Surprise 512/21

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Strassenmagazin Nr. 512 5. bis 18. November 2021

CHF 6.–

davon gehen CHF 3.– an die Verkäufer*innen

Bitte kaufen Sie nur bei Verkäufer*innen mit offiziellem Verkaufspass

Chancengleichheit

Kinder, Kinder Die Zusammensetzung von Schulklassen ist entscheidend für den Bildungserfolg Seite 8


Helfen tut gut. Zeit, zuzuhören. Zeit, abzuwarten. Zeit für Rückschläge. Zeit, zu helfen. All das gibt es in der Sozialberatung und -begleitung, die Surprise an seinen drei Standorten in Basel, Bern und Zürich anbietet. Die Verkaufenden des Strassenmagazins sowie die Stadtführer, die Strassenfussballer und die Chorsängerinnen erhalten hier nicht nur ihre Hefte, gratis Kaffee oder Internetzugang, sondern wenden sich mit ihren Sorgen und Fragen an die Surprise-Mitarbeitenden.

Ob bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, bei Schulden, beim Umgang mit Behörden und administrativer Korrespondenz, bei familiären Krisen oder Suchtproblemen – für rund 400 armutsbetroffene Menschen ist diese umfassende und niederschwellige Begleitung eine unentbehrliche Stütze im Alltag. Surprise hilft individuell und niederschwellig. Spenden Sie heute. Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 surprise.ngo/spenden

Kultur

Solidaritätsgeste

STRASSENCHOR

CAFÉ SURPRISE

Lebensfreude

Entlastung Sozialwerke

BEGLEITUNG UND BERATUNG

Unterstützung

Job

STRASSENMAGAZIN Information

Zugehörigkeitsgefühl Entwicklungsmöglichkeiten

STRASSENFUSSBALL

Expertenrolle

SOZIALE STADTRUNDGÄNGE Perspektivenwechsel

SURPRISE WIRKT Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3

Erlebnis


TITELBILD: LUIGI OLIVADOTI

Editorial

Durchmischen und mitmischen Kinder, die in sozioökonomisch wenig privilegierten Umständen aufwachsen und als Erstsprache nicht Deutsch sprechen, haben weniger Chancen auf Bildungserfolg. Vor allem wenn sie auch in der Schule nur unter ihresgleichen sind. Eine gute Durchmischung der Schuleinzugsgebiete macht deshalb Sinn, um die Chancengleichheit zu erhöhen. Leider ist das nicht überall Realität, wie Sie ab Seite 8 lesen. Mehr Durchmischung macht auch gegen das Verhärten von Fronten Sinn: Wer viel auf den Sozialen Netzwerken unterwegs ist und nur bestimmte Medien konsumiert, bekommt leicht den Eindruck, dass offenes Miteinanderreden und -diskutieren kaum noch möglich ist. Es wird sich viel empört und wenig zugehört, oft geht es eher um gefühlte Wahrheiten als um faktenbasierte Sachargumente. Dabei ist es ganz gleich, ob es um Fragen der Gleichstellung, um Corona, das Klima, Rassismus oder Migration geht. Es ist die Debattenkultur, die uns zu entgleiten droht.

4 Aufgelesen 5 Was bedeutet eigentlich …?

Konsument*innenschutz 5 Vor Gericht

Rassismus zwischen den Zeilen

8 Chancengleichheit

Durchmischt die Schulen! 12 Interview

Carolin Wiedemann

Bei manchen Texten, wie dem Interview mit der Buchautorin Carolin Wiedemann auf Seite 12, wissen wir schon vorher, dass es starke Reaktionen provoziert. Und das liegt weniger am Thema als an der Wortwahl, der man anmerkt, dass Wiedemann tendenziell Menschen adressiert, die bereits überzeugt sind, und dadurch vielleicht verpasst diejenigen mitzunehmen, die vielleicht noch nicht wissen, was sie davon halten sollen. Bleiben Sie offen: Es lohnt sich, das Gemeinsame herauszufiltern und im Gespräch zu bleiben. Die Tragik verhärteter Fronten zeigt sich seit Jahrzehnten auf Zypern, wo Griech*innen und Türk*innen sich nur noch an wenigen Orten und auch dort nur unter Vorbehalt begegnen, siehe Seite 16. Das sollte uns nicht passieren. SAR A WINTER SAYILIR

Redaktorin

22 Bühne

«Ein Gespräch mit der Gesellschaft» 24 Kultur

Die grosse Leere nach der Zerstörung

16 Zypern

An alter Front

25 Musik

Notsignale des Regenwaldes

28 SurPlus Positive Firmen 29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren 30 Internationales Verkäufer*innen-Porträt

«Zuhause in der Ferne»

6 Verkäufer*innenkolumne

Wunder der Natur 7 Die Sozialzahl

Die Bringschuld des Staates

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26 Veranstaltungen 27 Tour de Suisse

Pörtner in Muttenz

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Aufgelesen News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Hilfe auf vier Pfoten Haustiere spielen im Leben vieler Strassenzeitungsverkäufer*innen eine grosse Rolle. So auch bei den Verkäufer*innen vom Curbside Chronicle in Oklahoma City.

FOTOS: NATHAN POPPE

THE CURBSIDE CHRONICLE, OKLAHOMA CITY

Mike, Kensi und Lila Kensi rettete Kater Lila auf der Flucht vor einem nicht-angeleinten Hund, als er noch sehr klein war. «Zwischen den beiden existiert eine Bindung, die man nur einmal im Leben erfährt», sagt Vater Mike.

Delaine, Asia und Nikoe Die 17-jährige Asia hat eine Autismus-Spektrums-Störung und leidet unter sozialen Ängsten. Laut Mutter Delaine hat sie es durch den Therapiehund viel leichter, mit anderen zu sprechen und konnte sogar woanders übernachten.

James und Cherokee James leidet unter sozialen Ängsten, die ihm besonders in Menschenmengen zu schaffen machen. Ein Hund wie Cherokee lässt ihn das Leben auf der Strasse etwas leichter ertragen.

Mikey und Molly An manchen Tagen wacht Mikey morgens auf und fühlt sich gefangen in einem dunklen Loch. Kuschelt Molly sich dann an ihn oder hüpft übers Sofa, ist es, als würde ein Schalter umgelegt. Mikey fühlt sich besser und kann den Tag durchstehen.

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ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

Was bedeutet eigentlich …?

Konsument*innenschutz Die freie Marktwirtschaft sollte für die Konsument*innen eigentlich am meisten Vorteile bringen: Sie haben die Wahl und entscheiden über die besten Produkte. Damit steuern sie Angebot und Preise. Dies funktioniert allerdings nur in der Theorie. In Wirklichkeit gibt es viele Gründe, warum der Markt nicht optimal funktioniert wie fehlender Wettbewerb, Preisabsprachen oder irreführende Werbung. Zudem sind in den letzten 20 Jahren aufgrund der Öffnung der Weltmärkte sowie der rasanten Entwicklung des Online-Handels immer mehr und komplexere Produkte auf den Markt gekommen – was es für Konsument*innen schwierig macht, den Überblick zu behalten. Da sie zudem schlechter organisiert sind als die Anbieter*innen, mangelt es ihnen auch an Möglichkeiten für ein gemeinsames Vorgehen (Sammelklage). Konsument*innen verfügen im Verleich zu Anbieter*innen über kürzere Spiesse. Deswegen werden sie im Recht geschützt. Seit 1981 ist der Konsument*innenschutz in der Schweizer Bundesverfassung verankert. Das Konsumrecht regelt die Sicherheit der Produkte und Dienstleistungen sowie die Information der Konsument*innen. Dass es so weit kam, ist einem langen Kampf von Frauenverbänden, Gewerkschaften und Genossenschaften zu verdanken. Im internationalen Vergleich hat die Schweiz jedoch einen schwach ausgeprägten Konsument*innenschutz. EBA Quelle: Antoine Casabianca: Konsumentinnen- und Konsumentenschutz. In: Wörterbuch der Schweizer Sozialpolitik. Zürich und Genf, 2020; Stiftung für Konsumentenschutz (SKS); Andreas Heinemann: Verbraucherschutz und Kartellrecht in der Schweiz. In: Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb, Jahrbuch 2019, Köln 2020.

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Vor Gericht

Rassismus zwischen den Zeilen In ganz wenigen Fällen ist es so, dass Kriminalität direkt mit Nationalität oder Herkunft zu tun hat. Mit einer Ausnahme: Rassismus. Rassismus ist in der Schweiz nicht per se verboten. Salopp gesagt lautet die Strafnorm: Jede Person kann so rassistisch denken, wie sie will – solange sie ihre Gedanken für sich behält. Das Recht überprüft nicht eine Äusserung oder Handlung auf ihre moralische Verwerflichkeit. Sondern es bestraft Verhalten, welches das friedliche Zusammenleben der Gemeinschaft bedroht – also rassendiskriminierende, entwürdigende und den sozialen Frieden gefährdende Äusserungen in der Öffentlichkeit. So weit die theoretische Klammer. Am Bezirksgericht Bülach standen sich Mitte Oktober zwei Männer gegenüber, die sich geprügelt haben. Konkret war ein 32-jähriger Kurde wegen Tätlichkeit, einfacher Körperverletzung sowie Gewalt und Drohung gegenüber Behörden und Beamten angeklagt. Und ein 45-jähriger Schweizer wegen Tätlichkeit und Beschimpfung. Juristisch geht es also nicht um Rassismus, aber er wird zwischen den Zeilen mitverhandelt. Denn die Beschimpfung, die der Schweizer ausgestossen haben soll, enthielt das Wort «Drecksausländer». Der Anwalt des Kurden wird deutlich: «Das war ein Ausbruch von Rassismus. Jemand, der dieses Wort in den Mund nimmt, darf nicht ungeschoren davonkommen. Das

geht nicht in einem Land, in dem ein Viertel der Bevölkerung einen Migrationshintergrund hat.» Der Schweizer und dessen Anwalt bestreiten, dass er sich so geäussert hat. Wenn auch halbherzig. Bei der Staatsanwaltschaft hatte der Beschuldigte noch eingeräumt, es könne sein, dass ihm das Wort im Affekt entfahren sei. Heute sagt er, er benutze es nie. Er habe viele ausländische Freunde. Auf Facebook. Er sei das wahre Opfer. Schliesslich war er es, damals noch Betreibungsbeamter, heute Verkäufer, der beim Zustellungsversuch eines Zahlungsbefehls ein blaues Auge verpasst bekam. Dabei war die Betreibung nicht mal für den Kurden – der öffnete nur zufällig die Haustür des Wohnblocks, als der Beamte auf Einlass wartete. Zum Streit kam es, weil der Schweizer ins Haus stürmen wollte, bevor die Freundin des Kurden ins Freie treten konnte. «Haben Sie keinen Respekt vor Frauen?», habe ihn der Kurde angeblafft. Dann eskalierte die Situation auf eine Art, die fast unerklärlich ist, wie auch der zuständige Einzelrichter sagt. Er leitet das Verfahren mit grosser Sorgfalt. Er lässt allen den Raum, sich ausführlich zu äussern, und verschont weder den einen noch den andern mit harten Fragen. Und dann schafft er es auch, dass beide ihre Anzeigen zurückziehen und niemand verurteilt wird. So kommt der Schweizer ungeschoren davon. Aber auch sein Gegenüber. Für den Kurden, der zwar sein halbes Leben hier verbracht hat, aber immer noch nur «vorläufig aufgenommen» ist, hätte ein Strafregistereintrag schwerere Folgen gehabt. Rassismus äussert sich nämlich auch subtiler als durch ein Schimpfwort.

Y VONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin

in Zürich.

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ILLUSTRATION: JULIA DEMIERRE

Verkäufer*innenkolumne

Wunder der Natur Heute nehme ich mich an, so wie ich wirklich bin. Jeder einzelne Tag ist ein Geschenk. Wenn ich mir selbst vergeben kann, gelingt mir dies auch bei meinen Mitmenschen sehr gut. Mir ist eins klar: Meine Schwierigkeiten mit mir selbst sind immer Symptome. Ein Symptom ist Selbstmitleid. Aus Selbstmitleid kann Groll entstehen. Das sind schwerwiegende Begleiter, die mir nicht guttun. Die Einstellung zum Leben und meine Erwartungen haben sich grundlegend geändert. Die Gefühle von Nutzlosigkeit und Selbstmitleid sind längst verschwunden. Meine eigennützige Einstellung ist mehr in den Hintergrund getreten und das Interesse an den Mitmenschen, dem Tier und der Umwelt, der Natur, ist dabei gewachsen. Surprise verkaufen darf ich. Als Stadtführer darf ich Menschen Zürich von einer anderen Seite zeigen. 6

Alles, was ich Positives für mich selbst und anderen gegenüber tue, darf ich. Zügig auf den Uetliberg laufen darf ich und kann ich. Keine Selbstverständlichkeit für mich. Alles einfach Wunder. Seit meiner Kindheit trieb ich immer viel Sport. Lange war Sport für mich vor allem Leistung. Der Beste sein. Aber überall kann man nicht der Beste sein. Ich musste kapitulieren. Heute ist Sport, zügiges Gehen, für mich Erholung. Die Natur beobachten. Viele Erlebnisse mit Tieren. Sehr häufig kann ich eine Rehmutter mit frühlingsgeborenen Kitzen von sehr nah beobachten. Eine Amsel wollte einen Wurm fangen auf dem Denzlergraf-Weg. Ich ging ein paar Meter retour, um sie dabei nicht zu stören. So konnte die Amsel ungestört ihre Nahrung zu sich nehmen. Dieselbe Amsel begegnete mir

später noch mehrere Male fast an der gleichen Stelle und sang. Ich bin überzeugt, sie begrüsste mich. Sehr viele Begegnungen habe ich mit Eichhörnchen. Um die Bettagszeit nehme ich immer ein paar Haselnüsse mit. Diese flinken Kletterer beobachte ich mit Freude. Ein Wunder. Dass solche Lebewesen mir als Mensch so viel geben können und dürfen. Will weiterhin bei mir selbst bleiben. Ohne Groll, ohne Selbstmitleid. Es ist auch ein Wunder, dass es mich gibt. HANS RHYNER , 66, ist Surprise-Stadtführer in Zürich und verkauft das Strassenmagazin in Zug und Schaffhausen. Er ist zudem Holzscheiter, Uetlibergläufer, Beobachter – aus Elm, kein Schelm.

Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und Stephan Pörtner erarbeitet. Die Illustration zur Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.

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Die Sozialzahl

INFOGRAFIK: BODARA ; QUELLE: HÜMBELIN, OLIVER / RICHARD, TINA / SCHUWEY, CLAUDIA / LUCHSINGER, LARISSA / FLUDER, ROBERT (2021): NICHTBEZUG VON BEDARFSABHÄNGIGEN SOZIALLEISTUNGEN IM KANTON BASEL-STADT – AUSMASS UND BEWEGRÜNDE. SCHLUSSBERICHT IM AUFTRAG DES AMTES FÜR SOZIALBEITRÄGE DES KANTONS BASEL-STADT. BERNER FACHHOCHSCHULE, BERN.

Die Bringschuld des Staates Der Nichtbezug von bedarfsabhängigen Sozialleistungen wird auch in der Schweiz langsam zum sozialpolitischen Thema. Eine neue Studie der Berner Fachhochschule illustriert auf der Basis von Steuerdaten für den Kanton Basel-Stadt das Ausmass. 19 Prozent der Haushalte verzichten auf Prämienverbilligungen zur Krankenversicherung, obwohl sie von ihrer wirtschaftlichen Lage her Anspruch auf diese Sozialleistung erheben könnten. Weiter verzichten 23 Prozent der Haushalte mit Kindern auf Familienmietzinsbeiträge, auch wenn sie ein Anrecht darauf haben. Besonders hoch ist die Nichtbezugsquote bei den Rentner*innen. 29 Prozent der Haushalte beziehen keine Ergänzungsleistungen zur AHV, obschon sie dies aufgrund ihres Renteneinkommens und des noch vorhandenen Vermögens könnten. Die Gründe für diesen Nichtbezug von Sozialleistungen sind vielfältiger Art. Sie reichen von der Angst vor Stigmatisierung bis zum Wunsch nach Unabhängigkeit, von der Furcht, ausgewiesen zu werden, bis zu einer geringen Bedarfslücke, für die es sich nicht lohnt, den Aufwand der Antragsstellung auf sich zu nehmen. Immer wieder zeigt sich aber auch, dass fehlendes Wissen, administrative Hürden, mangelnde Sprachkenntnisse und eine akute Überforderung Gründe für den Nichtbezug sozialstaatlicher Bedarfsleistungen sind.

seinen Bürger*innen. So wird jeder steuerliche Abzug gestrichen, der nicht belegt werden kann. Fehlende Auskünfte über zusätzliche Einkommen oder falsche Angaben zur Wohnsituation können zu markanten Kürzungen bei der Sozialhilfe führen. Das ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Doch warum macht der gleiche Steuer- und Sozialstaat dann nicht auch darauf aufmerksam, wenn steuerliche Abzüge nicht geltend gemacht und Sozialleistungen aufgrund der Steuererklärung beantragt werden könnten? Haben die Bürger*innen hier eine Holschuld oder der Staat eine Bringschuld? Anders gefragt: Nehmen wir in Kauf, dass auf der einen Seite Gutbetuchte mit Hilfe von Treuhandfirmen und Anwaltskanzleien jede Lücke im Steuerrecht ausnutzen, während auf der andern Seite für Menschen in prekären Lebenslagen und ohne Wissen über das Funktionieren des Sozialstaates Sozialleistungen verloren gehen, auf die sie ein Anrecht hätten? Schon im 2. Artikel der Bundesverfassung wird als Zweck der Schweizerischen Eidgenossenschaft die Förderung der gemeinsamen Wohlfahrt genannt. Würde dazu nicht auch gehören, dass der Steuer- und Sozialstaat seine Bürger*innen darauf aufmerksam macht, dass sie Anspruch auf bedarfsabhängige Sozialleistungen haben, wenn sich dies aus der Steuererklärung ergibt? Damit soll keineswegs einer «Zwangsbeglückung durch den Staat» das Wort geredet werden. Die Haushalte bleiben frei, auf den Bezug von sozialstaatlichen Bedarfsleistungen auch zu verzichten. Sie machen das dann aber in voller Kenntnis des Sachverhalts.

Damit stellt sich die Frage, ob der Steuer- und Sozialstaat nicht eine Bringschuld hat. Beklagt werden muss ein eigentümlich asymmetrisches Verhalten des Staates gegenüber

PROF. DR. CARLO KNÖPFEL ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Nichtbezugsquote von ausgewählten Sozialleistungen im Kanton Basel-Stadt

19% 23% 29% Prämienverbilligung zur Krankenversicherung

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Familienmietzinsbeiträge

Ergänzungsleistungen zur AHV

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Ein Algorithmus gegen die Abschottung Chancengleichheit Soziokulturell durchmischte Schulklassen sind das Mittel

der Wahl, um mehr Kindern zu Bildungserfolg zu verhelfen. Das zeigt eine aktuelle Schweizer Studie. Manche Städte jedoch verschliessen die Augen. TEXT SIMON JÄGGI

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ILLUSTRATION LUIGI OLIVADOTI

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Schulbeginn in der Klasse 2b in der Primarschule im Basler Quartier Kleinhüningen. Die Kinder sitzen im Kreis in der Mitte des bunt eingerichteten Zimmers. Der Reihe nach erzählen sie, wie es ihnen gerade geht: Dmama, Barfen, Djamguembe, Munir, Mermet, Ylba, Martin, Norlha, Dorian, Ihsan, Ajan, Yabieal, Hendry, Albina, Elin. «Bitte etwas lauter», sagt die Lehrerin Afra Mutajuka hin und wieder, oder: «Bitte etwas deutlicher, ich höre dich nicht.» Ausserhalb des Unterrichts sprechen die Kinder der Klasse 2b über ein Dutzend verschiedene Sprachen. Ihre Eltern stammen aus Asien, Afrika, Osteuropa und Südamerika. «Ein paar Kinder, die nicht in der Schweiz geboren sind, sprachen am ersten Schultag noch gar kein Deutsch», sagt Afra Mutajuka. Dass hier viele Sprachen gesprochen werden, sieht sie an erster Stelle als Potenzial, nicht als Problem. «Schwache Kinder gibt es bei uns nicht. Wir orientieren uns an den Stärken. Die Vielfalt ist Teil davon.» Dann geht es in den Sportunterricht. «Feueeeeer» ruft Norlha, die anderen Kinder rennen so schnell sie können in die Ecken der Turnhalle. Wer zuletzt dort ist, hat verloren. Co-Klassenlehrerin Mirjam Ruetschi sagt, es habe Zeit gebraucht, bis diese Klasse so miteinander spielen konnte. Sie und ihre Kollegin Afra Mutajuka bezeichnen sich als «Inklusionsverfechterinnen» und meinen damit den gleichberechtigten Einbezug aller Kinder – nicht nur im Sinne der Behindertenrechtskonvention. «Wir wollen jedes Kind in seinen Stärken fördern. Selbstvertrauen und Surprise 512/21

Freude am Lernen sind das Wichtigste, was wir ihnen mitgeben können.» Die beiden Frauen machen vor, wie ein zeitgemässer Unterricht aussehen kann, der sich nicht am Lernplan, sondern an den Bedürfnissen der Kinder ausrichtet. So zumindest das Ideal. Dem Leistungsgedanken stehen die beiden Lehrerinnen grundsätzlich skeptisch gegenüber. Sie wünschen sich für ihre Schüler*innen einen ganz grundsätzlichen Wandel. Hin zu einem System, wo Kinder ihre persönlichen Kompetenzen frei entfalten können, unabhängig von Noten und Leistungsdruck. Ziel Chancengleichheit Bereits vor mehreren Jahren prägte der Kampfbegriff «Ghetto-Schulen» die Debatte um den hohen Anteil von Kindern nichtdeutscher Muttersprache an bestimmten Standorten. Dieser beträgt am Schulhaus Kleinhüningen 82 Prozent. Zudem liegt das Durchschnittseinkommen im Quartier am unteren Ende der Skala, was sich, wie auch die Bildungsnähe oder -ferne der Elternhäuser, stark auf die Startchancen der Kinder auswirkt. In einer anderen Ecke der Stadt liegt auf einer Anhöhe die Primarschule Bruderholz, umgeben von Einfamilienhäusern mit Blick über die Stadt. Der Anteil von Kindern, deren Eltern nicht Deutsch als Erstsprache sprechen, liegt hier bei nur 21 Prozent, gleichzeitig gehören die Haushaltseinkommen zu den höchsten. Rein statistisch betrachtet sind die Klasse 2b aus Kleinhüningen wie 9


auch die soziokulturell homogeneren Klassen auf dem Bruderholz Beispiele dafür, wie soziale Gruppenbildung zu einer fehlenden Durchmischung in den Schulen führt und so bestehende gesellschaftliche Ungleichheit verschärft. Dies wirkt sich in den weniger privilegierten Quartieren auch auf die weitere schulische Laufbahn der Kinder aus. «Für mehr Chancengerechtigkeit ist es zentral, dass die Schulstandorte stärker nach sozioökonomischen und sprachlichen Kriterien durchmischt werden», sagt Oliver Dlabač. Der Politologe von der Universität Zürich hat in einer umfassenden Studie die Durchmischung an Schweizer Primarschulen untersucht. Zudem

In den Quartieren von Basel-Stadt mit geringerer mittlerer Einkommenssteuer überschreitet der Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Erstsprache die kritische Grenze von 30-40 Prozent an den Primarschulen häufiger. Mittlere Einkommenssteuer in CHF

Anteil Kinder an Primarschulen mit nicht-deutscher Erstsprache in Prozent

Bettingen

20 650 Bettingen 13,0

Bruderholz

17 604 Bruderholz

22,0 42,8

Brunnmatt Altstadt Grossbasel

30,9 35,3

16 745 Peter Rittergasse

St. Alban

61,3

16 670 Gellert

43,6

Sevogel Riehen

12 494 Burgstrasse

25,4

Erlensträsschen

31,3

Hinter Gärten

39,4 35,9 24,3

Niederholz Wasserstelzen Bachletten

12 011 Neubad

Wettstein

11 713 Vogelsang

26,0 68,1 54,9

Theodor Gotthelf

9569 Gotthelf

Hirzbrunnen

8009 Schoren

34,6 47,1 30,2

Hirzbrunnen

67,5

Gundeldingen 7472 Thierstein

54,9

Margarethen St. Johann

71,5

7019 Lysbüchel

65,0

Volta

43,6

St. Johann Rosental

6992 Erlenmatt

69,0

Matthäus

6828 Bläsi

68,8 70,4

Dreirosen Iselin

74,8

6576 Wasgenring

59,0

Isaak Iselin

82,5

Kleinhüningen 491 2 Kleinhüningen Klybeck

84,4

4399 Insel 0

20

40

60

Ab einem Anteil von 30-40% Schüler*innen aus sozialschwachen sowie fremdsprachigen Familien sinken die Leistungen der Gesamtklasse.

