ERSTE Stiftung Geschäftsbericht 2020

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Ist heute schon morgen?



„Covid-19 hat die Welt mit Weltoffenheit infiziert, während es die Staaten gegen die Globalisierung einnahm.“ IVA N KRA S TE V Is t h eute s c h on morge n? Wie die Pandem ie Euro pa ve rä nde rt, U l l s tein : Berl in 20 20, Ü bers et zung: Kar i n Schuler, S. 56



Inhalt Die große Transformation 4 Ein Jahr wie kein anderes 6 ERSTE Stiftung: Zwei wichtige Aufgaben 8 Solidarität in der Krise Covid-19 – Trash 20/21 12 Überbrückungskredite für NPOs 16 CEE Solidarity Fund 18 Solidarity Belarus 24 Finanzielle Gesundheit für alle Jeder Mensch ist Teil des Wirtschaftslebens 34 FLiP Entrepreneurship Challenge 38 Die Zweite Sparkasse erweiterte ihr Angebot 40 Gelebtes Responsible Banking 42 UnterstützerInnen unterstützen Two Next: Die Sache beginnt in der analogen Welt 50 Ein demokratisches Europa bewahren Niccolò Milanese: Europas neue Territorialpolitik 58 Pressefreiheit. Wenig Gutes zu berichten 66 Gerald Knaus: Menschlichkeit und Kontrolle sind kein Widerspruch 68 Freiräume für zeitgenössische Kultur Edi Hila: A Tent on the Roof of a Car 72 Der Igor Zabel Award 2020 ging nach Ljubljana! 80 ERSTE Stiftung Netzwerk Was war 2020 los? 86 The Call 92 Die ERSTE Stiftung Bibliothek 98 Jahresabschluss 2020

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Anhang zum Jahresabschluss 2020 111 Lagebericht 2020 125 Mitglieder des Vereins „DIE ERSTE österreichische Spar-Casse Privatstiftung“ 132 Gremien und Team 134 Impressum 136

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Foto: Jakob Polascek

Die große Transformation

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en meisten von uns war es immer schon bewusst, andere mussten es im vergan­ genen Jahr auf radikale Weise lernen: Körperliche Gesundheit ist das wichtigste Gut in unserem Leben. 2020 waren die Menschen in Europa und der ganzen Welt mit der größten Gesundheitskrise seit dem Zweiten Weltkrieg und der ersten Pandemie seit der Spanischen Grippe vor rund hundert Jahren konfrontiert. Millionen Menschen sind gestorben und noch viel mehr erkrankt. Wenn dieser Bericht erscheint, im ersten Halbjahr 2021, sind wir immer noch nicht ganz über den Berg. Die Gesundheitskrise entwickelte sich aufgrund der notwendigen Maßnahmen zu ihrer Begrenzung bald zu einer Wirtschaftskrise mit weitreichenden ökonomischen und sozialen Konsequenzen. Als Folge davon haben wir erfahren, dass die finanzielle Gesundheit das zweitwichtigste Gut für den Menschen, aber auch für ganze Gesellschaften ist. Körperliche und finanzielle Gesundheit sind außerdem eng verschränkt. Krankheit führt oft zu wirtschaftlicher Not, finanzielle Sorgen verursachen in der Folge oft körperliche oder mentale Probleme. In beiden Fällen ist Vorsorge die beste Medizin. In dieser Zeit, in der so viele Menschen aufgrund der Coronapandemie unerwartet und massenhaft arbeitslos wurden oder in eine prekäre wirtschaftliche Lage gerieten, hat die ERSTE Stiftung in ihrem Schwerpunkt „Finanzielle Gesundheit“ einen großen Schritt nach vorn gemacht. Gemeinsam mit wichtigen Stakeholdern haben wir im letzten Jahr die Stiftung für Wirtschaftsbildung gegründet, um zur Stärkung einer breiten wirtschaftlichen Allgemeinbildung in Österreich beizutragen und Wirtschafts- und Finanzbildung in den Lehr-

plänen der Schulen zu verankern. Wirtschaftsbildung ist die beste Vorsorge für ein finanziell gesundes Leben. Die Coronapandemie hat neben Gesundheit und Wirtschaft aber auch noch andere Lebensbereiche stark betroffen. Bei den demokratischen Grundrechten waren aufgrund von Notverordnungen teilweise starke Einschränkungen hinzunehmen: Bewegungsfreiheit, V ­ersammlungsfreiheit, das Recht auf Bildung und das Recht, sich mit anderen Menschen, gerade den allernächsten, zu ­treffen, waren zeitweise außer Kraft gesetzt. Ganze Branchen erlebten durch verordnete Schließungen enorme wirtschaftliche Einbrüche. Die Dynamik der Globalisierung hatte plötzlich eine Kehrseite: Infektionsketten reichten quer über Kontinente, Lieferketten wurden dagegen jäh unterbrochen. Grenzen waren geschlossen und wichtige Güter kurz- und mittelfristig nicht verfügbar. Bühnen, Museen und Konzertsäle blieben leer, der Zugang zu Kultur versperrt. Gleichzeitig bemerkten viele von uns verblüfft, was alles möglich ist, wenn es ernst wird. Die ­Digitalisierung hat einen enormen Schub bekommen, hat Überbrückungslösungen beim Homeschooling und im Homeoffice ermöglicht, aber auch innovative Formate der Zusammenarbeit und der Kulturvermittlung. Systemrelevante Dienstleistungen funktionierten reibungslos, bargeldloses Bezahlen setzte sich durch, medizinische Forschung lieferte Ergebnisse in Rekordzeit. Das am häufigsten genannte Beispiel eines positiven Effekts der Covid-19-Krise sind die weltweit 7 %, also 2,4 Milliarden Tonnen, um die der Ausstoß von CO2 2020 im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist.

Die finanzielle Gesundheit ist das zweitwichtigste Gut in unserem Leben.

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Eine große gesellschaftliche Transformation ist also derzeit im Gange. Wir werden nach Bewältigung der Pandemie nicht zu einem Zustand wie vor der Krise zurückkehren. Die ERSTE Stiftung und die gesamte Zivilgesellschaft, aber auch Banken müssen und werden die Chancen nutzen, die ebenso in dieser Krise liegen. Digitalität muss etwa auch für NGOs zugänglich sein (woran wir mit dem Start-up Two Next arbeiten). Angesichts der Lösungen, die wir für die Bewältigung der Klimakrise und der sozialen und gesellschaftlichen Umbrüche in ihrem Gefolge dringend brauchen, wird die Stiftung sowohl als Partner von engagierten NGOs und Sozialunternehmen wie als verantwortungsvolle Aktionärin der Erste Group neue Wege einschlagen müssen. Für die Erste Group hat die Pandemie gezeigt, wie wichtig persönliche Beratung und individuelle Lösungen in Krisensituationen sind. Es gibt nicht für alles eine App. Finanzdienstleister müssen in Zukunft noch mehr individuell zugeschnittene Dienstleistungen erbringen, wenn sie überleben wollen. Die ERSTE Stiftung wird als Eigentümerin darauf achten, dass der Geschäftszweck ihrer Bank Effektivität und Gemeinsinn verbindet. Dafür bietet sie einem der größten Finanzdienstleister in Mittel- und Osteuropa in unsicheren Zeiten sehr stabile Eigentumsverhältnisse. Banken hatten während der Pandemie eine Schlüsselfunktion bei der Auszahlung staatlicher Unterstützungsleistungen für die Wirtschaft und sie werden in der kommenden Phase als kompetente Partner gebraucht. Denn es sind enorme Investitionsvolumen zu bewältigen, die der europäische Green Deal und andere Konjunkturprogramme, die dazu beitragen sollen, nachhaltig und gestärkt aus der Krise zu kommen, zur Verfügung stellen. Gleichzeitig stehen Banken unter besonderer Beobachtung der Regulatoren. Die Europäische Zentralbank empfahl den Banken früh, die Dividendenzahlungen für die Jahre 2019 und 2020 auszusetzen oder zu begrenzen. Die ERSTE Stiftung konnte den Ausfall der Dividendenzahlung im Jahr 2020 dank ausreichender Rücklagen abfedern und sogar Sonderförderungen für NGOs zur Verfügung stellen, die von der Pandemie besonders hart getroffen wurden. Die Erste Group hat bereits zu Beginn der Pandemie ausreichend Vorsorge für mögliche Kreditausfälle gebildet. Erfreulich ist, dass bereits die Aussicht auf eine Entwicklung der rettenden Impfstoffe in Rekordzeit in vielen Branchen und vielen Ländern Mittel- und Osteuropas wieder zu Wirtschaftswachstum geführt hat. Wir blicken zuversichtlich in die wirtschaftliche Zukunft von Erste Group und ERSTE Stiftung am Ende der

Pandemie. Man darf es wohl eine Entscheidung zur rechten Zeit nennen, dass der Aufsichtsrat der ERSTE Stiftung im März 2020 beschloss, noch bevor die Weltgesundheitsorganisation die Covid-19-Krise als Pandemie eingestuft und ­Österreich den ersten Lockdown verkündet hatte, den Vorstand der Stiftung um ein Mitglied mit Expertise im Bereich Gesundheit zu erweitern. Die Arbeitsmedizinerin Eva Höltl leitet das Gesundheitszentrum der Erste Group und bringt ihre Kompetenz bei Themen rund um körperliche und finanzielle Gesundheit sowie ihre Kenntnisse über die Auswirkung sozialer Probleme auf die Gesundheit des Einzelnen und die Resilienz von gesellschaftlichen Gruppen in den Vorstand der ERSTE Stiftung ein. Die Leiterin des wissenschaftlichen Beirats der Österreichischen Akademie für Arbeitsmedizin und Prävention ist seit Anfang 2021 außerdem Sprecherin der Initiative ­„Österreich impft“, welche die Bevölkerung über die Vorteile und Risiken der Impfung gegen das Coronavirus aufklärt. Besonders tief getroffen hat mich das völlig unerwartete Ableben von Peter Pichler. Er war ein besonders engagiertes Mitglied des Aufsichtsrats und hat uns mit wertvollen Hinweisen aus seiner langjährigen Erfahrung als Unternehmer wesentlich unterstützt. Seine Stimme und seine klugen Beobachtungen fehlen uns. Wie bereits seit Längerem geplant, wurde Philipp Thurn und Taxis in der Vereinsversammlung vom 30. November 2020 zum Mitglied des Aufsichtsrats bestellt. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit ihm. Ich danke Mario Catasta (CEO) und Boris M ­ arte (stellvertretender CEO) sowie Eva Höltl und Franz Portisch wie auch sämtlichen MitarbeiterInnen herzlich für die in diesem außergewöhnlichen Jahr geleistete Arbeit und wünsche Ihnen und uns allen weiter viel Gesundheit – physische und finanzielle.

Andreas Treichl Präsident des Aufsichtsrats

Mitglieder des Aufsichtsrats Andreas Treichl Manfred Wimmer Bettina Breiteneder Ilse Fetik Maximilian Hardegg Barbara Pichler Johanna Rachinger Philipp Thurn und Taxis Markus Trauttmansdorff 5


Der Vorstand der ERSTE Stiftung: Mario Catasta (CEO), Eva Höltl, Franz Portisch, Boris Marte (stv. CEO), Foto: Peter M. Mayr

Ein Jahr wie kein anderes

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van Krastev erkennt in den Auswirkungen der Coronapandemie auf die Welt (Ist h ­ eute schon morgen?) ein Paradox: Obwohl wir 2020 möglichst großen Abstand voneinander halten sollten und zeitweilig Grenzen geschlossen wurden, haben wir uns alle mehr denn je, ja vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte überhaupt, als BewohnerInnen einer Welt gefühlt, schicksalshaft miteinander verbunden, vereint im Kampf gegen das Virus. Wir leben weltweit alle in der gleichen Krise, auch wenn sie nicht für alle dieselben Folgen hat. Darum werden sich wohl viele Rückblicke auf 2020 ähnlich lesen. Hier ist unsere Version einer Rückschau auf ein Jahr wie kein anderes. Zu Beginn des Jahres fühlten wir von der ERSTE Stiftung uns gestärkt von den inspirierenden Ideen, die uns im Vorjahr die Gäste unserer Vortragsreihe zum 200-Jahr-Jubiläum mit auf den Weg in eine nachhaltige Zukunft gegeben hatten. Als Gastgeber wollten wir diese Gedanken mit unseren KollegInnen im Mai auf der Konferenz des European Foundation Centre in Wien teilen. Die Konferenz mit dem Titel „Foundations and The New Normal“ musste natürlich auf das Jahr 2021 verschoben werden. Die neue Normalität wurde ab März zur Realität der Coronapandemie. Die Arbeit der E ­ RSTE Stiftung war davon in mehrfacher Hinsicht stark betroffen. Die MitarbeiterInnen haben

den größten Teil des Jahres im Homeoffice gearbeitet, eine Situation, auf die wir technisch und organisatorisch gut vorbereitet waren. Wir haben außerdem alles getan, um Sicherheit und Stabilität in der Zusammenarbeit mit den zahlreichen Initiativen und Partnerorganisationen zu gewährleisten, obwohl wir uns gleichzeitig, wie viele andere, auf Zeiten finanzieller Ungewissheit einstellen mussten. Wichtig war uns vom ersten Moment der Krise an, den Grundstein für den kommenden Neuanfang zu legen. Bei vielen Projekten konnten Programme nicht wie geplant durchgeführt werden. So wurden zum Beispiel Kulturstätten in den meisten europäischen Ländern über Monate geschlossen, um die Infektionszahlen in der Bevölkerung zu senken. KünstlerInnen, ProjektmanagerInnen, JournalistInnen, StipendiatInnen, DozentInnen und andere an Programmen beteiligte Personen konnten gar nicht oder nur sehr eingeschränkt reisen. Konferenzen, Ausstellungen, Seminare und ähnliche Veranstaltungen konnten nicht oder nur online stattfinden. Auch die Zweite Sparkasse bot ihre Beratung nun online an. Gleichzeitig war der NGO-Sektor von ähnlichen wirtschaftlichen Problemen betroffen wie der For-Profit-Bereich, bekam aber in etlichen Ländern wesentlich weniger oder keine staatlichen Ausgleichshilfen angeboten. Außerdem ver-

Wichtig war uns vom ersten Moment der Krise an, den Grundstein für den kommenden Neuanfang zu legen.

