Über Land und Stein

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DACH- UND BEHANGPLATTEN PRÄGEN DIE DORFBILDER

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ort, wo der im Sandstein enthaltene Glimmer in hohen Mengen auftritt und gleichmäßig parallel zur horizontalen Schichtung des Gesteins ausgerichtet ist, reihen sich die Steinbrüche dicht aneinander. Es ist eine Besonderheit dieser Region, dass der Sandstein nicht nur bankig als Mauerstein auftritt, sondern wie Schiefer zu Platten gespalten werden kann. Die Einlagerung des Glimmers bewirkt diese leichte Spaltbarkeit des Gesteins und erlaubt die Gewinnung von bis zu einen Zentimeter dünnen Platten. Der plattige Sandstein steht vor allem im ehemals braunschweigischen Teil des Sollings an. So im Hooptal am nördlichen Sollingrand. In beliebiger Größe entstanden Sandsteinplatten zur Dachdeckung, Behangplatten als Witterungsschutz zur Verschindelung von Hausfassaden und dickere sogenannte Dehlplatten als Fuß-

Die Löcher in den Sandsteinplatten wurden früher mit einem speziellen Hammer eingehauen. Heute werden oftmals elektrische Bohrmaschinen benutzt. Der erfahrene Dachdecker berichtet: „Auf der Dachdeckerschule wird man heute dumm angeguckt, wenn man wissen will, wie Solling-Sandsteinplatten gedeckt werden.“ Die Fotos zeigen eine Dacheindeckung im ehemaligen Kloster Corvey

bodenbelag in den Wohnhäusern oder Ställen. Zu rechteckigen oder quadratischen Platten — wegen der Gefahr des Auseinanderbrechens und eines zu großen Gewichts selten länger als 1,50 Meter — wurden die Steine verarbeitet. Verschiedene Holzrahmen gaben die Größe vor. Mit dem Reißeisen umfahren, entstanden Richtlinien auf dem Stein, der dann mit dem Hammer in die entsprechende Form geschlagen werden konnte. Die Bezeichnung dieser sogenannten „Plattenware“ war von der Stärke abhängig. Die „Leichensteine“ verdanken ihren Namen ihrer gewaltigen Dicke. Über zehn Zentimeter stark und kaum von einem Mann alleine zu bewältigen, wurden sie nicht nur für Grabplatten auf dem Friedhof verwendet, sondern sind beispielsweise auch im Innenhof des Schlosses Bevern als Fußbodenbelag zu finden. Immer noch fast zu schwer für einen Mann waren die „Dehlsteine“, die mit sechs bis sieben Zentimeter Stärke in den Viehställen und Dielen der Häuser verwendet worden sind. Die meist geschliffenen, drei bis fünf Zentimeter dicken „Legesteine“ wurden in den Wirtschaftsräumen, wie der Küche, der Speisekammer oder der Waschküche gelegt. Sie durften keine großen Fugen aufweisen, der Steinhauer arbeitete deshalb

BAUMATERIAL

noch zusätzlich exakte Kanten mit Hammer und Meißel. In vielen alten Häusern der Region finden Sie noch heute Dehloder Legesteine in Diele und Wohnräumen. Eine, ein altes Fachwerkhaus bewohnende, Frau berichtet, „dass sie die alten Sandsteinplatten als Kind immer schrubben mußte. Es war wahnsinnig schwer, sie sauber zu bekommen.“ Die schlechten Erinnerungen aus ihrer Kindheit und der kalte Boden veranlassten die Frau, die Platten gegen einen „modernen Fußboden“ zu tauschen. Sie werden jedoch nicht weggeworfen, sondern im Garten als Terrasse oder Gehweg verwendet.

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