXTRA Das Programm

Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?

Wussten Sie, dass einige unserer Verkäufer*innen fast ausschliesslich vom Heftverkauf leben und keine Sozialleistungen vom Staat beziehen? Das fordert sehr viel Kraft, Selbstvertrauen sowie konstantes Engagement. Und es verdient besondere Förderung. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkäufer*innen zusätzliche Unterstützung. Sie sind mit Krankentaggeld und Ferien sozial abgesichert und erhalten ein Nahverkehrsabonnement. Bei Problemen im Alltag begleiten wir sie intensiv.

Eine von vielen Geschichten 01

Echtzeit Verlag, Basel

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AnyWeb AG, Zürich

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artune ag – Architektur und Kunst

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Nachhaltig programmiert, ZimaTech GmbH

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Hausarztpraxis Tannenhof, Tann-Rüti

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AdaptIT GmbH, Rapperswil-Jona

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Brockenstube Au-Wädenswil

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Rentabus.ch

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CONTACT Arbeit, Bern / Biel / Thun

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billbox AG: billbox.com

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Mediation: www.respektvolle-loesungen.ch

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Stereus, Trubschachen

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Sublevaris GmbH, Brigitte Sacchi, Birsfelden

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Madlen Blösch, Geld & so, Basel

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Brother (Schweiz) AG, Dättwil

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Beat Vogel, Fundraising-Datenbank, Zürich

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Arbeitssicherheit Zehnder, Zürich

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Andery-Reiseleitungen, Brugg und Zug

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wag GmbH, www.wag-buelach.ch

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debe: www.dorisberner.ch

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Schweizerische Kriminalprävention SKPPSC

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Breite-Apotheke, Basel

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Coop Genossenschaft, Basel

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Caroline Walpen Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 53 I marketing@surprise.ngo

Merima Menur kam 2016 zu Surprise – durch ihren Mann Negussie Weldai, der bereits in der Regionalstelle Bern arbeitete. Zuvor lebten sie fünf Jahre getrennt – er in der Schweiz, sie in Äthiopien. Einige Zeit nach ihrer Ankunft in der Schweiz begann Merima auch mit dem Verkauf des Surprise Strassenmagazins und besuchte einen Deutsch-Kurs, mit dem Ziel selbständiger zu werden und eine Anstellung zu finden. Dank Surplus besitzt Merima ein Libero-Abo für die Stadt Bern und kann somit leichter an ihren Verkaufsort reisen. Surplus gibt der 39-Jährigen ausserdem die Möglichkeit, sich einige bezahlte Ferientage zu gönnen. Weitere SurPlus-Geschichten lesen sie unter: surprise.ngo/surplus

Unterstützen Sie das SurPlus-Programm mit einer nachhaltigen Spende Derzeit unterstützt Surprise 16 Verkäufer*innen des Strassenmagazins mit dem SurPlus-Programm. Ihre Geschichten stellen wir Ihnen hier abwechselnd vor. Mit einer Spende von 6000 Franken ermöglichen Sie einer Person, ein Jahr lang am SurPlus-Programm teilzunehmen.

Unterstützungsmöglichkeiten: · 1 Jahr: 6000 Franken · ½ Jahr: 3000 Franken · ¼ Jahr: 1500 Franken · 1 Monat: 500 Franken · oder mit einem Beitrag Ihrer Wahl.

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Wir alle sind Surprise #499: Neun Ideen, wie im ÖV alles anders sein könnte

«Nicht zielführend» Gratis ÖV tönt verdammt gut. Nur wer bezahlt dann am Ende die Rechnungen? Das sind dann diejenigen, welche ohnehin schon grosse Lasten in Form von Steuern und Abgaben zu tragen haben, nämlich der Mittelstand. Unser Land mit dem sozialistischen Frankreich (ich habe in Frankreich gelebt und gearbeitet) und der Steueroase Luxemburg zu vergleichen, ist nicht wirklich zielführend. Die Abgaben der Bevölkerung stetig erhöhen zu wollen, führt volkswirtschaftlich zu einem gegenteiligen Effekt. Das musste auch Ronald Reagan als Präsident der USA erfahren (Reaganomics). P. SALZMANN, Muri

