LIFEST YLE I SPORT I ABENTEUER I REISEN
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EDITORIAL Um die Fähigkeit, immer und überall ein Gleichgewicht zu finden, wird die Schweiz von der ganzen Welt beneidet. Der Wunsch nach Ausgeglichenheit ist tief in unserer Gesellschaft verankert. Aber wie können wir vermeiden, dass wir nicht zu Mittätern des globalen ökologischen Desasters werden? Dass uns nicht Schuldgefühle plagen, die meist eher steril als konstruktiv sind? Wann und wie können wir Teil des Wandels werden? Wie können wir unseren Alltag effizient anpassen, ohne ihn auf den Kopf zu stellen? Es geht nicht darum, unseren Mitmenschen mit erhobenem Zeigfinger unsere Überzeugungen aufzuzwingen, sondern realistische Ziele zu definieren und die Ärmel hochzukrempeln. Wo, wenn nicht in der Schweiz? Eine Studie aus dem Jahr 2017 setzte unser Land an die Spitze der 60 in Bezug auf den ökologischen Wandel am weitesten vorangeschrittenen Staaten. Dieser erste Platz ist gerechtfertigt. Überall entstehen zukunftsweisende Projekte: intelligente, computergesteuerte Ökobauten, rational betriebene Bio-Landwirtschaft, Permakultur und Hydroponie, Car Sharing, Abfallreduktion, Sanierung ehemaliger Industriestandorte – alles weitgehend technologiebasiert. Bei all diesen Themen geht die Schweiz mit gutem Beispiel voran. Gestern und Heute stehen nicht mehr im Widerspruch zueinander, im Gegenteil, sie ergänzen sich. In vielen Bereichen wird kollektiv und generationenübergreifend gehandelt. Die Ideen sind praxisbasiert und somit pragmatisch. Ein Jahr nach der Einführung des neuen Formats positioniert sich 30° Grad mehr denn je auf der positiven Seite des Lebens. Ohne die Moralapostel zu spielen und ohne Überheblichkeit zeigen wir mögliche Wege für eine nachhaltige Zukunft auf, vergessen dabei aber nicht, unsere Leserinnen und Leser zu überraschen. Auf den folgenden Seiten finden Sie daher Oasen der Unbeschwertheit und Ansätze für ein umweltverträgliches Leben. Der junge Dimitri Vogt spricht über seine Entscheidung, aus ökologischer Überzeugung auf die Olympischen Spiele in Tokio zu verzichten. Kilian Jornet schränkt seine Reisen aus den gleichen Gründen ein. Sport- und Outdoormarken investieren in Nachhaltigkeit. Und Franco Banfi, der im äussersten Osten Russlands getaucht ist, lernt uns, dass man nicht immer bekommt, was man will, aber dennoch nicht unbedingt leer ausgeht. Alles eine Frage der Sichtweise. Claude Hervé-Bazin — Stellvertretender Chefredaktor ©
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INHALT 8 20
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WEITWINKEL
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BERGE
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Stephan Siegrist: Erstbegehung für seine verstorbenen Freunde
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NEWS
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SPORT
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UHRENTRENDS UHREN
Uhrenmarken auf Umweltmission REISEN
Kaffeeland Kolumbien
Dimitri Vogt:
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NEWS
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DEKOTRENDS
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SPORTTRENDS
PORTFOLIO
Alex Strohl: Der Ruf des Nordens
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108 Ein Kletterer mit Prinzipien
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UMWELT
Sportmarken setzen auf Nachhaltigkeit
PORTRÄT
Anna Von Boetticher: Apnoetauchen unter Eisbergen
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ABENTEUER
Franco Banfi: Natur pur am Ochotskischen Meer
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HOTEL
Hüttenpalast: City-Glamping in Berlin ©
30° Magazin / Nr. 74
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IMPRESSUM
CHEFREDAKTOR
Christian Bugnon christian@30degres.swiss
WERBUNG SCHWEIZ (PRINT + DIGITAL)
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STELLVERTRETENDER CHEFREDAKTOR
Claude Hervé-Bazin claude@30degres.swiss REDAKTION
Daniel Bauchervez Christian Bugnon Nathalie Cobos Laurent Grabet Claude Hervé-Bazin Yannick Nardin
SEKRETA RIAT
Mélissa Hertzeisen melissa@30degres.swiss Anne-Laure Bugnon annelaure@30degres.swiss ABONNEMENTE FÜR DIE SCHWEIZ
FOTOGRAFEN
Erscheint im März, Mai, September und Dezember: 1 Jahr (4 Ausgaben für CHF 45.–, inkl. 2,5% MWST) 2 Jahre (8 Ausgaben für CHF 85.–, inkl. 2,5% MWST) info@30degres.swiss
Shawn van Eeden, Piotrek Deska, Brynjar Tvedt, Petr Polách, Alexander Wick, Nicolas Hojac, Tobias Friedrich, G.Arrieta, Daniel Hug, Marco Müller, Alex Strohl, Franco Banfi, Picture Organic Clothing, Aaron Lieber, Jean-Baptiste Chauvin, Charly Boillot, Laurent Ballesta, Tide Ocean, Jan Brockhaus
Erscheint im März, Mai, September und Dezember: 1 Jahr (4 Ausgaben für CHF 60.–) 2 Jahre (8 Ausgaben für CHF 113.–) info@30degres.swiss
ART DIRECTION & LAYOUT
District Creative Lab Sàrl www.district.swiss GRAFIK
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30° degrés magazine District Creative Lab sàrl Place de l'Hôtel de Ville 2 1110 Morges – Schweiz admin@30degres.swiss www.30degres.swiss Tel.: +41 21 312 41 41 Christian Bugnon owner/CEO christian@district.swiss
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Sie finden 30° an den Schweizer Kiosken, CHF 12.– pro Ausgabe
TITELBILD
© Alex Strohl COPYRIGHT 30° 2002-2020
Gemäss den Bestimmungen des Urheberrechts und des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb bedürfen der Nachdruck, die Vervielfältigung und die Kopie von Texten oder Inseraten sowie deren Verwendung auf optischen, elektronischen oder anderen Medien der vorherigen Zustimmung des Herausgebers. Die ganze oder teilweise Verwertung der Inserate durch Unberechtigte, namentlich im Internet, ist ausdrücklich verboten.
Im Fels verankert: Die vier energieautarken Künstlerresidenzen auf der Insel Fogo wurden vom kanadisch-norwegischen Architekten Todd Saunders entworfen.
Dieses Magazin wurde auf Papier aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern gedruckt. www.30degres.swiss #30degresmagazine #30degres
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8 Weitwinkel
Shawn van Eeden / Red Bull Illume — Windhoek, Namibia
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10 Weitwinkel
Piotrek Deska / Red Bull Illume — Ludvikov, Tschechische Republik
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12 Weitwinkel
Brynjar Tvedt / Red Bull Illume — Sogndal, Norwegen
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14 Weitwinkel
Alexander Wick / Red Bull Illume — Salathé Wall, El Capitan, Yosemite National Park, USA
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16 Weitwinkel
Petr Polách / Red Bull Illume — Höhle La Concha-Upstream, Yucatan, Mexiko
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STEPHAN SIEGRIST
ERSTBEGEHUNG FÜR SEINE VERSTORBENEN FREUNDE text Laurent Grabet
fotos Nicolas Hojac
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Märchenlandschaft: Wind und Kälte erzeugen auf den oberen Hängen der Andengipfel teilweise bizarre und anmutige Gebilde. ©
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Irreführend: Die Berge in Patagonien sind nicht sonderlich hoch, doch die Gletscher, Schneekuppen und schmalen Felskämme lassen sie wie Hochgebirge wirken.
Berge
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Ohne geht nichts: Das Eisgerät mit der steil geneigten Haue ist in diesem Eis- und Schneegelände unverzichtbar.
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Berge
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Der bekannte Schweizer Alpinist Stephan Siegrist hat diesen Winter seine 19. Expedition in Patagonien beendet. Zusammen mit zwei Landsmännern eröffnete er in der steilen Nordostwand des Cerro Cachet (2700 m) eine neue Route. Das Trio widmete die Erstbegehung den verstorbenen Bergsteigern Julian Zanker, David Lama und Ueli Steck.
«Ich lebe fürs Bergsteigen. Ich liebe den engen Kontakt mit den Elementen während der Gipfelbesteigung. Und ich mag es, wenn das Abenteuer bereits beim Aussteigen aus dem Flugzeug beginnt, wie das diesmal der Fall war.» Stephan Siegrist hegt auch mit 48 Jahren noch immer die gleiche Leidenschaft für die Berge. Sie hat sich im Lauf der Jahre, der Erfahrungen und mit dem Tod von Freunden zwar etwas gemässigt, ist aber tiefer geworden. Vom 3. November bis 15. Dezember 2019 unternahm der Berner Alpinist und Bergführer seine 19. Expedition in Patagonien. Höhepunkt des Abenteuers war die anspruchsvolle Erstbegehung der Nordostwand des Cerro Cachet (2700 m). WETTERKAPRIOLEN
Stephan Siegrist und seine Seilbrüder tauften die neue Route in Erinnerung an Ueli Steck (1976-2017), David Lama (1990-2019) und Julian Zanker (1990-2019) Homenaje a los amigos perdidos (Hommage an verlorene Freunde). Zanker, der im Februar 2019 bei einem Sturz in der Eigernordwand tödlich verunglückt ist, hätte eigentlich bei der Patagonien-Ex-
pedition mit dabei sein sollen. Siegrist und er hatten ihr Vorhaben anhand einer Fotografie, einigen Screenshots von Google Earth und spärlichen Informationen aus früheren Expeditionen in dieser Region geplant. Der Norden Patagoniens ist bei Bergsteigern noch relativ unbekannt. Es gebe keine genaue Geländekarte, was die Besteigungen noch abenteuerlicher mache, sagt Siegrist. Er wurde von zwei Landsmännern begleitet: dem Appenzeller und angehenden Bergführer Lukas Hinterberger (26) und dem Berner Nicolas Hojac (27). Beide hatten dem Expeditionsteam des Schweizer Alpen-Clubs (SAC) angehört und beide waren noch nie zuvor in Patagonien gewesen. «In Patagonien sind die Berge nicht sehr hoch, es braucht daher keine lange Akklimatisierungsphase», berichtet Hojac. «Dafür ist das Wetter extrem wechselhaft, was das Ganze kompliziert.» UNWIRTLICH UND DOCH MAGISCH
Ein Auge stets auf die Wetterprognosen gerichtet mussten die drei Männer geschlagene drei Wochen im sparta©
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Berge
Inschrift: Die drei Schweizer Bergsteiger haben sich auf diesem Felsen am Rande eines patagonischen Walds neben ihrem Basislager verewigt.
nischen Basislager ausharren, das sie eigenhändig an einem verlassenen Waldrand gebaut hatten. Es herrschte eine friedliche «Into the Wild»-Atmosphäre, auch wenn sich die Warterei ziemlich lange hinzog. «Wir haben die Zeit mit Lesen, Gitarrespielen und Schach totgeschlagen», erzählt Stephan Siegrist. «Als sich dann endlich ein Wetterfenster öffnete, sind wir sofort zum Cerro Lago (2799 m) aufgebrochen.» Ein gutes Warm-up! «Eigentlich glich dieser Ausflug eher einer anstrengenden Skitour mit einer kurzen Eiskletterpartie als einer Gipfelbegehung. » Die wirkliche Herausforderung aber stand erst noch bevor: der Cerro Cachet. Er war 1971 von einem neuseeländischen Team erstbegangen worden, allerdings über eine deutlich weniger schwierige Route. Die Schweizer wollten es über die Nordostwand versuchen. «Sie ist praktisch durchgehend senkrecht und erinnert an die Grandes Jorasses», beschreibt der Ringgenberger die Herausforderung. «Wir hatten vereinbart, sie zu dritt zu besteigen, denn in diesen abgelegenen Bergen, wo das Wetter abrupt umschlagen kann, ©
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erhöhen wir so bei einem Unfall die Überlebenschancen.» Um 7 Uhr morgens erreichten sie die ersten heiklen Stellen. Unter Zeitdruck und Adrenalin kletterten sie gleich weiter. Als erstes meisterten sie eine Schlucht mit eis- und schneebedecken Wänden. «Die Morgensonne spiegelte sich in den Kristallen und brachte sie zum Glitzern. Beim Anblick dieser magischen Kulisse hob sich unsere Stimmung nach so vielen Schlechtwettertagen mit einem Schlag», erinnert sich Siegrist. Gegen 10 Uhr standen die drei Bergsteiger auf dem Pass. Vor ihnen lag das eigentliche Meisterstück: eine 600 Meter hohe Gipfelwand, die senkrecht in einen strahlend blauen Himmel ragte. Niemand hatte sich jemals zuvor daran gewagt. VIEL ERFAHRUNG UND EIN SOLIDES NERVENKOSTÜM
Die ersten 80 Meter brachte das Trio schnell hinter sich. Das Eis war tückisch und brüchig. Stephan Siegrist: «Es war höchste Vorsicht gefragt. Ich musste den Granitfelsen freilegen, um eine gute Stelle für meine Eisgeräte zu finden. Echte
Sicherungen anzubringen war nahezu unmöglich. Wir mussten unsere ganze Erfahrung abrufen, um diesen Abschnitt zu bewältigen.» Einfacher wurde es danach aber auch nicht. Der darauffolgende Kamin erwies sich als ebenso knifflig. Mit kühlem Kopf übernahmen die drei abwechselnd den Lead. Sie wussten, dass der kleinste Fehler für alle böse enden könnte. Die schwierigsten Passagen seien bestimmt M7+, schätzten sie. Gegen Schluss wurde die Route einfacher. Nach letzten 120 Metern unkomplizierter Kletterei erreichten die Bergsteiger die Gipfelwechte. Wenig später, gegen 19 Uhr, fielen sie sich nach der zwölfstündigen Plackerei freudestrahlend in die Arme. Bevor es ans Abseilen ging, legten sie im Gedenken an Julian Zanker eine kleine Puppe am höchsten Punkt des Bergs ab, im Bewusstsein, dass «das Leben oft nur an einem seidenen Faden namens Glück hängt». www.stephan-siegrist.ch
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ANNA VON BOETTICHER
APNOETAUCHEN UNTER EISBERGEN text Laurent Grabet
fotos Tobias Friedrich
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Sicher ist sicher: Anna von Boetticher ist mehrmals eine gute Minute unter dieses Labyrinth aus Eisbergen und kleineren Eisblöcken getaucht. Sie wollte sich eine genügend grosse Sicherheitsmarge bewahren. Die deutsche Apnoetauchern kann nämlich über sechs Minuten die Luft anhalten!
