Italien Magazain 02 2022

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Der eigenwillige Marco Mengoni Das Reservoir an talentierten italienischen Musikern ist enorm. Einige verschwinden nach ihrem Durchbruch wie Schnee in der Sonne, darunter leider auch Burt Bacharach-Protegé Karima. Andere wie Alessandra Amoroso spielen immer dieselbe Leier. Zum Glück aber gibt es auch große Künstler, die sich mit jedem Album weiterentwickeln und immer für eine Überraschung gut sind. Zu dieser Spezies gehört Marco Mengoni, der 2013 mit dem brillanten Essenziale seinen Durchbruch feierte. Inzwischen liegt mit Materia (Terra) sein sechstes Studioalbum vor. Es ist eine Ode an seine musikalischen und familiären Wurzeln und dabei zugleich ein selbstsicheres „Das bin ich“. Die Eröffnungsnummer

„Cambia un uomo“ (Ein Mann ändert sich) besagt, dass man vergeben können muss, um zu wachsen. Doch vergeben bedeutet für ihn nicht, einfach alles zu akzeptieren. Vielmehr ist auf dem Album auch scharfe Kritik an Kirche und Politik zu vernehmen, etwa im Stück „Proibiti“ (Verboten). Die opulenten Arrangements auf Basis akustischer Aufnahmen anstelle von Computern feiern Mengonis Verbundenheit zu Soul und Gospel, wobei sie der Stimme genug Spielraum zur Entfaltung bieten. Als Album voller Hingabe ist Materia (Terra) übrigens das erste einer Trilogie. Das verspricht einiges für die nahe Zukunft. (JM) Marco Mengoni, Materia (Terra), Sony Music.

Immer wieder erschüttern schwere Erdbeben Italien. 1976 war unter anderem das Friaul im Nordosten des Landes betroffen. Das Rahmenereignis plötzlich

zersprengter Existenzen nimmt die im Rheinland geborene Autorin (*1956) zum Anlass, sieben Frauen und Männer aus einem abgelegenen Bergdorf über die Folgen die Naturkatastrophe berichten zu lassen. Dabei offenbart sich schon bald, dass die Verschiebungen nicht nur tektonischer Art gewesen sind. Von der gemeinsamen Erfahrung von Angst und Verlust nämlich spleißen sich bald die Fäden der individuellen Erinnerung ab. In der Folge werden sie zu ebenso eindringlichen wie berührenden Erzählungen tiefer Versehrung. Esther Kinsky, Rombo, Suhrkamp, 267 Seiten, € 24.

Zweite Chance für die Liebe Als sich Edith und Andrea während der Überfahrt von Venedig nach Piräus kennen

lernen, hat sie gerade Abitur gemacht und er ist Kapitän des Schiffes. Beide nähern sich an. Doch während er seine Verlobung löst, mag sie ihm keinerlei Sicherheiten geben. Als er ihr einen Heiratsantrag macht, weist sie ihn jäh zurück. Das Paar trennt sich. Viele Jahre kreuzen sich die Wege der beiden erneut. Aus anfänglicher Freundschaft wird erneute Liebe - nur wird sie diesmal von einem Schicksalsschlag begleitet. Die poetische Geschichte der gefeierten Autorin (*1957) nimmt ihren Lauf. Susanna Tamaro, Geschichte einer großen Liebe, Harper Collins, 240 Seiten, € 20.

VON RALF JOHNEN, SERENA CARUSO & JORIS VAN DER MEER

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Tektonische Verschiebungen

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