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schärfte sich die soziale Ungleichheit: Plötzliche Auftrags- oder Arbeitslosigkeit, prekäre Lebensverhältnisse, schwierige Bedingungen für Eltern und Kinder im Homeschooling, Pflegekrisen oder schwere bis tödliche Krankheitsverläufe ließen die Probleme von (potenziellen) KlientInnen vieler NGOs schlagartig wachsen. Als direkte Reaktion auf diese Lage hat die ­ERSTE Stiftung noch im Frühjahr 2020 Maßnahmen umgesetzt, die speziell auf AkteurInnen der Zivilgesellschaft während der Pandemie zugeschnitten waren. Im April 2020 setzte die ERSTE Stiftung den CEE Solidarity Fund als unbürokratischen Härtefallfonds für kleine bis mittelgroße NPOs in Mittel- und Südosteuropa auf. Weiters stellte eine umfassende Social-Banking-Initiative der Erste Group und ERSTE Stiftung insgesamt rund 25 Millionen Euro an Liquidität für gemeinnützige Organisationen in Kroatien, Österreich, Rumänien, Serbien, Slowakei, Tschechien und Ungarn zur Verfügung. Die ERSTE Stiftung übernahm die für das Jahr 2020 fälligen Zinszahlungen. Auch in vielen Projekten reagierte man schnell. Im April 2020 rief zum Beispiel die Journalismusplattform Reporting Democracy JournalistInnen auf, darüber zu berichten, wie die Pandemie Politik und Gesellschaft in Mittel-, Ost- und Südosteuropa verändert. Parallel zu den raschen Antworten auf die Krise wurde die Arbeit an langfristigen Projekten fortgesetzt. So haben wir mit Two Next eine GmbH ins Leben gerufen, die künftig gemeinnützigen Organisationen dabei hilft, digitale Produkte und Services in Bereichen anzubieten, die die Pandemie besonders ins Rampenlicht gerückt hat: Pflege und finanzielle Inklusion. Wir konnten aufgrund unserer langjährigen Erfahrung im Erste Financial Life Park (FLiP) mit wichtigen Stakeholdern der österreichischen S ­ ozialpartnerschaft eine neue Allianz schmieden, um die Stiftung für Wirtschaftsbildung ins ­ Leben zu rufen, die Finanz- und Wirtschaftsbildung künftig im Lehrplan der Schulen in Österreich verankern helfen will. Die Pandemie hat manchmal verdeckt, dass 2020 auch noch andere Vorkommnisse ­ unsere Aufmerksamkeit verdienten. Die Zustände in den Flüchtlingslagern auf der Insel Lesbos, auf dem Boden der Europäischen Union also, und in ­Bosnien blieben 2020 durchgehend ungelöst und schreien nach neuen Lösungen, wie Europa mit Asyl und Migration umgeht. Die verfahrene ­Debatte aufbrechen will Gerald Knaus, langjähriger Partner der ERSTE Stiftung und Alumnus von

Europe’s Futures. Er stellte in der ERSTE Stiftung im Herbst sein Buch Welche Grenzen wollen wir? vor und überreichte es danach persönlich dem österreichischen Bundespräsidenten A ­lexander van der Bellen. Wir haben die Zeit aber auch genutzt, um in „Innovationsdialogen“ mit unserem Partner­ netzwerk den Blick entschlossen nach vorne zu richten. Welche Erkenntnisse ziehen wir aus der Gesundheitskrise? Was wird davon länger blei­ ben? Wie werden wir als Gesellschaft und Wirtschaft ein neues Verhältnis zur Natur finden können? Sind wir bereit für das Leben und Wirtschaften in einer dekarbonisierten Welt? 2020 hat nochmals eindrücklich gezeigt, dass wir in einer Zeitenwende leben und dass wir uns als Stiftung, die mit ihrem Auftrag eine langfristige Perspektive einnimmt, noch länger mit diesen Fragen beschäftigen müssen werden. Auch mit dem Thema, wie wir die Herausforderungen der Zukunft in starken Demokratien bewältigen können. So passt es gut ins Bild, dass es gelungen ist, AktivistInnen und KünstlerInnen aus Minsk dank des kurzfristig (mit tranzit.at) aufgelegten ResidencyProgramms Solidarity Belarus nach ­ Österreich zu bringen, um ihnen einen Moment der Erholung und des Wiedererstarkens zu ermöglichen. Das Jahr 2021 hat hoffnungsvoll mit der Aussicht auf eine wirksame Impfung gegen die Pandemie begonnen. Gleichzeitig werden wir die wirtschaftlichen und sozialen Folgen dieser Krise noch lange spüren. Es liegt auch an uns, die richtigen Erkenntnisse daraus zu ziehen und sie in Ideen und Konzepte der Zukunftsgestaltung münden zu lassen. Jedenfalls werden wir nicht zu einer Normalität vor der Pandemie zurückkehren können. Lassen wir die Chance nicht ungenutzt vorüberziehen, die uns die Erfahrungen einer weltweiten Krise geboten haben. Denn die Herausforderungen in der nahen Zukunft werden noch größer sein. Wir werden auch künftig die besondere Identität und die Freiheit des Gestaltens der ­ERSTE Stiftung dazu nützen, unseren Beitrag zu einem besseren Leben zu leisten!

Mario Catasta CEO

Boris Marte stv. CEO

Eva Höltl Vorstandsmitglied

Franz Portisch Vorstandsmitglied 7


ERSTE Stiftung: Zwei wichtige Aufgaben Die ERSTE Stiftung ist eine Sparkassen-Privatstiftung gemäß österreichischem Sparkassengesetz. Entsprechend ihrer Stiftungserklärung hat sie gleichzeitig zwei Funktionen zu erfüllen: dem Gemeinwohl zu dienen und eine dauerhafte Beteiligung an der Erste Group Bank AG zu halten.

Dividendenausfall wegen Covid-19-Krise Um dem Gemeinwohl zu dienen, soll die ERSTE Stiftung Teile ihrer Dividende aus der Beteiligung an der Erste Group Bank AG (Erste Group) in gemeinnützige Projekte investieren. Die Höhe der Dividende wird jährlich vom Vorstand der Erste Group vorgeschlagen und von der Hauptversammlung der AktionärInnen beschlossen. Aufgrund des hervorragenden Ergebnisses im Jahr 2019 hatte die Erste Group ursprünglich angekündigt, eine Dividende in Höhe von EUR 1,50/ Aktie auszuschütten. Bevor dies von der Hauptversammlung 2020 beschlossen werden konnte, hat die Europäische Zentralbank (EZB) angekündigt, aufgrund der zu erwartenden Belastungen des Finanzsektors durch die Covid-19-Krise zunächst bis Oktober 2020 keine Dividendenausschüttungen von Banken zuzulassen. In der daher auf November verschobenen Hauptversammlung wurde eine Dividende von EUR 0,75/Aktie beschlossen, deren Auszahlung jedoch von der EZB erneut untersagt wurde. Eine mögliche Dividende wird nun nach der Hauptversammlung im Mai 2021 erwartet. Da die ERSTE Stiftung aber in den letzten Jahren aufgrund der guten Dividendenerträge freie Rücklagen in Höhe von über EUR 200 Mio. bilden konnte, werden die Zuwendungen an Begünstigte wie geplant ausgeschüttet. Zu den Begünstigten, die Zuwendungen der Stiftung erhalten dürfen, gehören ausschließlich gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Organisationen, nicht aber Einzelpersonen oder kommerzielle Unternehmen. Die von der ERSTE Stiftung initiierten und mitentwickelten Projekte werden daher immer mit Partnern durchgeführt oder haben Begünstigte, die diesem Kreis zugehörig sind. Beteiligung des Syndikats an Erste Group leicht erhöht Gemäß Stiftungserklärung soll die ERSTE Stiftung dauerhaft und qualifiziert an der Erste Group beteiligt sein. In dieser Rolle wurde die ERSTE Stiftung durch Unterzeichnung mehrerer Syndi­ katsverträge mit anderen Aktionären gestärkt. Diese Gruppe von Aktionären unter der Führung der ERSTE Stiftung besteht aus der überwie8

genden Anzahl der österreichischen Sparkassen, zahlreichen Sparkassenstiftungen und Anteilsverwaltungssparkassen (zusammen die „Sparkassengruppe“), der CaixaBank S. A. und dem Mehrheitsaktionär der Vienna Insurance Group, Wiener Städtische Wechselseitiger Versicherungsverein – Vermögensverwaltung. Die Erste Mitarbeiterbeteiligung Privatstiftung wird ebenfalls dem Syndikat zugerechnet. Das Syndikat hat durch Zukäufe von Aktien im Frühjahr 2020 durch die Sparkassengruppe seinen Anteil an der Erste Group im vergangenen Jahr leicht erhöht. Durch diese Vereinbarungen ist die ERSTE Stiftung berechtigt, das Stimmverhalten der ­ Vertrags­ partner bei Aufsichtsratswahlen zu bestimmen. Die Vereinbarung zwischen CaixaBank S. A. und ERSTE Stiftung sieht zudem das Recht der CaixaBank S. A. (die mit 9,9 % an der Erste Group Bank AG beteiligt ist) vor, zwei Mitglieder des Aufsichtsrats der Erste Group Bank AG zu nominieren. Die Sparkassengruppe, die gemeinsam einen syndizierten Anteil von rund 6,4 % hält, hat das Recht, ein Mitglied des Aufsichtsrats der Erste Group Bank AG zu nominieren. Die Erste Group hat dank dieser Vereinbarungen eine stabile Gruppe von Aktionären, die rund 30,8 % der Anteile hält. Somit kann sich eine der größten Retail-Banken Zentral- und Osteuropas auf eine solide Eigentümerstruktur stützen. Die ERSTE Stiftung hat in der Vergangenheit die Erste Group bei ihren regionalen und überregionalen Investitionen unterstützt und dafür wiederholt an Kapitalerhöhungen der Erste Group teilgenommen. Dafür wurden Verbindlichkeiten aufgenommen. Aktuell beträgt der Schuldenstand der ERSTE Stiftung EUR 220 Mio. Die wirtschaftliche Beteiligung der ERSTE Stiftung an der Erste Group Bank AG liegt nunmehr bei 11,25 %. Erste Group-Aktie Das Jahr begann vielversprechend und am 12. Februar erreichte die Erste Group-Aktie bei EUR 35,60 ihren höchsten Jahresschlusskurs. Im Zuge des Preisverfalls an den Aktienmärkten und insbesondere bei den Banktiteln im ersten Quartal aufgrund der Covid-19-induzierten Krise musste auch die Aktie der Erste Group einen Kursrück-


Aktionärsstruktur zum 31. Dezember 2020 nach InvestorInnen (in %) Ausgegebene Aktien: 429.800.000

Projektumsetzungen und Förderungen 2020 79 umgesetzte oder unterstützte Projekte

Sparkassen und Sparkassenstiftungen* andere Syndizierte*

ERSTE Stiftung* identifizierte Handelspositionen

11 %

6 %

3 % unbekannt

direkte Projektaufwendungen EUR 224.000

Gründungsfinanzierungen* EUR 535.000

CaixaBank*

3 % 10 % 1 %

9 %

4 %

MitarbeiterInnen* private Investoren Österreich

Gesamtsumme: EUR 6,56 Mio.

Zuwendungen an Projektpartner EUR 5,8 Mio.