Porträt
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Eiskaltes Vergnügen: Die Wassertemperatur betrug minus 3 Grad, die Aussentemperatur sogar minus 27 Grad. Anna von Boetticher hatte dennoch Spass.
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Wie in einer Blase: Vor dem Abtauchen sammelt sich die Münchnerin. Dabei spielt die Atmung eine wichtige Rolle.
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Atemlos unter einem Eisberg: Beim Tauchen sinkt Anna von Boettichers Herzfrequenz auf bis zu 30 bpm.
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Die 49-jährige Münchnerin hat erst spät zum Apnoetauchen gefunden. Letztes Jahr wagte sie sich in Grönland in einen zugefrorenen Fjord und erlebte dort einen ihrer schönsten und kältesten Tauchgänge. Orientierungshilfe: Durch dieses von unten gut erkennbare dreieckige Eisloch ist Anna von Boetticher in die Unterwasserwelt abgetaucht.
Anna von Boetticher kann über sechs Minuten die Luft anhalten. Sie war schon als Kind im Pool ihrer Eltern vom Tauchen fasziniert, kam aber dennoch erst mit 37 Jahren – und aus purem Zufall – zum Apnoetauchen. In nur zehn Jahren hat sich die ehemalige Buchhändlerin als eine der weltbesten Athletinnen dieses Hochrisikosports etabliert. Sie hält in sechs der acht Disziplinen (im Pool und im Meer) den deutschen Rekord und hat 33 deutsche Rekorde sowie einen Weltrekord aufgestellt. IHR EXTREMSTER TAUCHGANG
Letzten Mai erlebte die Münchnerin in Tasiilaq, einem Fjord an der Ostküste Grönlands, ihre schönsten und extremsten Tauchgänge. «Ich hatte nach dem Tod meiner Mutter fünf schwierige Monate hinter mir», erzählte die Extremsportlerin dem Sender Red Bull TV. Unter das ebenso bedrohliche wie traumhafte Labyrinth aus Eisbergen zu tauchen half ihr, den Schmerz zu verarbeiten. «Wie und weshalb ist schwer zu sagen. Während dieser Erfahrung war ich in einem anderen Bewusstseinszustand, der wenig mit rationalem Denken zu tun hat.» Apnoetauchen erfordert vor allem eins:
viel Selbstdisziplin. Nur wer topfit ist, kann den Sport ausüben. Dazu braucht es ständiges, hartes Training. Bei Anna ist das Streben nach immer neuen Bestleistungen und Erfahrungen aber weniger sportlich als spirituell begründet. Für sie bedeutet Tauchen, sich den Extremen der Natur zu stellen, ihre körperlichen und mentalen Grenzen auszuloten, indem sie sich in Sphären vorwagt, in denen sich die Zeit ausdehnt und der Tod nie weit ist. In Tasiilaq lag die Aussentemperatur bei minus 27 Grad, die Wassertemperatur bei minus 3 Grad. Das in den Fjord gesägte dreieckige Eisloch fror immer wieder zu und schloss Anna unter sich ein. Es muss ein beklemmendes Gefühl gewesen sein. Ihr Rezept: Eine Art Blase der Ruhe um sich schaffen und den Urinstinkt des Atmenwollens unterdrücken. In dieser «faszinierenden Welt aus Eis und Schatten» sank Annas Herzfrequenz auf unter 30 Schläge pro Minute (bpm). Der ganze Körper schaltete in den Überlebensmodus. MIT WENIGER ALS 30 BPM IM EISKALTEN WASSER
Unter der Eisdecke besteht die Gefahr, sich zu verirren, da Eisberge und Eisschol-
len die Sicht nach oben versperren. Und auf das sonst übliche Sicherungsseil muss verzichtet werden, da es im Eis festfrieren würde. «Einmal habe ich tatsächlich die Orientierung verloren», erzählt die Apnoetaucherin. «Alle Eisberge sehen gleich aus. In solchen Momenten ist es überlebenswichtig, nicht in Panik zu geraten. Man muss die Angst ablegen, um ruhig und schnell einen Ausweg zu finden.» Daher auch die Dreiecksform des Hauptlochs: «Die ist von unten gut erkennbar.» Zurück an der Oberfläche, im Trockenen und Warmen, sind die Angstmomente schnell vergessen. Dann stellt sich ein Glücksgefühl ein, das Anna nicht missen möchte und sie zu der Aussage veranlasst: «Ich werde tauchen, solange ich lebe.» www.annavonboetticher.com www.below-surface.com
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News
MIT DEM SURFBRETT ÜBER BERGHÄNGE One Board, Two Worlds… So heisst das jüngste Video des Snowboarders und vierfachen Weltmeisters Mathieu Crépel. Der 35-jährige Franzose aus den Pyrenäen hegt seit Langem einen verrückten Traum: Berge und Wellen mit dem gleichen Brett zu surfen. In seinem abgefahrenen Film zeigt er, dass dies tatsächlich möglich ist. Er nimmt uns mit auf die Tubes des Baskenlands und in die Berge seiner geliebten Pyrenäen. Obwohl die Marketingabsichten des Clips doch etwas offensichtlich sind, weckt er doch die Sehnsucht nach Meer und Bergen. Und darauf kommt es im Grunde auch an. www.mathieu-crepel.com
© G.Arrieta
MIT DEM 4X4 AUF 6694 METER ÜBER MEER
Noch nie zuvor hatte ein Fahrzeug einen Aufstieg in so grosse Höhen geschafft. Ende Dezember fuhr ein zehnköpfiges deutsches Team mit zwei hochgeländegängigen Mercedes Unimog bis auf 6694 Meter Höhe – 200 Meter unter den Gipfel des aktiven Vulkans Ojos de Salado (6893 m) über der Atacama-Wüste in Chile. Der Höhenrekord war aber nicht der eigentliche Zweck der Expedition. Das Team installierte in den Höhenlagern des Vulkans ein System aus vier Funkeinheiten, über die im Notfall Alarm geschlagen werden kann. Nachdem es in der Berghütte Amistad auf 6100 Metern die vierte Notfunkeinheit eingerichtet hat, machte sich das Team daran, den von einem alten Suzuki Samurai im Jahr 2007 aufgestellten Rekord von 6688 Metern zu brechen. 80 PROZENT DER AUSTRALISCHEN BLUE MOUNTAINS ABGEBRANNT
Die Zahl lässt erschaudern. Bei den katastrophalen Bränden in Australien wurden mehr als zehn Millionen Hektar Land zerstört – 2,5-mal die Fläche der Schweiz. In New South Wales sind die berühmten
Blue Mountains praktisch komplett abgebrannt. Das von den Einwohnern von Sydney rege genutzte Wander-, Kletter-, Canyoning- und Mountainbike-Gebiet steht aufgrund seiner Eukalyptuswälder und der vielen endemischen Tier- und Pflanzenarten seit 2000 auf der Liste des UNESCO-Welterbes. Nur wenige Sektoren konnten vor den Flammen gerettet werden. Im Skisportgebiet Selwyn legte die Feuerbrunst das gesamte Dorf in Schutt und Asche. www.bluemts.com.au ALPINISMUS IST IMMATERIELLES UNESCO-WELTKULTURERBE
Mitte Dezember hat die UNESCO den Alpinismus in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Sie umfasst mittlerweile über 500 Aktivitäten, darunter den Umgang mit Lawinengefahr. Dem von Chamonix (F), Courmayeur (I) und Orsières im Kanton Wallis unterstützten Antrag wurde in Rekordzeit stattgegeben. Die Kultur des Alpinismus stütze sich auf ethische Grundlagen im Zusammenhang mit der Schönheit der Routen und der Bewegung des Aufstiegs, urteilte das Komitee, und sie lasse ethische Prinzipien entstehen: den Einsatz aller, den
sparsamen Umgang mit den Mitteln, das richtige Abschätzen von Risiken und die Pflicht zur gegenseitigen Hilfe und Rettung zwischen den Praktizierenden. ich.unesco.org/en/RL/alpinism-01471 WINTEREXPEDITIONEN AUF DEN K2
Wem wird es als erstes gelingen, den K2 im Winter zu besteigen? Die Frage ist in aller Munde. Anfang Februar musste das achtköpfige internationale Team um Sherpa Mingma Gyalje aus Nepal das Handtuch werfen, da tiefer Schnee und stürmische Winde fünf ungenügend vorbereitete Mitglieder (darunter der Teamleader!) zum Aufgeben zwangen. Denis Urubko, der sich auf den Broad Peak konzentriert, wird wohl keine Zeit für einen Versuch haben. Und die polnische Seilschaft unter der Leitung von Adam Bielecki wird mit ihrer Winterexpedition auf den K2 bis zum nächsten Jahr warten, bereitet sich aber schon jetzt vor. Sozusagen als Hauptprobe will das Team den Batura Sar (7795 m) erstmals im Winter bezwingen. Der Gipfel befindet sich ebenfalls im Karakorum-Gebirge und ähnelt in vieler Hinsicht dem K2.
News
OVERTOURISM, OVERSKI, EIN WELTWEITES PROBLEM
Barcelona, Venedig und viele andere Reiseziele versinken im Massentourismus. Die Behörden versuchen den Besucheransturm mit verschiedenen Massnahmen einzudämmen oder sogar zu reduzieren. Overtourism ist weltweit zum Problem geworden. Cristal Mountain am Fuss des Mount Rainier (4392 m) bei Seattle im Nordwesten der USA hat radikal durchgegriffen. Das Skigebiet verkauft an den Wochenenden und in den Schulferien am Schalter keine Tageskarten mehr. Online können zwar noch Tageskarten erstanden werden, aber auch die sind zahlenmässig streng begrenzt. Crystal Mountain will mit dieser Massnahme den Andrang auf den Pisten regeln und gleichzeitig umweltfreundlicher werden. Fahrgemeinschaften mit mindestens vier Passagieren stehen daher neu 250 Parkplätze zur Verfügung. www.crystalmountainresort.com CO 2 -FUSSABDRUCK: KILIAN JORNET REDUZIERT SEINE REISEN
Ein starkes Zeichen! Der katalanische Extrembergläufer, der mit seiner Lebenspartnerin Emelie Forsberg in Norwegen
lebt, wird aus Umweltgründen seine Reisen einschränken. Er wolle seinen CO2-Fussabdruck reduzieren, indem er seine Reisen rationalisiere, möglichst wenig fliege, längere Aufenthalte plane und sich auf Expeditionen und Wettkämpfe konzentriere, die Sinn machen. Denn, so Jornet: «Ich will die Berge, die ich so liebe, weiter geniessen können und dazu beitragen, dass auch die künftigen Generationen diese Möglichkeit haben.» 2020 stehen daher nur die Pierre Menta und der Pikes Peak auf dem Programm. www.kilianjornet.cat ZWEI NEUE ROUTEN AM TENGI RAGI TAU
Im Spätherbst 2019 war der Tengi Ragi Tau Schauplatz eines Doppelerfolgs. Auf dem Nachbargipfel des Cho Oyu und des Everest, der 2002 kurz nach der Freigabe durch die nepalesische Regierung erstbestiegen wurde, konnten gleich zwei Teams hintereinander eine Premiere feiern: eine französische-schweizerische und eine amerikanische Seilschaft. Tino Villanueva und Alan Rousseau durchstiegen die Westwand und schafften damit die erste Begehung des Tengi Ragi Tau (6943 m) im alpinen Stil. Wenige Tage spä-
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ter eröffneten Silvan Schüpbach (CH) und Symon Welfringer (F) eine neue Route auf den bislang unbestiegenen Nordgipfel (6820 m) und tauften sie Trinité (M6). FRANZÖSISCHER JUBEL IM EISKLETTERN
Der erst 19-jährige Franzose Louna Ladevant konnte im Januar in Saas-Fee (VS) einen vielbeachteten Erfolg feiern. Er schlug an der letzten Station des Ice Climbing World Cups die praktisch unbesiegbaren Cracks aus Russland und Asien und sicherte sich mit diesem Sieg gleich auch den ersten französischen Europameistertitel der Geschichte. Louna Ladevant schaffte es im Final als einziger bis zum Top. «Ich war mir nicht bewusst, wie gut mein Run war, alles lief so flüssig und einfach. Erst, als ich mir die Videos ansah, realisierte ich, in welchem Flow ich war», meinte der frischgebackene Sieger.