10

80

hat er kürzlich ein internationales Forschungsprojekt zur «Gerechten Stadt» abgeschlossen (siehe auch Surprise 510). «Untersuchungen zeigen, dass sich durchmischte Klassen mehrfach positiv auf den Lernerfolg von weniger privilegierten Kindern auswirken.» Kinder mit geringen Deutschkenntnissen lernen die Sprache schneller und können fachlich von stärkeren Schüler*innen profitieren. «Zudem erschliessen sich im Austausch mit Kindern aus anderen Milieus oft neue Perspektiven für die weitere schulische Ausbildung und Berufswahl.» Die Durchmischung an Schweizer Schulen ist insbesondere in den grossen Städten alles andere als optimal. Bereits die letzte Pisa-Studie stellte fest, dass sich die Chancengerechtigkeit in Schweizer Schulen im vergangenen Jahrzehnt verschlechtert und zugleich die Ungleichheit zwischen einzelnen Schulen zugenommen hat. In keinem anderen Land in Europa wirken sich die Zusammensetzungen der Schulklassen zudem so stark auf die Leistungen der Schüler*innen aus wie in der Schweiz, wie ein Bericht der OECD zeigt. Das hängt auch mit der Planung der Schulkreise zusammen, bei der die sprachliche und sozioökonomische Durchmischung der Schulen bestenfalls eine untergeordnete Rolle spielt. Es sind zum einen logistische Herausforderungen, die eine stärkere Durchmischung von Schulen erschweren. Wenn Stadtteile soziokulturell eher homogen sind, spiegelt sich das auch in den Schulhäusern wider. Hinzu kommt die Befürchtung bildungsorientierter Eltern, die Leistung ihrer Kinder könne unter einer stärkeren Durchmischung leiden. In seiner Studie konnte Forscher Oliver Dlabač eine aus früheren Arbeiten bekannte Kennzahl noch einmal bestätigen: Ab einem Anteil von 30 bis 40 Prozent Schüler*innen aus sozial schwachen sowie fremdsprachigen Familien sinken die Leistungen der Gesamtklasse. Wichtig ist zu beachten, dass es bei den Ursachen struktureller Benachteiligung um eine Kombination von Erstsprache und Schichtzugehörigkeit geht. «Das heisst im Umkehrschluss», sagt Dlabač, «eine stärkere Durchmischung von Schulen schafft mehr Chancengerechtigkeit, ohne dadurch die Leistungen der anderen Kinder und Jugendlichen zu beeinträchtigen. So lange der errechnete Kipppunkt nicht überschritten wird.» Am Schulstandort Kleinhüningen sitzt die Schulleiterin Nadia Bertaccini in ihrem verglasten Büro neben dem Haupteingang. Es ist kurz nach zehn Uhr, der Blick geht auf den Hof, wo die Kinder gerade ihre Pause verbringen. Bertaccini sagt: «Die Vielfalt ist eine Chance.» Es stimme zwar, dass es nur wenige Kinder von ihrer Schule an eine höhere Schulstufe schaffen. «Aber muss das denn überhaupt das Ziel sein? Ich sehe es als unsere Aufgabe, dass wir jedes Kind individuell fördern.» Das müsse sich nicht primär in schulischer Leistung zeigen. Wenn Kinder die Primarschule mit Selbstvertrauen und gestärkter Sozialkompetenz verlassen, sei bereits ein wichtiges Ziel erreicht. Mehr Durchmischung an ihrer Schule fände sie auch gut, sagt Nadia Bertaccini, «aber ich würde gerne sehen, welche sozioökonomisch bessergestellte Familie ihr Kind zu uns schicken will.» Lösung unerwünscht? Oliver Dlabač hat in seinem Forschungsprojekt gemeinsam mit einem kleinen Team einen Algorithmus entwickelt, der Gemeinden bei einer stärkeren sozioökonomischen Durchmischung der Schulen unterstützen soll. Es sei wie bei einem Brettspiel, so der Studienautor: «Hier wird ein Strassenblock der einen Schule zugeteilt, dort eine Parzelle einer anderen.» Das Ziel ist dabei Surprise 512/21


nicht, dass Kinder wie früher in den USA mit Bussen durch die halbe Stadt gefahren werden. «Stattdessen sollen die Einzugsgebiete für die Schulen so geplant werden, dass sie eine möglichst grosse Durchmischung ermöglichen», so Dlabač. Damit will er für die Behörden eine Möglichkeit für vielfältigere Schulen schaffen. «In Simulationen ist es uns gelungen, in den sozial am schwersten belasteten Schulen mit mehr als einem Drittel benachteiligter Kinder deren Anteil um fünf bis zehn Prozent zu senken», sagt Dlabač. Es könnte ein einfacher und wirkungsvoller Ansatz sein, um für mehr Vielfalt zu sorgen. Das Interesse in den besonders betroffenen Städten ist allerdings bescheiden. Nur gerade Zürich, Bern und Uster wollen das Tool genauer prüfen. In Zürich, wo der Algorithmus aktuell in einem «nicht einteilungswirksamen Blindpilot» getestet wird, regt sich Widerstand bei den Eltern, wie der Tages-Anzeiger berichtete. Anscheinend sorgen sich bereits Eltern, dass das Leistungsniveau an den Schulen als Folge einer stärkeren Durchmischung sinken könnte. Fördern statt mischen Die Schulbehörde in Basel-Stadt signalisierte am Forschungsprojekt von Beginn an wenig Interesse. Die Behörden wollten Oliver Dlabač für seine Studie keine Daten zur Verfügung stellen. Gegenüber dem Schweizer Fernsehen begründete 2018 der damalige Volksschulleiter die ablehnende Haltung des Stadtkantons: «Schülerinnen und Schüler werden in unseren Schulen dort zugeteilt, wo sie wohnen. Wir finden das ein sehr gutes Prinzip, mit dem Risiko, dass halt die Durchmischung nicht so gross ist.» Diese Unterschiede fange man mit verschiedenen Massnahmen auf. Ähnlich argumentiert auf Anfrage auch die neue Stv. Leiterin Volksschulen Doris Ilg. «Ich bin mir nicht sicher, ob eine Durchmischung über die Quartierschulen hinaus ein Hauptziel sein soll», sagt sie auf Anfrage. Der Kanton halte am Quartierprinzip fest und gleiche Unterschiede aus, indem Schulstandorte mit einem höheren Bedarf mit mehr Ressourcen etwa in Form von Deutschförderung ausgestattet werden. «Unsere Lehr- und Fachpersonen orientieren sich bei ihrer Unterrichtsplanung am Förderbedarf der einzelnen Schülerin, des einzelnen Schülers», so Ilg. Klare Indikatoren, an denen der Lernerfolg dieses Ansatzes gemessen wird, fehlen in Basel-Stadt. Der Ansatz, sozioökonomisch besonders benachteiligte Schulen stärker zu fördern, findet verbreitet Anwendung. Auch in Zürich und Bern ist das ein fester Bestandteil der Schulpolitik. Der Nutzen dieser Strategie ist jedoch fraglich. «Die Forschungsliteratur ist sich für einmal relativ einig, dass eine soziale Durchmischung für die Chancengerechtigkeit entscheidender ist als mehr Ressourcen für benachteiligte Kinder», sagt der Bildungsökonom Stefan Wolter von der Universität Bern. Mehr Vielfalt an Schulen, das zeigen verschiedene Untersuchungen, ist für eine erhöhte Chancengerechtigkeit wirksamer und kostengünstiger als die Zuteilung von besonderen Ressourcen für einzelne Schulstandorte. In Basel-Stadt ist die Forderung nach mehr Chancengerechtigkeit nun im Kantonsparlament angelangt. «Von Chancengleichheit im Bildungssystem kann weiterhin keine Rede sein», schreiben die Verfasser*innen einer überparteilichen Interpellation an den Regierungsrat. Darin verlangen sie, die Regierung solle die Einführung des von Oliver Dlabač entwickelten Algorithmus prüfen und weitere Massnahmen für mehr Durchmischung an Schulen vorschlagen. Surprise 512/21

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«Das Private ist immer noch politisch» Feminismus Patriarchale Strukturen sind tief in unserer Gesellschaft

verwurzelt. Doch sie werden zunehmend herausgefordert, ebenso die damit verbundene Gewalt, sagt die Soziologin Carolin Wiedemann. INTERVIEW GIULIA BERNARDI

FOTO: ZVG

In ihrem neuen Buch «Zart und frei. Vom Sturz des Patriarchats» schreibt Carolin Wiedemann über den gegenwärtigen Antifeminismus, die Gewalt patriarchaler Herrschaft und wie diese überwunden werden kann. Dabei spricht sie über neue Beziehungsformen und setzt sich für ein zärtlicheres Miteinander ein. Sie schreibt unter anderem für den Spiegel und das Missy Magazine und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung der Humboldt Universität. Carolin Wiedemann, warum gibt es so viel Widerstand gegen den Versuch, eine gleichberechtigtere Gesellschaft zu schaffen? Diese Widerständler*innen treten für die binäre Geschlechterordnung ein. Einerseits geht es darum, die eigenen Privilegien zu erhalten, die von der queer-feministischen Bewegung hinterfragt werden. Andererseits spielen dabei auch Ängste eine Rolle. Schliesslich wird durch die genannten Entwicklungen jene Geschlechterordnung herausgefordert, die wir von klein auf als «natürlich» anzunehmen gelernt haben, die uns beigebracht hat, wie wir in unserer Gesellschaft zu leben haben, die unsere Beziehungen und Surprise 512/21

Identitäten definiert. Diese Ängste können durch gesellschaftliche Krisen verstärkt werden: Sie lösen das Bedürfnis aus, sich an ein vermeintlich Bewährtes zu klammern. Ich denke da etwa an die Klimakrise, die eine Verknappung von Lebensraum und Ressourcen zur Folge hat. Der antifeministische Widerstand wird in konservativliberalen Medien wie der Neuen Zürcher Zeitung oder der FAZ spürbar, wenn es etwa um die Etablierung einer geschlechtergerechten Sprache geht. Feminismus wird als autoritäre und elitäre Bewegung dargestellt. Antifeministische Diskurse kommen oft aus dem liberalen Lager und greifen dabei auf ein rechtes Narrativ zurück, etwa indem sie unterstellen, dass Feminismus ein autoritäres Unterfangen sei, das Menschen etwas aufzwingen würde. Mit dieser Unterstellung wird allerdings verschleiert, dass jene binäre und patriarchal geprägte

Hintergründe im Podcast: Simon Berginz im Gespräch mit Giulia Bernardi über die Hintergründe des Interviews. surprise.ngo/talk

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Ordnung, an der Antifeminist*innen festhalten, gewaltvoll und ausschliessend ist und keineswegs Chancengleichheit für alle verspricht. Inwiefern gewaltvoll? Mit der Ausbreitung des Neoliberalismus etablierte sich auch die Behauptung, dass durch die zweite Welle des Feminismus der 1960er- und 1970er-Jahre alle Menschen formal die gleichen Rechte haben. Folglich werden strukturelle Formen der Diskriminierung verkannt: Wenn Frauen beispielsweise bei ihrem Partner bleiben, die keinen Finger im Haushalt rühren oder gar gewaltsam sind, dann sind die Frauen selbst schuld. Daran knüpft die heutige feministische Bewegung an. Sie möchte verdeutlichen, dass das Private noch immer politisch und patriarchal geprägt ist: wie wir in unseren Beziehungen und in der Erziehung zu Frauen gemacht und abgewertet werden.

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Unterstützt von Swiss Re Tarbaca Indigo Foundation

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Francesca Gabbiani, Mutation V (c), 2020, Kunsthaus Zürich, Grafische Sammlung, Geschenk der Künstlerin, 2021, © Francesca Gabbiani

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Félix Vallotton, Hochalpen, Gletscher und verschneite Berggipfel, 1919, Kunsthaus Zürich, Gottfried Keller-Stiftung, Bundesamt für Kultur, Bern, 1978

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Wie zeigt sich diese Abwertung? In Deutschland erlebt jede vierte Frau mindestens einmal in ihrem Leben körperliche oder sexualisierte Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner – und das sind nur die offiziellen Zahlen. In der Schweiz sieht es ähnlich aus. Oft richten Präventionskampagnen gegen sexualisierte Gewalt das Augenmerk auf Frauen* (d.h. Frauen sowie andere sexuelle und Gender-Minderheiten): etwa darauf, wie sie sich verhalten sollten, um Gewalt vorzubeugen. Die Kampagne «Don’t Be That Guy» der schottischen Polizei macht das Gegenteil. Sie ruft Männer dazu auf, das eigene Handeln zu reflektieren. Wie beobachten Sie die Entwicklung, dass Männlichkeit stärker hinterfragt wird? Das macht Hoffnung – und es ist gleichzeitig auch schlicht notwendig, um weiterzukommen. Es ist vor allem an den Männern, die Dinge weiter aufzurütteln: Die eigene Sozialisation als Mann kritisch zu beleuchten und zu fragen, was das Mann-Sein so gewaltvoll macht, etwa welche Bedürfnisse in der Erziehung zum Mann unterdrückt und dann wiederum in abwertender Weise auf Frauen projiziert werden. Diese Auseinandersetzung verbreitet sich. Feministisch orientierte junge Männer besuchen Workshops, um ihren Habitus zu hinterfragen, darüber nachzudenken, wie laut und wie oft sie ihre Stimmen im Meeting erheben, wie breitbeinig sie in der U-Bahn oder in der Konferenz sitzen. Und wie sehr ihr Blick auf Frauen diese zum Objekt macht und was sie daran ändern können. Eine weitere Abwertung erfahren Frauen im Bereich der unbezahlten Sorgearbeit, wovon sie in der Schweiz über 60 Prozent verrichten. Warum ist Sorgearbeit binär organisiert und weiblich konnotiert? Mit der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft im 19. Jahrhundert etablierte sich auch die binäre Geschlechterordnung. Sie teilte Menschen in zwei Gruppen ein, die vermeintlich von Natur aus unterschiedlich sind: Männer und Frauen. Noch heute werden ihnen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben. Diejenigen, die als Männer sozialisiert werden, gelten als leistungsorientiert, rational und sind folglich für den öffentlichen und politischen Raum geeignet. Jene, die als Frauen gelten, werden als empathisch und fürsorglich betrachtet und dazu prädestiniert, sich um den Haushalt, die Erziehung der Kinder und den Ehemann zu kümmern, bevor er sich am nächsten Tag wieder der Arbeit in der Fabrik widmet. Schon an diesen Zuschreibungen zeigt sich, wie sehr die binäre, patriarchale Ordnung mit der Entstehung einer kapitalistischen Gesellschaft einhergeht, die eine Aufteilung in Produktion und Reproduktion vorsieht. Surprise 512/21


«Streit darüber, wer wie oft die Küche putzt, ist kein privater Konflikt, sondern eine Auseinandersetzung, die aufzeigt, wer für wen sorgt.»

auch rassistisch und patriarchal. Der Nationalstaat braucht die bürgerliche Kleinfamilie, um die «eigenen» Arbeitskräfte zu reproduzieren. Das angebliche Ende der bürgerlichen Kleinfamilie wurde hierzulande jüngst im Rahmen der Abstimmung zur «Ehe für alle» diskutiert. Die Gegner*innen argumentierten, dass die Abstimmung die «natürliche» Geschlechterordnung von Mann und Frau unterwandern und die Kleinfamilie erschüttern würde. Wie beobachten Sie diese Diskussion? Die Ehe ist die patriarchale Institution schlechthin. Entsprechend kann die «Ehe für alle» nur ein Zwischenschritt sein. Alternative Beziehungsformen jenseits der romantischen Zweierbeziehung sollten gesellschaftlich und rechtlich stärker anerkannt werden. In der traditionellen Kleinfamilie übernehmen im Schnitt Frauen immer noch den Hauptteil der Hausarbeit und der Kinderbetreuung, selbst bei jenen Elternpaaren, bei denen die Frau auch ausser Haus mehr arbeitet als der Mann und für den Lohn der Familie aufkommt. In queer-feministisch orientierten Wohn- und Beziehungsformen jenseits der Kleinfamilie wird Sorgearbeit anders verhandelt und verteilt. Streit darüber, wer wie oft die Küche putzt, ist dann kein privater Konflikt, sondern eine Auseinandersetzung, die aufzeigt, wer wie für wen sorgt. Eine Auseinandersetzung, die Muster aufbricht. Kleinfamilien dagegen funktionieren immer wieder nach dem patriarchalen Muster und privatisieren damit die gesellschaftlichen Fragen und Konflikte rund um Sorge und Solidarität.