53 % institutionelle und private Investoren international

* Die ERSTE Stiftung kontrolliert insgesamt 30,9 % der Aktien hinsichtlich der Stimmrechte bei Aufsichtsratswahlen der Erste Group Bank AG (inklusive 19,5 % aus den Anteilen der CaixaBank, der Sparkassen und Sparkassen-Privatstiftungen sowie des Wiener Städtische Wechselseitiger Versicherungsverein und der Erste Mitarbeiterbeteiligung Privatstiftung) und ist mit 11,25 % wirtschaftlich an der Erste Group Bank AG beteiligt.

Kursverlauf der Erste Group-Aktie und wichtiger Indizes (indexiert)

* Die Gründungsfinanzierung erhielt die Two Next GmbH.

Erste Group-Aktie Austrian Traded Index (ATX) DJ Euro Stoxx Banks

100

50 1. 1. 2020

gang von mehr als 50 % hinnehmen. Der tiefste Schlusskurs der Erste Group-Aktie im Jahr 2020 lag bei EUR 15,34 am 3. April. In weiterer Folge konnte die Aktie zwar die Hälfte ihrer zuvor erlittenen Kursverluste aufholen, verzeichnete aber im dritten Quartal neuerliche Abschläge. Auch die erzielten Zugewinne in den letzten zwei Handelsmonaten des Jahres konnten die zuvor erlittenen Kursverluste nur zum Teil wettmachen. Die Erste Group-Aktie beendete das Jahr mit einem Kurs von EUR 24,94 und damit um 25,7 % unter dem Wert zum Ultimo 2019. Im Fokus der

31. 12. 2020

Marktteilnehmer standen die Auswirkungen der pandemiebedingt rückläufigen Wirtschaftsleistungen in Zentral- und Osteuropa, insbesondere die Entwicklung von Kreditvolumen und Betriebserträgen sowie der Risikovorsorge. Generell w ­aren Covid-19-bezogene Faktoren ­(fiskalpolitische Unterstützungsmaßnahmen, Kreditmoratorien, subventionierte und g ­arantierte Kredite, Zinssenkungen, quantitative Lockerungen, Dividendenbeschränkungen, Lockerung von Eigenkapitalvorschriften) bestimmende Themen des Jahres. 9



Solidarität in der Krise


Seid vernünftig, tragt die Maske! Und seid umweltbewusst und entsorgt sie ordentlich! 12


Covid-19 – Trash 20/21 Fotoprojekt von Dejan Petrović

Schlüssel, Brieftasche und … Schutzmaske – Dinge, die Sie beim Verlassen des Hauses nicht vergessen sollten. Unabhängig von Farbe, Material und dem Grad der Wirksamkeit gehören Masken inzwischen zu unserem Tagesablauf. Ordentlich verpackt in kleinen Schutzhüllen sind sie ein Teil von uns, wie Unterwäsche, Socken, Schuhe. Wir tragen sie länger oder kürzer, aber schließlich ersetzen wir sie durch eine frische, unverbrauchte, frisch ausgepackte. Und was machen wir mit der alten? Die meisten von uns finden in den meisten Fällen einen richtigen Mistkübel und legen unsere Beschützerin in ihre endgültige Ruhestätte. Andere werfen sie achtlos irgendwohin und verwandeln Schutzmasken in eine neue Art von Müll. Dieses Projekt zeigt die gesammelten Fotografien jener Masken, die ihre endgültige Ruhestätte nicht gefunden haben, sondern durch die Straßen, Höfe, Wälder, Flüsse … der Welt streunen, was sie zum neuen Müll des 21. Jahrhunderts macht. Ausgehend von einem Foto aus der serbischen Hauptstadt Belgrad wurden für dieses fortlaufende Projekt über 300 Fotos der Masken gesammelt, die unsere Umwelt auf der ganzen Welt verschmutzen: in Finnland, der Ukraine, der Schweiz, Serbien, Österreich, Bosnien, Polen, Deutschland, Rumänien, den USA, Kroatien, Slowenien, Ungarn ...

dejanpetrovic.net

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Symbiosis Foundation, Ungarn, Foto: Symbiosis

Agro – drevinový ekosystém BBSK, s. r. o., Slowakische Republik, Foto: Agro

Mother-of-Pearl – Verein für Menschen mit Behinderung, Ungarn, Foto: Mother-of-Pearl

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Erste Group und ERSTE Stiftung unterstützten NPOs mit Überbrückungskrediten Die Auswirkungen der Coronapandemie haben nicht nur öffentliche Haushalte, Privatpersonen und die Wirtschaft, sondern auch den NGO-Sektor stark getroffen. Zivilgesellschaftliche Organisationen waren von ähnlichen Problemen betroffen wie der For-Profit-Bereich, bekamen aber in den meisten Ländern wesentlich weniger oder keine staatlichen Ausgleichshilfen angeboten. Als direkte Reaktion auf diese Lage hat die ERSTE Stiftung noch im Frühjahr 2020 Maßnahmen umgesetzt, die speziell auf AkteurInnen der Zivilgesellschaft während der Pandemie zugeschnitten waren. Eine umfassende Social-Banking-Initiative der Erste Group und ERSTE Stiftung stellte 2020 insgesamt rund 25 Millionen Euro an Liquidität für gemeinnützige Organisationen in Kroatien, Österreich, Rumänien, Serbien, der Slowakei, Tschechien und Ungarn zur Verfügung. Die Erste Group ermöglichte dabei über ihre Tochterbanken besonders vorteilhafte Kredite zur Liquiditätsüberbrückung. Die ERSTE Stiftung unterstützte die kreditnehmenden Sozialinstitute bis Ende des Krisenjahrs mit der Übernahme der Zinszahlungen für die neu abgeschlossenen Finanzierungen. Gemeinnützige Institutionen sollten bei der Überwindung von durch die Coronakrise verursachten finanziellen Engpässen unterstützt werden. In Österreich richtete sich das Angebot zum Beispiel an alle registrierten Vereine und Organisationen ohne Gewinnorientierung in Bereichen wie Gesundheit, Pflege und Soziales. Die gemeinnützigen Organisationen konnten einen Überbrückungskredit von bis zu 300.000 Euro beantragen. Wie haben die zinsfreien Kredite gewirkt? Hier einige Stimmen: Gabriella Miklós, Symbiosis Foundation: „Obwohl die Coronabeschränkungen die Arbeit im Freien nicht beeinträchtigt haben, war der Kauf von Schutzausstattung und anderen landwirtschaftlichen und bautechnischen Materialien eine große finanzielle Belastung für uns. Dank des zinsfreien Kredits der Erste Bank Hungary konnten wir die Gesundheit der 40 Personen, die in den Wohnhäusern auf dem Bauernhof leben, sicherstellen und jegliche Infektionen während der Pandemie verhindern. Zudem haben wir den Bau eines weiteren Gästehauses fortgesetzt, das nicht nur die Bedürfnisse von Familien mit benachteiligten Kindern erfüllen wird, sondern ihnen auch ermöglicht, Geld zu verdienen und zu steuerzahlenden BürgerInnen unserer Gemeinschaft zu werden.“ Milan Vaňo, Agro – drevinový ekosystém BBSK, s. r. o.: „Als soziales Unternehmen ist es unser Ziel, einen Beitrag zur Ernährungssouveränität sowie beruflichen Bildung von StudentInnen als auch zur Beschäftigung von benachteiligten und gefährdeten Menschen und zur regionalen Entwicklung zu leisten. Mit dem zinsfreien Kredit der S ­ lovenská sporiteľňa konnten wir zusätzliche Kosten für unseren Cashflow vermeiden und unser G ­ eschäft weiterentwickeln – und das in Zeiten einer globalen Pandemie.“ Ákos Tóbiás, Mother-of-Pearl-Verein für Menschen mit Behinderung: „Wir arbeiten bereits seit Anfang 2020 mit der Erste Bank Hungary zusammen, um unsere neue ­Unterkunft für Menschen mit Autismus zu finanzieren. Doch mit der Pandemie waren wir mit weiteren Schwierigkeiten sowie zusätzlichen Kosten für Hygiene-Maßnahmen konfrontiert. Der zinsfreie Kredit hat uns dabei geholfen, Kapital freizusetzen, das wir dann für die Investition in zwei neue Trockner verwenden konnten.“

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CEE Solidarity Fund Im Mai 2020 setzte die ERSTE Stiftung einen unbürokratischen Härtefallfonds für kleine bis mittelgroße NPOs in Mittel- und Südosteuropa auf. Die Zivilgesellschaft in Zentral- und Südosteuropa ist schon unter normalen Umständen besonders gefordert. Umso stärker wurde sie von der Covid-19-Krise getroffen. Für eine schnelle unbürokratische Hilfe in den ersten, besonders unsicheren Wochen der Krise rief die ERSTE Stiftung im April 2020 den CEE Solidarity Fund ins Leben. Mit insgesamt 350.000 Euro konnten 68 Organisationen bei der Überwindung von Liquiditätsengpässen aufgrund von Covid-19 unterstützt werden. So wurde zum Beispiel ein Beitrag zur Digitalisierung ihrer Aktivitäten, zur Arbeitsplatzsicherung für MitarbeiterInnen sowie zur Krisenhilfe für benachteiligte Communitys, etwa durch die Einführung von Hygienemaßnahmen, geleistet. Bewerben konnten sich Organisationen, die zur aktiven Teilnehmergruppe der NGO Academy zählten. Die NGO Academy ist ein Gemeinschaftsprojekt der ERSTE Stiftung und des Kompetenzzentrums für Nonprofit Organisationen und Social Entrepreneurship der Wirtschaftsuniversität Wien. Es wurde 2013 mit dem Ziel gegründet, den zivilgesellschaftlichen Sektor in Mittel- und Südosteuropa durch Weiterbildungsmöglichkeiten zu stärken. Einige der aus dem CEE Solidarity Fund Geförderten berichten an dieser Stelle von ihren Erfahrungen in diesem schwierigen Jahr.

ngoacademy.net

Wie geht es der Zivilgesellschaft in Mittel- und Osteuropa in der Pandemie? Eine Krise ist zuallererst einmal eine Krise. Das Paradoxe an der Pandemie ist, dass wir sie durch ­Daheimbleiben und Kontaktreduktion bewältigen sollen und dass sie uns auf unsere Nationalstaaten zurückwirft, obwohl das Virus keine Grenzen und soziale Schranken kennt und der Kampf nur gemeinsam gewonnen werden kann. Leider verengt Covid-19 unser Blickfeld und macht die Grenzen dicht. Die Stimmen aus der NGO Academy sollen zeigen, wie es der Zivilgesellschaft in CEE erging. Überall waren die Folgen der Lockdowns schlimmer als in Österreich, wo sich die NGOs auf staatliche Unterstützung verlassen konnten. Überall gab es für NGOs zusätzliche Kosten durch die notwendigen Schutzmaßnahmen und steigenden Bedarf an sozialen Dienstleistungen. Not und Ungleichheit w ­ urden durch die Pandemie größer. Die Einnahmen der NGOs brachen ein, weil keine Veranstaltungen möglich waren, private Spenden und Mitgliedsbeiträge stagnierten und Staat und Stiftungen das nirgendwo kompensierten. Viele NGOs entwickelten eine bewundernswerte Kreativität und nutzten die Krise wirklich als Chance – zur Digitalisierung, für neue Angebote, für neues Fundraising. Für andere blieb und bleibt es aber eine Krise. Gerade in Krisenzeiten braucht es so etwas wie die NGO Academy, die Grenzen überwindet, Wissen transferiert, Austausch ermöglicht und Stimmen aus den NGOs der Region Gehör verschafft.

MICHAEL MEYER ist Leiter des Instituts für Nonprofit Management und des Kompetenzzentrums für Nonprofit Organisationen und Social Entrepreneurship der Wirtschafts­universität Wien.

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eematico erstellt Bildungsprogramme für Kinder, die ihnen dabei helfen, die Kompetenzen zu entwickeln, die für ein Leben im 21. Jahrhundert wichtig sind.

