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Die Presse Unabhängige Tageszeitung für Österreich Wien, am 26.02.2021, 312x/Jahr, Seite: 3 Druckauflage: 61 480, Größe: 68,91%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 13408881, SB: Ischgl
„Nicht schuldig“: Mayrhofen wehrt sich gegen Ischgl-Vergleiche Tirol. Im Zillertal werden Kontrollen und Einschränkungen wegen Covid-19 mitgetragen, Schuldzuweisungen gleichzeitig abgelehnt. VON SARAH HUEMER
So manch einer mag ein Déjà-vu erleben. Ein Tiroler Skiort. Bestätigte Fälle und Verdachtsfälle eines gefährlichen Virus – dieses Mal in mutierter Form. Und eine Abriegelung. Vom Ischgl-Vergleich möchte man in Mayrhofen aber nichts hören. „Wir hatten seit einem Jahr keine Party“, so die Bürgermeisterin, Monika Wechselberger. Coronamüdigkeit habe zwar auch um die Zillertaler Gemeinde keinen Bogen gemacht. Doch das Virus hat die Mayrhofner nun aus dem Winterschlaf gerissen. „Durch die hohe Anzahl an Fällen werden wir darauf hingewiesen, dass wir wieder streng sein müssen.“ Von 45 aktiven CovidFällen (Stand Donnerstagvormittag) seien knapp 40 mit der südafrikanischen Mutante infiziert. Cluster sind in Kindergarten, Schule und Familien entstanden. Mayrhofen/Innsbruck.
Mit Argusaugen blickt man sche. Kritik hagelt es dennoch. Zu zurzeit auf die Entwicklungen in spät und zu lasch seien die MaßMayrhofen. Um eine weitere Aus- nahmen. Man brauche Vorlaufzeit, breitung der Mutation zu verhin- um Kapazitäten aufzustocken, verdern, wurde am Mittwoch eine Ab- teidigen Wechselberger und Elmar schottung der Gemeinde verkün- Rizzoli, Leiter von Tirols Coronadet. Handel, Skigebiete und Schul- Krisenstab, das späte Inkrafttreten. campus werden geschlossen, die „Als man die Nachricht bekam, Bevölkerung zum gab es natürlich große zweimaligen PCRVerunsicherung: Was Test aufgerufen. Ab darf man, was nicht, Samstag müssen alle wie und wann muss Mayrhofner, die den man testen, was bleibt Ort verlassen möchoffen?“, schildert eine ten, ein negatives junge Einheimische. Testergebnis, maxiDie Testbereitschaft mal 72 Stunden alt, und das Verständnis vorweisen. Kontrolfür die Maßnahmen liert wird durch die Bürgermeisterin Monika sind hoch. „Es tut niePolizei, Meldezettel Wechselberger. mandem weh, testen [ privat] sowie Arbeitsbescheizu gehen. Das ist eine nigung sollen als Nachweis die- Sache von zehn Minuten“, so ein nen. Doch die Isolation fällt weni- Mayrhofner. „Ich kenne jemanger isoliert aus als angenommen. den, der die südafrikanische Mu„Mayrhofen ist nicht in Quaran- tante hatte und künstlich beatmet täne, wir sind nicht total abgekap- wurde. Wenn man so etwas mitbeselt“, betont eine junge Einheimi- kommt, lässt man sich gern tes-
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ten“, so eine weitere Einheimische. Die Rolle des Sündenbocks lehnt man vehement ab. „Die Leute haben es satt . . .“ „Die Leute haben es satt, dass mit dem Finger auf Mayrhofen und das Zillertal gezeigt wird. Wir sind nicht schuldig, und wir wollen auch der Welt zeigen, dass wir bereit sind zu agieren“, sagt eine junge Frau. Auch Wechselberger kritisiert, dass „ständig Menschen an den Pranger gestellt werden“. Sie erwartet mehr Zusammenhalt. „Wir liegen brach. Normalerweise sind die 3900 Menschen von Mayrhofen auf den Straßen unterwegs. Nun schaue ich hinaus und sehe niemanden. Es geht uns nicht gut – auch finanziell.“ Der Ort leide besonders unter der Pandemie, man lebe zu 90 Prozent vom Tourismus. Nach nur sieben Tagen Präsenzunterricht findet seit Mittwoch für Mayrhofner Schulkinder das Lernen wieder im Kinderzim-
mer statt. „Ich habe am Montagabend die Nachricht bekommen, dass ich die Schule schließen muss, und sofort alle Klassenvorstände, Lehrer und Eltern benachrichtigt. Das Einsehen überwiegt, aber natürlich freut sich niemand“, so Peter Lechner, Direktor der Volksschule und der NMS. Für Schüler, die die Oberstufe in einem Nachbarort besuchen, gilt die PCR-Testpflicht für ihren Schulweg. „Das ist ein bisschen nervig, da ich in der Schule auch einen Schnelltest machen muss“, so ein 17-jähriger Schüler. Verständnis hat er dennoch. „Wenn das gut funktioniert, kann die Gemeinde zeigen, dass sie sich über die Vorurteile hinwegsetzen und die Lage in den Griff bekommen kann.“ Bürgermeisterin Monika Wechselberger geht davon aus, dass die Zahlen in den kommenden Tagen noch steigen werden. Die Maßnahmen gelten bis Mittwoch. Vorerst.
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