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Die Presse Unabhängige Tageszeitung für Österreich Wien, am 03.03.2021, 312x/Jahr, Seite: 11 Druckauflage: 52 641, Größe: 60,56%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 13417395, SB: Ischgl
Antikörper nicht zwingend Voraussetzung für Immunität Coronavirus. Auch ohne die Bildung neutralisierender Antikörper können Infektionen mit dem Coronavirus eine Immunantwort auslösen, die zumindest vor schweren Verläufen schützen könnte. VON KÖKSAL BALTACI
Wien. Sie sind zwar in der absoluten Min-
derheit, aber es gibt sie – Personen, die nach einer Ansteckung mit dem Coronavirus keine oder kaum Antikörper entwickeln, weder in den Wochen noch in den Monaten danach. Aber bedeutet das, dass sie keinerlei Immunantwort aufbauen und einer neuerlichen Infektion mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert sind?
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Was spielt sich im Körper nach der Ansteckung mit einem Virus ab?
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Warum bilden manche Menschen nach einer Infektion keine Antikörper?
Dieses seltene Phänomen kann mehrere Ursachen haben – genetische beispielsweise, die nicht bekannt und auch nicht beeinflussbar sind. Als weiterer Grund kommt eine Infektion mit einem asymptomatischen oder sehr milden Krankheitsverlauf infrage. Weil also das Immunsystem für die Bekämpfung des Virus keine großen Anstrengungen benötigt, wird auch keine starke Immunantwort aufgebaut. „Letztlich wissen wir nicht, warum es in manchen Fällen zu keiner ausreichenden Antikörper-Bildung kommt“, sagt Wilfried Ellmeier, Leiter des Instituts für Immunologie der Medizinischen Universität Wien. „Die Immunantwort nach einer Infektion ist ein komplexer Prozess und fällt bei jedem Menschen etwas anders aus, auch wenn die grundlegenden Prozesse sehr ähnlich sind.“
Das Immunsystem besteht – vereinfacht gesagt – aus zwei miteinander interagierenden Abwehrmechanismen: aus der angeborenen Immunität, die durch eine Kombination aus Barrieren wie etwa der Schleimhaut, durch Zellen wie etwa Makrophagen und Neutrophile sowie durch bestimmte Botenstoffe eine erste VerteidiWas bedeutet das Fehlen von gungslinie gegen Infektionen bildet; und Antikörpern für die Immunisierung? aus der erworbenen (adaptiven) Immunität, die durch B- sowie T-Zellen gebildet wird und erst nach sieben bis zehn Tagen Dass nach einer Infektion keine Antikörper ihre Wirkung entfaltet. gebildet werden, heißt nicht, dass es auch Die natürliche Immunität bietet also zu keiner zellulären Immunantwort einen gewissen Schutz, schafft es aber oft kommt – sie kann ausbleiben, aber auch nicht, die Viren unschädlich zu machen, (in unterschiedlich hohem Ausmaß) aktiwas die adaptive Immunität notwendig viert werden, sagt Ellmeier. Zweiteres hätte macht. im Fall einer erneuten Ansteckung weitreiNach der Aktivierung dieses adaptiven chende Folgen. Zum einen könnte durch Immunsystems durch eine Infektion die zytotoxischen T-Zellen das Risiko für kommt es im Wesentlichen zu zwei Reak- schwere Verläufe deutlich vermindert sein, tionen – zu einer humoralen Immunant- zum anderen aber auch – wegen des imwort, gemeint ist die Bildung munologischen Gedächtnisvon Antikörpern durch die ses – die Bildung von AntikörB-Zellen, und zu einer zelluläpern schneller erfolgen. Die Immunantwort ren Antwort, die durch T-ZelObwohl also bei der erslen ausgelöst wird. ten Infektion keine Antikörper ist ein komplexer Bei den Antikörpern sind Prozess und fällt bei gebildet wurden, könnte das es zunächst IgM-Antikörper, beim zweiten Mal sehr wohl jedem Menschen die schon nach wenigen Tader Fall sein, was wiederum etwas anders aus. gen gebildet und rasch wieder entweder die Infektion selbst abgebaut werden, und IgGverhindern