Dies geschieht durch Lernen auf der Grundlage von Erfahrungen, von Spielen, Bauen und Heimwerken wie hier in einem Sommercamp sowie mithilfe spezieller Unterrichtsmaterialien. Fotos: eematico

Ion Neculai, eematico Research, Rumänien: „Einer der am stärksten von der Pandemie betroffenen Bereiche in Rumänien war der Bildungssektor, wo die Schwierigkeit darin bestand, Aktivitäten in den Online-Bereich zu verlagern. Die mangelhafte Infrastruktur in benachteiligten Gemeinden hat die Implementierung von ­Online-Lösungen unmöglich gemacht. NGOs sind auch auf Widerstand gestoßen, was den Einsatz von Technologien im Unterricht betraf – seitens der Lehrkräfte, aber auch seitens der SchülerInnen. Manche Organisationen sind in den Gesundheits­bereich gewechselt, um überleben zu können; sie stellen jetzt medizinische Hilfsgüter bereit. eematico Research musste auf zwei Drittel seines Teams und seiner Infrastruktur verzichten. Aber wir haben überlebt.“ 19


Die Ungarische Union für bürgerliche Freiheiten (HCLU) setzt sich dafür ein, dass alle Menschen in Ungarn über ihre grundlegenden Menschenrechte informiert und in der Lage sind, diese gegen unangemessene staatliche Einmischung durchzusetzen. Fotos: HCLU

Réka Eszter Velényi, Ungarische Union für Bürgerliche Freiheiten, Ungarn: „Einerseits wurden die Bereiche, in denen NGOs üblicherweise tätig sind (und für die der Staat zuständig wäre), massiv und rasch ausgeweitet (zum Beispiel digitale Bildung in stark benachteiligten Gegenden des Landes oder Patientenrechte). Dadurch ist die Arbeitslast für bestimmte NGOs enorm gewachsen. Andererseits wurde auch das Bewusstsein für diese Themen geschärft und trotz des großen Medienrummels gelang es der Zivilgesellschaft, immer mehr Anspruchsgruppen zu erreichen.“

Eine Mitarbeiterin von Vatra verteilt Lebensmittelpakete an bedürftige Frauen während der Pandemie. Foto: Vatra

Adena Vangjeli, Psychosoziales Zentrum „Vatra“, Albanien: „Die Pandemie hat wirtschaftliche Folgen, von denen die Opfer von Menschenhandel und Gewalt direkt betroffen sind. Viele Frauen, die von unserem Zentrum unterstützt werden, haben ihren Arbeitsplatz vorübergehend oder dauerhaft verloren. Dadurch ist es für sie schwierig geworden, ihre Grundversorgung sicherzustellen.“ 20


Endlich wieder in der Gruppe: Jugendliche KlientInnen des Kinderhilfswerks Speranta treffen sich nach drei Monaten pandemiebedingter Distanz im Botanischen Garten. Foto: Kinderhilfswerk Speranta

Gheorghe Zastavneţchi, Kinderhilfswerk Speranta, Republik Moldau: „Mittel für Projekte, die nicht mit Covid-19 in Zusammenhang stehen, wurden ­gekürzt, sodass einige Organisationen die Ausrichtung ihrer Tätigkeit je nach verfügbaren Mitteln ändern mussten. Andere Organisationen standen finanziell auf w ­ ackeligen Beinen und mussten einige ihrer MitarbeiterInnen entlassen. Viele mussten schließen. Am stärksten betroffen sind Dienstleistungsanbieter (Beratung, Therapien, ­Tageszentren).“

Das Team von Solidarna und die kroatische Bevölkerung hatten es 2020 nicht nur mit einer Pandemie, sondern auch mit schweren Erdbeben zu tun! Dieser Teil des Teams von SOLIDARNA arbeitete am Fonds 5.5 für die Unterstützung nach der Krise, die dem Erdbeben in Zagreb am 22. März 2020 folgte, das Kroatien inmitten des ersten Lockdowns traf. Mehr als 80 Familien wurden beim Wiederaufbau ihrer Häuser finanziell unterstützt. Der Fonds wurde im Dezember 2020 reaktiviert, nachdem ein Erdbeben Sisak, Petrinja, Glina und die umliegenden Dörfer getroffen hatte. Bisher wurden 1,8 Millionen Euro für Hilfs- und Wiederherstellungsprojekte in der Region aufgebracht. Foto: SOLIDARNA

Ivan Blažević, SOLIDARNA – Stiftung für Menschenrechte und Solidarität, K ­ roatien: „Nachdem SOLIDARNA auch im Krisenmanagement tätig ist, wurde von uns e ­ rwartet, dass wir uns ohne vorherige Finanzierung umgehend den Problemen in Zusammenhang mit der Pandemie widmen. SOLIDARNA verfügt auch über einen Fonds, um Opfern häuslicher Gewalt finanziell unter die Arme zu greifen. Wir bekommen mehr Anfragen von Opfern, aber Fördergeber, ob privat, öffentlich oder Unternehmen, ­sahen das Problem der häuslichen Gewalt nicht als Priorität an.“

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2020 organisiert das Forum Jugend und informelle Bildung in Podgorica eine Veranstaltung mit staatlichen Stellen, Jugendlichen aus verschiedenen Gemeinden und EntscheidungsträgerInnen, um die Rolle der Jugend bei der Prävention und Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus zu diskutieren. Foto: Katica Nišavić

Elvira Hadžibegović Bubanja, Forum Jugend und informelle Bildung, Montenegro: „Wir starteten eine gemeinsame Initiative zum Aufbau digitaler Kompetenzen für den gesamten Jugendbereich und unterstützten parallel dazu auch Lehrkräfte, die mit Kindern mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen arbeiten. Wie andere hatten auch wir keine andere Wahl, als Projektaktivitäten zu verschieben, wodurch uns die finanziellen Mittel langfristig fehlten. Die meisten NGOs des Westbalkans erhalten ­keine Betriebszuschüsse. Sie arbeiten auf Projektbasis, was sich als große Herausforderung für die Nachhaltigkeit des Sektors erweisen wird.“

Lukáš Kvokačka, OZ Barlička, Slowakische Republik: „Alle Emotionen, von Schock über Angst und Überreaktion bis hin zu besorgter ­Akzeptanz, spiegelten sich in unserer Arbeit wider. Unsere Tagesklinik wurde vorübergehend geschlossen und unser Seniorenheim abgeschottet. Viele wollen wissen, wie viele Menschen in unserem Heim an dem Virus gestorben sind, doch wir erkennen, dass auch Einsamkeit tödlich sein kann.“ 22

OZ Barlička betreut SeniorInnen und kümmert sich auch um Jugendliche mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Fotos: OZ Barlička


Während des Lockdowns produzierten von Genesis-Projekt Banja Luka betreute Kinder EinMinuten-Filme. Oben: Screenshot des Films von Amna Sijah: For Happiness We Need So Little; rechts: Screenshot des Films Alone We Can Do So Little von Sara Grizić; beide Mädchen sind aus Novi Travnik.

Dijana Pejić, Genesis-Projekt Banja Luka, Bosnien und Herzegowina: „Die Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie sind in Bosnien und Herzegowina, um es freundlich zu formulieren, ziemlich locker. Nach dem ersten ­ Lockdown mussten NGOs entscheiden, ob sie ihre Arbeit online fortsetzen wollten oder nicht. Jene Organisationen, die aus Sicherheitsgründen auf einem Online-­ Betrieb ­bestanden, sahen sich erheblichen Schwierigkeiten gegenüber. Überall im Land hatten die Menschen die Zoom- oder MS-Teams-Konferenzen satt. Online-Veranstaltungen kämpften mit einem Teilnehmerschwund. Dies wirkte sich negativ auf die Projekte aus: Viele wurden mitten in der Implementierungsphase gestoppt, weil es nicht genügend zu betreuende Personen gab. Organisationen, die wieder in den Offline-Modus wechselten, mussten jedoch befürchten, sich mit Covid-19 zu infizieren. Manche der zu betreuenden Personen weigern sich, Masken zu tragen, und ‚glauben‘ nicht an Covid-19 (in Bosnien sind das viele).“

Asocijacija za Afirmaciju Kulture ist eine Initiative, die eine positive Einstellung zu Kultur in allen Aspekten des täglichen Lebens fördern will. Die Abschlussfeier des Projekts „Leuchtturm des Wissens“ fand im November 2020 in Vršac in Anwesenheit von zahlreichen ehemaligen TeilnehmerInnen statt. Foto: AAK

Andrej Balanč, Asocijacija za Afirmaciju Kulture, Serbien: „Wir konnten unsere MitarbeiterInnen und unsere KlientInnen schützen, indem wir so viele ­Aktivitäten wie möglich in den Online-Bereich verlagert haben. (…) Es ist uns gelungen, alle unsere Projekte erfolgreich abzuschließen und zudem gegen Jahresende ein organisatorisches Wachstum zu verzeichnen, zwar nicht wie geplant, aber unter diesen Umständen sind wir mehr als stolz und glücklich mit unserer Leistung.“ 23


Bazil Bazinato, Ulyana Nevzorova, Anna Chistoserdova, Valentina Kiselyova

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Solidarity Belarus Ein Artist-in-Residence-Programm von tranzit.at und ERSTE Stiftung In Belarus wurden seit den gefälschten Präsidentschaftswahlen im August 2020 täglich friedliche DemonstrantInnen und AktivistInnen festgenommen. Unerschrocken kämpft die belarussische Bevölkerung seither für ihre politische Freiheit. Viele Menschen aus dem Umfeld des von der ERSTE Stiftung unterstützten Netzwerks tranzit.at wurden verhaftet, darunter viele KünstlerInnen, KuratorInnen und PhilosophInnen. Als Ausdruck der Solidarität haben tranzit.at und die ERSTE Stiftung im Herbst 2020 das Artist-in-Residence-Programm „Solidarity Belarus“ ins Leben gerufen und vier Personen aus dem kulturellen Umfeld aus Belarus ins Q21/MuseumsQuartier in Wien eingeladen. Im Dezember 2020 und Jänner 2021 hatten die TeilnehmerInnen die Möglichkeit, sich von den Strapazen der politischen Situation in Belarus zu erholen und sich wieder auf ihre Arbeit und Recherchen zu konzentrieren oder aber eine Auszeit vom schwierigen Alltag der Kunstproduktion zu nehmen. Das Auswahlverfahren wurde von einer internationalen Jury durchgeführt. Das Artist-in-Residence-Programm „Solidarity Belarus“ im Q21/­ MuseumsQuartier in Wien ist eine ­Erweiterung einer langjährigen Kooperation zwischen tranzit.org und der ERSTE Stiftung.

Gäste 2020 Bazil Bazinato ist Künstler, Forscher und Aktivist in Molodechno, einer Stadt in der Nähe von Minsk. Er platziert gesellschaftskritische Skulpturen, Wandbilder und Installationen im öffentlichen Raum und arbeitet mit Interaktion und Formen der Wahrnehmung. Aus seiner Sicht wird dieser Raum jetzt von der Polizei und von Gewalt in Besitz genommen und für politische Aktionen gegen DemonstrantInnen missbraucht.

bazinato.carbonmade.com

Anna Chistoserdova und Valentina Kiselyova sind Direktorinnen und Gründerinnen der Galerie «Ў» für zeitgenössische Kunst, einem der wichtigsten nichtkommerziellen Ausstellungsräume in Minsk. Die Galerie «Ў» ist ein Raum des kreativen und intellektuellen Belarus, eine freie Plattform für den lokalen und internationalen kulturellen Dialog. Sie wurde 2020 ­wegen der Pandemie und der politischen Situation in Belarus geschlossen.

en.ygallery.by

Ulyana Nevzorova ist Künstlerin und begann während der Demonstrationen in Minsk, Filme, Videos und Berichte zu erstellen, die sie – aus Furcht vor Repressionen – anonym verbreitete. Sie äußert sich darin kritisch über die Regierung und deren m ­ achtpolitische Maßnahmen.

behance.net/UlyanaNevzorova

tranzit.org

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Mein Name ist Ulyana Nevzorova. Ich lebe und arbeite als bildende Künstlerin in Minsk, der Hauptstadt von Belarus. In meinen neuen Arbeiten versuche ich die ­politischen Vorgänge in meinem Land zu verarbeiten. Ich habe mein ganzes bisheriges Leben in einer Diktatur verbracht. An diesem Punkt überlagern sich meine Rolle als Bürgerin und meine künstlerische Praxis. Hier sind einige Beispiele meiner ­Aktionen aus dem letzten Jahr.

Street Art Battle

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Das ist ein Graffiti auf einem Trafohäuschen in einem Wohngebiet von Minsk. Es stammt nicht von mir, aber ich habe mich schon immer sehr für Street-Art interessiert. Ich habe die Arbeit fotografiert, um sie zu archivieren. Denn jedes Graffiti wird in Belarus von den Stadtwerken übermalt. Das ist sozusagen Zensur im öffentlichen Raum. Ich wollte dieses Bild mit meiner Kamera vor dem Vergessen bewahren.

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So sieht es dann aus, wenn die Stadtwerke ein Protestgraffiti bemerken und übermalen.

3 Nachdem meine Schwester und ich die Übermalung bemerkt hatten, beschlossen wir, auch einen Beitrag zu leisten und das Wandbild weiter zu verändern. Die weiß-rot-weiße Flagge, die ehemalige Nationalflagge, die Lukaschenko 1995 abgeschafft hat, ist ein Symbol der Opposition und der aktuellen Proteste.

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Die rot-grüne Flagge, welche seit 1995 die Nationalflagge von Belarus ist, verkörpert das Regime von Lukaschenko. So reagierten Unbekannte auf unseren Eingriff und übermalten die Protestflagge.

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Die Antwort von meiner Schwester und mir kam postwendend.


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Diese Version des Bildes wurde von Unbekannten auf ziemlich brutale Weise beschädigt.