#499: Leserbriefe

«Gewisse Regeln und Gesetze» In den letzten Monaten müssen wir leider feststellen, dass Ihre Themen sehr negativ und einseitig beleuchtet werden. Im letzten Heft hat es dazu auch ein paar Leserbriefe, genau so haben wir letzthin auch empfunden. Natürlich gibt es immer wieder Ungerechtigkeiten, dies ist aber überall so im Leben und auch als privilegierte Schweizerin werde ich kontrolliert und muss mich an gewisse Regeln und Gesetze halten (Lohnausweis – Steuern nur als Beispiel). Vielleicht sollten Sie sich auch mal überlegen, dass es uns zahlendem Mittelstand verleidet, nur Klagen und Negatives zu hören. Schlussendlich fällt es auf die Strassenverkaufenden zurück, die eigentlich sehr aufgestellt wirken. R. WAGNER, Thun

«Bitter nötig» Endlich ist da mal eine Zeitung, die längst überfällige soziale Themen aufgreift, und dann kommen solche Ewiggestrigen daher und finden es einseitig. Die anderen Medien berichten oft einseitig und immer zugunsten des Kapitals. Surprise berichtet gut recherchiert über und für die Benachteiligten unserer Gesellschaft. Das ist bitter nötig! Zu lange wurde darüber geschwiegen. Es braucht Mut zum Anderssein, weiter so. U. BÜHLER, Gais

Impressum Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T  +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T  +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T  +41 61 564 90 90 M+41 76 325 10 60 anzeigen@surprise.ngo Redaktion Verantwortlich für diese Ausgabe: Klaus Petrus (kp) Diana Frei (dif), Sara Winter Sayilir (win) Reporter: Andres Eberhard (eba), Simon Jäggi (sim) T +41 61 564 90 70 F +41 61 564 90 99 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch

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Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Simon Berginz, Monika Bettschen, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Marcel Bamert, Urs Habegger, Ruben Hollinger, Dinah Wernli Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik Druck AVD Goldach Papier Holmen TRND 2.0, 70 g/m2, FSC®, ISO 14001, PEFC, EU Ecolabel, Reach

Ich möchte Surprise abonnieren 25 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.–) Verpackung und Versand bieten Strassenverkäufer*innen ein zusätzliches Einkommen Gönner-Abo für CHF 260.– Geschenkabonnement für: Vorname, Name

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Bitte heraustrennen und schicken an: Surprise, Münzgasse 16, CH-4051 Basel, info@surprise.ngo

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FOTO: RUBEN HOLLINGER

Surprise-Porträt

«Mein Wunschberuf ist Maler» «Ich bin aus meiner Heimat Eritrea geflüchtet und habe 2014 bei der Ankunft in Kreuzlingen einen Antrag auf Asyl gestellt. Die ersten Jahre in der Schweiz brauchten viel Geduld. Ich wurde dem Kanton Bern zugeteilt und lebte die ersten eineinhalb Jahre in einer unterirdischen Unterkunft im Länggass-Quartier in Bern, anschliessend noch ein Jahr in der unterirdischen Zivilschutzanlage der Gemeinde Ittigen. Das lange Warten und Herumsitzen war schwierig. Als mein Asylantrag 2016 schliesslich positiv beantwortet wurde, und ich die Aufenthaltsbewilligung B bekam, konnte ich endlich mit der Arbeitsuche beginnen. Zum Glück klappte es schon bald mit dem Verkauf von Surprise. Seither ist mein Verkaufsort am Hirschengraben, bei der Bäckerei Glatz. Ich habe den Platz immer behalten, obwohl ich drei Jahre in Moutier wohnte. Im Berner Jura bin ich per Zufall gelandet: Als mir gesagt wurde, ich könne aus der Flüchtlingsunterkunft ausziehen und mir etwas Eigenes suchen, war die Wohnung in Moutier die erste, für die ich eine Zusage erhielt. Dass man dort Französisch spricht, spielte für mich keine Rolle, weil ich nach wie vor von der Caritas in Bern betreut wurde. Sprachprobleme gab es erst, als diese Betreuung zu Ende ging und ich zum Sozialamt Moutier wechseln musste. Der Berater bemühte sich, mit mir Deutsch zu sprechen, aber die Briefe von der Gemeinde kamen trotzdem meistens auf Französisch. Ich bin froh, bekam ich in solchen Fällen Unterstützung im Surprise-Büro Bern. Die Mitarbeiter*innen von Surprise halfen mir nicht nur bei Übersetzungen, sondern waren mir auch beim Schreiben von Gesuchen behilflich. Insgesamt waren drei Gesuche nötig, bis meine Freundin, unser Sohn und ich endlich zusammen im Kanton Bern wohnen durften. Meine Freundin stammt ebenfalls aus Eritrea, kennengelernt haben wir uns aber in der Schweiz. So wie ich dem Kanton Bern zugeteilt wurde, kam sie nach ihrer Ankunft in den Kanton Tessin. Ein Kantonswechsel ist für Geflüchtete nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Also besuchten wir uns die ersten zwei Jahre immer wieder gegenseitig in Moutier und im Tessin. Als wir vor drei Jahren jedoch unser erstes Kind erwarteten, war klar, dass wir zusammen im Kanton Bern leben möchten. Dafür schrieben wir vor und nach der Geburt unseres Sohnes mehrere Gesuche. Alle wurden abgelehnt, weil wir nicht verheiratet waren, und anscheinend gab es auch Formfehler. Letztlich haben wir es mit der Hilfe des Sozialdienstes von Moutier und eines Anwalts dann doch noch geschafft. 30