CAROLIN WIEDEMANN

ist 1983 in München geboren und hat Journalismus und Soziologie in Hamburg und Paris studiert.

Sorgearbeit wird also weiblich konnotiert, damit sie abgewertet und folglich kostenlos verrichtet wird? Der Kapitalismus greift noch heute auf die binäre Geschlechterordnung zurück, um Frauen in den eigenen vier Wänden auszubeuten. Darum geht es im Kapitalismus: Profit zu erwirtschaften, der auf Ausbeutung basiert. Menschen lassen sich eher ausbeuten, wenn sie diskriminiert werden. Denn diese Menschen werden nicht gleichermassen rebellieren und von denen, die von ihnen profitieren, auch weiterhin als minder angesehen. Hier zeigt sich auch eine enge Verknüpfung zwischen Kapitalismus, Rassismus und Sexismus. Eine migrantische Frau ist leichter auszubeuten als ein weisser, heterosexueller und finanziell gut gestellter Mann.

Ihr Buch trägt den Titel «Zart und frei». Warum ist «Zartheit» oder das zärtliche Miteinander wichtig? Zart und solidarisch – so würden die Menschen miteinander umgehen, wenn sie frei wären. Zart im Sinne von achtsam, fürsorglich im zwischenmenschlichen Umgang. Solidarisch in Bezug auf alle. Zartheit und Solidarität stehen für ein Interesse aneinander und daran, dass es allen gut geht. Die Strukturen in den kapitalistischen Nationalstaaten und die Art und Weise, wie die Menschen in diesen Strukturen zu denken und zu handeln lernen, lassen dieses Interesse aber nicht zu. Zartheit und Solidarität stehen in meinen Augen für die Utopie und die Strategie zugleich.

In Ihrem Buch gehen Sie darauf ein, dass sich die Verknüpfung zwischen Kapitalismus und Patriarchat erst verstehen lässt, wenn der nationalstaatliche Rahmen mitberücksichtigt wird. Der Nationalstaat ist auf seine Grenzen angewiesen, weil er sein eigenes Volk und die kapitalistische Produktionsweise erhalten muss. Entsprechend ist dieses System Surprise 512/21

FOTO: ZVG

Gleichzeitig wird Sorgearbeit vom Kapitalismus vereinnahmt. In den letzten Jahren hat sich ein breites Angebot auf dem Markt etabliert. Care-Arbeit wird zum Investitionsfeld. Bei dieser Entwicklung stellt sich die Frage, wer sich diese Dienstleistungen überhaupt leisten kann. Und infolgedessen auch, welche Menschen vernachlässigt werden, wenn Care-Arbeit vollständig privatisiert werden würde.

Carolin Wiedemann: «Zart und frei. Vom Sturz des Patriarchats». Matthes & Seitz 2021.

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Fremde Freunde Grenzen Seit 47 Jahren ist Zypern geteilt, und eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht.

Zu tief ist das gegenseitige Misstrauen der Menschen. Nirgendwo ist das besser spürbar als im einzigen Dorf auf der Insel, wo griechische und türkische Zyprer*innen gemeinsam leben. TEXT UND FOTOS KLAUS PETRUS

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Wenn die Nacht hereinbricht in Pyla, einem kleinen Dorf im Südosten von Zypern, sieht Mustafa Kemal Atatürk ziemlich alt aus. Grelle Scheinwerfer beleuchten die Büste des Gründers der Republik Türkei von unten, und Schatten bilden sich auf seiner Stirn, unter den stechenden Augen, an den Wangen, dem breiten Kinn. Links von ihm zuckt an einer Stange müde der Halbmond auf der türkischen Fahne. Wer nach Pyla fährt – türkisch Pile –, muss hier vorbei, Büste und Flagge sind direkt an der Strasse vor der türkisch-zyprischen Schule. Dahinter befindet sich ein Sportplatz und, keine hundertfünfzig Meter von Atatürk entfernt, die griechisch-zyprische Schule. Auf dem Rasen zum Eingang der Schule steht eine orthodoxe Kirche in Miniatur, daneben eine Fahnenstange, die vermutlich auf den Zentimeter exakt so hoch ist wie die türkische. Daran hängt die blau-weisse griechische Flagge. Die zyprische Fahne, weiss mit der kupferfarbenen Silhouette der Insel über zwei gekreuzten Olivenzweigen, sucht man hier vergebens. Seit 47 Jahren ist Zypern geteilt. Damals, am 20. Juli 1974, besetzten türkische Streitkräfte den Norden der Insel, nachdem griechische Putschisten den Anschluss Zyperns an Griechenland erzwingen wollten. Dem Konflikt ging ein jahrzehntelanges Machtgerangel zwischen Griechenland, der Türkei und Grossbritannien voraus. Um einen Streit zwischen griechischen und türkischen Zyprer*innen zu verhindern, wurde 1964 die Friedensmission UN Peacekeeping Force in Cyprus (UNFICYP) geschaffen. Nach dem Krieg 1974 richtete sie eine Pufferzone ein, eine entmilitarisierte Waffenstillstandslinie, die den Norden der Insel vom Süden trennen sollte und schon kurz darauf entvölkert wurde.

Seit bald 50 Jahren das Symbol für den «eingefrorenen Konflikt» auf Zypern: der verlassene Flughafen in Nikosia.

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Verstoss gegen Menschenrechte Bis auf vier Orte, darunter Pyla. Das Dorf ist eines der ältesten auf Zypern, es liegt südöstlich im Distrikt Larnaka nahe der britischen Exklave Dhekelia am Mittelmeer. Und es ist der einzige «gemischte» Ort auf der Insel: 1200 griechische und 500 türkische Zyprer*innen leben hier Tür an Tür. Nicht wenige sehen im Dorf ein lebendiges Beispiel für ein künftiges, vereintes Zypern. Man lädt sich gegenseitig zu Hochzeiten ein, man geht an die Begräbnisse, und einmal im Jahr feiern Pylas Einwohner*innen gemeinsam auf dem Dorfplatz ein Fest. «Und doch, es ist eher ein Nebeneinander als ein Miteinander», sagt Simos Mytides, der griechisch-zyprische Bürgermeister von Pyla, Ende fünfzig, stattlich und besonnen. «Wir haben alles doppelt hier: zwei Schulen, zwei Bürgermeister, zwei Fussballclubs, zwei Kaffeehäuser, eine Kirche und eine Moschee. Sie finden das übertrieben? Ich meine, das ist gut so.» Mytides wirkt müde von dem Amt, das er seit fünfzehn Jahren bekleidet. An eine Lösung des Konflikts glaubt er nicht mehr. «Wir hatten unsere Chancen und haben sie alle vertan. Unsere Politiker*innen werden immer einen Grund finden, um Zyperns Vereinigung hinauszuzögern.» Mytides spricht offen aus, was viele hier denken. Der Konflikt sei der Politik ein willkommenes Mittel, um nationalistische Propaganda zu verbreiten oder Machtansprüche zu zementieren. Zuletzt als bekannt wurde, dass sich im östlichen Mittelmeer 1,8 Billionen Kubikmeter Erdgas befinden – mit einem Marktwert von 600 Milliarden Euro. Zypern könnte davon die Hälfte kassieren, das hochverschuldete Urlaubsland – seit 2004 EU-Mitglied – würde über Nacht eine Schatzinsel werden. Allerdings 17


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1 Auch die UN ist in Pyla präsent; am Dorf entlang führt eine «Pufferzone», die den Norden vom Süden trennt. 2 In den zahlreichen Kiosken und Shops kann man bis spät in die Nacht einkaufen – oder am Spielautomaten sein Glück versuchen. 3 Überreste eines Konfliktes, der weder verebbt noch ausbricht.

erhebt auch die Türkei Ansprüche auf die Gasvorkommen, was wiederum Griechenland auf den Plan gerufen und den Konflikt aufs Neuerliche angeheizt hat (siehe Box). Mytides hat einen weiteren Grund für seine Enttäuschung. 2015 reiste er im Auftrag seiner Gemeinde in die Hauptstadt Nikosia, in der Aktentasche ein Gesetz, darin steht geschrieben: Türk*innen aus dem Norden der Insel müssen im Süden keine Steuern bezahlen und auch keine Miete, keinen Strom, kein Wasser, keine Abfallgebühren. Das Gesetz wurde nach der Unabhängigkeit Zyperns 1960 erlassen, um türkische Zyprer*innen, immer schon arm, im Süden ein Leben zu ermöglichen. Seit 1974 leben dort aber kaum noch Zyperntürk*innen – ausser in Pyla, was Mytides ärgert. «Als das Gesetz in Kraft trat, hatte kaum jemand einen Fernseher, viele mussten sich mit Öllampen begnügen. Heute ist das anders: das Internet, die vielen Leuchter, eine Kli18

Streit um Erdgas Seit Anfang 2020 halten sich griechische und türkische Bohrschiffe südwestlich von Zypern auf, um sich Erdgasvorkommen in Milliardenwerten zu sichern. Das Seegebiet liegt zwischen Zypern und Ägypten in der «Ausschliesslichen Wirtschaftszone Zyperns». Da die Türkei die griechische Republik Zypern aber nicht anerkennt, weist sie deren Anspruch zurück und behauptet, das Seegebiet gehöre zum türkischen Festlandsockel. Inzwischen hat Griechenland zum «Schutze der Republik Zypern» seine militärische Präsenz im Mittelmeer erhöht. Der Streit steht stellvertretend für den ewigen Konflikt um Zypern. Selbst Expert*innen wissen nicht mehr genau, wie viele Friedensgespräche es seit der Unabhängigkeit Zyperns 1960 und der Zweiteilung der Insel 1974 bereits gegeben hat. KP

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Wir haben alles doppelt hier: zwei Schulen, zwei Bürgermeister, zwei Fussballclubs, zwei Kaffeehäuser, eine Kirche und eine Moschee.» SIMOS MY TIDES

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TÜRKISCHE REPUBLIK NORDZYPERN

Nikosia/ Lefkoşa Pyla/ Pile REPUBLIK ZYPERN

Grenzzone

maanlage in jedem Zimmer, eine Tiefkühltruhe in der Garage, die Sprinkleranlage im Garten. Die Türken verbrauchen den Strom und wir müssen ihn bezahlen.» Während die griechischen Zyprer*innen, sie machen fast 70 Prozent von Pyla aus, pro Jahr Strom im Wert von 300 000 Euro benötigen, kommen die restlichen 30 Prozent Zyperntürk*innen auf 1 Million Euro. So rechnete Mytides es dem Parlament vor, und er schloss seinen Antrag mit den Worten: «Dieses Gesetz ist ungerecht, es ist beleidigend und ein Verstoss gegen die Menschenrechte.» Neun Casinos im Dorf Nikosia ging auf Mytides’ Ansinnen nicht ein. Man wolle keinen Streit provozieren. Hat Pyla den Husten, so geht nämlich der Spruch, bekommt die ganze Insel einen Schnupfen. Mytides schüttelt seinen kantigen Kopf. «Nicht die Abschaffung des GeSurprise 512/21

setzes birgt Konfliktpotenzial, sondern das Gesetz selbst.» Wer sich frage, in welchen Häusern Griechen leben und wo die Türken, solle in der Nacht nach Pyla kommen. An der Strasse, wo Atatürk hell leuchtet, befinden sich ein Kiosk, ein Kleiderladen, ein Restaurant mit türkischen Spezialitäten, ein Supermarkt, ein Internetcafé, ein Nachtclub und, am Ende der Strasse, das «Caesars Palace», geöffnet 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag – eines von inzwischen neun Casinos in diesem Dorf mit nicht einmal 2000 Leuten. Die kleine Strasse gleicht einer Shopping Mall. Über den Läden hängen Leuchtreklamen, aus dem Innern schallt Musik, im Restaurant surrt die Klimaanlage. Mit den Spielsalons und Nachtclubs sei Geldwäscherei, Schmuggel, ja sogar Drogenund Menschenhandel in sein Dorf gekommen, sagt Mytides. Was dagegen tun? Er verwirft die Hände, zündet sich eine Zigarette an. «Solange es dieses Gesetz gibt, nichts.» 19


1 Vom türkischen Kaffeehaus ist es keinen Steinwurf zum «Makedonia», wo sich die griechischen Nationalisten treffen. 2 Die türkische Fahne neben einer Büste Atatürks; manchmal wird sie gestohlen, dann ist in Pile der Teufel los.