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STREIK In der Folge ergänzten wir das zerkratzte Bild mit Informationen über die Streikenden und Verfolgten der Protestbewegung in Belarus. Wir zählten damals: mehr als 14.000 Inhaftierte, mehr als 450 Foltervorwürfe, 6 Todesfälle von DemonstrantInnen und 0 gegen PolizistInnen eingeleitete Verfahren. 29


Freiheit für Belarus!

Folgende Nachricht der Regierung erhielten die EinwohnerInnen von Belarus per SMS: „Sehr geehrte Bürger! Das Innenministerium weist darauf hin, dass jegliche Form von Graffiti und Bemalungen im öffentlichen Raum eine strafrechtliche Verfolgung mit bis zu zwölf Jahren Haft mit sich bringt.“ Ich habe als Reaktion auf diese Benachrichtigung dann den Text der SMS als Graffiti im öffentlichen Raum in Minsk angebracht und mit dem Leitspruch der Protestierenden ergänzt: Жыве Беларусь! (Freiheit für Belarus!)

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Diese Aktion fand in der Minsker U-Bahn statt. Auf dem Papierbogen steht:

„Dieses Plakat kann zum Grund meiner Verhaftung werden.“ Und das ist wirklich so.

Menschen, die bei einer Protestaktion etwas in der Hand gehalten haben – ein Plakat, eine Flagge, der Gegenstand ist egal, auch die Botschaft ist gleichgültig –, waren vorrangig Ziel der Polizei und wurden als Erste angegriffen. Das wollte ich mit meiner Aktion thematisieren. Die Aktion hat insgesamt nur eine Minute gedauert. So lange fährt die U-Bahn von einer Station bis zur nächsten. Aber in dieser Zeit ist viel passiert. Meine Aktion ist zu einem echten Happening geworden. Ich stand schweigend da und meine Schwester filmte. Es gab viele Reaktionen, nicht nur positive, sondern auch negative bis hin zu Handgreiflichkeiten. Meine Schwester wurde sogar angegriffen. Plötzlich zog der Mann, der hinter mir stand und gar nicht zu meinem Team gehörte, die weiß-rot-weiße Flagge mit dem alten Staatswappen von Belarus aus seiner Tasche und hat damit meine Aktion stimmig vervollständigt. Doch damit war die Aktion noch nicht zu Ende. Meine Schwester Maria Kalenik wurde wegen dieser vermeintlichen Ordnungswidrigkeit von den Behörden belangt. Am 12. November 2020 wurde meine Wohnung im Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen meine Schwester gemäß Artikel 342, Abs.1 durchsucht. Maria ist bis heute als politische Gefangene inhaftiert. Während der Hausdurchsuchung wurde das Poster gefunden und beschlagnahmt. Vor ihrer Inhaftierung sagte Maria, das Plakat gehöre ihr. Der Text „Dieses Plakat kann zum Grund meiner Verhaftung werden“ wurde im Bericht festgehalten – und ist somit in die Polizeigeschichte eingegangen. Da der Prozess gegen meine Schwester immer noch läuft, ist das Plakat noch konfisziert und liegt bei den Ermittlungsbehörden. Aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass es noch einmal zu mir ­zurückkehrt.

Hier gehts zum Video

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Wir glauben, dass Finanzkompetenz auch Lebenskompetenz ist. Alle Menschen wünschen sich finanzielle Unabhängigkeit und ein würdevolles Leben in Wohlstand. Um diese Ziele erreichen zu können, brauchen wir gute Kenntnisse darüber, wie man mit Geld umgeht. Zu diesem Wissen müssen alle Zugang haben. Wir eröffnen jungen und älteren Personen Möglichkeiten, sich finanziell zu bilden, und entwickeln Werkzeuge für jene, die in einer schwierigen finanziellen Lage sind, ihre Handlungsfähigkeit und damit ihre persönliche Freiheit zurückzugewinnen.

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Finanzielle Gesundheit für alle


Jeder Mensch ist Teil des Wirtschaftslebens In Österreich wurde eine Stiftung für Wirtschaftsbildung gegründet

Wirtschafts- und Finanzbildung gilt als eine der Schlüsselqualifikationen und sollte deshalb ein zentraler Bildungsinhalt im 21. Jahrhundert sein. Jede und jeder soll befähigt sein, mündig, eigenständig, verantwortungsbewusst und kompetent an der Entwicklung und Gestaltung der Wirtschaft – und damit der Gesellschaft insgesamt – mitzuwirken. Allerdings bestehen beim Wissen der ÖsterreicherInnen über Grundbegriffe und Funktionsweisen des Finanz- und Wirtschaftslebens deutliche Lücken. Der Wissensstand über Grundbegriffe und Funktionsweisen des Finanz- und Wirtschaftslebens in der österreichischen Bevölkerung ist erschreckend niedrig. Diesen Befund bestätigen auch wissenschaftliche Status-quo-Erhebungen. Das gemeinsame Anliegen, Wirtschaftsbildung als zentralen Bildungsinhalt in Österreich zu verankern, ließ die Arbeiterkammer, die ERSTE Stiftung, die Industriellenvereinigung, die Innovationsstiftung für Bildung, die MEGA Bildungsstiftung, die Oesterreichische Nationalbank sowie die Wirtschaftskammer Österreich im Dezember 2020 zusammen aktiv werden: In einem noch nie dagewesenen Schulterschluss mobilisierten und bündelten die sieben Partnerorganisationen Ressourcen zur Stärkung einer breiten wirtschaftlichen Allgemeinbildung in Österreich und gründeten gemeinsam die Stiftung für Wirtschaftsbildung. Das erklärte Ziel der neu gegründeten S ­ tiftung ist die langfristig wirksame, systemische V ­ erankerung von wirtschaftlichen ­ Bildungsinhalten in der schulischen und außerschulischen ­ Allgemeinbildung. ­Dabei setzt man auf enge Z ­ usammenarbeit mit dem Bildungsministerium, um aktuelle Entwicklungen bezüglich Lehrplänen und Unterrichtsprinzipien miteinfließen zu lassen, und widmet sich gemeinsam großen Fragen wie: Was braucht es, um die schulische und außerschulische Wirtschaftsbildung der ÖsterreicherInnen zu stärken? Welches Wissen und welche Fähigkeiten sollten SchülerInnen haben, um alltägliche Lebenssituationen in wirtschaftlicher Hinsicht besser beurteilen und erfolgreich bewältigen zu können? Wie kann erreicht werden, dass SchülerInnen mit mehr praktischer Wirtschaftsbildung die Schule abschließen? Wie kommen diese Ansätze in unser Bildungssystem? Durch die Vielfalt der Perspektiven der sieben Gründungspartner ist eine nachhaltige institutionelle Trägerschaft ebenso sichergestellt wie eine inhaltliche Breite. Zudem bündeln die Partner künftig in einer beispielgebenden, organisationsübergreifenden Zusammenarbeit ihre bestehenden Aktivitäten zum Thema, mit dem Ziel, eine umfassende Wirtschaftsbildungsplattform zu schaffen. Im Arbeitsprogramm der Stiftung fokussiert man auf drei Bereiche: die Verankerung im regulären Bildungssystem, Unterstützungsmaßnahmen für PädagogInnen sowie Bewusstseinsbildung auf relevanten StakeholderEbenen. 34


Den Erste Financial Life Park (FLiP) gibt es seit 2016. Hier lernen junge Menschen, „dass jeder Mensch in der einen oder anderen Form Teil des Wirtschaftslebens ist“. Foto: Marlena König

Maribel Königer sprach mit dem Aufsichtsratspräsidenten der ERSTE Stiftung und Vertreter der ERSTE Stiftung im Aufsichtsrat der Stiftung für Wirtschaftsbildung, Andreas Treichl, über die neue Initiative. Wenn man bedenkt, wie wichtig Finanz- und Wirtschaftsbildung ist, warum gibt es dann so großen Aufholbedarf? Mangelnde Finanz- und Wirtschaftsbildung in den Schulen ist in der Tat kein neues Phänomen, das hat in Österreich Tradition. Ich glaube, dass man sich dem Thema in der Vergangenheit einfach nicht intensiv genug gewidmet hat. Erfreulicherweise ist aber das Bewusstsein, dass hier etwas getan werden muss, in den letzten Jahren stark gestiegen. Es gibt jetzt eine sehr breite Basis in der Zivilgesellschaft, mit durchaus unterschiedlichen Positionen, und auch die Politik verspürt eine viel größere Dringlichkeit, hier etwas zu unternehmen. Jetzt besteht eine Möglichkeit, dieses Thema anzugehen und umzusetzen. Warum ist dieser sogenannte Schulterschluss gerade jetzt gelungen? Gab es ein Momentum? Finanz- und Wirtschaftsbildung weckt nun mal nicht so viele Emotionen wie die Umwelt. Ich glaube nicht, dass es möglich sein wird, ein Fridays for Future für Finanzbildung auf die Beine zu stellen. Aber ich denke schon, dass die Politik gespürt hat, dass sich mehr und mehr Menschen mit diesem Thema auseinandersetzen, das ja auch ein sehr ernstes ist. Mangelnde Wirtschafts- und Finanzbildung leistet zu der berühmten Schere, die sich zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet und über die jetzt alle reden, einen ordentlichen Beitrag. Auf dem Erste Campus hat vor bald fünf Jahren der Erste Financial Lifepark (FLiP) eröffnet. Welche Erfahrungen wurden dort mit der Finanzbildung für SchülerInnen gemacht? Wir haben gesehen, was passiert, wenn man – wie der FLiP auf hervorragende Weise zeigt – versucht, jungen Menschen Wirtschafts- und Finanzthemen in einer für sie geeigneten Form näherzubringen. Die jungen Menschen kommen dann nämlich drauf, dass das Thema nicht nur interessanter und wichtiger ist, als sie geglaubt haben, sondern dass es auch viel einfacher zu verstehen ist, als sie befürchtet haben. Man muss dafür nur die richtigen Methoden, die richtigen Mittel und die richtigen Lehrkräfte haben. Im FLiP zeigen wir jungen Menschen, dass die Wirtschaft nicht ein geschlossener Kreis ist, über den sie etwas lernen sollen, sondern dass jeder Mensch in der einen oder anderen Form Teil des Wirtschaftslebens ist. Sie sollen verstehen, dass man genau so viel über finanzielle Gesundheit wissen sollte, wie man über körperliche und geistige Gesundheit weiß.

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Wie wird die Stiftung für Wirtschaftsbildung diese für SchülerInnen tauglichen Formate konkret entwickeln und wie werden sie dann ins staatliche Schulsystem implementiert? Zunächst finde ich es großartig, dass eine so breite und diverse Gruppe beschlossen hat, sich diesem Thema zu widmen. Mit uns dabei sind die Wirtschaftskammer, die Arbeiterkammer, die Nationalbank, die Industriellenvereinigung und zwei privatrechtliche Stiftungen. Wir decken da eigentlich alle Interessenvertreter ab. In den drei Jahren, die die Stiftung fürs Erste ausfinanziert ist, ist der Aufbau eines Systems für die Ausbildung von Lehrkräften prioritär. Weiters beginnen wir mit Pilotprojekten an Schulen. Ein schöner Erfolg wäre es, relativ bald in jedem Bundesland einen Schulversuch für Wirtschaft und Finanzen zu haben. Wir konzentrieren uns dabei auf die Sekundärstufe 1, also die 10- bis 14-Jährigen, weil wir glauben, dass das ein ganz entscheidendes Alter im Leben ist, in dem man Wirtschaft und Finanzen erlernen kann. Was wäre denn eine Benchmark, um zu beurteilen, dass das Wirtschaftswissen der Bevölkerung gestiegen oder angemessen ist? Der Aktienbesitz, die Verschuldungsquote? Die private Altersvorsorge? Es gibt eine große Anzahl an Parametern, an denen man Wirtschafts- und Finanzbildung messen kann, auch die angesprochenen. Allerdings kann man mangelnden Aktienbesitz nicht als ein Problem der Wirtschaftsbildung ansehen. Die Gründe dafür sind vielfältig. An der Zusammensetzung des Vermögens der Bevölkerung kann man jedoch schon erkennen, ob mehr oder weniger Kenntnisse vorhanden sind. Aber das hängt natürlich auch von den Angeboten ab. Ähnlich ist es beim Schuldenstand. Man wird nicht in zehn Jahren sagen können, die österreichische Bevölkerung sei jetzt gebildeter, deshalb sei die private Verschuldungsquote zurückgegangen. Eine bessere Finanzbildung wird man aber sehr wohl daran erkennen können, dass es unseriöse Finanzdienstleister, Betrüger, Zocker, Pyramidenspiele und dergleichen sehr viel schwerer haben werden, mit ihren Produkten bei den Menschen zu landen. Es wäre ein gutes Zeichen, wenn solche Fälle zurückgehen würden. Messen wird man den Kenntnisstand der Bevölkerung letztlich durch Umfragen. Freuen sich Banken überhaupt auf besser gebildete KundInnen? Mit weniger informierten verdient man eventuell mehr Geld – Stichwort: dauerhafte Kontoüberziehung – und die gebildeten sind womöglich kritischer. Das ist ein wichtiger Punkt. Natürlich kann ich e ­ inem finanziell nicht gebildeten Kunden oder einer Kundin leichter etwas verkaufen als jemandem, der oder die sich in der Materie auskennt. Aber wenn das weiterhin die Art und Weise wäre, wie Banken agieren, dann wird es Banken in der Zukunft sowieso nicht mehr geben, denn dann führen sie sich selbst ad absurdum. Es ist die Aufgabe der Banken, sich um die finanzielle Gesundheit ihrer Kunden zu kümmern.