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Erleben Sie Tokio 2020 im Olympischen Museum!
Vom 2.4. bis 1.11.2020
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News
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JOST KOBUSCH STÜRMT DEN AMOTSANG Der deutsche Bergsteiger hat sich warmgelaufen. Sozusagen als Generalprobe für seine bevorstehende Solo-Winterbesteigung des Everest ohne künstlichen Sauerstoff hat er den nicht ganz so hohen Amotsang (6393 m) am Nordhang des Annapurna-Massivs erstbegangen. Der Gipfel ist seit 2002 für Bergsteiger offen, aber aufgrund seiner Topografie nur schwer erreichbar, weshalb ihn bisher auch noch kein anderer Alpinist bezwungen hat. www.jostkobusch.com
© Daniel Hug
CÉDRIC LACHAT MIT ZWEI NEUEN 9A
Cédric Lachat ist höchst erfolgreich ins Jahr 2020 gestartet. Ende Januar kletterte der 35-jährige Jurassier in Oliana in den katalanischen Pyrenäen die Pachamama (9a+), deren 9b-Variante Mamichula er jetzt ebenfalls ins Auge fasst. Zwei Wochen später punktete er am gleichen Spot die schwierige Joe Mama, eine 9a+ Route aus über 40 Zügen. «Mit seinen grossen Extremrouten und den unzähligen 9a+, die er eine nach der anderen abhakt, ist Cédric Lachat einer der derzeit erfolgreichsten Profiklette-
rer», schrieben unsere Kollegen von der französischen Kletterzeitschrift Grimper. DER UTMB MIT MELDEREKORD
Der legendäre Ultra-Trail du Mont Blanc (UTMB) hat schon wieder einen Rekord geknackt. Mehr als 32 000 Personen wollten sich für die Ausgabe vom 24. bis 30. August 2020 anmelden, das sind 6000 mehr als 2019. Teilnehmen können schliesslich nur 10 000 Läuferinnen und Läufer aus 111 Nationen, darunter 224 Spitzenathletinnen und -athleten mit Elitestatus der International Trail Running
Association (ITRA). Seit 2008 begegnen die Organisatoren des UTMB dem grossen Andrang mit einem Punktesystem und einer Auslosung. Für die Königsstrecke, die über 170 Kilometer und 10 000 Höhenmeter durch Frankreich, Italien und die Schweiz führt, stand die Chance ausgelost zu werden, nicht einmal bei 1:6! www.utmbmontblanc.com
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30° Magazin / Nr. 74
DIMITRI VOGT
EIN KLETTERER MIT PRINZIPIEN text Laurent Grabet
foto Marco Müller
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30° Magazin / Nr. 74
Die Olympischen Spiele von Tokio rücken immer näher. Vor einem Jahr hat Dimitri Vogt zur allgemeinen Überraschung beschlossen, sich aus ökologischen Gründen aus dem OlympiaKletterpool zurückzuziehen. Der 22-jährige Berner hat uns bei sich in Worben (BE) empfangen, um uns seine Entscheidung zu erklären und mit uns über den Klettersport zu sprechen.
Vorherige Seite: Der Bieler Dimitri Vogt liebt das Felsklettern. Seine Entscheidung, auf Wettkämpfe zu verzichten, die er nicht mit dem Auto oder den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann, lässt ihm mehr Zeit für seine Lieblingsdisziplin.
Das grosse Teenager-Zimmer, in dem Dimitri Vogt an seiner Technik feilt und seine Muskeln stählt, sieht aus wie eine Kletterhalle. Rund 600 Griffe hat er im Lauf der Jahre und der Einnahmen an den fünf Meter hohen Wänden seiner 30-Quadratmeter-Bude angebracht. In einer Ecke, zwischen einem Haufen ausgelatschter Kletterschuhe und einem anderen mit Klettergurten, Hanteln und Expresssets, scheint sich ein Bücherregal verirrt zu haben. Darauf stehen fast nur Kletterführer sowie ein paar Bücher zu Geologie und Umweltschutz. Dimitri Vogt ist Mitglied der Elite-Nationalmannschaft von Swiss Climbing und Speed-Schweizermeister 2018. Er isst, schläft, träumt und atmet fürs Klettern. 20 bis 25 Stunden trainiert er pro Woche, an sechs von sieben Tagen – ganz freiwillig, denn er liebt, was er tut. Umso mehr überraschte sein Entschluss, auf die Olympischen Spiele in Tokio zu verzichten. Erstens ist dort seine Lieblingsdisziplin erstmals vertreten, zweitens war er Mitglied des exklusiven Olympia-Pools, dem nur fünf Schweizer Hoffnungsträger angehören. «Ich stehe voll und ganz hinter der Entscheidung», beteuert Dimitri.
Während er im Schneidersitz auf einem seiner vielen Crashpads sitzt und uns seine Beweggründe erläutert, bestreiten seine Teamkameraden von Swiss Climbing Wettkämpfe auf der ganzen Welt. SEINE WAHL VERSCHLIESST IHM TÜREN UND ÖFFNET IHM NEUE
Sein Talent, seine Leidenschaft und seine Arbeit hatten ihn bis nach Neukaledonien, China und in die USA gebracht. Dieses internationale Kapitel ist jetzt weitgehend geschlossen. Der junge Bieler fährt nur noch an Wettkämpfe, die mit dem Auto oder den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Er hat sich die schwierige Entscheidung reiflich überlegt: «Letztes Jahr habe ich begonnen, mich mit Umweltschutz und Klimawandel zu befassen. Ich habe viel darüber gelesen und an der Universität Bern, wo ich Geologie studiere, einen Kurs zur nachhaltigen Entwicklung besucht. Das hat mir die Augen geöffnet. Mir wurde klar, dass unsere westliche Lebensweise viel mit dem Klimawandel zu tun hat. Dass es uns materiell so gut geht, geschieht teilweise auf Kosten anderer Menschen. Wenn ich mit mir selbst ehrlich sein wollte, musste
Sport
ich an meinem Leben etwas ändern.» Dimitri will jedoch nicht als Moralapostel auftreten. «Mir ging es nur darum, mit mir im Reinen zu sein», erklärt er. Vor der Reaktion der Kletterkollegen und Trainer habe er sich etwas gefürchtet, sie hätten seinen Entschluss aber gut aufgenommen. Konsequenzen hat der Rückzug dennoch: Dimitri bleibt die Teilnahme am Spitzensportprogramm der Schweizer Armee verwehrt und er kann keine Profikarriere als Kletterer mehr anstreben. Im Olympia-Pool wurde der 22-Jährige nicht ersetzt, da kein anderer Athlet die Selektionskriterien erfüllt. Seine konsequente Haltung hat für ihn persönlich aber durchaus auch positive Konsequenzen: «Ich habe mehr Zeit für das, was ich am liebsten mache: Felsklettern! Letzten Frühling ging ein Kindheitstraum in Erfüllung: Mir ist die Rotpunktbegehung der Coup de Grâce gelungen!», frohlockt er. Die Route im Val Bavona (TI) ist seine zweite 9a nach der Cabane au Canada, die er mit 19 Jahren auf den Spuren seines Idols Adam Ondra aus Tschechien durchstiegen hat. Ihr Name steht zwischen zwei farbigen Griffen mit dickem schwarzem Filzstift auf Dimitris Wand –
neben Muir Wall, einer legendären, 1000 Meter hohen 8a+ im Yosemite-Nationalpark, die er im April 2017 zusammen mit Silvan Schüpbach gepunktet hat. FELSKLETTERN ALS OFFENBARUNG
«Als ich ernsthaft mit dem Klettern angefangen habe, wusste ich, dass der Wettkampfsport nur eine Zeit dauern, der Fels mich aber ein Leben lang begleiten würde», erzählt Dimitri. Er war sechs, als er im Rahmen eines Eltern-Kind-Kurses das erste Mal mit dem Sport in Berührung kam. Er habe sich lange davor gefürchtet, höher zu klettern als drei Meter, lacht er. Mit zehn Jahren nahm er das Training unter der Leitung von Robert Rehnelt auf. Mit vierzehn wurde er in die Nationalmannschaft aufgenommen und mit sechzehn Jahren bestritt er seine ersten internationalen Finals, «davor häufig gestresst und danach immer frustriert». Gleichzeitig schloss er sich der grossen Familie der Felskletterer an. «Einfache, offene, geradlinige und unkomplizierte Menschen, die dich sofort duzen, egal, wie gut du bist», beschreibt er die Gemeinschaft. Er entdeckte das Gefühl, «sich lebendig zu fühlen, im Hier und Jetzt zu
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leben, und die richtigen Griffe aneinanderzureihen, ohne an etwas anderes zu denken». Dieses Gefühl mache süchtig, sagt er. Bei den U20 liess es Dimitri locker angehen. Er sah den Wettkampfsport als Spiel, bei dem man sich stetig verbessern kann, und wagte mehr. Die Strategie ging auf. Er gewann einen Europacup, wurde an der EM Zweiter und an der WM Dritter. Nach der bestandenen Sportmatura ermutigten ihn seine Eltern und «Hauptsponsoren» weiterzumachen, übten aber keinen Druck aus. Dimitri will nicht auf Teufel komm raus vom Klettern leben. Hat er Zukunftspläne? Er sehe sich in zehn Jahren eher in einer sinnvollen Tätigkeit als Geologe, «zum Beispiel in der Schiefergasförderung oder in der Gewinnung von Erdöl und Erdgas». Bis dahin will er vor allem einige bekannte Big Walls klettern, die an der Wand seines Boulderzimmers stehen. Und er träumt davon, zusammen mit Freunden einen langen Climbtrip durch Europa zu unternehmen, bei dem er seine ökologischen Überzeugungen mit seiner Liebe zum Klettern vereinbaren kann.
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AUF INS ABENTEUER! Auch wenn die Erde keine Ecken hat, durchforscht sie 30° trotzdem bis in den hintersten Winkel. Wir machen vor nichts Halt, steigen auf die höchsten Gipfel des Himalaja und tauchen in die tiefsten Meere. Wir besuchen paradiesische Strände, aber auch unwirtliche Regionen – Hauptsache, das Abenteuer winkt! Und Sie, wann brechen Sie auf? Ob nach Thailand oder ins Waadtland, es gibt immer einen guten Grund, die Koffer zu packen. Ob Sie leicht oder praktisch, urban oder offroad reisen, sich selbst oder jemandem eine Freude machen möchten, 30° denkt an seine von Fernweh geplagten Leserinnen und Leser.
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P O R T F O L I O
DER RUF DES NORDENS
ALEX STROHL
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Wintereinbruch: Die Ufer der Fjorde im Jostedalsbreen-Nationalpark, in dem sich der grösste Gletscher des europäischen Festlands befindet, erwachen an einem Herbstmorgen unter einer feinen Schneeschicht. ©
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Balanceakt: Die schmale Kanin-Berghütte in den Julischen Alpen an der italienischslowenischen Grenze ist oben am Berghang mit dicken Stahlseilen verankert.
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Berühmte Felsplattform: Im Südwesten Norwegens schwebt der Preikestolen alias Pulpit Rock («Kanzel») 604 Meter über dem Lysefjord.
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Winterfest: Wapiti und Moschusochse sind, jeder auf seine Weise, für das kalte Klima in Kanada und Alaska gewappnet.