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Mytides’ Büro liegt am Dorfplatz und wird nur durch eine schmale Strasse von Pylas ältestem Warenhaus getrennt. Es gehört Eleni Paraskeva, geerbt hat sie den kleinen Supermarkt von ihrem Vater. «Gott sei Dank! Müsste ich Miete zahlen, ich könnte nicht überleben.» Schon so sei es fast unmöglich, mit den anderen mitzuhalten, klagt die 36-jährige Zyperngriechin. «Allein die Kühltruhen fürs Fleisch und Gemüse bringen mich fast um, ich zahle im Sommer 500 Euro pro Monat Strom, die türkischen Ladenbesitzer*innen dagegen keinen einzigen Cent.» Kein Wunder, sagt Paraskeva und stellt sich demonstrativ vor ein Kühlregal mit frischem Sellerie, Bohnen, Butter, Frischkäse, Joghurt und verpackten Würstchen, kein Wunder könnten die Türk*innen ihre Ware viel günstiger anbieten. Sie versteht, wenn die Leute sich über die hohen Preise bei ihr wundern. «Hätte ich nicht selbst ein Geschäft, ich würde wohl auch bei den Türk*innen einkaufen.» 20

Die 34-jährige Mutter zweier Kinder klingt weder verbittert noch redet sie im Zorn. Doch sie weiss auch, dass solche Ungerechtigkeiten im Nu alte Klischees an die Oberfläche spülen können, Feindbilder gar. «Plötzlich sieht man in den Türk*innen nur noch raffgierige, durchtriebene Profiteure. Oder sie in uns bloss sture Nationalist*innen.» Vorurteile seien auf der Insel inzwischen wieder weit verbreitet, was Paraskeva nicht wundert. Viele griechische Zyprer*innen seien noch nie im Norden gewesen, wie umgekehrt viele Zyperntürk*innen noch nie bei ihnen im Süden. «Es ist erschreckend, wie wenig wir voneinander wissen.» Dass aber auch Pyla keine Ausnahme macht, gibt ihr zu denken. Bis heute würden die Kinder in Pylas Schulen nur ihre jeweilige Sprache lernen und dazu ein wenig Englisch. «Wir wissen früh, wer auf der richtigen Seite steht und wer auf der anderen.» Tatsächlich beginnen viele Gespräche in Pyla damit, dass sich die Surprise 512/21


Später zuhause erzählt Sakallı bei einer Tasse Mokka von früher, er stützt sich auf seinen Stock, zeigt auf die militärischen Orden, die er mit Klebeband an die Wand gehängt hat. Sakallı war Oberst bei der TMT, darauf ist er bis heute stolz. Die türkische Widerstandsorganisation wurde 1958 gegründet, sie wollte die Teilung der Insel und verstand sich als Antwort auf die bewaffnete Untergrundorganisation EOKA, die gegen die Briten kämpfte und mit der nationalistischen Bewegung «Enosis» den Anschluss Zyperns an Griechenland forderte. Als im März 1959 die EOKA offiziell aufgelöst wurde, beruhigte sich vorübergehend die Lage. Im August 1960 war es so weit, es wurde die unabhängige Republik Zypern ausgerufen mit Griechenland, der Türkei und Grossbritannien als Garantiemächte für den Fall eines Konflikts.

«Heute winken wir einander zu, manchmal spielen wir eine Partie Karten.» AHME T SAK ALLI

Menschen als Freunde begegnen – und sie enden mit einem Misstrauen, das auch jetzt, bald fünfzig Jahre nach dem Krieg, noch immer da ist. Ahmet Sakallı, 86 Jahre alt, ist einer, der so redet: von Freunden, die einander fremd sind. Bis zu seiner Pensionierung war er zwanzig Jahre Muhtar, wie die türkische Seite ihren Bürgermeister von Pyla nennt. Sakallı ist eine Respektsperson geblieben. Täglich kommt er ins türkische Kaffeehaus am Dorfplatz, er setzt sich zu seinen Weggefährten, die ihre Plastikstühle alle paar Minuten verschieben, um der Sonne zu weichen, und trinkt Eistee aus der Dose. Man spricht wenig hier, man kennt sich gut. Vor zwei Jahren ist Sakallıs Frau verstorben, der alte Mann trauert bis heute. Seine vier Söhne und die eine Tochter leben im Norden oder im Ausland, jetzt schaut eine vietnamesische Haushälterin zu ihm, verständigen können die beiden sich kaum. Surprise 512/21

Vom Feind beschützt Wenn Sakallı unter dem Vordach seines Hauses sitzt oder eben zwei Gebäude weiter auf der Terrasse des türkischen Kaffeehauses, so ist er keinen Steinwurf von seinen ehemaligen Erzfeinden entfernt. Im «Makedonia» schräg gegenüber, einem weiss gestrichenen Restaurant mit blauen Vorhängen, treffen sich die alten Nationalisten, alles Männer, und spielen Karten. An den Wänden hängt ein Dutzend vergilbter Porträts, es blättert der Verputz ab: alles Helden der EOKA im Kampf gegen den Feind, wie sie hier sagen. Das oft verhandelte Modell eines Zypern mit zwei administrativ getrennten Landesteilen aber offenen Grenzen werden die Stammgäste des «Makedonia» ohne den Rückhalt Griechenlands nicht befürworten, solange im Norden der Insel 35 000 türkische Soldaten stationiert sind. Als der Krieg vorüber war, musste Sakallı mit seiner Truppe vor den griechischen Zyprern kapitulieren. Es war hier, mitten auf dem Dorfplatz von Pyla, wo sie im August 1974 ihre Waffen ablegten. Sakallı blieb unversehrt, musste sich aber noch Jahre danach vor fanatischen Zyperngriechen in Acht nehmen. Beschützt wurde er von griechischen Nationalisten im eigenen Dorf, am Ende sahen sie doch den Menschen, den Nachbarn in ihm. «Heute winken wir einander zu, von Terrasse zu Terrasse, und manchmal spielen wir zusammen eine Partie Karten.» Und doch trägt Sakallı seit jenen Tagen ein mulmiges Gefühl mit sich, als würde das Misstrauen von damals ein ganzes Leben dauern. «Ich bin froh, ist die türkische Armee noch immer hier», sagt der alte Mann und blinzelt zum Hügel hinauf, der sich hinter dem «Makedonia» erhebt. Dort steht ein Militärposten, die türkische Fahne flattert im Wind. Sakallı weiss, das Misstrauen nagt auf beiden Seiten. Viele Jahre munkelten die griechischen Nationalisten, er sei immer noch für den türkischen Geheimdienst tätig. Der ehemalige Oberst verwirft die Hände, als wolle er das Gerücht verscheuchen wie tausend lästige Fliegen. Doch sie werden wohl noch lange bleiben, die Mythen und Missverständnisse, denn irgendwie gibt es in Pyla immer Anlass dazu. So wurde unlängst eines Nachts die rote Fahne vor der türkischen Schule gestohlen. Die Bürgermeister Pylas setzten sich an einen Tisch, sogar ein Minister aus dem Norden reiste an, es hagelte auf beiden Seiten Vorwürfe, die UN musste vermitteln. Viel später, als der türkische Halbmond und Stern längst wieder neben Atatürks Büste flatterte, hiess es plötzlich, man habe bloss den Verdacht auf die Griech*innen lenken wollen. In Wahrheit seien es Türk*innen gewesen. Und so begann von neuem der Aufruhr in Pyla, dem kleinen Dorf im Südosten der Insel, wo griechische und türkische Zyprer*innen Tür an Tür leben. 21


«Theater ist ein Gespräch mit der Gesellschaft» Bühne Das sogar theater setzt auf die Macht des Wortes. Co-Leiterin

Ursina Greuel sagt, wieso Bühnensprache auch scheinbar fehlerhaft und mit Akzent gefärbt sein kann. Und auch muss. INTERVIEW DIANA FREI

Welche Rolle spielt das Quartier inhaltlich für Sie? Wir möchten die Themen aus dem Quartier aufnehmen und gleichzeitig ein Theater für das Quartier sein. Unser Leitsatz «Theater ist ein Gespräch mit der Gesellschaft» heisst ja auch, dass ein Theater nicht nur Kultur anbieten soll, die man bezahlen kann. In einem Gespräch müssen beide Seiten zu Wort kommen. Der Austausch zwischen Publikum und Theaterschaffenden gehört zur Aufführung dazu. Ich habe einmal ein Theaterstück zum schweizerischen Asylsystem gemacht, und da sagte der Kulturchef der betreffenden Stadt zu mir: ‹Weisst du, Ursina, du musst dich in deiner Arbeit mal entscheiden zwischen gesellschaftlichem Engagement und

künstlerischer Qualität.› Das fand ich krass, dass sogar jemand aus der Kulturförderung das als Widerspruch sieht. Das Theater kann und soll gesellschaftliche Themen transportieren und dazu Stellung beziehen und nicht einfach chic sein. Sie betonen, dass dieses «Gespräch mit der Gesellschaft» auch Zuhören bedeutet. Wie hört man zu als Theater? Wir sind im Austausch mit Organisationen aus dem Quartier und haben Themen bei Anwohner*innen gesammelt, mit ihnen das Gespräch gesucht und ihr Wissen abgeholt. Was ich aus Sicht des Publikums aber fast am wichtigsten finde: Wir sind am Abend der Vorstellung vor Ort und wir bieten immer wieder an, dass auch die Autor*innen

FOTOS: AYŞE YAVAŞ

Ursina Greuel, das sogar theater nennt sich «literarisches Theater». Wenn Sprache und Literatur im Zentrum stehen, kann es schnell elitär werden. Weshalb passiert das bei Ihnen nicht? Für uns ist es eher ein Theater, das mit literarischer Sprache spielen will. Sprache formen, mit Sprache gestalten – das ist für uns Literatur. Theater muss nach unserer Auffassung etwas mit dem Ort, wo es lokalisiert ist, zu tun haben. Der Zürcher Kreis 5 hat so eine durchmischte Anwohnerschaft – Menschen aus 78 verschiedenen Nationen sind hier ansässig –, das muss sich auch bei uns im Programm widerspiegeln, personell und sprachlich. Sprache, das sind ja auch Klänge, Fremdsprachen, gebrochene Sprachen.

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Man erwartet von Kulturinstitutionen Inklusion und Teilhabe, aber will dann, dass es irgendwie flankierend stattfindet und nichts mit der Kunst an sich zu tun haben soll? Ja, und zwar deshalb, weil es Zeit braucht. Zuhören braucht Zeit und Anwesenheit, und das lässt sich auch nicht schlanker und effizienter auslagern. Es gibt in Kulturinstitutionen auch Inklusion als Labelling. Das ist genau deswegen aufgekommen, weil man damit Gelder generieren kann. Ich finde das ganz unangenehm, weil man damit auch andere Biografien, andere Schicksale missbraucht fürs eigene Image. Man kann bei Produktionen und Institutionen, die mit Geflüchteten oder Beeinträchtigten arbeiten, die Integration für sich beanspruchen oder Minderheiten thematisieren, immer den Lackmustest machen, indem man fragt: Wer hat auf welcher Ebene wirklich etwas davon? Und wenn rauskommt, dass am Ende einfach der Regisseur gehypt wird und die Betreffenden kaum in irgendeiner Form wirklich profitiert haben, dann ist es für mich Labelling. Bei Ihnen stehen auch Figuren und Menschen mit sogenannter Migrantensprache auf der Bühne. Geht es dabei vor allem um Repräsentation? Oder was passiert auf der Bühne, wenn Figuren gebrochen Deutsch sprechen? Im Stück «Sodeli» hat der Pflegefachmann einen polnischen Akzent. Da geht es um Surprise 512/21

Integrative Theaterarbeit Das Projekt «sogar zäme» umfasst integrative Einzelprojekte, die den Spielplan begleiten: Im offenen Chor «sogar singen» arrangiert die Chorleiterin Sibylle Aeberli Songs aus den Herkunftsländern der sogar-Mitarbeitenden (Syrien, Tibet, Afghanistan, Guinea). Die Theaterbar wird von Kulturschaffenden und theaterinteressierten Migrant*innen aus dem Quartier geführt. Der Sprachtisch ist ein regelmässiger Stammtisch für Deutschlernende: Im Anschluss an eine Vorstellung wird niederschwellig über die Themen des Stücks geredet. Ein- bis zweimal jährlich wird ein Stück und die Diskussion dazu in Gebärdensprache übersetzt. Nächster Anlass: «Sodeli» am So, 7. Nov. mit Gespräch zwischen Autor Klaus Händl und Marcia Brunner, gehörloser Sozialpädagogin.