Die GründerInnen der Stiftung für Wirtschaftsbildung erhielten am 15. Dezember 2020 Unterstützung von Bildungsminister Heinz Fassmann (Mitte). Von links: Georg Knill (Industriellenvereinigung), Robert Holzmann (Oesterreichische Nationalbank), Mariella Schurz (MEGA Bildungsstiftung), Günter Thumser (Innovationsstiftung für Bildung), Renate Anderl (Arbeiterkammer), Harald Mahrer (Wirtschaftskammer Österreich), Andreas Treichl (ERSTE Stiftung); Foto: APA Fotoservice/Ludwig Schedl

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Andreas Treichl, Präsident des Aufsichtsrats der ERSTE Stiftung und Aufsichtsratsmitglied der Stiftung für Wirtschaftsbildung bei der Pressekonferenz anlässlich der Gründung im Dezember 2020, Foto: APA Fotoservice/Ludwig Schedl

Die Stiftung für Wirtschaftsbildung zeigt als gemeinnützige Stiftung auch, wie man mit privatem Geld Gesellschaft mitgestalten kann. Das Thema Stiftungen und privat finanziertes Gemeinwohl ist in Österreich aber weiterhin noch exotischer als Finanzbildung, oder? Wir werden mit der Stiftung für Wirtschaftsbildung nicht das Problem der gemeinnützigen Stiftungen in Österreich lösen. Wir spüren im Übrigen auch in dieser Konstellation, dass bei manchen Vertrete­ rInnen der öffentlichen Hand noch immer ein gewisses Misstrauen gegenüber gemeinnützigen Stiftungen besteht, deren Mittel aus der Privatwirtschaft kommen. Da liegt noch Arbeit vor uns, um dem negativen Image entgegenzuwirken, das noch immer von den eigennützigen Privatstiftungen aus den 1990er-Jahren auf die gemeinnützigen abfärbt. Aber wenn man sich ansieht, wer sich in den letzten zwölf Monaten mit dem Thema Wirtschafts– und Finanzbildung beschäftigt hat, ist uns da schon sehr viel gelungen. Vor fünf Jahren hat man zum Thema nichts gehört und jetzt reden – auch dank der Stiftung für Wirtschaftsbildung – sehr, sehr viele Leute darüber. So ein kleiner Fridays-for-Future-Moment ist also schon passiert.

STIFTUNG FÜR W ­ IRTSCHAFTSBILDUNG Gegründet am 15. Dezember 2020 Partner Arbeiterkammer, ERSTE Stiftung, Industriellenvereinigung, Innovationsstiftung für Bildung, MEGA Bildungsstiftung, Oesterreichische ­Nationalbank, Wirtschaftskammer Österreich Budget jährlich 1,4 Mio. Euro (4,2 Mio. Euro gesichert)

stiftung-wirtschaftsbildung.at

Laufzeit vorerst drei Jahre, eine ­Verlängerung ist möglich

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FLiP Entrepreneurship Challenge E-Learning-Einheit für Kinder und Jugendliche zum Thema „Entrepreneuership“

Wie man mit Kreativität und Einfühlungsvermögen die Welt ein Stück weit besser machen kann, sollen Kinder und Jugendliche mit der neuen Online Challenge des Erste Financial Life Park erlernen. Im Mittelpunkt der Challenge steht die Innovationsmethode „Design Thinking“. Der Ansatz basiert auf der Annahme, dass Probleme besser gelöst werden können, wenn viele unterschiedliche Menschen ihre Kreativität verbinden. Durch die Anwendung dieser Methode sollen Kinder und Jugendliche spielerisch Erfahrung im unternehmerischen Denken sammeln und lernen, selbst aktiv zu werden. So können mit der Challenge beispielsweise praxisnahe Problemstellungen behandelt werden wie: „Wodurch könnten wir neuen SchülerInnen an unserer Schule den Einstieg erleichtern?“ Oder: „Wie könnte der Park um die Ecke für Kinder wieder attraktiver werden?“ Kinder und Jugendliche sind aufgefordert, in Kleingruppen gemeinsam neue Ideen zu entwickeln und darauf aufbauend erste Prototypen zu basteln. So sollen Kinder und Jugendliche nicht nur unternehmerisches Denken erlernen, sondern auch Spaß an der Zusammenarbeit im Team entwickeln. Die Challenge startet auf www.flipchallenge.at und wird dann in einer eigens konzipierten App alleine oder in der Gruppe absolviert. Bevor es für die Kinder und Jugendlichen losgeht, wird anhand von kurzen Infotexten, Videos und animierten Grafiken erklärt, wie Design Thinking funktioniert und was sich hinter diesem Innovationsansatz verbirgt. Ein Kompetenzcheck, wo SchülerInnen ihre eigenen Stärken und Fähigkeiten reflektieren, und eine ganz konkrete „Step by Step-Anleitung“ für die praktische Umsetzung ermöglichen allen Jugendlichen, selbst kreativ und aktiv zu werden. Die Entrepreneurship Challenge entstand in Zusammenarbeit mit dem E-Learning-Experten ovos und der Initiative for Teaching Entrepreneurship (IFTE). Das digitale Angebot von FLiP wird seit 2018 durch die FLiP Challenges ergänzt. Die E-LearningEinheiten ermöglichen nachhaltiges Lernen und mittels Gamification das spielerische Erlernen von Finanzwissen. Nach der Financial Life Challenge und der Investment Challenge ist die Entrepreneurship Challenge bereits die dritte Online Challenge des Erste Financial Life Park. Die App ist für 12- bis 16-Jährige konzipiert. Sie ist kostenlos und kann sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Bereich verwendet werden. 38


IN DER FLIP-BOX · · · · ·

Konfigurator: Budgetplanung und Ausgabenverteilung in Österreich Reality Check: Quiz zum Verständnis grundlegender Begriffe Tresor: Preis und Wert Meinungsforum: Erlernen und Verstehen von Meinungsbildung Getting Global: Internationale Produktionsketten und Auswirkungen von Kaufentscheidungen

FLiP-Box Wer nicht die Möglichkeit hat, eine FLiP-Tour in Wien zu erleben, findet in der FLiP-Box eine analoge Alternative. Sie enthält alle Materialien, die benötigt werden, um die FLiP-Stationen Konfigurator, Reality Check, Tresor, Meinungsforum und Getting Global direkt im Klassenzimmer oder Seminarraum zu spielen. Die Vermittlung geschieht nicht digital über ein Tablet, sondern verfolgt einen analog-spielerischen Ansatz, der viel Vermittlungsspielraum lässt. Die Workshops werden von den teilnehmenden Sparkassen und dem FLiP angeboten. Im ersten Durchgang haben 17 Sparkassen FLiP-Boxen bestellt. Pandemiebedingt wurden die Produktion und die Ausbildung der TrainerInnen verschoben. FLiP – inhaltliche Weiterentwicklung Obwohl FLiP 2020 weitgehend geschlossen war und nur wenige Touren stattfinden konnten, wurde die inhaltliche Weiterentwicklung kräftig vorangetrieben. Die Station Getting Global wurde um das spannende Thema Ernährung erweitert. Auf einem Globus aus Monitoren entfalten sich die unterschiedlichsten Aspekte und Kontroversen rund um das Thema. Die BesucherInnen umrunden die Station und verfolgen globale Zusammenhänge sowie ökonomische Einflussfaktoren. Den BesucherInnen wird bewusst, wo die Lebensmittel, die wir kaufen, herkommen und produziert werden und welche Auswirkungen Massentierhaltung, Monokulturen und Überfischung haben. Sie erkennen, dass ihre Handlungen und Kaufentscheidungen in unserer globalisierten Welt Konsequenzen für Menschen und den Planeten haben. Außerdem wurde das Angebot an FLiP-Touren 2020 um zwei weitere Spezialtouren erweitert. Um Altersarmut von Frauen aktiv entgegenzuwirken, bietet FLiP für diese Zielgruppe einen Schwerpunkt an: eine Tour für Frauen ab dem 18. Lebensjahr, die darauf abzielt, deren Bewusstsein für ihre gesellschaftliche und berufliche Situation in Österreich zu schärfen. Eindrücklich zeigt die Tour die Notwendigkeit der rechtzeitigen finanziellen Vorsorge und Absicherung auf. Die Auswirkungen der Coronakrise stehen im Zentrum einer speziellen FLiP-Tour mit Covid-19-Bezug. Die Bedeutung vorausschauender Finanzplanung in Situationen wie einer Pandemie, in der die finanziellen Mittel bei vielen Menschen knapp sind, wird hier betont. Doch auch für den Staatshaushalt stellt die Coronakrise eine Herausforderung dar, denn die Bewältigung der Pandemie verschlingt enorme finanzielle Mittel. Ebenso in puncto Bundesfinanzen und Staatsverschuldung liefert die Spezialtour leicht verständliche und präzise Informationen. Geld im Griff – finanzielle Bildung im Deutschunterricht Band 3: Arbeitssuche Die Idee zu „Geld im Griff“ stammt aus Schweden: Sprachunterricht mit einem wichtigen Extra: Kenntnisse über das Land und die Gesellschaft. Gemeinsam mit dem Verein „The Connection“ entwickelt FLiP speziell für junge MigrantInnen Unterrichtsmaterialien für Deutschkurse. Zusätzlich zum Spracherwerb wird hier auch Finanz- und Konsumkompetenz vermittelt, die für die Bewältigung des Alltags in der Arbeits- und Behördenwelt entscheidend ist. Nach den ersten zwei Bänden zu den Themen „Mein Geld“ und „Wohnungssuche“ erschien 2020 das dritte Kapitel, das Schritt für Schritt Unterstützung auf dem Weg zum ersten Job bietet. Ursprünglich waren die Lernmaterialien dazu gedacht, jungen MigrantInnen den Neuanfang und Spracherwerb zu erleichtern, doch die Unterlagen kommen auch sehr gut im regulären Unterricht an, da sie abwechslungsreich, spielerisch und lebensnah gestaltet sind. Die gedruckten Unterlagen können kostenlos unter www.theconnection.at/geldimgriff bestellt werden und stehen auch zum Download unter www.financiallifepark.at/geldimgriff zur ­Verfügung. financiallifepark.at

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Die Zweite Sparkasse erweiterte in Wien ihr Angebot Die Wege zum Betreuten Konto der Schuldnerberatung Wien wurden 2020 kürzer und es gibt jetzt einen Mikrokredit für Wohnungssuchende