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Balsam: Der Winter hat sich wie ein Leichentuch über dieses abgebrannte Torfmoor im Yellowstone-Nationalpark gelegt.
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Festgefroren: Im Winter umschliesst das Packeis die roten Felsen der Magdalenen-Inseln im Golf des Sankt-Lorenz-Stroms (Québec).
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Kanadischer Charme: Erwachen an einem Wintermorgen auf den Magdalenen-Inseln
Inspirierend: Künstlerresidenz auf der Insel Fogo vor Neufundland
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Im Fels verankert: Die vier energieautarken Künstlerresidenzen auf der Insel Fogo wurden vom kanadisch-norwegischen Architekten Todd Saunders entworfen.
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Schön retro: Durch Norwegen am Steuer eines alten Volvo ... what else?
Im Sattel 1: Morgendlicher Ausritt in der Cordillera Huáyhuash in Peru
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Im Sattel 2: Akrobatischer Ride auf der Moräne des Knik-Gletschers nahe Anchorage
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Nördlichste Strasse der Welt: Der Dempster Highway endet am Nordpolarmeer.
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Schneetreiben: Wintersturm in den SitkaFichtenwäldern des Hurricane Ridge im Olympic-Nationalpark im Nordwesten der USA (Bundesstaat Washington)
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Endlose Weiten: Faszinierende Einsamkeit entlang des Dempster Highway
Spirit Island vor den mächtigen Rocky Mountains: Die wohl bekannteste Ansicht des Jasper-Nationalparks in Alberta, Kanada
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Portfolio
Alex Strohl hat aus Zufall zur Fotografie gefunden. Das Schicksal hat dem gebürtigen Franzosen einen wunderbaren Beruf beschert: Er bereist die Welt und hält seine Eindrücke in ausdrucksstarken Bildern fest. Einen Ort mag er besonders: den US-Bundesstaat Montana, wo er heute lebt und wo schon sein Vater oft unterwegs war. Seine Wahlheimat, das Flathead Valley, nutzt er als Rückzugsort in unserer hektischen Welt. interview Claude Hervé-Bazin
fotos Alex Strohl
IST DIE FOTOGRAFIE FÜR SIE EIN BERUF ODER EINE LEIDENSCHAFT?
Ich hatte eigentlich nie vor, Fotograf zu werden. Als Kind bastelte ich Computer und fing an zu fotografieren, weil ich Bilder für Photoshop brauchte. Später lud ich viele Fotos auf Flickr hoch. Wir wohnten damals an einem entlegenen Ort in der Ardèche. Ich ging oft im Wald spazieren, fotografierte wie wild und bearbeitete die Aufnahmen dann am PC. Nach der obligatorischen Schulzeit studierte ich Grafikdesign. Die Fotografie war für mich erst nur ein Hobby. 2012 gründete ich nach einem einem Umzug nach Vancouver zusammen mit Maurice Li die Fotografen-Agentur Stay and Wander. In meiner Freizeit bereiste ich die Westküste Kanadas und postete jeden Tag Bilder auf Instagram. Dort bekam ich immer mehr Follower. Maurice meinte, ich solle mein Portfolio auf die Website der Agentur stellen. So landete ich beruflich hinter der Kamera! WIE LAUTET IHRE LEBENSPHILOSOPHIE?
Ich mag das einfache Leben und bin überzeugt, dass wir unser Schicksal beeinflussen können. Wenn wir etwas wirklich wollen, können wir gezielt darauf hinarbeiten und uns dem Ziel nähern. Und ich glaube fest dran, dass alles, was geschieht, einen Grund hat. Wichtig ist,
wie wir mit dem Ereignis umgehen. 2019 führte ich das ganze Jahr ein Tagebuch. Dabei wurde mir klar, dass ich von Grund auf glücklich bin. Ich versuche, jeden Tag zu leben, als sei es der letzte, und mich vor nichts zu fürchten. WIE ERKLÄREN SIE SICH IHREN ERFOLG IM WEB? LIEGT ES AM HUMOR, AM OPTIMISMUS ODER DARAN, DASS SIE VOR ALLEM ABGESCHIEDENE, UNBERÜHRTE ORTE FOTOGRAFIEREN?
Ich bin 2011 auf Instagram aufgesprungen, als es noch in den Kinderschuhen steckte. Das erklärt schon vieles. Dann denke ich auch, dass mein Wunsch nach neuen Erfahrungen ansteckend wirkt und die Leute vor dem Bildschirm Lust bekommen, mich auf meinen Reisen zu begleiten, wohin ich gehe. Ich bin mit Leib und Seele bei der Sache und wenn jemand so ehrlich und begeistert ist, verspüren viele den Wunsch, ihn nachzuahmen. MAL GANZ EHRLICH: GIBT ES AUF UNSEREM PLANETEN WIRKLICH NOCH GEHEIME ORTE?
Ja sicher! Man bräuchte hundert Leben, um sie alle zu besichtigen. Geheime Orte, die nur von ganz wenigen Menschen betreten wurden, gibt es 30 Minuten von meinem Zuhause in Montana entfernt. Der Nordwesten der USA ist in
dieser Hinsicht aufgrund seiner riesigen Flächen und der geringen Bevölkerungsdichte einzigartig. Die Gebiete hinter der kanadischen Grenze sind noch zehnmal dünner besiedelt. Yukon, Alaska, Nunavut, Grönland und Sibirien sind voller fantastischer Flecken, an denen man sich leicht verirren kann. WELCHE REGIONEN MÖGEN SIE AM LIEBSTEN?
Alle, wo Meer und Berge aufeinandertreffen, wie beispielsweise Norwegen, Alaska und Patagonien. Ich ertappe mich dabei, dass ich zunehmend Orte suche, die «weit weg sind von der Welt», wie einige Täler im Kaukasus. WESHALB SOLLTE MAN SICH HIN UND WIEDER VERIRREN?
Sich aus der Komfortzone wagen, in Regionen, über die kaum etwas bekannt ist, sehe ich als die ultimative Freiheit. Danach strebe ich. Ich will die Freiheit haben, mich verirren zu können. Dazu muss ich nicht 8000 Kilometer von meinem Zuhause weg sein, man kann sich auch in seiner eigenen Region verirren. Ich bin 45 Minuten von Madrid entfernt aufgewachsen und habe mich jedes Wochenende zum Biken in einsame Gegenden aufgemacht. Glauben Sie mir, davon gab es viele!
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Playground: Im mittleren Osten des US-Bundesstaats Utah toben sich Rider aller Art aus. Hier in Swing Arm City am Rande des Capital-Reef-Nationalparks
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Allein auf weiter Flur: Durchatmen in einem norwegischen Wald
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WAS SIND IHRE LIEBLINGSSUJETS?
In den letzten acht Jahren stand die Interaktion zwischen Mensch und Natur im Fokus. Wenn ich wählen müsste, würde ich mich vermutlich für die Natur entscheiden, aber der Mensch hat bei meiner Arbeit ebenfalls einen grossen Stellenwert, weil er eine Verbindung zwischen dem Bild und dem Betrachter herstellt. Auch wenn nicht auf allen meinen Bildern Menschen zu sehen sind, so deute ich ihre Anwesenheit doch gerne an, zum Beispiel, indem ich eine halb erleuchtete Berghütte in der Nacht zeige. WIE HALTEN SIE ES MIT SCHWARZWEISS-AUFNAHMEN?
Ich bin ein unverbesserlicher Optimist, für mich ist das Leben ein einziges Leuchten. Farben und Lichtverhältnisse haben in meinem Empfinden daher eine grosse Bedeutung. Schwarz-Weiss-Aufnahmen finde ich zu wenig lebendig. Ausserdem muss man für solche Bilder meistens bei extremem Licht arbeiten, denn sie werden durch starke Kontraste zum Leben erweckt. Ich fotografiere lieber im warmen, sanften Abendlicht. WELCHE AUFNAHME WAR FÜR SIE DIE BISHER SCHWIERIGSTE?
Ich habe glücklicherweise ein sehr selektives Gedächtnis und vergesse schwierige Momente recht schnell. Das hilft mir, nach
einer komplizierten Fotosession sofort wieder loszulegen. Aber gerade letzte Woche habe ich etwas Verrücktes erlebt. Ich arbeitete im Auftrag eines nordamerikanischen Telefonanbieters. Das völlig abstruse Konzept bestand darin, nachts einen Berghang während eines Wintersturms zu beleuchten. Vor dieser irrealen Kulisse sollte ein Skifahrer in einem einzigen Versuch über einen schneebedeckten Baum springen und ihn leicht mit den Ski berühren, um Schnee aufzuwirbeln. Wir haben im eiskalten Wind nahezu eine Stunde damit verbracht, sechs Spots zu platzieren. Dann habe ich mich hinter der Kamera in Position gebracht und wir haben heruntergezählt. Zu unserer Überraschung lief alles genau nach Plan und der Skifahrer landete auf den Füssen! ENTHALTEN IHRE BILDER EINE BOTSCHAFT?
Ich denke gerne darüber nach, wie sie auf andere wirken könnten. Welche Empfindungen werden sie hervorrufen? Ich mag es, den Betrachter in das Erlebte hineinzuziehen, damit er es nachempfinden kann. Das weckt in mir die Lust weiterzumachen. WELCHES MATERIAL VERWENDEN SIE?
Neben meinen diversen Canon-Kameras bin ich ein Fan von Drohnen. Damit las-
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sen sich viele Bilder aufnehmen, für die man sonst einen Helikopter brauchen würde, aber ohne vergleichbare Kosten und ohne CO2-Ausstoss. Das wasserdichte Gehäuse hat mein Wirkungsfeld ebenfalls vergrössert. Meine Lebenspartnerin liebt das Meer und das Surfen. Ich hingegen nicht. Wenn wir nach Mexiko fuhren, überlegte ich stets, was ich dort wohl fotografieren könnte. Dann entdeckte ich das wasserdichte Gehäuse, das mir die Tür zur Unterwasserwelt öffnete. Ich frage mich, warum ich nicht schon früher auf die Idee gekommen bin, schliesslich gehören Wasser und die Farbe Blau zu meinen Arbeitsthemen. WIE ARBEITEN SIE? VERTRAUEN SIE AUF DAS GLÜCK ODER PLANEN SIE ALLES IM DETAIL , ABHÄNGIG VON JAHRESZEIT, LICHT UND MÖGLICHKEITEN?
Meine Arbeitsweise ist eine Mischung von beidem. Ich nenne es «Glück planen». Wenn man die Wetterverhältnisse kennt und genau weiss, wohin man geht, kann man auf einen grossen Glückstreffer hoffen, wie zum Beispiel Sonnenstrahlen, die abends durch tiefhängende Wolken dringen, einen schönen Morgendunst oder Tau, der frühmorgens auf den Blättern liegt. Je mehr man solche Fakten verinnerlicht, desto mehr kann man sich auf sein Bauchgefühl verlassen und ohne ©
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Alex Strohl in Island. Er mag Kälte, den Hohen Norden und die unberührte Natur.
Vorbereitung, einfach aus einer Laune heraus mit nur wenigen Informationen sein Glück versuchen. SPORT HAT BEI IHREN ABENTEUERN UND AUF IHREN BILDERN EINEN GROSSEN STELLENWERT.
Mein Pech oder mein Glück ist es, dass ich zu viele Ideen und zu viel Energie habe. Ich bin etwas hyperaktiv. Wenn ich mich körperlich verausgabe, spüre ich die Natur viel intensiver. Im Überlebensmodus ist es allerdings schwierig, die Energie kreativ zu nutzen. Also versuche ich, die goldene Mitte zu finden. WELCHE ROLLE SPIELEN DIE BERGE IN IHREM LEBEN UND BEI IHRER ARBEIT?
Ich bin am Fuss der Berge geboren und liebe es, sie jeden Tag zu sehen. Sie geben mir Energie. Ich fürchte und respektiere die Berge und habe das Gefühl, dass sie sich zunehmend verschliessen und uns abweisen, je näher wir ihnen kommen, sehe das aber als Herausforderung. WIE WICHTIG IST IHNEN UMWELTSCHUTZ?
Ich denke viel darüber nach. Unsere Generation ist voller Widersprüche. Ich kaufe zum Beispiel Zahnbürsten aus Holz, bestelle aber gleichzeitig auf Ama-
zon. Genauso fahre ich mit dem Velo ins Studio, bin aber jeden Monat mit dem Flugzeug unterwegs. Je mehr ich mich damit beschäftige, desto frustrierter bin ich, denn eigentlich wäre die einzige Möglichkeit, alles richtig zu machen, als Einsiedler zu leben, sein eigenes Gemüse anzupflanzen und sich nur noch mit dem Velo fortzubewegen. Nur wenige Menschen können so leben. Daher denke ich, dass wir alle unser Bestes geben, andere für das Thema sensibilisieren, aber nicht den Moralapostel spielen und bei anderen Schuldgefühle wecken sollten. Ich inspiriere die Leute lieber zu kleinen Schritten, denn das ermutigt sie, sich grössere Ziele zu setzen und Einstellungen zu überdenken. Ökologisch verhält sich niemand mustergültig und wir sollten alle vor unserer eigenen Haustür kehren. WIE IST IHR BUCH ALTERNATIVE LIVING ENTSTANDEN?