Repräsentation, und dazu kommt, dass in der Care-Arbeit viele Menschen aus Osteuropa arbeiten. Es bildet eine bestehende Realität ab. Aber in «Glück», einem Stück von Dragica Rajčić, ging es uns auch darum, den Text als literarische Sprache zu würdigen. Dragica Rajčić ist in Kroatien aufgewachsen und schreibt in einer migrantischen, scheinbar unperfekten Sprache. Es ist wichtig, dass man anerkennt, dass eine gebrochene Sprache nicht ein temporärer Zwischenzustand ist. Menschen, die als Erwachsene in ein anderes Land kommen, lernen die Landessprache in der Regel nie perfekt. Statt dass man also sagt: Naja, sie können halt noch nicht so gut Deutsch, müsste man anerkennen, dass das ihre Sprache ist, in der sie leben. Etliche Menschen sprechen sie, und in dieser Sprache gibt es auch Literatur. Das finde ich extrem wichtig. Es ist das Gegenteil davon, Sprache mit Akzent mit einem Defizit zu assoziieren. Bei «Glück» habe ich ein Paradebeispiel von unbewusstem Rassismus erlebt. Die Schauspielerin ist eine Schweizerin mit serbischen Eltern, spricht perfekt Baseldeutsch, Hochdeutsch und Serbisch. Sie hat dieses Stück in Dragicas Sprache gespielt, in ihrem Deutsch, mit Akzent. Da gab es eine Zuschauerin, die nachher zu mir kam und sagte, sie hätte kein Wort verstanden. Sie hat wahrgenommen: Hier ist eine Ausländerin – und in der Folge davon hat sie, als Einzige im Zuschauerraum, nur Bahnhof verstanden. Sie hat den künstlerischen Wert der Sprache gar nicht gesehen, nicht erkannt. In «Sodeli» geht es um eine ältere Frau, die ihren Pfleger sexuell begehrt, und nächstes Jahr zeigen Sie «en schöne buep seit adjö» von Martin Frank, der mit «De Fögi isch en Souhung» bekannt wurde,

einem radikalen Text über das Zürcher Schwulenmilieu. Das sind Tabubrüche, die bei Ihnen aber leise daherkommen. Aktivistische, plakative Praktiken, die einem im Theater sonst oft begegnen, findet man bei Ihnen nicht. Gerade diese beiden Produktionen sind für mich besonders feine, zarte Arbeiten. Wir sind ein ganz kleines Theater. Wenn wir uns da nun aktivistisch die Finger wund kratzen würden, müssten wir uns fragen, was wir damit bewirken können. Ich glaube, unsere Stärken sind die Arbeit mit Sprache und unser intimer Raum. Dass über Rhythmus, die Lautstärke, die Dynamik Bilder im Kopf entstehen können. Deswegen haben wir auch eine grosse Nähe zur Musik. Wir verbinden Sprache ja oft mit Musik. Es ist ein fliessender Übergang, Sprache ist auch Musik und Klang. «Sodeli», von Klaus Händl, Regie: Ursina Greuel, So, 7., Mi, 10., Do, 11., Sa, 13. Nov., jeweils 19 Uhr, Sa/So 17 Uhr. www.sogar.ch

FOTO: ZVG

da sind. Dass es Gespräche gibt nach Aufführungen. Dass man uns anquatschen kann. Dass man uns auch kritisieren kann. Und wenn wir mit Menschen aus anderen Ländern zusammenarbeiten, sei es an der Bar und nach und nach auch auf der Bühne, dann ist das etwas, das unser Theaterverständnis und unsere Sehgewohnheiten ruhig beeinflussen darf. Das ist ein Weg, bei dem man nicht sagt: Wir wissen, wie Kunst geht, und ihr dürft mitmachen, sondern wo man fragt: Wie könnte es aussehen, wenn wir es gemeinsam machen? Kulturförderstellen fordern immer wieder Teilhabe und Inklusion und verlangen, dass Kulturinstitutionen das irgendwie praktizieren. Und dann wird es delegiert, da gibt es Teilhabebeauftragte, Theaterpädagog*innen und so weiter. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass die Protagonist*innen der Kulturinstitution – seien es die Leitenden, die Personen auf der Bühne oder die Autor*innen – das selber leisten müssen.

Ursina Greuel ist Regisseurin und zusammen mit Tamaris Mayer Co-Leiterin des sogar theaters. Sie leitet die Theatergruppe «Matterhorn Produktionen», präsidierte den Schweizerischen Berufsverband der Theaterschaffenden und ist Mitherausgeberin der «edition spoken script» im Luzerner Verlag Der gesunde Menschenversand.

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Die grosse Leere nach der Zerstörung Fotografie Die Ausstellung «Dreaming the Forest» von

Victor Moriyama zeigt, wie der brasilianische Regenwald durch Brandrodung zu ödem Farmland gemacht wird. TEXT MONIKA BETTSCHEN

Seit mehreren Jahren dokumentiert der brasilianische Fotojournalist Victor Moriyama für die New York Times, Le Monde oder dem Spiegel soziale Konflikte, das Leben der indigenen Bevölkerung und die verheerenden Auswirkungen von Brandrodungen in Südamerika. Als sich im August 2019 der Himmel über São Paulo, Moriyamas Heimatstadt, mitten am Tag verfinsterte, flog er zusammen mit Greenpeace Brasilien in Richtung Amazonas, um dort, über 2000 Kilometer weit entfernt, die Ursache dafür visuell festzuhalten: heftige Waldbrände, deren Asche als gigantische schwarze Wolke bis zur Küste gezogen war. Victor Moriyamas Ausstellung «Dreaming the Forest» im Basler Kulturzentrum Brasilea, kuratiert von Kateryna Botanova und präsentiert vom Kulturfestival Culturescapes 24

2021 Amazonas, nimmt diese dramatischen Ereignisse zum Ausgangspunkt und macht durch Moriyamas Fotografien nachvollziehbar, wie der Regenwald ein Raub der Flammen wird, damit an seiner Stelle Monokulturen, Bergbau oder Weideland entstehen können. Der preisgekrönte Fotograf zeigt dafür nicht nur Bilder von brennenden Baumriesen, sondern geht einen entscheidenden Schritt weiter: Neben Fotografien von Bränden und aschgrauen Einöden gibt es auch solche vom Leben der Yanomami, einem indigenen Volk im Amazonas, und vom noch intakten Regenwald in all seiner Erhabenheit. Es ist dieser harte Kontrast zwischen lebendiger Natur und der Leere nach dem Akt der Zerstörung, der Betroffenheit auslöst. Und indem er auch das System sichtbar macht, das den grössSurprise 512/21


FOTO: VICTOR MORIYAMA

ten Regenwald der Welt und das Leben der Indigenen bedroht, verweist Victor Moriyama auf die Möglichkeiten, wie jeder einzelne Mensch Teil der Lösung werden könnte. So zeigt etwa eine Fotografie frisch abgezogene Rinderhäute, ein Nebenprodukt der Fleischindustrie, die an Haken aufgehängt werden. Neben dem Hunger nach billigem Fleisch gefährdet auch die Nachfrage nach preisgünstigen Lederprodukten den Amazonas. «Ich will die grossen Zusammenhänge zeigen und verdeutlichen, wie der Kapitalismus die Ausbeutung der Natur vorantreibt», sagt Victor Moriyama im Online-Gespräch. «Meine Fotografien sind Ausdruck von meinem visuellen Aktivismus, denn ich möchte ein Umdenken bewirken. Die Menschen sollen sich angesichts meiner Fotografien nicht ohnmächtig fühlen, sondern einen Anstoss erhalten, selber einen Beitrag zu leisten, um diesen Kreislauf der Zerstörung zu stoppen, etwa mit ihrem Konsumverhalten.» Um diesen Kreislauf zu verdeutlichen, zeigt die Ausstellung «Dreaming the Forest» eine grosse Auswahl von Moriyamas Fotografien, aber auch zwei Toninstallationen, in fünf Kapitel unterteilt, die fliessend ineinandergreifen: Hier die Yanomami-Kinder, die in einem Fluss spielen. Da mehrere Rinder, die vermutlich vor ihrer Schlachtung gewaschen werden. Hier eine Gruppe Yanomami, die ihre Haut mit traditioneller Bemalung verzieren. Da eine auf der Erde ausgebreitete Rinderhaut, deren Form an den Umriss des Amazonasgebietes erinnert. «Es geht mir bei solchen Aufnahmen darum, jenes Denken zu symbolisieren, aus dem die Ausbeutung der Regenwälder hervorgeht. Davi Kopenawa, ein Schamane und Anführer der Yanomami-Indigenen, den ich kennenlernen durfte, beschreibt das Denken der Weissen als leeren Geist, der Gewalt hervorbringt, besonders gegen Mutter Erde und damit auch gegen Frauen. Wenn man sich nun zum Beispiel die Bilder vom Ödland anschaut, das zurückbleibt, nachdem Bagger und Feuer gewaltsam in den Wald vorgedrungen sind, werden einem diese Zusammenhänge klar. Dieses Denken zieht sich durch unsere Gesellschaft hindurch. In Brasilien etwa ist Gewalt, gerade auch gegen Frauen, weit verbreitet», sagt Moriyama. Eine der Fotografien, die bei den Yanomami entstanden sind, zeigt das sanft lächelnde Gesicht eines Mannes, der mit geschlossenen Augen im Wasser liegt, so als würde er von längst vergangenen besseren Zeiten träumen. «Dreaming the Forest» ruft zum Handeln auf, damit der Amazonas nicht eines Tages zu einem Traumbild oder zu einer fernen Erinnerung an ein verlorenes Paradies verblasst.

«Dreaming the Forest» – Victor Moriyama, Fotoausstellung, Fr, 12. Nov. bis Mo, 28. Feb. 2022, Mi bis Fr, 14 bis 18 Uhr, Do bis 20 Uhr; Vernissage Do, 11. Nov., 19 Uhr in Anwesenheit von Victor Moriyama und Kateryna Botanova, Brasilea, Westquaistrasse 39, Basel. So, 14. Nov., 17 bis 18 Uhr Gespräch zwischen Moriyama und dem Basler Fotojournalisten Roland Schmid über Fotojournalismus und Aktivismus, und die Rolle der Ästhetik für die Sensibilisierung des Publikums. www.culturescapes.ch

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Notsignale des Regenwaldes Musik Das Chorstück «Espírito da floresta» macht hörbar, wie Bäume im Amazonas auf Umwelteinflüsse reagieren. Kann man den Klimawandel hören? Das Chorwerk «Espírito da floresta» beantwortet diese Frage mit einem klaren Ja. Der Schweizer Naturwissenschaftler und Komponist Marcus Maeder hat dafür Messdaten von CO2-Konzentrationen vertont, die er im Blattwerk, am Stamm und an der Wurzel eines Baumriesen im Amazonas erhoben hat. In der Komposition, die im November uraufgeführt wird, entsprechen diese drei Ebenen den drei Stimmlagen Sopran, Mezzosopran und Alt. Neun Sängerinnen des Vokalensembles larynx werden auf diese Weise hörbar machen, wie Bäume auf Umwelteinflüsse reagieren. «In den grossen Ökosystemen hat alles seinen Platz, und Bäume befinden sich in einem permanenten Austausch mit ihrer Umgebung. Sie absorbieren CO2 und geben gleichzeitig Sauerstoff und Feuchtigkeit ab», sagt Barbara Ellenberger, Gründerin des KlimaKontor Basel, das Kunstprojekte initiiert, die den Klimawandel (reflektieren), und die Maeder mit larynx vernetzt hat. «Bei Trockenheit verschliesst ein Baum die Poren seiner Blätter, und es beginnt ein Teufelskreis: Je trockener es wird, desto weniger CO2 kann ein Baum aufnehmen. Die Bäume in einem Regenwald können so das Klima, das für die Region üblich ist, nicht mehr herstellen – und es wird noch trockener.» Um den Klimawandel sinnlich erfahrbar zu machen, nutzt Maeder also die Sonifikation. So heisst die Methode der wissenschaftlichen Verklanglichung von Messdaten. «Wenn Daten in Töne umgewandelt werden, zeigt sich die innere Ordnung in einem Ökosystem. Wird nur schon ein Baum daraus entfernt, entsteht eine Disharmonie, wie wenn in einem Konzert ein falscher Ton gespielt würde. Auch wenn die CO2-Konzentration steigt, beeinflusst es die Klangwelt», sagt Ellenberger. MONIKA BETTSCHEN

«Espírito da floresta – Der Geist des Waldes», Chorkonzert von Marcus Maeder im Rahmen von Culturescapes 2021 Amazonas, Mi, 24. Nov., Christus Kirche Allschwil, Baslerstrasse 226, Allschwil; Do, 25. Nov., Kulturzentrum Don Bosco, Basel, jeweils 19 Uhr. www.klimakontor.ch

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BILD(1): NIKLAUS SPOERRI BILD(2): LAWRENCE GRIMM BILD(3): ANDREAS F. VOEGELIN, ANTIKENMUSEUM BASEL UND SAMMLUNG LUDWIG

Veranstaltungen

Bern «21st Century Skills», Theater, Do bis Sa, 18. bis 20. Nov., je 20.30 Uhr, Tojo Theater, Neubrückstr. 8. www.tojo.ch

Die Zürcher Theatergruppe kraut_produktion dröselt mit analoger Performance die digitale Revolution auf: Kaum hat das 21. Jahrhundert begonnen, schon wünscht man sich insgeheim einen Reset-Knopf, um die Gegenwart noch einmal nachverhandeln zu können. Das zivilisatorische Gesamtversagen droht. Dabei ist es ja nicht so, dass es uns Menschen an Innovationsgeist mangeln würde. Man optimiert sich selbst, erfindet hyperdynamische Programme, um persönliche Daten auszuwerten, und Social Media nutzt man als Abwasserkanäle für kollektive Emotionswallungen und um sich greifende Paranoia. Das Versprechen der Innovation war und ist riesig, die Ernüchterung bezüglich unserer Fähigkeit, etwas Sinn- und Gemeinsinnstiftendes daraus zu machen, ist es ebenso. Analysiert kraut_produktion. DIF Und macht auf der Bühne was Wildes draus.