Covid-19 war auch eine Herausforderung für die Zweite Sparkasse und ihre KundInnen. Zum einen waren die Öffnungszeiten der Filialen immer wieder von den Einschränkungen durch staatlich verordnete Maßnahmen wie Lockdowns und Abstandsregeln betroffen. Zum anderen gehören viele ehrenamtliche MitarbeiterInnen der älteren Generation an und mussten als einer Risikogruppe zugehörig besonders geschützt werden. Gleichzeitig muss sich die „Bank für Menschen ohne Bank“ darauf vorbereiten, dass aufgrund der wirtschaftlichen Stagnation und einer hohen Arbeitslosigkeit in Österreich im Gefolge der Maßnahmen gegen die Pandemie die Nachfrage nach Leistungen der Zweite Sparkasse steigen wird. Auch nach dem Ende der Pandemie wird sich für viele Menschen in Österreich vorerst leider kein normales Leben einstellen: Eine halbe Million Arbeitslose und viele Personen in Kurzarbeit laufen Gefahr, den finanziellen Boden unter den Füßen zu verlieren. Das 2021 ausgelaufene gesetzliche Schulden-Moratorium wird die Lage zusätzlich verschärfen. Servicecenter am Schweizer Garten Zu den erfreulichen Entwicklungen gehörte daher, dass am 11. September 2020 im Gebäude der Zweite Sparkasse in Wien, dem Pavillon am Schweizer Garten, die neuen Räumlichkeiten des Betreuten Kontos der Schuldnerberatung Wien eröffnet wurden. Neben dem Wiener Sozialstadtrat Peter Hacker und Anita Bauer, Geschäftsführerin des Fonds Soziales Wien, Arbeiterkammer Wien-Präsidentin Renate Anderl, Bildungsdirektor Heinrich Himmer und Christian Neumayer, Geschäftsführer der Schuldnerberatung Wien, war mit Günter Benischek, Brigitte Guttmann und Gerhard Ruprecht der gesamte Vorstand der Zweite Sparkasse vertreten. Im Zuge dieser Veranstaltung wurden auch die ersten Jugendlichen ausgezeichnet, die den im Februar 2020 ins Leben gerufenen „Finanzführerschein“ erfolgreich abgeschlossen haben. Das Ausbildungsprogramm der Schuldnerberatung Wien vermittelt SchülerInnen praxisnahes Wissen rund um das Thema Geld. „Das Betreute Konto der Schuldnerberatung Wien im Haus zu haben, schafft eine Menge Synergien, spart den KundInnen Zeit und garantiert einen regen Austausch zwischen den MitarbeiterInnen des Betreuten Kontos und der Zweite Sparkasse“, freute sich Günter Benischek über die Hausgemeinschaft. Um den KundInnen maximalen Service bieten zu können, wurden die Öffnungszeiten zwischen dem Betreuten Konto und den KollegInnen der Zweite Sparkasse in Einklang gebracht. Das Betreute Konto ist eine Dienstleistung der Schuldnerberatung Wien in Kooperation mit ausgewählten Banken. Hauptvertragspartner ist die Zweite Sparkasse. Die Zielgruppe für ein Betreutes Konto sind Menschen, die meist in einem Betreuungsverhältnis mit einer Sozialeinrichtung stehen und Schwierigkeiten haben, Zahlungsprioritäten zu erkennen und einzuhalten, und dadurch von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Mikrokredit für Wohnen Von Wohnungslosigkeit bedroht sind auch Menschen, die eine Wohnung anmieten wollen und entweder nur geringe Einkommen oder soziale Transferleistungen beziehen und daher Schwierigkeiten haben, die Einmalzahlungen zu leisten, die bei einem solchen Schritt meist fällig werden. Der Mikrokredit für Wohnen der Zweite Sparkasse ermöglicht es seit Ende 2020 Menschen mit geringen Ressourcen, Mietkautionen und Ablösen für Kücheneinrichtungen zu bezahlen und damit eine eigene Wohnung zu erhalten. Der maximale Betrag eines Kredits beläuft sich auf EUR 5.000 bei einer Laufzeit von fünf Jahren. Die KreditnehmerInnen werden durch die Caritas vermittelt. Das derzeitige Finanzierungsvolumen von EUR 300.000 ist zur Gänze durch eine Haftung der ERSTE Stiftung besichert. Die Vergabe von Wohnungs-Mikrokrediten erfolgt vorerst ausschließlich in Wien. 40


Fonds Soziales WienGeschäftsführerin Anita Bauer, Bildungsdirektor Heinrich Himmer, Sozialstadtrat Peter Hacker und Arbeiterkammer WienPräsidentin Renate Anderl gratulieren zwei FinanzführerscheinAbsolventInnen. Foto: FSW

Ein Teil des Teams der Schuldnerberatung Wien mit Fonds Soziales WienGeschäftsführerin Anita Bauer (r.). Foto: FSW

Die Zweite Sparkasse ist eine Bank ohne Gewinnabsichten. Ehrenamtliche MitarbeiterInnen wenden Zeit und Geduld auf, um Menschen in schwieriger finanzieller Situation auf dem Weg in ein Leben ohne Schulden zu begleiten. Alle KundInnen der Zweite Sparkasse werden von NGOs vermittelt und betreut. Sie erhalten ein Girokonto mit Bankomatkarte und Zugang zum Online-Banking von Erste Bank und Sparkasse, George, sowie in Zusammenarbeit mit der Wiener Städtische Versicherung eine kostenlose Unfallversicherung und eine Rechtsberatung pro Quartal. Betreutes Konto und Mikrokredit für Wohnen sind weitere Angebote. Zum Jahresende 2020 hatte die Zweite Sparkasse 8.648 KundInnen. Die Zahl der Betreuten Konten erhöhte sich um 21,5 % auf 1.334. In der „Startphase“ befinden sich aktuell 2.465 KundInnen. Diese nutzen den Vorteil eines praktisch kostenfreien Kontos. Seit Gründung der Zweite Sparkasse wurden bereits 20.583 KundInnen betreut. 2020 kamen 1.108 NeukundInnen dazu. Seit dem Jahr 2011 haben 4.335 KundInnen den Schritt zurück zu einem Konto bei einer „normalen“ Bank geschafft, im Jahr 2020 waren es 264 KundInnen.

diezweitesparkasse.at

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Gelebtes Responsible Banking Social Banking ist bereits seit den Anfängen der ERSTE Stiftung in unserer DNA verankert

Ab dem Jahr 1819 nahm sich die Erste Österreichische Sparkasse jener Menschen an, die keinen oder nur sehr eingeschränkten Zugang zu Finanzdienstleistungen hatten. Finanzielle Inklusion und die Schaffung einer gewissen materiellen Sicherheit – auch für Menschen mit sehr geringem Einkommen und ohne finanzielle Rücklagen – wurden zum Markenzeichen der Sparkassentätigkeit. Die ERSTE Stiftung hat diese Ausrichtung geerbt und nimmt die Verantwortung, eine gute Zukunft für alle zu schaffen, gemeinsam mit der Erste Bank Group und zivilgesellschaftlichen Partnern aktiv wahr. Seit 15 Jahren arbeiten wir gemeinsam am Aufbau von Strukturen und Serviceleistungen – zuerst in Österreich mit der Zweite Sparkasse und später in allen Ländern, in denen die Erste Group vertreten ist. Seit 2006 fördern und unterstützen wir die Erste Group bei der Entwicklung inklusiver Finanzdienstleistungen und -produkte, die es verschiedenen Kundengruppen ermöglichen, ihr Potenzial zu entfalten und aktive Mitglieder unserer Gesellschaft zu werden. Armutsgefährdete Menschen erhalten Beratung in Finanzangelegenheiten, haben die Möglichkeit, Giro- und und Sparkonten zu eröffnen, und können in Notlagen (oder um Schulden bei Kredithaien zu begleichen, denen sie zum Opfer gefallen sind) einen Kleinkredit beantragen. Ein spezielles Programm ermöglicht es Roma-Familien in der Ostslowakei, mithilfe garantierter Wohnbaudarlehen für sich selbst angemessene Wohnverhältnisse zu schaffen.

In der Ostslowakei bauten die BewohnerInnen des Dorfes Rankovce, das hauptsächlich von Roma-Familien bewohnt wird, mit Hilfe von Mikrokrediten der Slovenská sporiteľňa, viel Eigeninitiative und der Unterstützung des NGO-Projekts DOM.ov Häuser für sich und ihre Nachbarn. Von links: der Koordinator für Sparen und Kredite, Vlado Frický, die Baukoordinatoren Jozef Gajdoš und Ľuboš Zuskár, der Ausbilder für Arbeiten am Bau, Ondrej Sameľ, und die Klientin Adriana Fliťárová in der Dorfstraße, die jetzt mit neuen Häusern gesäumt ist. Foto: Lukáš Klčo

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Auswirkungen auf Menschen in finanziellen Schwierigkeiten

19.433 unterstützte KundInnen 68 % erhielten persönliche Beratung

76 % können nun ihre laufenden Rechnungen zahlen

51 %

74 % aller KundInnen fühlen sich weniger gestresst

68 % 84 % sehen nun positiver in die Zukunft

51 % haben ihre finanzielle Lage verbessert

NGOs und andere gemeinnützige Organisationen erhalten Kredite, um ihre Angebote und wirtschaftlichen Tätigkeiten zu skalieren, zu erweitern und zu verbessern oder um in Anlagegüter zur Stärkung ihrer Ressourcenbasis zu investieren. Mit öffentlichen Mitteln geförderten Organisationen, die keine Vorfinanzierungskapazitäten haben, werden Überbrückungskredite gewährt, um Finanzierungslücken zu schließen, die durch verspätete Auszahlung öffentlicher Zuschüsse entstehen. Während der Covid19-Pandemie stellte die ERSTE Stiftung gemeinsam mit der Erste Group Notfallkredite für im Sozialbereich tätige NGOs zur Verfügung. Die ERSTE Stiftung übernimmt bis September 2021 die fälligen Zinszahlungen, um die finanzielle Belastung dieser Organisationen zu verringern (siehe Seite 16). Auswirkungen durch die Stärkung sozialer Organisationen

602 finanzierte KundInnen

67 %

2.613

Mio. EUR Kredite ausgezahlt

12.915

Arbeitsplätze erhalten und geschaffen

SchulungsteilnehmerInnen

71,6

67 % befinden sich in einer besseren wirtschaftlichen Lage als zuvor

87 %

87 % können ihre Social-Impact-Ziele/ -Mission besser erfüllen

Start-ups und insbesondere Sozialunternehmen stehen Kredite und Finanzschulungen zur Verfügung, die es ihnen nicht nur ermöglichen, ein Unternehmen zu gründen, sondern auch Coaching- und Mentoringprogramme in Anspruch zu nehmen und ihr Finanzwissen zu erweitern. Damit unterstützen wir sie beim Aufbau einer soliden und zukunftsfähigen Geschäftstätigkeit. 43


Auswirkungen auf angehende UnternehmerInnen

3.079 finanzierte KundInnen

61 %

61 % der Befragten haben ihre wirtschaftliche Lage verbessert

6.549

8.490

neu geschaffene Arbeitsplätze

SchulungsteilnehmerInnen

80,7

49 %

Mio. EUR Kredite ausgezahlt

49 % konnten ihr Unternehmen nicht ohne unseren Kredit starten oder ausweiten

Kleinstunternehmen und Kleinbauern und -bäuerinnen erhalten Mikrokredite, damit sie wachsen und ihr Einkommen erhöhen und damit ihre soziale und gesundheitliche Situation verbessern können. Auswirkungen durch Unterstützung mit Mikrokrediten

6.967 finanzierte KundInnen

87 %

87 % befinden sich jetzt in einer besseren wirtschaftlichen Lage

10.839 Kredite vergeben

81,3

25.433

Arbeitsplätze erhalten und geschaffen

26 %

26 % konnten ihre Lebensumstände verbessern

Mio. EUR Kredite ausgezahlt

Diese von den Mitgliedern der Erste Group in acht mittel- und südosteuropäischen Ländern angebotenen Finanzdienstleistungen werden durch die ERSTE Stiftung, die Kreditgarantien übernimmt oder Schulungen für UnternehmerInnen und NGO-MitarbeiterInnen anbietet, zum Teil ermöglicht und ergänzt. Wir sind außerdem bestrebt, die Möglichkeiten und Herausforderungen des Social Banking in der Region Mittel- und Südosteuropa mit unseren KollegInnen der Erste Social Finance weiter zu sondieren. Gemeinsam wollen wir neue Serviceleistungen und Produkte einführen und den entstehenden und sich verändernden Bedürfnissen von Gesellschaften und Menschen in neuen und schwierigen Situationen in unserer Region Rechnung tragen. Stefan Buciuc und Rastislav Blažej haben beide an der Entwicklung und Bereitstellung von Finanzdienstleistungen für Menschen, die normalerweise nicht im Fokus von Retailbanken stehen, maßgeblich mitgewirkt. Wir fragten sie nach ihren persönlichen Motiven, ihren Erfolgen und was sie noch erreichen wollen. 44


Franz Karl Prüller sprach mit Stefan Buciuc, CEO der Banca Comerciale Romania Social Finance (BCRSF), und Rastislav Blažej, Leiter des Social Banking, Slovenská Sporitel’ňa (SLSP). Was sind Ihre persönlichen Beweggründe, sich mit Social Banking zu befassen? Stefan Buciuc: Schon seit Anbeginn meiner Karriere wollte ich mich für das Gemeinwohl einsetzen. Ich unterstütze seit vielen Jahren die Basisorganisation „Let’s Do It Romania“, die größte soziale Bewegung Rumäniens, in der sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als 1,9 Millionen Menschen im ganzen Land freiwillig engagiert haben (etwa im Rahmen von Umweltschutzmaßnahmen – Säuberungsaktionen, Bildung, Kreislaufwirtschaft). Als ich sah, dass sich die Erste Bank mehr als jede andere Bank in Rumänien für soziale Projekte einsetzt, war für mich klar, dass dies mein Traumjob wäre. Die Tatsache, dass die Bank in soziale Entwicklung zu investieren bereit war, entsprach genau meinen Ambitionen und Erwartungen. Rastislav Blažej: Nach 13 Jahren Tätigkeit im „normalen“ Bankgeschäft wollte ich keine Serviceleistungen mehr unterstützen, die allein auf die Steigerung des Konsums abzielten. Ich war vielmehr an positiveren Auswirkungen des Geldes auf unsere Gesellschaft interessiert. Ich wollte meine Kenntnisse im Bankwesen nutzen, um der Gesellschaft zu dienen, und durch Zufall fand ich heraus, dass genau das im Statement of Purpose der Erste Bank stand; also begann ich meine persönliche Reise im Social Banking der Erste. Kurz gesagt gab es für mich drei persönliche Beweggründe: die Welt zu verbessern, meine Kenntnisse als Banker dafür einzusetzen und mit der Erste Bank die richtige Partnerin gefunden zu haben, da sie sich für Themen einsetzte, die mir am Herzen lagen. Es gab gute Leute, die Arbeit zeigte positive Auswirkungen und es ergab alles Sinn für mich. Was kann Social Banking bewirken und warum ist es für die Erste Group wichtig?