Für Alternative Living bin ich auf Menschen zugegangen, die beschlossen haben, am Rand der Gesellschaft zu leben, sich in einen Wald oder mitten ins Nirgendwo zurückzuziehen. Ich beneide sie ganz offen darum und hoffe immer, dass ich der Person begegne, die mich überzeugt, es ihr gleichzutun. WELCHE BEZIEHUNG HABEN SIE
ZUR SCHWEIZ?
Würde ich nicht in den USA leben, dann in der Schweiz. Das Land mit seinen schwindelerregenden Gipfeln gefällt mir extrem gut. Seit 2014 verbringe ich mindestens zwei Wochen im Jahr in der Schweiz und das wird sich auch nicht so schnell ändern. Meistens bin ich auf kleinen Strassen unterwegs, mache in Bergdörfern Halt und trinke Wasser aus dem Brunnen. Da ich nie in der Schweiz gelebt habe, neige ich dazu, sie zu idealisieren, aber das ist ok. Ich sehe sie als Land mit tiefen Tälern, das stolz auf seine Regionen ist. WAS SIND IHRE ZUKUNFTSPLÄNE?
Dieses Jahr werden meine Lebenspartnerin und ich Japan und dann Chile von Norden nach Süden durchqueren. Ich bereite eine Filmserie über die beiden Reisen vor, um allen, die etwas Ähnliches planen, zu zeigen, wie wir vorgehen. Es wird ein grossartiges Jahr! www.alexstrohl.com
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FRANCO BANFI
NATUR PUR AM OCHOTSKISCHEN MEER text Laurent Grabet
fotos Franco Banfi
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Einzigartig wie Fingerabdrücke: Die imposanten und doch anmutigen Grönlandwale sind an ihrer einmaligen weissen Zeichnung am Kopf erkennbar. ©
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Das Ochotskische Meer im äussersten Osten Russlands ist jedes Jahr nur für kurze Zeit nicht zugefroren. Franco Banfi nutzte das Wetterfenster, um in seine Tiefen abzusteigen. Der bekannte Tessiner Fotograf, Taucher und Abenteurer wollte sich auf die Suche nach Grönlandwalen machen. Mitgebracht hat er schliesslich viel mehr.
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Vorsichtig: Der Tessiner hat sich den Grönlandwalen mit dem Paddleboard genähert, um sie nicht zu erschrecken.
Franco Banfi... diesen Namen kennen die Leserinnen und Leser von 30°. Im Lauf der Jahre haben sich die faszinierenden Aufnahmen des Tauchers und Fotografen in ihre Köpfe und ihre Herzen gebrannt. Der 61-jährige Tessiner zählt zu den besten Unterwasserfotografen der Welt und wurde bereits vielfach ausgezeichnet, unter anderem als «Wildlife Photographer of the Year». Er ist schon auf den Bahamas mit Hammerhaien, in Sri Lanka mit Blauwalen, im Hohen Norden mit Belugas, in Norwegen mit Walrossen und in den trüben Gewässern des Amazonas sogar mit einer furchterregenden Anaconda geschwommen. Und er hat sich in Grönland unter gigantischen Eisbergen treiben lassen. Immer bereit für eine neue Herausforderung machte sich Franco Banfi im vergangenen August auf zum Ochotskischen Meer, jener fast ganzjährig zugefrorenen Eisfläche zwischen der langgezogenen Kamtschatka-Halbinsel und den Kurilen.
Er wollte am Tor zur Arktis mit Grönlandwalen auf Tuchfühlung gehen und sie aus nächster Nähe fotografieren. Mit dem Flugzeug reisten Franco und sein Team zunächst in die russische Stadt Chabarowsk, rund 30 Kilometer von der Grenze zur chinesischen Mandschurei. Danach fuhren sie 800 Kilometer mit einem Kleinbus nach Komsomolsk am Amur. Von dort ging es mit dem Geländewagen durch die Taiga und schliesslich mit einem Boot zur Wrangel-Bucht, wo sie für die nächsten zehn Tage ihr Zelt an einem Strand aufschlugen. Zivilisation war weit und breit keine zu sehen. VORSICHTIGES HERANTASTEN MIT DEM PADDLEBOARD
Würde es Franco gelingen, sich den Grönlandwalen zu nähern? Die Kolosse sind 18 Meter lang und können bis zu 100 Tonnen schwer werden. Mehr Gewicht bringen nur die Blauwale auf die Waage. Und ihre Lebenserwartung ist mit 200 Jahren ©
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Das Ochotskische Meer ist Heimat vieler Raubvögel wie der Riesenseeadler.
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die höchste aller Säugetiere. Grönlandwale haben keine Finne, dafür eine unverkennbare weisse Zeichnung am Unterkiefer, die bei jedem Wal anders aussieht. Zudem singen sie fünf Monate lang ununterbrochen und können bis zu einem Meter dicke Eisschichten mit einem einzigen Kopfschlag durchbrechen. Für einen Tierfotografen ist ein solches Wesen ein Geschenk. Geduld und eine sorgfältige Vorbereitung sind das A und O jedes Tierfotografen. Garantie, dass die Fotos gelingen, gibt es aber auch dann nicht. Schliesslich ist die Natur unberechenbar. Franco Banfi musste das am eigenen Leib erfahren. Es war ihm nur ein einziges Mal vergönnt, einen dieser gigantischen Meeressäuger aus der Nähe zu betrachten. «Wir haben uns mit einem Paddleboard langsam zu einer Gruppe Wale herangeschlichen, um sie nicht zu erschrecken. Als wir nahe genug waren, sind wir abgetaucht. Leider war die Sicht so schlecht, dass wir die Tiere nur einmal zu Gesicht bekamen», bedauert der Tessiner. Er war umso frustrierter, als er und die anderen Expeditionsteilnehmer nachts im Zelt hören konnten, wie die Wale regelmässig an die Oberfläche kamen. Für ihn, der sehr emotional reagiert, wenn ihn ein wildes Tier nah an sich heranlässt, war diese Erfahrung eine grosse Enttäuschung. ZEHN TAGE ALLEIN IN DER WILDNIS
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Osten Russlands zu erkunden. Im Sommer sind die Temperaturen relativ mild und das sonst praktisch das ganz Jahr hindurch zugefrorene Ochotskische Meer erreicht Temperaturen von 8 bis 12° C. In dieser etwas weniger kalten Zeit blüht das Leben. Der Wald – einer der weltweit grössten, der vom Mensch noch nicht erschlossen wurde – ist dicht und üppig. Er bietet Lebensraum für Luchse, Wölfe, Rentiere, Hirsche, Elche und Bären. In den Flüssen tummeln sich Lachse, die zum Laichen gekommen sind. Sie sind nicht nur ein gefundenes Fressen für die Raubtiere, sondern auch für das Team, das sich mehr als einmal sattgegessen hat. Beeindruckt waren die Expeditionsteilnehmer auch vom unglaublichen Vogelreichtum in der Region. «Auf einigen Inseln wie auf Talan verdunkelt sich der Himmel, wenn sich die riesigen Schopfalkschwärme in die Luft erheben», erzählt Franco Banfi mit unverhohlener Begeisterung. Das Ochotskische Meer ist zudem als Heimat einer der weltweit grössten Konzentrationen von Riesenseeadlern bekannt. Auf dieser Welt gebe es für neugierige, abenteuerlustige und aufgeschlossene Reisende noch viel zu entdecken, befindet der Fotograf. «Die Region des Ochotskischen Meers gehört definitiv dazu!» www.wildlifephototours.ch www.banfi.ch
Wenn nicht im Wasser, dann eben an Land! Mit dieser Einstellung machte sich Franco Banfi daran, die ungemein vielfältige Tier- und Pflanzenwelt im äussersten ©
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Kalifornien, endlose Roadtrips, Meeresgiganten und andere aussergewöhnlichen Abenteuer: Die Redaktion präsentiert Ihnen ihre aktuellen Lieblingsbilder aus Instragram.
@mayaaharrison #surf Swami's Beach, Kalifornien
@_marcelsiebert #fantasticearth Jurassic Coast, GB
@avi_photography #purenewzealand Lindis Pass, NZ
@mountainbubba #vanlifeexplorers Redwood (NP), CA
@sebastienclosuit #eyesneverlie Schweiz
@mscherle #climbing Niagara Glen, Kanada
@14_mount_8000 #iceclimbing Himalaja
@hannes_becker #gameofthrones Nordirland
@travisburkephotography #freediving Derawan-Inseln, Indonesien
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Umwelt
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SPORTMARKEN
SETZEN AUF NACHHALTIGKEIT text Claude Hervé-Bazin
foto Picture Organic Clothing
Das Who's who der Sport- und Outdoorbranche trifft sich jedes Jahr an der ISPO Munich zu einem grossen Stelldichein. An der vielbeachteten Messe werden die neusten Innovationen präsentiert und die aktuellsten Trends gezeigt. Neu im Fokus steht das Thema Nachhaltigkeit.
ISPO, WICHTIGSTES TREFFEN DER OUTDOORBRANCHE
I für International, S für Sport, P für Professional und O für Outdoor. ISPO, die grösste Sportartikelmesse der Welt, feiert dieses Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum. Ende Januar präsentierten in München 2950 Aussteller den 83 000 Besuchern ihre Produkte auf einer Fläche von 200 000 Quadratmetern. Als weltweites Sportnetzwerk organisiert ISPO zudem zwei Messen in China sowie die OutDoor by ISPO in Bayern – lauter Plattformen für Neuheiten und technische Innovationen aus der Welt des Sports. 2020 wurde die ISPO Munich unter drei Mottos gestellt: Be active, Be creative, Be responsible. Den Ausschlag für diese Devise gab ein Sinneswandel in der Branche. Nachdem die grossen Sportmarken über die Erwartungen hinaus innoviert haben, wächst bei ihnen jetzt das Bewusstsein, dass sie auch in Bezug auf Nachhaltigkeit und die umweltbewusste und sozial verträgliche Herstellung ihrer Produkte Verantwortung übernehmen müssen. ISPO hat sie in die Pflicht genommen und gemeinsam mit der European Outdoor Conservation Association (EOCA) einen Verhaltenskodex erarbeitet, der Organisatoren, Ausstellern und Besuchern der Messe konkrete
Empfehlungen gibt, wie sie klimaneutral, ressourcenschonend und nachhaltig handeln können. Messechef Klaus Dittrich gibt ein klares Statement ab: «Wir wollen in den nächsten 50 Jahren die weltweit grösste Sport-Business-Plattform werden und den Wandel in unserer Branche vorantreiben, indem wir Antworten auf die dringlichsten Fragen unserer Zeit finden: Wie begegnen wir dem Klimawandel? Wie stellen wir es an, Chancen für alle zu schaffen, statt die Schere zwischen Arm und Reich weiter zu vergrössern? Wie können wir für mehr Nachhaltigkeit sorgen? Wir sind überzeugt, dass Sport einen wichtigen Beitrag leisten kann, Antworten auf diese grundlegenden Fragen zu finden, die unsere Gesellschaft und die Unternehmen umtreiben. Wir müssen Lösungen finden, bevor es zu spät ist.» VOM GREENWASHING ZUM GREENDOING
ISPO rückt das Thema Nachhaltigkeit daher in den Mittelpunkt. Am 29. Juni werden rund 250 Vordenker und Visionäre aus Sport, Politik, Kultur, Wirtschaft und Zivilgesellschaft am SDG (Sustainable Development Goals) Summit in München Lösungen suchen, wie sich die Ziele der nachhaltigen Entwicklung in der Out-
doorbranche am effizientesten umsetzen lassen. Prominentester Gast ist Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus, der Erfinder des Mikrokredits. Als Vorbild dienen ISPO die 17 Ziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Sie umfassen unter anderem die Beendigung von Armut und Hunger, den Zugang zu Gesundheitsversorgung, Wasser und Bildung, die Nutzung erneuerbarer Energien, einen verantwortungsvollen Ressourcenverbrauch, die Bekämpfung des Klimawandels und die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung von Industrie, Städten und Gemeinschaften. Jetzt ist die Zeit, die weltverändernde Kraft von Sport und Outdoor zu entfesseln, sagt der Slogan. Mark Held, Präsident der European Outdoor Group (EOG), die als Verbund die Sportmarken vertritt, betonte erst vor Kurzem, wie wichtig es sei, dass sich die Branche für mehr soziale und ökologische Gerechtigkeit einsetze. 97 Prozent der EOG-Mitglieder haben sich bereits verpflichtet, ihren ökologischen Fussabdruck zu reduzieren. Laut Held investiert die Sportbranche jedes Jahr 200 Millionen Dollar in die nachhaltige Entwicklung. Zahlreiche Unternehmen wie Mammut verzichten auf das schwer abbaubare Treibhausgas PFC und auf das krebserregende PVC. Andere suchen Alternativen ©
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Umwelt
zum ebenfalls krebserregenden Teflon und zu Nanopartikeln, die sich unkontrolliert in der Umwelt verbreiten. Einige Erfolge konnte ISPO diesbezüglich schon verbuchen. So gründeten wichtige europäische Industrieverbände das nicht gewinnorientierte Microfiber Consortium. Es forscht in einer branchenübergreifenden Zusammenarbeit nach Lösungen, um die Freisetzung von Mikroplastik durch das Waschen synthetischer Textilien zu verhindern. Ausserdem setzt es sich für weniger Einwegplastik bei Verpackungen ein. Das Material wird vor dem Verkauf an den Endkunden in sauberem Zustand recycelt, sodass sich seine Lebensdauer erhöht und es bis zu 14 Mal wiederverwendet werden kann. Décathlon, der grösste Sportartikelhändler Europas, sowie weitere Unternehmen haben sich bereits verpflichtet. Nicht zuletzt finanziert die EOG seit zwölf Jahren die European Outdoor Conservation Association, die lokale Umweltprojekte wie Strandsäuberungen unterstützt. Doch wie Klaus Dittrich richtig betont: «Wir befinden uns erst am Anfang des Wandels.» RICHTUNGSWEISENDE HERSTELLER
Neben Worten hat die Messe ein starkes Instrument im Ärmel: die ISPO Brandnew Awards, mit denen die vielversprechendsten Newcomer der Sportbranche für ihre kreativen Ansätze und sportlichen Weiterentwicklungen ausgezeichnet werden. Lange wurden die Preise überwiegend für reine Innovationen, technische Errungenschaften und Fortschritte bei atmungsaktiven, wind-, regen- und schneefesten Stoffen vergeben. Das könnte sich ändern.