Awet Teklay, 29, kann sich nach sechs Jahren in der Schweiz endlich aufs Deutschlernen und die Arbeitsuche konzentrieren.

Seit neun Monaten wohnen wir nun gemeinsam in Belp. Ich bin gerade in dieser Corona-Zeit speziell froh darüber, dass wir jetzt zusammen sind und nicht mehr immer diese lange Reise hin und her machen müssen. So kann ich mich endlich aufs Deutschlernen konzentrieren und eine feste Stelle suchen. Im Moment besuche ich einmal pro Woche einen Deutschkurs und mache ein Praktikum in einer Recycling-Werkstatt in Zollikofen, wo wir alte Geräte wie Computer auseinanderschrauben und die einzelnen Bestandteile richtig entsorgen. Die Arbeit gefällt mir sehr, ich arbeite gerne mit den Händen. Geschnuppert habe ich vor einiger Zeit auch schon als Küchenhilfe, aber momentan ist es schwierig, eine Stelle in der Gastronomie zu finden. Mit der Hilfe der Beratungsstelle TriiO und den Leuten vom SurpriseBüro schreibe ich immer wieder Bewerbungen. Mein Wunschberuf wäre Maler. Ich habe in Eritrea schon längere Zeit als Maler gearbeitet, das möchte ich hier auch machen.»