Zürich «Love in the Air», Cartoon Mural, Forchstrasse 33 (nähe Kreuzplatz). Instagram @lawrence.grimm

Der australisch-deutsch-schweizerische Cartoonist Lawrence Grimm hat Zürich ein Stückchen anregender gemacht: Auf 200 Quadratmetern tummeln sich 37 Motive über Liebe, Sehnsucht, Hoffnung, Einsamkeit und wieder Liebe. Es handelt sich um ein zweiteiliges Werk mit «Maze of Love» auf der Fassade und «Tunnel of Love» im Passagenbereich des gleichen Hauses – dort

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mit 15 riesigen Single-Panel-Cartoons vom Wurm bis zum Universum. Grimm, 1978 geboren, studierte Film an der Zürcher Hochschule der Künste, gewann mehrere Kurzfilm-Preise und war mit seinem Diplomfilm Finalist der Studenten-Oscars. Die visuelle Narration verfolgte er dann in Cartoons und Illustrationen weiter. Mit schwarzer Tusche zeichnet er Momente des Lebens, der Liebe, der Einsamkeit und Wiederholung. Er zeichnet auch redaktionelle Cartoons, ist Mitherausgeber von Strapazin, dem ältesten deutschen Avantgarde-Comicmagazin, und arbeitet zurzeit an seinem Buchprojekt «Teatime for a Universe». DIF

Basel «Ich mag Salz», Ausstellungsreihe, «What really happens to Swallows in the Winter?» von Jan van Oordt, Sa, 6. Nov. bis So, 30. Jan., Artachment Art Space Basel, Hochbergerstrasse 160. www.artachment.com Künstler*innen sind das Salz in der Suppe. Die entscheidende Zutat in

der kulturellen Identität einer Gesellschaft (eine Suppe gäbe es ja auch ohne Salz, aber sie wäre doch arg fade). Die Ausstellungsreihe «Ich mag Salz» befasst sich deshalb mit der Frage, wie die Kunst und deren Autor*innen in der Gesellschaft wahrgenommen werden und inwiefern ein Bewusstsein für die Leistung von Künstler*innen vorhanden ist. Artachment Art Space Basel ist einer der kleinsten Ausstellungsräume in Basel und – zum Beispiel auf dem Herbstspaziergang – jederzeit zugänglich: Der Raum ist ein acht Quadratmeter kleines ehemaliges Zollhaus, das am Rande von Basel in Kleinhüningen direkt an der Grenze zu Deutschland und Frankreich liegt. 1944 war das Hafengebiet eine Sperrzone, das Häuschen diente als Überwachungszentrale. «What really happens to Swallows in the Winter?», fragt der 1980 geborene Basler Künstler Jan van Oordt hier nun mit seiner Arbeit über die Wintermonate. DIF

Helvetia. Eine Folge dauert zwischen 15 und 20 Minuten, Host ist die Kulturjournalistin, Moderatorin und Audioproduzentin Jennifer Khakshouri. DIF

Basel «tierisch! Tiere und Mischwesen in der Antike», Ausstellung, bis So, 19. Juni, Di bis So, 11 bis 17 Uhr, Do und Fr bis 22 Uhr. Sa/So Eintritt frei, ebenso Do/Fr ab 17 Uhr, Antikenmuseum, St. Alban-Graben 5. www.antikenmuseumbasel.ch

Online «Art meets …», Podcastserie in englischer Sprache, verfügbar auf Apple und Google Podcasts, Spotify und Deezer. Die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia lanciert einen Podcast am Schnittpunkt zwischen Kunst, Wissenschaft und Technologie. In «Art meets astronomy» erzählen der Künstler Rohini Devasher und der Astrofotograf Ajay Talwar – beide in Indien – von den verschiedenen Expeditionen, die sie gemeinsam erlebt haben, und von den Herausforderungen ihrer Zusammenarbeit im Feld. In «Art meets smell research» tauschen sich die Künstlerin Isabel Lewis und die Geruchsforscherin Sissel Tolaas über ihre langjährige Zusammenarbeit aus und erzählen, wie sie Gerüche in eine Performance einbauen. Und in «Art meets polar sciences» sprechen die Schweizer Autorin Sabine Harbeke und die Wissenschaftlerin Margit Schwikowski über die Herausforderungen der grossen Höhen und die Übertragung der Gletscherbohrergebnisse in ein Theaterstück: Sie arbeiteten im Rahmen des Programms PolARTS zusammen. Später folgen: «Art meets technology / environmental science / biohacking / robotics». Der englischsprachige Podcast in sieben Folgen richtet sich an ein internationales Publikum, die Gäste stammen aus den Regionen des globalen Netzwerks von Pro

Wilde Tiere, furchteinflössende Mischwesen – das hört sich im ersten Moment nach einem Fantasy-Roman an. Aber wir wissen: Die modernen Kreaturen wurzeln in Vorgänger*innen, die wir aus dem Geschichtsunterricht kennen, wie Kentaur, Greif, Sphinx oder Chimaira. Viele der hybriden Wesen haben ihren Ursprung im Vorderen Orient und in Ägypten. Und im antiken Griechenland sind sie Symbol für eine fremde, gefährliche und chaotische Welt, die sich gegen die Zivilisation behaupten muss. Also mal raus aus Harry Potter und rein ins Antikenmuseum. Hier gibt’s das alles auch, quasi in Echt. Obwohl wir nun Hoffnungen geweckt haben, müssen wir ehrlich sein: «Ist wie in Harry Potter!» zieht bei Kindern meistens doch nicht als Argument für einen Museumsbesuch. Wagen Sie es trotzdem. Auf dem Kinderparcours begleitet immerhin Mahan, der schöne Hirsch, durch die Ausstellung. DIF

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gehören. Der Uhrenhändler ist tatsächlich in den Ferien, möglicherweise gebucht im zweiten Reisebüro, das diversifiziert hat und auch Kaffee anbietet, der vor Ort getrunken werden kann. Ein Angebot, das rege genutzt wird. Auch Metzgereien gibt es gleich mehrere, eine davon bietet vegane Wurst an. Da Veganer*innen kaum Metzgereien betreten, richtet sich das Produkt wohl an Fleischesser*innen, die Besuch von Veganer*innen erwarten, Kinder oder Verwandte vielleicht, bei denen man nie weiss was auftischen. Endlich ist das Problem gelöst. Etwas unglücklich hingegen die Bezeichnung an einem Elektroscooter. Das Modell heisst Stalker.

Tour de Suisse

Pörtner in Muttenz Surprise-Standorte: Coop Zentrum Einwohner*innen: 17 942 Sozialhilfequote in Prozent: 1,4 Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 3,5 Besonderheit: Grösster Rangierbahnhof der Schweiz

Der Surprise-Verkäufer steht gleich am Eingang des Einkaufszentrums, daneben ist der Eingang zum Hotel Baslertor. Gegenüber ein Reisebüro, das Tor zur weiten Welt. Endlich darf man wieder reisen oder leider, je nach Ansicht zum Klimawandel. «Endlich Ferien» steht auf dem Plakat im Schaufenster. Reisen muss ja nicht gleichbedeutend sein mit Fliegen, wobei die angeschlagenen Angebote stets Flug und Hotel umfassen. Lappland wäre eine Möglichkeit oder auch Rhodos. Man könnte aber auch die im Sommer ins Wasser gefallenen Wanderungen nachholen. Allerdings braucht man dafür kein Reisebüro. Wie in den Ferien kann man auch hier draussen sitzen, eine Kundin hat eine kunstvolle Salatpyramide auf den kleinsten zur Auswahl stehenden Teller gehäuft. So etwas gelingt Surprise 512/21

nicht auf Anhieb, da stehen Wissen und Übung dahinter. Ein Mann mit einer Sackkarre geht zielstrebig auf den Laden zu und wird eine Weile später sechs Sechserpackungen Mineralwasser davonkarrend gesichtet. Um die Ecke beginnt die Einkaufsstrasse, die Hauptstrasse heisst. Auf der einen Seite lockt eine breite Fussgängerzone, beschattet von Pappeln, vereinzelt auch von Kastanienbäumen. Neben einem solchen befindet sich der Fair-TradeLaden, in dessen Schaufenster alles zum Thema Kastanien ausgestellt ist: Teigwaren, Mehl, Schokolade. Was fehlt, ist das Kastanienbier. An der Hauptstrasse gibt es mehrere Hörgerätgeschäfte, Bestattungsunternehmen und Barbiere, dazu Modeläden, die nicht zu internationalen Ketten

Die Hutmanufaktur erweist sich bei genauerem Hinsehen als Hautmanufaktur. Die Gebäude in diesem Abschnitt sind geradezu museal, altertümlich hübsch. Selten gewordene Geschäfte wie ein Mercerieladen oder ein Brauthaus halten die Stellung, und Moderna bezeichnet hier nicht einen Impfstoffhersteller, sondern eine Textilreinigung. Die Pharmaindustrie ist allerdings nicht weit, der Bus fährt nach Novartis. Muttenz liegt auch nicht in China, darum ist das Institut für Nachhilfeunterricht nicht geschlossen worden, es befindet sich in einer alten Scheune. Das Motto der lokalen Geschenkkarte, «Muttenz het’s», scheint nicht übertrieben. Sogar schröpfen lassen kann man sich. Am Ende der Hauptstrasse in der umfriedeten Kirche St. Arbogast finden Choraufnahmen statt, die gestört werden von einem Auto, das hupend vorbeifährt, und den Kirchenglocken, die man vergessen hat auszuschalten. Am Tor beginnt der «Weg der Hoffnung».

STEPHAN PÖRTNER

Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.

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IND 0.– S AB 50 ABEI! SIE D

Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist.

SURPLUS – DAS NOTWENDIGE EXTRA Das Programm

Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?

Wussten Sie, dass einige unserer Verkäufer*innen fast ausschliesslich vom Heftverkauf leben und keine Sozialleistungen vom Staat beziehen? Das fordert sehr viel Kraft, Selbstvertrauen sowie konstantes Engagement. Und es verdient besondere Förderung. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkäufer*innen zusätzliche Unterstützung. Sie sind mit Krankentaggeld und Ferien sozial abgesichert und erhalten ein Nahverkehrsabonnement. Bei Problemen im Alltag begleiten wir sie intensiv.

Eine von vielen Geschichten 01

spielraum.ch – Freiraumplanung für alle!

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Beat Hübscher, Schreiner, Zürich

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wag GmbH, www.wag-buelach.ch

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Martina Brassel – Graphic Design

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.flowScope gmbh.

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engler.design, Grafikdesign, Baden

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Sublevaris GmbH, Brigitte Sacchi, Birsfelden

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Coop Genossenschaft, Basel

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Beat Vogel, Fundraising-Datenbank, Zürich

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Omanut. Forum für jüdische Kunst & Kultur

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Arbeitssicherheit Zehnder, Zürich

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hervorragend.ch | Grusskartenshop

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Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur

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Irma Kohli, Sozialarbeiterin, Bern

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Anwaltskanzlei Fraefel, Zürich

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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tanjayoga.ch – Yoga in Lenzburg & Online

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Dipl. Steuerexperte Peter von Burg, Zürich

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TopPharm Apotheke Paradeplatz

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Gemeinnütziger Frauenverein Nidau

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Cantienica AG, Zürich

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Echtzeit Verlag, Basel

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AnyWeb AG, Zürich

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artune ag – Architektur und Kunst

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Caroline Walpen Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 53 I marketing@surprise.ngo

Lange bemühte sich Haimanot Mesfin um eine feste Arbeitsstelle in der Schweiz, doch mit einem F-Ausweis sind die Chancen klein. Sozialhilfe kam für sie nie in Frage – sie wollte stets selbstständig im Leben auskommen. Aus diesem Grund verkauft Haimanot Mesfin seit über zehn Jahren das Surprise Strassenmagazin am Bahnhof Bern. Dort steht sie bereits früh morgens und verkauft ihre Magazine. Das Begleitprogramm SurPlus unterstützt sie dabei mit einem ÖV-Abo sowie Ferienund Krankentaggelder. Dank der Begleitung auf dem Berner Surprise-Büro hat sie eine neue Wohnung gefunden. Nach langer Zeit in einer 1-Zimmer-Wohnung haben sie und ihr Sohn nun endlich etwas mehr Platz zu Hause.

Weitere SurPlus-Geschichten lesen sie unter: surprise.ngo/surplus

Unterstützen Sie das SurPlus-Programm mit einer nachhaltigen Spende Derzeit unterstützt Surprise 16 Verkäufer*innen des Strassenmagazins mit dem SurPlus-Programm. Ihre Geschichten stellen wir Ihnen hier abwechselnd vor. Mit einer Spende von 6000 Franken ermöglichen Sie einer Person, ein Jahr lang am SurPlus-Programm teilzunehmen.

Unterstützungsmöglichkeiten: · 1 Jahr: 6000 Franken · ½ Jahr: 3000 Franken · ¼ Jahr: 1500 Franken · 1 Monat: 500 Franken · oder mit einem Beitrag Ihrer Wahl.

Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 | Vermerk: SurPlus Oder Einzahlungsschein bestellen: T +41 61 564 90 90 info@surprise.ngo | surprise.ngo/spenden Herzlichen Dank!