Bereits dieses Jahr erhielt die Membran «eco pur» des jungen Schweizer Startup-Unternehmens dimpora einen Award. Das netzartige Material ist frei von PFC und vollkommen biologisch abbaubar. Entworfen wurde es in der ETH Zürich mit finanzieller Unterstützung von Innosuisse. Im Rahmen des ISPO Sustainability Hubs Ende Januar präsentierten Hersteller an der GRV Transparency Tour biobasierte und biologisch abbaubare Materialien und Produkte. Das amerikanische Unternehmen PrimaLoft, dessen Kunstfaserisolationen von vielen grossen Marken eingesetzt werden, hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 insgesamt 90 Prozent seiner Isolationsprodukte mit einem Mindestanteil von 50 Prozent recycelten Material aus PET-Flaschen herzustellen. Parallel dazu hat die Marke mit dem Slogan We are relentlessly responsible die erste biologisch abbaubare (zu 93,8% in zwei Jahren) und ganz aus Recyclingmaterial gefertigte Textil- und Isolationsfaser PrimaLoft Bio entwickelt. Sie wurde für Mikro-Organismen appetitlicher gemacht, sodass sie von diesen um ein Vielfaches schneller verzehrt und in den natürlichen Kreislauf ausgeschieden wird. In dieser Erfindung steckt enormes Potenzial. Allein in den USA landen noch immer zwei Drittel der Textilabfälle – die sich seit 1960 verneunfacht haben – auf der Müllhalde. PrimaLoft ist der aktuell grösste Lieferant von Isolationsmaterialien mit bluesign-Zertifizierung für eine verantwortungsbewusste und nachhaltige Textilherstellung. Die niederländische Firma DyeCoo weckte an der GRV Transparency Tour ebenfalls grosses Interesse. Sie hat ein industriell anwend-
bares Textilfärbeverfahren entwickelt, das ganz ohne Wasser und schädliche Chemikalien auskommt und sich besonders gut für Polyester eignet. Damit sich die Farbstoffe lösen und verteilen, wird CO2 mit Hochdruck erhitzt. Bei einem weltweiten Einsatz könnten so über drei Milliarden Kubikmeter Wasser gespart werden. 95 Prozent des verwendeten CO2 werden zudem wiederverwertet. Die revolutionäre Technologie hat DyeCoo am Weltwirtschaftsforum 2019 eine Nomination für den Circular Economy Award eingetragen und findet bereits in mehrere asiatischen Fabriken von Nike, Adidas und Mizuna Anwendung. VORZEIGEBEISPIEL PATAGONIA
Einem Unternehmen macht in Sachen Nachhaltigkeit niemand etwas vor. Patagonia hat ihr grünes Gewissen schon vor Jahren entdeckt. Bereits in den 1970er-Jahren achtete Patagonia auf Initiative seines Gründers Yvon Chouinard (lesen Sie den Artikel über ihn in unserer Ausgabe 73) aus ethischen Gründen auf Qualität und Nachhaltigkeit. Es stellte vor allen anderen Kleidung aus wiederverwertetem PET und Biobaumwolle her, engagierte sich politisch für Umweltschutz, reparierte Produkte und bot sie zum Wiederverkauf an, gründete und finanzierte die Umweltorganisation One Percent for the Planet (1% des Umsatzes), und, und, und. Bei mehreren Herstellern ist Umweltschutz mittlerweile ein fester Bestandteil der Firmenstrategie. Der bayerische Bergausrüster Vaude zum Beispiel garantiert unter fairen Bedingungen hergestellte Produkte (in Partnerschaft mit der Fair
Umwelt
Wear Foundation) aus nachhaltigen Materialien und Ressourcen. Sie sind zeitlos, haltbar und reparierbar, was ihre Lebensdauer erheblich erhöht. Vaude, das jedes Jahr einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, hat sogar einen klimaneutralen Hauptsitz mit Biokantine gebaut. Das Beispiel zeigt, dass es durchaus möglich ist, die Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern zu kontrollieren, auch wenn sich diese am anderen Ende der Welt befinden. Das 2008 gegründete französische Unternehmen Picture dachte von Anfang an konsequent nachhaltig. In München wurde es mit ISPO Gold Awards überhäuft. Seine Produkte bestehen ausschliesslich aus wiederverwertetem, biologischem oder biobasiertem Material. Jackenfutter aus Stoffresten? Warum nicht! Helme aus Mais-Polymer? Auch das geht. Neopren lässt sich nur schwer recyclen? Picture hat die Antwort mit einem Surfanzug aus 85 Prozent natürlichem Kautschuk. Ausgezeichnet wurde auch das Harvest Jacket, dessen Stoff aus Zuckerrohr und Rizinusöl gefertigt wird. Alle diese visionären Firmen haben Pionierarbeit geleistet und den Weg für die Big Player geebnet. Adidas zum Beispiel wird den ersten vollständigen recycelbaren Laufschuh auf den Markt bringen. Konsumenten können die ausgetragenen Sneaker an den Sportartikelhersteller zurückgeben, der sie dann zermahlt und zu einem neuen Paar Schuhe verarbeitet. In etwas kleinerem Rahmen leistet auch die englische Firma Nikwax mit ihren Imprägnierungsmitteln auf Wasser-
und Wachsbasis einen Umweltbeitrag. Sie geben den Funktionskleidern ihre ursprünglichen Schutz- und Atmungseigenschaften zurück. Damit diese beim Waschen nicht zerstört werden, hat Nikwax zudem ein spezielles biologisch abbaubares Waschmittel entwickelt. DIE ZUKUNFT GEHÖRT DER EINFACHHEIT
Sind einige Marken vor lauter technischem Fortschrittsstreben vom Weg abgekommen? Brauchen wir in unseren Breitengraden wirklich Jacken für extreme Minustemperaturen? Hochtechnische, gesundheitlich und ökologisch teilweise fragwürdige Materialien sind im Rückgang begriffen oder werden den neuen Anforderungen angepasst. Heute wird vermehrt auf Holz (für Ski), Biobaumwolle, Hanf und Biokunststoffe gesetzt. Die Nachfrage nach umweltverträglichen Materialien steigt. Fast Fashion und Überkonsum sind out. Für die Outdoor-Branche wie für alle Unternehmen auf der ganzen Welt ist es an der Zeit, diese Trends zu berücksichtigen. Jetzt sind mittel- und langfristige Sichtweisen gefragt. Die Produktionsauswirkungen auf Umwelt und Menschen müssen gemessen und die Umweltbemühungen koordiniert und integriert werden. Ein allgemeingültiger gesetzlicher Rahmen würde eine solche Entwicklung ziemlich sicher fördern. Der von Ursula von der Leyen, der neuen Präsidentin der Europäischen Kommission, geplante Green Deal könnte ein gangbarer Weg sein, falls er nicht zur simplen Absichtserklärung ver-
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kommt. Solange die Unternehmen nicht gesetzlich zur Nachhaltigkeit verpflichtet werden, sind wir auf individuelle Initiativen angewiesen. Doch auch diese können viel bewirken, denken wir an die Fashion Revolution, die Carry Somers 2014 nach dem Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes in Bangladesch, bei dem 1138 Angestellte von Textilfabriken getötet wurden, lanciert hat. Nicht ganz so einschneidend, aber ebenfalls lobenswert ist die Initiative der Olympischen Sommerspiele in Tokio, die 5000 Medaillen aus alten elektronischen Geräten herzustellen. Sogar die Podeste werden aus Recyclingmaterial gebaut. Eine Aktion mit Symbolwert!
AUF DEM INDEX
Neben den verschiedenen Labels und Awards lässt sich die Ernsthaftigkeit der Umweltbemühungen in der Bekleidungs- und Schuhindustrie mit einem spezifischen Tool messen: dem Higg-Index. Er wurde unter der Schirmherrschaft der Sustainable Apparel Coalition entwickelt und hat bereits 250 Mitglieder aus 35 Ländern mit einem Gesamtumsatz von 500 Milliarden Dollar. Dem Konsumenten bietet der Index die Möglichkeit, die nachhaltigsten Marken zu identifizieren, den Branchenakteuren, ihre Partner anhand ihres Umweltengagements auszuwählen.
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30° Magazin / Nr. 74
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ZU VIELE UNNÜTZE DINGE? Schenken Sie Ihren Lieben doch besser ein paar Stunden Abenteuer!
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Mit diesem sportlichen Zeitmesser sind Sie nicht nur für Abenteuer gewappnet, sondern auch stets elegant unterwegs. Eine neuartige Technologie auf Quarzbasis macht die Conquest V.H.P. unverstellbar. Sie ist zuverlässig, präzis, langlebig und präsentiert sich mit einem Durchmesser von 43 Millimetern und einem Armand aus braunem Leder. Ein silberfarbenes Zifferblatt mit arabischen Ziffern und einem Super-Luminova©-Index runden das raffinierte Erscheinungsbild ab. www.longines.ch
Uhrentrends
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ORIS LAKE BAIKAL LIMITED EDITION
ZENITH DEFY EL PRIMERO 21 BLUE
TAG HEUER CARRERA 160 YEARS SILVER LIMITED EDITION
TISSOT SEASTAR 1000 PROFESSIONAL
Die blauen Farbnuancen des Zifferblatts und der einseitig drehbaren Lünette mit Keramikeinlage erinnern an Wasser. Mit dem Verkaufserlös dieser auf 1999 Stück limitierten Uhr werden die Aktivitäten der Lake Baikal Foundation unterstützt. Sie setzt sich für den Schutz dieses riesigen sibirischen Sees ein, der 20 Prozent der Süsswasserreserven unseres Planeten enthält. Präsentiert wird die Edelstahluhr mit Edelstahlarmband in einer Box aus umweltfreundlichem Karton.
Das Kaliber El Primero von Zenith muss man wohl kaum vorstellen. Es misst die Zeit auf eine Hundertstelsekunde genau und zählt damit zu den präzisesten Uhrwerken auf dem Markt. In dieser neuen Version schmückt sich der legendäre Zeitmesser mit trendigem Blau. Die Platine und das mit indigofarbenem Alligatorenleder ummantelte Kautschukarmband sind farblich aufeinander abgestimmt. Eine freche Kreation in einem bis 100 Meter wasserdichten Gehäuse aus gebürstetem Titan.
Anlässlich ihres 160-Jahr-Jubiläums bringt TAG Heuer eine ihrer Ikonen neu heraus. Die Manufaktur aus La Chauxde-Fonds hat die TAG Heuer Carrera aus dem Jahr 1964 mit fortschrittlichsten Technologien ausgestattet und das Design dem Zeitgeist angepasst. Das Tributmodell kommt mit grösserem, aber schmalerem Edelstahlgehäuse daher. Unter ihrem silbernen Zifferblatt schlägt das hochwertige Manufakturwerk TAG Heuer Calibre 02 mit verbesserter Chonographen-Zeitmessung.