oder zumindest Wilfried Ellmeier, Antikörper, die erst zwei, drei die Gefahr einer schweren ErImmunologe Wochen später folgen und krankung reduzieren würde. mehrere Monate nachweisbar Ein negativer Antikörpertest sind. Bei Letzteren handelt es sich um die in den Wochen und Monaten nach einer sogenannten neutralisierenden Antikör- bestätigten Infektion bedeutet Ellmeier zuper, die das Andocken des Virus an folge somit nicht, dass die betroffene Permenschliche Zellen verhindern und für son ähnlich ungeschützt ist wie jemand, eine anhaltende Immunität sorgen. der sich noch nicht angesteckt hat. DesweZur zellulären T-Zell-Immunantwort gen wird unter Genesenen auch beim tragen sowohl die Helfer-T-Zellen als auch „Reintesten“ (etwa für einen Friseurbedie zytotoxischen T-Zellen, auch „Killerzel- such) kein Unterschied gemacht. Wer len“ genannt, bei. Die zytotoxischen T-Zel- nachweisen kann, in den vergangenen len verhindern nicht das Andocken des Vi- sechs Monaten infiziert gewesen zu sein, rus an Zellen, sondern eliminieren bereits braucht nicht zusätzlich einen positiven befallene Zellen, sodass sich die Viren da- Antikörpertest mit hohem Titer. rin nicht vermehren und sich im ganzen Hat das Nichtvorhandensein von Körper ausbreiten. Sie sind es also, die Antikörpern Folgen für Impfungen? nach einer Ansteckung dazu beitragen, schwere Verläufe zu verhindern. Die Helfer-T-Zellen wiederum helfen den B-Zellen, Vorerst nicht. Die Empfehlung des Natiodie neutralisierenden IgG-Antikörper zu nalen Impfgremiums lautet derzeit, dass produzieren, es gibt also eine Wechselwir- Personen nach überstandener Erkrankung kung zwischen humoraler und zellulärer (bisher sind es rund 420.000) sechs bis Immunantwort. acht Monate lang keine Impfung benötiZur B- und T-Zell-vermittelten Immun- gen. Ihnen steht es dennoch frei, sich impantwort gehört darüber hinaus auch das fen zu lassen – entscheiden sie sich dafür, immunologische Gedächtnis, das sich nach sollten sie aber mindestens drei, besser dem Erstkontakt mit dem Virus entwickelt sechs Monate warten, weil sonst Impfreakund bei einer erneuten Infektion veran- tionen wie etwa Schüttelfrost, Fieber und lasst, dass sowohl Antikörper (durch Ge- Gliederschmerzen zu erwarten sind. Allerdings gilt diese Empfehlung nur dächtnis-B-Zellen) als auch Helfer- und zytotoxische T-Zellen schneller reaktiviert für Betroffene, die auch Beschwerden wie Atemnot, Abgeschlagenheit und den Verbzw. produziert werden. All diese Reaktionen werden bei der lust des Geruchs- sowie Geschmackssinns überwiegenden Mehrheit der Infizierten aufwiesen. Denn bei diesen Personen wird hervorgerufen. Die Antikörperstudie in von einer einigermaßen verlässlichen, mit Ischgl etwa kam auf einen Wert von fast dem Schutz nach einer Impfung vergleich100 Prozent der Betroffenen – unabhängig baren Immunisierung ausgegangen. Bei davon, ob sie milde, mittelschwere oder asymptomatischen Verläufen hingegen kann nicht mit einem 100-prozentigen schwere Krankheitsverläufe aufwiesen. Auch andere Studien ergaben eine Schutz gerechnet werden – obwohl ein solumfassende Immunantwort bei mehr als cher wie gesagt in den meisten Fällen vor90 Prozent der Infizierten, wobei grund- handen sein dürfte. Diesen Personen wird sätzlich gilt: Je schwerer der Verlauf der geraten, sich impfen zu lassen. Die meisten Impfexperten gehen im Infektion, desto höher der Antikörperspiegel und desto stabiler (also verlässlicher Übrigen davon aus, dass bei Personen und länger) die Immunität. Nach bisheri- nach überstandener Erkrankung auch nur gem Wissensstand ist mit einem mindes- eine Dosis in etwa die gleiche Immunreaktens sechs bis acht Monate anhaltenden tion auslöst, die eine zweite Teilimpfung auslösen würde. Schutz zu rechnen.
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