Wir alle sind Surprise #510: Stadtansichten

#509: «Ein umfassendes Verständnis von

#509: Corona-Serie

«Mieten treiben Menschen in Existenznot»

Rassismus erlernen»

«Sehr lebensnah»

In der Stadt-Ausgabe Ihres Magazins fand ich das Interview mit Jacqueline Badran besonders interessant. Ihre Aussage: «Wohnen ist ein essenzielles Gut wie Wasser und Luft» – bringt es auf den Punkt. Und dass in der Schweiz die Mieten so teuer sind, treibt immer mehr Menschen mit tiefem Einkommen in Existenznot. Gut, dass es Politikerinnen gibt, die sich für bezahlbaren Wohnraum einsetzen. U. BRUN-HÄRRI, ohne Ort

«Unredlich» Es gibt viele Menschen, und dazu zähle ich mich, welche mit künstlich geschaffenen Sprachformen nicht einverstanden sind und welche manches, wie z.B. die weite Definition von Rassismus, kritisieren und nicht als geeignet ansehen, um Rassismus, Sexismus und Hass zu bekämpfen. Frau Mandy Abou Shoak will Wissenschaftlerin und Aktivistin sein. Das kann sie ohne weiteres sein, aber nicht zugleich. Wenn sie sagt, dass Globi erfunden wurde, «um kolonialistische Gewalt zu legitimieren», wird da etwas Unbestreitbares (stossende rassistische Stereotype bei Globi) mit einer diffamierenden und hetzerischen Phrase (Erfinder, Verleger, Zeichner und Texter würden sich mit Bestimmtheit dagegen wehren, dass sie Gewalt legitimieren wollten) aufgeladen, nur um Stimmung zu machen. Das ist unredlich, und damit instrumentalisiert sie ihr Prestige als Wissenschaftlerin für etwas, das alles andere als wissenschaftlich ist, und diese Phrase ist leider auch keine, die einen humanistischen Geist in Anspruch nehmen kann.

Ihr Magazin gehört zum festen Bestandteil unserer «Informationsbeschaffung». Auch lesen wir die Texte, so wie sie journalistisch gearbeitet sind, sehr gerne. In der Nr. 509 steigen Sie ins Thema Corona und Tod ein. Der Aufhänger für die Serie ist aus meiner Sicht unglücklich gewählt. Es bestärkt die in unserer Gesellschaft herrschende und sämtliche politischen Entscheide rechtfertigende Angstdynamik. Das C-Wort impliziert die omnipräsente Gefahr und Letalität, triggert unsere Angstgefühle. Vielleicht eher unbewusst bekräftigt und bestätigt die Verbindung von Corona und Tod (was ja neben vielen anderen todbringenden Ursachen auch eine realistische Tatsache ist und bleibt) einmal mehr damit das politische (aus meiner Sicht rigide, subtil manipulative) Vorgehen. Dabei sollten wir uns endlich damit entspannen und eben einen natürlichen Umgang damit finden. C. wird uns bleiben, ob mit oder ohne medizinische Intervention. Den Tod als Thema und anhand von Einzelfällen zu wählen, ist mutig, hat Tiefe und ist sehr lebensnah. Mit dem Text treffen Sie diese Qualitäten. Er hat mich berührt.

R. GASSER, ohne Ort

U. KELLER, Oberbipp

Impressum Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T  +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T  +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T  +41 61 564 90 90 M+41 79 797 94 10 anzeigen@surprise.ngo Redaktion Verantwortlich für diese Ausgabe: Sara Winter Sayilir (win) Klaus Petrus (kp), Diana Frei (dif) Reporter: Andres Eberhard (eba), Simon Jäggi (sim) T +41 61 564 90 70 F +41 61 564 90 99 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch

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Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Simon Berginz, Monika Bettschen, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Giulia Bernardi, Andreas Brandl, Julia Demierre, Matthias Gruber, Luigi Olivadoti, Hans Rhyner Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik Druck AVD Goldach Papier Holmen TRND 2.0, 70 g/m2, FSC®, ISO 14001, PEFC, EU Ecolabel, Reach

Ich möchte Surprise abonnieren 25 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.–) Verpackung und Versand bieten Strassenverkäufer*innen ein zusätzliches Einkommen Gönner-Abo für CHF 260.– Geschenkabonnement für: Vorname, Name

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Bitte heraustrennen und schicken an: Surprise, Münzgasse 16, CH-4051 Basel, info@surprise.ngo

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FOTO: ANDREAS BRANDL

Internationales Verkäufer*innen-Porträt

Zuhause in der Ferne Fragt man Ion Firescu nach dem Geruch seiner Kindheit, muss er nicht lange nachdenken. Der Duft von frischem Heu und schwerer Sommerhitze sei das für ihn, antwortet er, der Landmensch, der schon als Kind mit seinem Grossvater aufs Feld gefahren ist. Aufgewachsen sei er in einem kleinen Dorf in der Walachei, keine 25 Kilometer entfernt von der Stadt Pitești, wo die Dacia-Werke Autos für ganz Europa produzieren und die Armut trotzdem allgegenwärtig ist. Neugierig und wissbegierig sei er als schon Kind gewesen, erzählt Ion, und dass er gerne weiter in die Schule gegangen wäre. Stattdessen wurde er schon mit sechzehn Jahren arbeitslos. Die Aufnahmeprüfung für einen Betrieb in der Gegend habe er zwar beinahe mit Bestnoten geschafft, trotzdem reichte es am Ende nicht für einen der begehrten Arbeitsplätze. Und so suchte der junge Mann sein Glück bald in der Ferne, fuhr auf Baustellen, arbeitete schwarz und landete schliesslich in Salzburg. Seitdem existieren zwei Welten im Leben des Ion Firescu. Die eine ist das Dorf seiner Kindheit mit dem alten Bauernhof; dort leben seine drei Kinder, Sidonia, 14, Sagar, 11, und der einjährige Benjamin. Die andere Welt ist hier in Salzburg, wo Ion seit 2011 als Verkäufer für Apropos arbeitet. Verbunden sind diese beiden Welten durch ein altes Smartphone mit zerkratztem Display, auf dem Ion die Fotos seiner Kinder gespeichert hat. Man sieht es ihm nicht an, dem Mann mit den gepflegten Haaren und der sportlichen Trainingsjacke, dass er seine Nächte meist im Freien verbringt. Und dass er in all den Jahren nie ganz in Salzburg angekommen ist. Weil es einen Teufelskreis gibt, der von aussen schwer zu begreifen ist: ohne Job keine Wohnung, ohne Wohnung kein Meldezettel, ohne Meldezettel kein Job. Und weil es am Ende des Tages eine Rechnung ist, die aufgehen muss: Mit dem Geld, das er in Salzburg verdient, unterstützt Ion seine Kinder. Müsste er in Salzburg Miete, Strom und Gas bezahlen, bliebe am Monatsende zu wenig für sie übrig. Also schläft Ion meistens auf der Strasse, manchmal in der CaritasNotschlafstelle. Ab und zu würden ihn Stammkunden fragen, wie er es anstellt, selbst im Winter bei Minusgraden nicht krank zu werden. Alles eine Frage der Gewöhnung, sagt Ion dann und erzählt von Nächten, in denen die Polizei ihn alle zwei Stunden von seinem Schlafplatz vertreibt. Man hört von Ion kein schlechtes Wort über die Stadt, in der er nun seit über zehn Jahren lebt, ohne wirklich zuhause zu sein. Er ist gerne hier und bleibt immer genau so lange, bis wieder einmal genug Geld da ist für ein Busticket nach Hause, zu den Kindern und zu seiner Frau, die seit Benjamins Geburt in Rumänien geblieben ist und nun wohl auch bald wieder nach Salzburg kommen wird, um Zeitungen zu verkaufen. Die Kinder blieben dann bei der Tante, erzählt Ion. 30

Ion Firescu verkauft in Salzburg die Strassenzeitung Apropos und sehnt sich nach seinem Zuhause, das immer weiter wegrückt.

Auch das Zeitungverkaufen habe sich während der Pandemie verändert. Die Stammkund*innen, die so wichtig sind für einen Apropos-Verkäufer, blieben während des Lockdowns plötzlich aus, die Strassen leer. Fatal für einen, der davon lebt, dass Menschen zusammenkommen – nicht irgendwo im Internet, sondern im Gegenüber, im Gespräch, auf der Strasse. Eine Zeit lang sei dann gar nichts mehr gegangen. Also blieb Ion zum ersten Mal seit über zwanzig Jahren längere Zeit in Rumänien, fuhr zum ersten Mal nicht mit dem Bus nach Salzburg, sah zum ersten Mal eines der Kinder aufwachsen. Und musste am Ende doch wieder weg, weil die wirtschaftliche Not zu sehr drückte. Denn auch wenn er Pläne macht, bleibt es doch ein Leben von einem Tag auf den anderen. Wenn Ion könnte, würden ihn keine zehn Pferde von seinem Bauernhof wegbringen. Und doch weiss er, dass er noch eine ganze Weile nach Salzburg kommen wird.

Aufgezeichnet von MAT THIAS GRUBER Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Apropos / INSP.ngo

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Café Surprise – eine Tasse Solidarität Zwei bezahlen, eine spendieren. BETEILIGTE CAFÉS IN AARAU Rest. Schützenhaus, Aarenaustr. 1 | Rest. Sevilla, Kirchgasse 4 IN BASEL Bäckerei KULT, Riehentorstr. 18 & Elsässerstr. 43 | BackwarenOutlet, Güterstr. 120 | Bohemia, Dornacherstr. 255 | Elisabethen, Elisabethenstr. 14 | Flore, Klybeckstr. 5 | Haltestelle, Gempenstr. 5 | FAZ Gundeli, Dornacherstr. 192 | Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg | Quartiertreffpunkt Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 | Quartiertreffpunkt Lola, Lothringerstr. 63 | Les Gareçons to go, Bad. Bahnhof | L‘Ultimo Bacio, Güterstr. 199 | Manger & Boire, Gerbergasse 81 | Da Sonny, Vogesenstr. 96 | Didi Offensiv, Erasmusplatz 12 | Radius 39, Wielandplatz 8 | Café Spalentor, Missionstr. 1 | HausBAR Markthalle, Steinentorberg 20 | Tellplatz 3, Tellplatz 3 | Treffpunkt Breite, Zürcherstr. 149 | Wirth‘s Huus, Colmarerstr. 10 IN BERN Äss-Bar, Länggassstr. 26 & Marktgasse 19 | Burgunderbar, Speichergasse 15 | Generationenhaus, Bahnhofplatz 2 | Hallers brasserie, Hallerstr. 33 | Café Kairo, Dammweg 43 | MARTA, Kramgasse 8 | MondiaL, Eymattstr. 2b | Tscharni, Waldmannstr. 17a | Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 | LoLa, Lorrainestr. 23 | Luna Llena, Scheibenstr. 39 | Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 | Dreigänger, Waldeggstr. 27 | Löscher, Viktoriastr. 70 | Rest. Sous le Pont/Reitschule, Neubrückstr. 8 | Rösterei, Güterstr. 6 | Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 | Zentrum 44, Scheibenstr. 44 | Café Paulus, Freiestr. 20 | Becanto, Bethlehemstrasse 183 | Phil’s Coffee to go, Standstr. 34 IN BIEL Äss-Bar, Rue du Marché 27 | Treffpunkt Perron bleu, Bahnhofplatz 2d IN BURGDORF Specht, Hofstatt 5 IN DIETIKON Mis Kaffi, Bremgartnerstrasse 3a IN FRAUENFELD Be You Café, Lindenstr. 8 IN LENZBURG Chlistadt Kafi, Aavorstadt 40 | feines Kleines, Rathausgasse 18 IN LUZERN Jazzkantine zum Graben, Grabenstr. 8 | Meyer Kulturbeiz, Bundesplatz 3 | Blend Teehaus, Furrengasse 7 | Quai4-Markt, Baselstr. 66 & Alpenquai 4 | Rest. Quai4, Alpenquai 4 | Bistro Quai4, Sempacherstr. 10 | Pastarazzi, Hirschengraben 13 | Netzwerk Neubad, Bireggstr. 36 | Sommerbad Volière, Inseli Park | Rest. Brünig, Industriestr. 3 | Arlecchino, Habsburgerstr. 23 IN MÜNCHENBUCHSEE tuorina boutique & café, Bernstr. 2 IN MÜNCHENSTEIN Bücher- und Musikbörse, Emil-Frey-Str. 159 IN NIEDERDORF Märtkaffi am Fritigmärt IN OBERRIEDEN Strandbad Oberrieden, Seestr. 47 IN RAPPERSWIL Café good, Marktgasse 11 IN SCHAFFHAUSEN Kammgarn-Beiz, Baumgartenstr. 19 IN STEIN AM RHEIN Raum 18, Kaltenbacherstr. 18 IN ST. GALLEN S’Kafi, Langgasse 11 IN WIL Caritas Markt, obere Bahnhofstr. 27 IN WINTERTHUR Bistro Dimensione, Neustadtgasse 25 | Bistro Sein, Industriestr. 1 IN ZUG Podium 41, Chamerstr. 41 IN ZÜRICH Café Zähringer, Zähringerplatz 11 | Cevi Zürich, Sihlstr. 33 | das GLEIS, Zollstr. 121 | Quartiertreff Enge, Gablerstr. 20 | Flussbad Unterer Letten, Wasserwerkstr. 141 | jenseits im Viadukt, Viaduktstr. 65 | Kafi Freud, Schaffhauserstr. 118 | Kumo6, Bucheggplatz 4a | Sport Bar Cafeteria, Kanzleistr. 76 | Zum guten Heinrich Bistro, Birmensdorferstr. 431

Weitere Informationen: surprise.ngo/cafesurprise


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