Ihr vollkommen aus Stahl gefertigtes Gehäuse ist ein echter Panzerschrank. Die bis 300 Meter Tiefe wasserdichte Tissot Seastar 1000 Professional ist unempfindlich gegenüber Magnetfeldern und seitlichen Stössen, auch gegen die Kronen und Drücker, und verfügt über eine gesicherte Drehlünette und ein Helium-Ventil, das überschüssiges Luft- und Heliumgemisch entweichen lässt. Ausserdem erfüllt sie sämtliche Kriterien der für professionelle Taucheruhren geltenden ISO-Norm 6425.
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UHRENMARKEN
AUF UMWELTMISSION text Yannick Nardin
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©Blancpain / Laurent Ballesta
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Laurent Ballesta konnte an der von Blancpain finanzierten Mission im polynesischen Fakarava-Atoll erstmals nachweisen, dass Riffhaie auf der Jagd zusammenarbeiten.
Uhren
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Korallen schützen, in geheimnisvoller Tiefe forschen und Strände reinigen: Bei den Uhrenherstellern stehen die Zeiger auf Umweltengagement.
Es ist noch gar nicht so lange her, da hielten wir die Ozeane für unverwüstlich. Als könnten sie mit ein, zwei Wellen alles wegwaschen. Doch die Meere sind krank, schwer angeschlagen durch uns Menschen. Die Angst vor einer düsteren Zukunft weckt das kollektive Bewusstsein. Es ist fünf vor zwölf, das haben auch die Uhrenmarken begriffen. Sie setzen sich daher immer zahlreicher für ökologische Anliegen ein. Einige schützen mehrere Millionen Quadratkilometer, andere lancieren Mikroprojekte, doch jede noch so kleine Aktion ist ein Schritt in die richtige Richtung und ein willkommener Hoffnungsschimmer.
©Blancpain / Laurent Ballesta
LEIBWÄCHTER
Müsste Neptun einen Bodyguard auswählen, wäre Rolex garantiert unter seinen Favoriten. Die Luxusmarke setzt sich schon lange für Umweltschutz ein und beteiligt sich finanziell an zahlreichen Meeresschutzprojekten. Wieviel sie sich ihr Engagement kosten lässt, verrät sie nicht, es dürfte aber eine stattliche Summe sein. Rolex unterstützt seit über vierzig Jahren die Our World-Underwater Scholarship Society und seit 1982 die Meeresforscherin und Umweltaktivistin Sylvia Earle. Zukunftsgerichtet bereitet Rolex derzeit gemeinsam mit der National Geographic Society drei Expeditionen zu den extremsten Regionen des Planeten
vor. Dabei geht es darum, die Auswirkungen des menschlichen Handelns zu analysieren und die Gefahren der ökologischen Veränderungen zu bestimmen, um die Suche nach effizienten Lösungen voranzutreiben. Auch Blancpain liegt der Schutz der Meere am Herzen. Unter dem Patronat der Fifty Fathoms, die als erste moderne Taucheruhr gilt, leistet die Uhrenmarke beträchtliche finanzielle Unterstützung an mehrere wissenschaftliche Projekte. 2011 bis 2016 sponserte sie National Geographic und trug so massgeblich zum Schutz von 4,2 Millionen Quadratkilometern der Weltmeere bei. Blancpain beteiligt sich zudem an zahlreichen Sensibilisierungsprogrammen, engagiert sich im Rahmen des World Ocean Summit auf höchster politischer Ebene und unterstützt den Biologen, Taucher und Fotografen Laurent Ballesta. Dieser hat Ende letzten Jahres einen Monat in einer Druckkammer in 120 Meter Tiefe verbracht, wo er bisher unbekannte Daten über das Mittelmeer gesammelt hat. MEERE IN NOT
Breguet und Ulysse Nardin haben sich den Schutz der Meere ebenfalls auf die Fahne geschrieben, Breguet als Partner der Stiftung Race for Water, die sich für sauberes Wasser stark macht, Ulysse Nardin als Sponsor von Dan Lenard, dem ©
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Foto: Bethanyy Ham Hami ami millton on n
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ADVENTURE. ACTION. OCEAN LIFE. 04./13./17./18.05.2020 ZÜRICH 06.05.2020 LUZERN 07.05.2020 RORSCHACH 11.05.2020 BASEL 12.05.2020 CHUR 14./15.05.2020 BERN 16.05.2020 WINTERTHUR
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Uhren
Mitbegründer der italienischen Jachtdesign-Firma Nuvolari-Lenard, der über den Atlantik segelt, um auf die Situation der Ozeane aufmerksam zu machen. Certina wiederum hat passend zum Markenlogo – eine Meeresschildkröte, die seit 1959 für die Widerstandsfähigkeit der Taucheruhren steht – mit der Sea Turtle Conservancy eine Partnerschaft geschlossen und spendet ihr einen Teil des Gewinns, den sie mit dem Verkauf der DS Action Diver Sea Turtle Conservancy 60th Anniversary erzielt. Mit der Spende wird die Ausstattung von Schildkröten mit Sendern finanziert. Auf der Website der Organisation kann übrigens der Weg einer Lederschildkröte namens Frankie live mitverfolgt werden. MUSCHELN UND PLASTIK AN EINSAMEN STRÄNDEN
Bringt es tatsächlich etwas, seinen Abfall wegzuräumen? «Ja sicher!», antwortet die Non-Profit-Organisation Ocean Conservancy, die für saubere, gesunde Ozeane kämpft. Schliesslich gelangen pro Minute 15 Tonnen Plastik in die Ozeane. Breitling reinigt zusammen mit dem Surfstar und überzeugten Umweltschützer Kelly Slater Strände in Bali. Parallel zur finanziellen Unterstützung von Ocean Conservancy über die Superocean Limited Edition bietet Breitling neu 18 Armbänder aus
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Econyl© an. Sie werden aus wiederverwerteten Fischernetzen hergestellt und passen zu sämtlichen Modellen der Marke. Bei Panerai lautet die ökologische Gleichung: drei PET-Flaschen = ein Armband. Es schmückt die Panerai Submersible Mike Horn Edition mit ihrem Gehäuse aus EcoTitanium™. Als nächstes will die italienische Manufaktur eine ausschliesslich aus Recyclingmaterial gefertigte Uhr lancieren. Das Ergebnis wird in der Uhrenbranche bereits mit Spannung erwartet. Derweil gehen mehrere Jungunternehmen mit gutem Beispiel voran. Das Basler Startup Tide Ocean verwandelt Plastikabfall aus den Meeren in neue Produkte wie etwa Uhren und die französische Firma Awake verarbeitet für ihre Solaruhren Fischernetze zu Gehäusen und PET-Flaschen zu Armbändern. Ihr Engagement macht Sinn: Schwimmendes Fischermaterial ist – ebenso wie die unsäglichen Plastiksäcke – für das elendigliche Zugrundegehen unzähliger Meerestiere verantwortlich.
©Tide Ocean
Plastiksäcke sind für den Tod unzähliger Meerestiere verantwortlich. Schildkröten schlucken sie, weil sie die Säcke für Quallen halten. ©
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©Jean-Baptiste Chauvin
KAFFEELAND
KOLUMBIEN text Daniel Bauchervez
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©Charly Boillot
Typische Landschaft im Cocora-Tal, im Herzen des Kaffeedreiecks. Die in Kolumbien heimischen QuindioWachspalmen mit ihren langen, feinen Stämmen können über 50 Meter hoch werden.
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In Kolumbien spalten sich die Anden in mehrere ineinander verschlungene Bergketten. Zwischen dem Dickicht der tropischen Täler breiten sich Kaffeeplantagen aus und rauschen Wasserfälle von hohen Felsen.
Reisen
Der Stadtlärm von Santa Marta verstummt mit jeder Kurve etwas mehr und auch die brütende Hitze der Karibikküste lässt allmählich nach. Gemächlich schlängelt sich die Strasse zwischen zwei grünen Wänden den Berg hinauf. Hin und wieder gibt sie den Blick auf das dicht bewachsene Hochgebirge frei. Der Morgendunst löst sich unter dem Angriff der Äquatorsonne fetzenartig auf, bis das gleissende Licht schliesslich intensiv durch den Blätterwald strahlt.
©Charly Boillot
ÜBER STAUBIGE PISTEN
650 Meter über Meer thront das verzettelte Dorf Minca auf den Ausläufern der Sierra Nevada de Santa Marta. Höchster Gipfel dieses geografisch isolierten Teils der Zentralkordilleren ist der in der Ferne sichtbare, ungewohnterweise mit einer Schneekappe bedeckte Cerro Kennedy (5775 m). Minca ist schnell erzählt. Als Zentrum dient eine Wegkreuzung, hinter einer Reihe Katappenbäume versteckt sich eine weisse Kirche, am Strassenrand stehen vereinzelt ein paar Verkaufsstände und -buden. Und überall machen Motor-
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radtaxis die Strassen unsicher. Mit lautem Geknatter brettern sie ohne Rücksicht auf Verluste über die holprigen Pisten. Auf dem vom vielen Regen ausgewaschenen Camino hustet der Motor und die Räder rutschen. Farne und Bambus stehen meterhoch. Eine Spurrille folgt der nächsten. Nach 30 Minuten Tortur endlich die Erlösung. Eingebettet in die wuchernde Vegetation, umgeben von Wasserfall, tropischem Regenwald und Kaffeeplantagen, liegt La Victoria, Heimat des 1892 von den Briten gegründeten Beneficiadero. Das 500 Hektar grosse Bio-Landgut war während mehrerer Generationen grösster Arabica-Produzent der Region. Heute ist die immer noch betriebene Rösterei ein romantischer Wallfahrtsort, in dem die Zeit stehengeblieben ist. Von Oktober bis Januar rollen die frisch gepflückten roten Kaffeeperlen lose in die Despulpadora, wo die Bohnen vom Fruchtfleisch getrennt und anschliessend gegärt und getrocknet werden. Kaffee oder Kakao wird in der Gegend von vielen anderen Fincas angebaut. Egal, ob man mit dem Motorrad, dem Moun©
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Bauer Oppikofer begutachtet seine Naturaplan-Äpfel
Natürlich.
Richtig.
Gut.
Weil es natürlich ist, der Umwelt und ihren Ressourcen Sorge zu tragen. Hier und überall auf der Welt.
Weil es richtig ist, respektvoll und achtsam mit der Natur und ihren Produkten umzugehen und nachhaltig zu handeln.
Weil es gut ist, sich selbst etwas Gutes zu tun und das Beste der Natur mit gutem Gewissen zu geniessen.
Reisen
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©Alle Rechte vorbehalten
Eje Cafetero, die Kaffeeanbauregion Kolumbiens, wurde teilweise zum UNESCOWeltkulturerbe erklärt. Kaffee wird aber an allen Berghängen der Anden angebaut, sogar im Norden des Landes.