Aufgezeichnet von ISABEL MOSIMANN

Surprise 502/21


Café Surprise – eine Tasse Solidarität Zwei bezahlen, eine spendieren. BETEILIGTE CAFÉS IN AARAU Rest. Schützenhaus, Aarenaustr. 1 | Rest. Sevilla, Kirchgasse 4 IN BASEL Bäckerei KULT, Riehentorstr. 18 & Elsässerstr. 43 | BackwarenOutlet, Güterstr. 120 | Bohemia, Dornacherstr. 255 | Elisabethen, Elisabethenstr. 14 | Flore, Klybeckstr. 5 | Haltestelle, Gempenstr. 5 | FAZ Gundeli, Dornacherstr. 192 | Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg | Quartiertreffpunkt Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 | Quartiertreffpunkt Lola, Lothringerstr. 63 | Les Gareçons to go, Bad. Bahnhof | L‘Ultimo Bacio, Güterstr. 199 | Manger & Boire, Gerbergasse 81 | Da Sonny, Vogesenstr. 96 | Didi Offensiv, Erasmusplatz 12 | Radius 39, Wielandplatz 8 | Café Spalentor, Missionstr. 1 | HausBAR Markthalle, Steinentorberg 20 | Tellplatz 3, Tellplatz 3 | Treffpunkt Breite, Zürcherstr. 149 | Wirth‘s Huus, Colmarerstr. 10 IN BERN Äss-Bar, Länggassstr. 26 & Marktgasse 19 | Burgunderbar, Speichergasse 15 | Generationenhaus, Bahnhofplatz 2 | Hallers brasserie, Hallerstr. 33 | Café Kairo, Dammweg 43 | MARTA, Kramgasse 8 | MondiaL, Eymattstr. 2b | Tscharni, Waldmannstr. 17a | Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 | LoLa, Lorrainestr. 23 | Luna Llena, Scheibenstr. 39 | Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 | Dreigänger, Waldeggstr. 27 | Löscher, Viktoriastr. 70 | Rest. Sous le Pont/Reitschule, Neubrückstr. 8 | Rösterei, Güterstr. 6 | Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 | Zentrum 44, Scheibenstr. 44 | Café Paulus, Freiestr. 20 | Becanto, Bethlehemstrasse 183 | Phil’s Coffee to go, Standstr. 34 IN BIEL Äss-Bar, Rue du Marché 27 | Treffpunkt Perron bleu, Bahnhofplatz 2d IN BURGDORF Specht, Hofstatt 5 IN DIETIKON Mis Kaffi, Bremgartnerstrasse 3a IN FRAUENFELD Be You Café, Lindenstr. 8 IN LENZBURG Chlistadt Kafi, Aavorstadt 40 | feines Kleines, Rathausgasse 18 IN LUZERN Jazzkantine zum Graben, Grabenstr. 8 | Meyer Kulturbeiz, Bundesplatz 3 | Blend Teehaus, Furrengasse 7 | Quai4-Markt, Baselstr. 66 & Alpenquai 4 | Rest. Quai4, Alpenquai 4 | Bistro Quai4, Sempacherstr. 10 | Pastarazzi, Hirschengraben 13 | Netzwerk Neubad, Bireggstr. 36 | Sommerbad Volière, Inseli Park | Rest. Brünig, Industriestr. 3 | Arlecchino, Habsburgerstr. 23 IN MÜNCHENBUCHSEE tuorina boutique & café, Bernstr. 2 IN MÜNCHENSTEIN Bücher- und Musikbörse, Emil-Frey-Str. 159 IN NIEDERDORF Märtkaffi am Fritigmärt IN OBERRIEDEN Strandbad Oberrieden, Seestr. 47 IN RAPPERSWIL Café good, Marktgasse 11 IN SCHAFFHAUSEN Kammgarn-Beiz, Baumgartenstr. 19 IN STEIN AM RHEIN Raum 18, Kaltenbacherstr. 18 IN ST. GALLEN S’Kafi, Langgasse 11 IN WIL Caritas Markt, obere Bahnhofstr. 27 IN WINTERTHUR Bistro Dimensione, Neustadtgasse 25 | Bistro Sein, Industriestr. 1 IN ZUG Podium 41, Chamerstr. 41 IN ZÜRICH Café Zähringer, Zähringerplatz 11 | Cevi Zürich, Sihlstr. 33 | das GLEIS, Zollstr. 121 | Quartiertreff Enge, Gablerstr. 20 | Flussbad Unterer Letten, Wasserwerkstr. 141 | jenseits im Viadukt, Viaduktstr. 65 | Kafi Freud, Schaffhauserstr. 118 | Kumo6, Bucheggplatz 4a | Sport Bar Cafeteria, Kanzleistr. 76 | Zum guten Heinrich Bistro, Birmensdorferstr. 431

Weitere Informationen: surprise.ngo/cafesurprise


So schützen wir uns gemeinsam beim Magazinkauf! Liebe Kund*innen Wir sind froh, dass Sie auch in dieser schwierigen Zeit das Strassenmagazin kaufen. Damit dies so bleibt, bitten wir Sie, unsere Verkaufsregeln und die Bestimmungen des BAG einzuhalten. Vielen lieben Dank! Wo nötig tragen wir Masken.

Halten Sie Abstand.

Wir haben Desinfektionsmittel dabei.

Merci für Ihre Solidarität und danke, dass Sie uns treu bleiben. Bis zum nächsten Mal auf der Strasse. Die Surprise Verkäufer*innen.

Zahlen Sie möglichst passend.

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: info@surprise.ngo


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