[ gastkommentar ]
Fotos: www.acconsulting.co.at
Jetzt erst recht! „Echte“ Perspektiven für den Tourismus
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ie Corona-Pandemie hat die erfolgsverwöhnte Tourismusbranche und dabei viele Hotelbetriebe eiskalt erwischt, sie ziemlich ins Wanken und deren Betriebssicherheit in Gefahr gebracht. Viele sprechen von einer echten Krise, die uns zwingt, uns auf neue Gegebenheiten flexibel einzustellen. Im volks- und betriebswirtschaftlichen Kontext aber betrachtet sind Krisen wertvolle „Turbos für Veränderung“. Krisen haben den Charakter, die Karten neu zu mischen, auf dem grünen Tisch die Dinge neu zu ordnen, sich selbst und sein Tun kritisch zu hinterfragen und neue Türen zu öffnen. Deshalb eröffnen Krisen „echte Chancen, neue Perspektiven“ für sich, seinen Betrieb, seine Tourismusregion zu entdecken.
Christoph D. Albrecht, MBA, CMC, ist Geschäftsführer von AC Consulting in Tirol und hat viele Jahre Erfahrungen im nationalen und internationalen Tourismus- sowie Hotelleriebereich gesammelt. Albrecht ist Berater für Strategisches Management und begleitet Unternehmen, Institutionen und Verbände in allen strategischen Fragen für eine markenfokussierte Unternehmensführung. Seit mehr als 15 Jahren beschäftigt er sich mit der Zukunft, im Speziellen mit den Wertefeldern der Menschen und welche Auswirkungen diese konkret auf die Kaufentscheidungen haben. In seinem Buch „Tourismus 2025 – Fit für die Zukunft?“ beschreibt er den „hybriden Gast“ von morgen.
| Die gute Nachricht | Urlauben in den Alpen wird weiterhin höchste Begehrlichkeit bei den Gästen haben. Reisen löst ein zu intensives Verlangen bei den Menschen aus und das Produkt „Alpenurlaub“, Sommer wie Winter, ist zu attraktiv und alternativlos. Das Image der Alpenländer als Urlaubsdestination wird ungebrochen positiv sein. Auch, wenn beispielsweise Tirol immer wieder in Kritik im Zusammenhang mit dem Corona-Virus steht, wird das positive Image als Top-Urlaubsdestination langfristig aufrecht bleiben. Zu stark ist die Marke Tirol. Die Pandemie hat uns auf den Boden der Realität gebracht und zwingt uns sprichwörtlich sich neu zu „erden“. Es hat uns schlagartig und heftig in Erinnerung gerufen, was tatsächlich wichtig ist im Leben: Familie | Gesundheit | Heimat | Zusammenhalt | Achtsamkeit | Moral & Ethik | Neue Chancen für Tourismus, Hotellerie und Gastronomie | Diese Werte werden uns nicht nur im Privatleben nach der Corona-Pandemie, sondern auch im Tourismus, in der Hotellerie und Gastronomie noch deutlicher begegnen. Ob wir wollen oder nicht, werden sich viele Millionen Menschen aufgrund der Erfahrungen mit der Pandemie – und diese Erfahrungen sitzen sehr tief - verstärkt mit moralischen Fragen beschäftigen. Deshalb bin ich auch fest davon überzeugt, dass die beiden bereits existierenden Wertefelder „Native-ECO“ und „Inspiration/Achtsamkeit“, die ich in meinem Buch „Tourismus 2025 – Fit für die Zukunft?“ beschrieben habe, noch mehr an Relevanz gewinnen werden. Das bedeutet, die „bewusste „Diät“ vom Alltagsstress, die Flucht aus dem „Dauerrausch“ von Einflüssen, die Suche nach „erlebnisorientierter Inspiration“ zur aktiven Entschleunigung sowie der Sinn für Regionalität und umwelt- & klimaschonendes Urlauben werden zunehmen. Dafür liefern die Alpen die besten Möglichkeiten.
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| Zehn „echte“ Perspektiven neu zu handeln | In meinen Gedankenreisen rund um den „Tourismus mit und nach Corona“ bin ich sehr schnell abgebogen zu Fragen der Sinnhaftigkeit. Weshalb gibt es das Coro36
WellHotel
na-Virus? Welchen Sinn hat es und was verändert das Virus? Es ergibt natürlich keinen Sinn, dass so viele Menschen an den Folgen von Corona erkranken und sterben, dass Familien in wirtschaftliche Not geraten und dass die Existenz von so vielen Betrieben bedroht ist und diese möglicherweise aufgeben müssen. ABER, es macht sehr wohl Sinn, die Krise als DIE CHANCE zu sehen, Dinge in Veränderung zu bringen! Es macht Sinn, festgefahrene Verhaltensmuster und Geschäftsmodelle zu überdenken und behutsam und sinnvoll zu verändern. | Im touristischen Kontext kristallisieren sich zehn „echte“ Perspektiven heraus: | 1. Dass wir uns weniger mit „immer mehr“ und „Massenabfertigungen“ beschäftigen, sondern mit Qualität und mit Individuen und deren Bedürfnissen. 2. Dass wir die Infrastruktur der Alpen und unsere Kultur nicht nur bereitstellen, sondern sie den Menschen spannend und kreativ näherbringen. 3. Dass jeder einzelne Betrieb nachdenkt, viel mehr mit Stolz über den „eigenen WERT“ und den „Nutzen für den Gast“, als über die Menge und den PREIS zu verkaufen. 4. Dass wir alle erkennen, dass Klimaschutz nicht nur eine Initiative für ein gesünderes und nachhaltigeres Leben ist, sondern dass wir verstehen, dass die Klimaveränderungen negative Folgen auf touristische Saisonen haben und vermehrt Unkosten durch klimabedingte Naturkatastrophen entstehen. Dass wir erkennen, welche Chancen sich ergeben, Energiekosten zu senken und autark zu sein. Dass wir durch mehr heimische, regionale Produkte die Authentizität steigern, weniger umweltbelastend importieren müssen und wir durch die Formen und Angebote der Mobilität die Schadstoffe in der Luft verringern. 5. Dass Beherbergungs- und Gastrobetriebe ihre Geschäfts- und Ertragsmodelle deutlich mehr auf Profitabilität ausrichten sollten, um ihre wirtschaftliche Perspektive zu verbessern. 6. Dass wir für eine höhere lokale/regionale Wertschöpfung viel mehr heimische Netzwerke und Partnerschaften eingehen sollten, anstatt sich neidvoll abzugrenzen. 7. Dass Hoteliers das „echte“ Familienleben verstärkt in den Fokus stellen, um ihren Kindern (zukünftigen Nachfolgern) Perspektiven zu zeigen, wie es sein kann, Gastgeber und Familie perfekt unter einen Hut zu bringen. 8. Dass wir gut gemeinte, glorreiche Ideen in den touristischen Gemeinden nicht durch sinnloses Politisieren und Kräftemessen im Keim ersticken. 9. Dass wir jungen, gut ausgebildeten Menschen die beruflichen Perspektiven im Tourismus, in der Hotellerie und Gastronomie schmackhaft und begehrlich machen und sie nicht „ausbeuten“ und als „Mittel zum Zweck“ betrachten.