tainbike oder zu Fuss unterwegs ist, man sollte die Gelegenheit für einen Abstecher zum Pozo Azul («blauer Brunnen») oder zu den Marinka-Fällen nutzen und dort in den natürlichen Becken baden. DREI TAGE ZU FUSS BIS ZUR VERLORENEN STADT
Nächste Station ist El Mamey. Die Stadt verdankt ihren Namen dem Mammiapfel, auch bekannt als Aprikose von Santo Domingo. Süss ist El Mamey aber definitiv nicht. Ausser einem Gebirgsbach, der von der Sierra Nevada de Santa Marta in die Tiefe rauscht, hat sie absolut nichts Reizvolles. Sie entspricht dem typisch kolumbianischen Standard und besteht lediglich aus einer grossen Handvoll ineinander veschachtelter Hütten am Ende einer Rumpelpiste. Von hier geht es nur zu Fuss weiter. Zweieinhalb Tage dauert die Wanderung zu den Ausläufern der Sierra, durch schattige Wälder, schlammige Furchen, breite Furten und von der Sonne versengte Passagen. Meist geht es steil bergauf, manchmal an der Grenze des Machbaren. Je höher man steigt, desto mehr öffnet sich die Landschaft. Das Panorama ist überwältigend. Hängebrücken überspannen eiskalte Gischt versprühende Gebirgsbäche. Das satte Grün der Vege-
tation verleiht der Felslandschaft etwas Liebliches. Da und dort sind ein paar wenige Pueblos erkennbar, in denen in dicht aneinandergebauten Hütten die Kogi-Indianer wohnen. Sie waren einst vor den Conquistadores hierher geflüchtet und sind seither nicht mehr weggezogen. In ihren makellosen weissen Gewändern wachen sie über dieses Land, das ihren Vorfahren heilig war. Abends im Camp schaukelt die Hängematte in der allmählich abkühlenden Luft. Trotz Luftfeuchtigkeit und einem rostigen Blechdach ist die Decke mehr als willkommen. Es regnet, alles wird nass. Dann geht plötzlich die Sonne auf. 1200 Steinstufen aus einem früheren Jahrhundert trennen das Camp von der letzten Station, der Ciudad Perdida. Die verlorene Stand besteht aus einer Reihe runder, in den Berghang gehauener Terrassen, auf denen die Vorfahren der Kogi ihre Unterkünfte errichtet haben – weit weg vom Rest der Welt. www.colombia.travel/de www.expotur-eco.com www.turcoltravel.com www.magictourcolombia.com
MIT NESCAFÉ WIRD DER KOLUMBIANISCHE KAFFEE GRÜN
Kolumbien gehört zu den führenden Kaffeeproduzenten der Welt (3. Platz im Jahr 2019). Über eine halbe Million Familien leben vom Kaffeeanbau und alle grossen Kaffeemarken betreiben hier ihre Fabriken, allen voran NESCAFÉ. Das Unternehmen hat in dem südamerikanischen Land viel bewirkt: Es hat bereits mehr als 40 000 Bauern unterstützt und ausgebildet und mehrere Millionen Kaffeepflanzen an sie verteilt (Ende 2020 werden es 60 Millionen sein). Sein erklärtes Ziel besteht darin, die im Rahmen des Grown-Respectfully-Programms erreichte 80%Marke des respektvollen Anbaus weiter zu übersteigen. Dank dieser Anstrengungen wird auf den Anbauflächen, die für die Schweizer Marke produzieren, mit 1,2 Tonnen Arabica pro Hektar ein überdurchschnittlich hoher Ertrag erzielt. NESCAFÉ unterstützt gemeinsam mit der Rainforest Alliance weltweit rund eine Million kleiner Produzenten mit Fachberatung, damit sie ihre Produktivität steigern, nachhaltig wirtschaften und auf den Klimawandel reagieren können. www.nescafe.ch ©
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EVEREST-BESTEIGER MARC BATARD WILL ES NOCHMALS WISSEN
Marc Batard war der erste Mensch, der den Everest ohne künstlichen Sauerstoff in weniger als 24 Stunden bestiegen hat. Das war 1988. 32 Jahre später hat es ihm noch immer keiner nachgemacht. Zu seinem 70. Geburtstag will der «Sprinter des Everest» im Mai 2022 nochmals auf das Dach der Welt, diesmal allerdings für einen guten Zweck. Die Besteigung in Begleitung von Sherpa Pasang Nuru aus Nepal und Ali Sadpara aus Pakistan soll der Höhepunkt eines Projekts werden, mit dem Geld für die Gründung einer Schule für Hochgebirgsführer in Nepal, die Himalayan International Mountain School, gesammelt wird. Um für möglichst viel Publicity zur sorgen, hat sich Marc Batard in den Kopf gesetzt, die höchsten Gipfel der Welt ohne Sauerstoffflaschen zu besteigen. Im März 2020 soll es auf den Annapurna, im Sommer 2021 auf den K2 gehen. SCHWEIZER SIEG AM YUKON ARCTIC ULTRA
Am 30. Januar 2020 startete im kanadischen Whitehorse der Yukon Arctic Ultra, das (wohl zu Recht) selbsternannte kälteste und härteste Ultra-Rennen der Welt. Der 2003 erstmals ausgetragene 100- oder 300-Meilen-Lauf folgt der Strecke des Hundeschlittenrennens Yukon Quest Trail und fordert den Teilnehmern alles ab. Auch dieses Jahr haben es nur zwei der 21 Gestarteten über die längere Distanz ins Ziel geschafft: der Schweizer Fabian Imfeld (1.) und Tiberiu Useriu. Beide hatten letztes Jahr wegen drohender Erfrierungen aufgeben müssen. Drei weitere Schweizer waren am Start. Die Romands Hervé Acosta und Patrick Sumi absolvierten unter milderen Wetterbedingungen die 100-Meilen-Strecke und Victor Hugo Docarmo erreichte Meile 179, als ihn die Eishölle zum Aufgeben zwang. www.arcticultra.de
RIDER'S RING SINCE 2004
News
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DIE 7. INTERNATIONAL OCEAN FILM TOUR EHRT FRAUEN Die International Ocean Film Tour, bei der 30° Grad Mediapartner ist, gastiert vom 4. bis 18. Mai in 14 Schweizer Städten, darunter Zürich, Bern, Basel und Luzern. Sie richtet sich an alle, die das Meer lieben. Die Zuschauer tauchen zwei Stunden in die faszinierende Welt der Ozeane ab und werden mit packenden Abenteuerfilmen in grenzenloses Staunen versetzt. An der diesjährigen 7. Ausgabe stehen Frauen im Rampenlicht. Maiden erzählt die Pionierfahrt von Bethany Hamilton und Tracy Edward, die im männerdominierten Segelsport als erste weibliche Crew das Whitbread Round the World Race bestritten. Bei den Männern wird der verstorbene Mike DeGruy geehrt. Er war einer der erfolgreichsten Meeresfotografen der Welt und ein entschlossener Verfechter des Meeresschutzes. www.oceanfilmtour.com
© Aaron Lieber
TAUCHEN IM HOCHGEBIRGE
Der Westschweizer Bergführer und Regisseur Sébastien Devrient und der französische Extremtaucher Frédéric Swierczynski haben sich diesen Winter nach Argentinien aufgemacht. Ziel ihrer nicht ganz alltäglichen Expedition war ein auf 5494 Metern über Meer gelegener Bergsee an den Flanken des Vulkans Ojos de Salado über der Atacama-Wüste. Frédéric Swierczynski tauchte dort im 2 Grad kalten Wasser, während Sébastien Devrient das Geschehen mit der Kamera festhielt. Das Ergebnis wird im Herbst in Form eines Dokumentarfilms in den Schweizer Kinos zu sehen sein. Themati-
siert werden darin neben der Rekordjagd und der schwierigen Akklimatisierung des Körpers die Anpassungsfähigkeit des Menschen, wenn es darum geht, Träume und Ambitionen zu verwirklichen. OLYMPIA 2024 IN PARIS: SURFWETTBEWERBE VOR TAHITI
Biarritz, Lacanau, Hossegor, La Torche (Bretagne) und Teahupoo standen im Rennen, jetzt hat der OK-Verwaltungsrat der Olympischen Spiele 2024 in Paris entschieden: Die Surfwettkämpfe werden am legendären Spot Teahupoo in Tahiti ausgetragen. In puncto CO2-Fussabdruck sicher keine ideale Wahl, aber sportlich
nachvollziehbar. Polynesien bietet deutlich bessere Chancen auf grosse Wellen als die französische Atlantikküste. Frauen sollen zu einer Tageszeit mit weniger brutalen Wellen surfen. Denn bisher wurden in Teahupoo auf der Profitour aufgrund der gefährlichen Brecher keine Frauenwettkämpfe organisiert. www.paris2024.org
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Living the high life
Verbier und Zermatt. Zwei Schweizer Alpenikonen. Zwei Zeitschriften und ein 288-seitiges Buch mit grossartigen Bildern von helvet. Alle laden ein, Sehnsüchte zu stillen und die Ferienorte, ihr Sportangebot und ihre liebenswerten Menschen näher kennenzulernen.
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SPORTTRENDS
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HÜTTENPALAST
CITY-GLAMPING IN BERLIN text Claude Hervé-Bazin fotos Jan Brockhaus
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Puck, Kleine Schwester, Nomad, Schneewittchen... jeder der acht Retro-Wohnwagen hat einen Namen, eine Geschichte und eine spezielle Deko, wie hier das verblüffende Holzmosaik.
Hotel
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Hinter der Pforte ein Hofgarten, hinter dem Hofgarten eine ehemalige Staubsaugerfabrik, darin ein Hotel mit Oldtimerwohnwagen. Indoor-Campingglück mitten in der Grossstadt. Oder Berlin zusammengefasst in einer Schrebergartenidylle.
Hermannplatz, U-Bahn-Linie 8. Beim Anblick der gelb-grauen Wandfliesen der U-Bahn-Station fühlt man sich ein paar Jahrzehnte in eine Zeit zurückversetzt, in der Neukölln noch der Berliner Arbeiterklasse gehörte. Das historisch rote, dann alternative Viertel im amerikanischen Sektor lockte damals kaum die Massen an. Nach dem Fall der Mauer, die nur wenige Häuserblöcke weiter verlief, verkam es noch mehr. Inzwischen hat sich der Stadtbezirk aber gewandelt. Studenten und Yuppies sind eingezogen und haben ihm zu neuem Kolorit verholfen. GANZ SCHÖN SCHRÄG
Hundert Meter der Weserstrasse entlang, links in die Hobrechtstrasse und schon steht rund 150 Meter weiter eine nichtssagende Fassade, genauso anonym wie die anderen. Hier sollen wir heute übernachten? Das Eingangstor öffnet sich zu einem Innenhof mit Aussenlift aus einem anderen Zeitalter. Der quietscht bestimmt. Was soll's! Wir sind
dem Charme der Hinterhofoase bereits verfallen. Spalierwein, Hortensien, Farne, Palmen, Sonnenblumen und rosa Gänseblümchen zaubern ein kleines Stück Natur – im Topf – mitten in die Stadt, wo Vögel zwitschern, sobald die ersten Sonnenstrahlen in den Hof dringen. Die Inhaberinnen Sarah und Silke, eine ehemalige Fashion Designerin und eine Event Managerin, haben ihre Talente gebündelt und einen verrückten, coolen und verspielten Ort geschaffen, der zu Berlin passt wie die Faust aufs Auge. Als sie auf dem Höhepunkt der Krise von 2008 auf die alte, baufällige Fabrik stiessen, hatten sie zunächst ganz konventionelle Pläne. Sie wollten ein Café und ein Hotel eröffnen. Bis Sarah plötzlich eine zündende Idee hatte. Was, wenn sie in der Fabrikhalle Hütten aufstellten? Silke hatte Bedenken. «Wenn, dann Hütten auf Rollen, damit wir sie verschieben und den Saal vermieten können», warf sie ein. Ein Kompromiss war schnell gefunden: Es sollten vor allem Wohnwa©
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Hotel
gen sein. GLÜCK AUF RÄDERN
Über dem Hüttenpalast weht ein sanfter Retro-Wind. Er versetzt uns in eine Zeit, als die Ostdeutschen unter dem wachsamen Auge Moskaus in winzigen Wohnwagen vor den Toren der Stadt Urlaub machten. Dabei konnten sie in der Tristesse des kommunistischen Überwachungsstaats wenigstens etwas Freiheit schnuppern. Die Camping-Idylle wollte aber verdient sein. Zehn Jahre mussten die DDR-Bürger warten, bis sie einen Wohnwagen erstehen durften. Für den Hüttenpalast wurden die Oltimer chic aufgemöbelt und mit komfortablen Betten ausgestattet. Der Friedel im Alu-Look aus den 1960er-Jahren. Der weiss-türkise Puck aus den Fünfzigern. Das kultige Dübener Ei (mit echtem Namen Würdig 301), das mit seiner unverwechselbaren Form einen Ehrenplatz erhielt und über den andern Wagen thront. Und das kleine, leichte Schneewittchen (Weferlinger Heimstolz) aus Sperrholz, das sogar von einem Trabant
gezogen werden konnte. In den kleinen bis sehr kleinen Wohnwagen ist kaum für mehr Platz als für Betten. Schon gar nicht für ein Badezimmer. Dafür stehen geschlechtergetrennte, blitzsaubere Gemeinschaftsbäder zur Verfügung. Sie werden ebenso geteilt wie der Aufenthaltsraum im Retro-Stil und manchmal auch das Schnarchen der Wohnwagennachbarn. Wie auf jedem Camping steht das Miteinander im Vordergrund. Jeder Wohnwagen verfügt über einen kleinen Vorplatz mit Liliput-Terrasse, von wo man seinen Nachbarn zuwinken oder ein kleines Schwätzchen halten kann. Das zusammengesuchte Gartenmobiliar, die Kinoscheinwerfer und die Gartenzwerge schaffen ein lustiges Schrebergartenfeeling, als Kontrapunkt zur grauen Vergangenheit und zur strengen Architektur. Morgens nach dem Frühstück steigt man aufs Fahrrad (kann an der Rezeption gemietet werden) und fährt durch Berlin. Ganz leicht und ganz frei. www.huettenpalast.de
Die Wohnwagen des Hüttenpalasts stammen aus den Jahren 1930 bis 1980. Einige kommen aus Westdeutschland, die meisten aber aus der ehemaligen DDR. ©
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VIS Ski Academy 2019/2020
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