„Unsere Serviceleistungen und Vorzeigeprojekte können dazu beitragen, das Umweltund Sozialbewusstsein der gesamten Erste Group zu verbessern, auch was die Gender- und Diversitätsagenden betrifft.“

Stefan Buciuc: Die Gesellschaften Mittel- und Osteuropas haben nach dem Fall der kommunistischen Regime vor mehr als 30 Jahren immer noch schwierige Transformationsprozesse zu bewältigen. Es bleibt noch viel zu tun: Was die Erfüllung der SDGs [Sustainable Development Goals, Ziele für nachhaltige Entwicklung] anbelangt, liegen wir weit hinten (auf Rang 30 Stefan Buciuc von 31 Ländern), wir investieren nicht in Forschung und Entwicklung und es fließt nur sehr wenig Geld in Umweltmaßnahmen; die Kluft zwischen ländlicher und städtischer Bevölkerung ist riesig und wird immer größer, die Menschen leben nach wie vor in sehr schlechten Wohnverhältnissen und die gesamte Gesellschaft und Wirtschaft leiden unter Korruption. Social Banking, das sich am gesellschaftlichen Nutzen orientiert, spielt eine wichtige Rolle dabei, diese Situation zu verbessern und Menschen zu helfen, ein gutes Leben zu führen. Unsere Serviceleistungen und Vorzeigeprojekte können dazu beitragen, das Umwelt- und Sozialbewusstsein der gesamten Erste Group zu verbessern, auch was die Gender- und Diversitätsagenden betrifft. Wir können PrivatkundInnen und Organisationen dabei unterstützen, in den Genuss von EU-Förderprogrammen zu kommen, die wir für sie zugänglich machen können. Wir ermöglichen nachhaltige Entwicklung auch in ländlichen Gegenden des Landes, an denen Geschäftsbanken kein Interesse haben, und überall, wo wir tätig sind, bringen wir das Bewusstsein dafür mit, dass es für eine lebenswerte Zukunft für uns alle auf die Dreifachbilanz ankommt: Neben dem finanziellen Gewinn müssen wir die Prinzipien der ESG (Environmental and Social Governance) umsetzen, wenn wir eine zukunftsfähige und florierende Bank bleiben wollen, die ihren KundInnen noch viele Jahre tatsächlich dient. Rastislav Blažej: Für mich gibt es drei wichtige Punkte: Erstens: Wir – die Erste Group – sollten unsere Mission leben! Es reicht nicht aus, wohlklingende Sätze niederzuschreiben; unsere Mission sollte gelebter Alltag sein. Auch wenn es nur ein kleiner Bereich ist, sehe ich das Social Banking als Forschungsund Entwicklungszentrum der Erste Group, um Wege zu finden, unsere Mission zu verwirklichen. Zweitens: Jeder einzelne Mensch, dem wir mit unseren Angeboten helfen können, zählt. Wir haben dafür ei45


nen nachhaltigen Weg gefunden, schreiben mit Social Banking keine Verluste, sondern arbeiten kostendeckend. Und drittens: Langfristig verändern wir die DNA der Erste Group und ihrer MitarbeiterInnen. Sie sehen, was wir im Social Banking für KundInnen tun können, wie flexibel wir auf deren Bedürfnisse eingehen können, und es verändert ihre Sichtweise, was unseren Umgang als Bank mit unseren KundInnen anbelangt. Das verändert unsere Kultur und führt dazu, dass wir unsere Mission wirklich leben. Unsere KollegInnen in der Bank müssen sehen, dass wir das, was wir sagen, auch umsetzen: Wenn unsere MitarbeiterInnen sehen können, was wir tun, können sie dies auch an andere KundInnen der Bank weitergeben, und diese wiederum können die Idee dahinter in die Gesellschaft insgesamt tragen: Das wird unsere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit verändern.

„Wir sehen, dass die Sozialwirtschaft, wie sie von der Stiftung gefördert und unterstützt wird, sich in einer Krise wie der jetzigen als resilienter erweist als die rein gewinnorientierte Wirtschaft.“ Stefan Buciuc

Auf welche Errungenschaften sind Sie besonders stolz? Stefan Buciuc: Ich bin sehr stolz darauf, dass wir unsere Serviceleistungen in der Pandemie nicht eingestellt haben, sondern durchgehend für unsere KundInnen da waren und mit ihnen persönlich in Kontakt standen (auch mit den am stärksten betroffenen Branchen wie HoReCa – Hotellerie- und Gastronomiezulieferer). Unsere KundInnen haben keine Reserven und gerieten durch die Pandemie in eine äußerst schwierige Lage: Wir haben sie in ihrem ländlichen und kleinstädtischen Umfeld unterstützt und uns klar als umsichtiger und kundenorientierter Dienstleister profiliert. Ich bin auch sehr stolz auf die Einsatzbereitschaft unserer MitarbeiterInnen: Sie haben es geschafft, nahe an den KundInnen zu bleiben, sie persönlich zu betreuen und mit Rat und flexiblen Maßnahmen zu unterstützen, um die Auswirkungen der Pandemie abzufedern. Eine große Errungenschaft war die Einführung des Umschulungsprogramms: Wir konnten Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren hatten, dabei helfen, sich neu zu orientieren und neue Berufe zu erlernen. Und schließlich bin ich stolz, dass wir gemeinsam mit der ERSTE Stiftung NGOs mit Notfallkrediten unterstützen konnten, von denen viele soziale Einrichtungen im Jahr 2020 und auch jetzt 2021 profitiert haben. Rastislav Blažej: Ich bin froh, dass es das Social Banking gibt, seit wir es 2014 in der SLSP gestartet haben, und ich bin stolz auf die Menschen, die sich darum kümmern, nicht nur in der Slowakei, sondern in der ganzen Gruppe: Das sind großartige und engagierte Leute! Ich bin stolz darauf, dass dieser Bereich auch von großen FirmenkundInnen und wichtigen Instanzen wie dem Finanzministerium, dem Sozialministerium, der US-amerikanischen Handelskammer und der britischen Botschaft anerkannt wird: Sie alle sind erstaunt, wenn sie vom Roma-Wohnbauprojekt oder von unserem Beschäftigungsförderungsprogramm hören, und fragen mich: Funktioniert das wirklich in der Bank? Wird es von den AktionärInnen unterstützt? Stolz macht mich, dass sich KollegInnen in der Bank engagieren, dass andere BankmitarbeiterInnen unseren Social-Banking-KundInnen helfen wollen, auch wenn sie andere KPIs und Ziele haben. Sie setzen sich persönlich dafür ein. KollegInnen aus den Bereichen Risiko, Retail und Backoffice helfen, individuelle Lösungen für unsere KundInnen zu finden, und zeigen damit, dass ihnen die Sache am Herzen liegt. Wie sehen Sie die Rolle der ERSTE Stiftung im Social Banking? Stefan Buciuc: Wir brauchen die Stiftung, um ein Zukunftsbild zu entwickeln, um vorauszuplanen und notwendige Impulse zu setzen; denn wir sehen, dass die Sozialwirtschaft, wie sie von der Stiftung gefördert und unterstützt wird, sich in einer Krise wie der jetzigen als resilienter erweist als die rein gewinnorientierte Wirtschaft. Die Stiftung geht in ihrer Arbeit zum Wohle anderer einen anderen Weg als das alte, rein kommerzielle bzw. kapitalistische System. Gemeinsam mit der Stiftung können wir ein neues Bild von der Zukunft entwerfen, einer Zukunft, in der wir auch mit der Zivilgesellschaft und der EU auf andere Art und Weise Verbindungen eingehen, in der Netzwerk-, Garantie- und Unterstützungsprogramme eine größere Bedeutung haben als reine Förderinstrumente. Als Anteilseignerin und Partnerin der Bank nimmt die Stiftung hierbei eine zentrale Rolle ein und trägt entscheidend zu dieser besseren Zukunft für alle in unserer Region bei. Rastislav Blažej: Die ERSTE Stiftung war unter anderem ein Grund, warum ich zur Erste Group gekommen bin: Ich sah, dass hinter der Gruppe etwas steht, das sich von anderen Banken unterscheidet, etwas, das ihr Sinn und Wert gibt: eine Anteilseignerin, die ein Interesse daran hat, dass die Versprechen der Bank kein Lippenbekenntnis sind, sondern dass das Gesagte auch wirklich so gemeint ist. 46


Für mich hat die ERSTE Stiftung das Social Banking in der Erste Group möglich gemacht und ist Garant für die Erfüllung unserer Mission. Ob die ERSTE Stiftung genug tut, um dies voranzutreiben, kann ich nicht beurteilen, aber ich sehe Ergebnisse, die sich zwar nur langsam und schrittweise abzeichnen, aber am Ende die Bank und die Welt für die davon profitierenden KundInnen verändern werden. Aus meiner Sicht könnte die Stiftung diese Effekte in der Erste Group mit etwas mehr Nachdruck durchsetzen. Was fehlt noch bzw. was muss noch getan werden, um das Potenzial des Social Banking voll auszuschöpfen? Stefan Buciuc: Wir müssen uns mehr trauen! Wir – die Social Banker – sollten maßgeblich zu Veränderungen beitragen und mehr Risiken eingehen. Wir sollten scheitern dürfen, sollten den Mut haben, Fehler zu machen und wieder aufzustehen, daraus lernen und besser werden und uns mit unseren KundInnen und der gesamten Bank weiterentwickeln. Wenn man scheitert, geht einem oft die Energie aus und man zieht sich zurück. Wir aber sollten das Gegenteil tun: Wir sollten aus den Schwierigkeiten und Misserfolgen, die uns widerfahren, Energie schöpfen, um hinauszugehen, Neues zu schaffen und Unterstützung zu leisten. Um die Gesellschaft zu verändern, müssen wir Risiken eingehen – dafür sind Social-Impact-Organisationen da!

„Mir schwebt nicht nur eine Verdoppelung vor, ich würde unser Tätigkeitsspektrum gerne um das Zwanzigfache, vielleicht sogar um das 200-Fache erweitern.“

Rastislav Blažej: Als ich mit dem Social Banking begann, wollte ich Dinge tun, die gut für die Gesellschaft sind. Das könnten auch Gemeinwesenarbeit, Umweltschutz und andere Aktivitäten sein. Deshalb ist es mir wichtig, unsere Arbeit jetzt noch breiter aufzustellen. Wir haben gezeigt, dass wir nachhaltig arbeiten können, Rastislav Blažej also sollten wir jetzt den nächsten Schritt setzen. Ich würde für mehr Mut zur Skalierung plädieren. Der Markt und die Nachfrage nach Dienstleistungen und Produkten wie diesen sind gegeben und wir haben die Unterstützung der Regierung. Mir schwebt nicht nur eine Verdoppelung vor, ich würde unser Tätigkeitsspektrum gerne um das Zwanzigfache, vielleicht sogar um das 200-Fache erweitern. Es gibt viele Menschen, denen es finanziell nicht gut geht; es gibt Impact-Economy-UnternehmerInnen (im sozialen Bereich, in der Kreislaufwirtschaft, im Umweltbereich), die ihre Unternehmen aufbauen und skalieren wollen, und die Menschen brauchen angemessenen und leistbaren Wohnraum und Zugang zu Gesundheitsdiensten. Bei all dem können wir helfen, indem wir stets offen für Neues sind und maßgeschneiderte Lösungen, nicht nur reine Bankdienstleistungen und -produkte anbieten. Mensch und Technologie sind für mich die Hauptfaktoren, die diese Entwicklungen ermöglichen. Ich denke, wir sind bereit, unsere Wirkung in der Gesellschaft zu erhöhen und damit auch gute Ergebnisse für unsere AktionärInnen zu erzielen. Mit der Reise, die wir bereits begonnen haben, kann unser Ansatz in Bezug auf die Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele und ESG in Europa eine Vorbildwirkung haben. Vielleicht sollten wir pragmatisch an diese Verantwortung herangehen und eine klare Position beziehen, denn hier geht es nicht nur um Marketing oder Hochglanzbroschüren, sondern um echtes Handeln und die Verwirklichung dessen, was wir als Unternehmen wirklich sein sollten..

bcr-socialfinance.ro

slsp.sk/sk/biznis/zaciname-podnikat/krok-za-krokom

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Wir glauben, dass die meisten Menschen wollen, dass es auch anderen gut geht. Viele setzen sich persönlich für ihre Mitmenschen ein, im Beruf oder ehrenamtlich. Deshalb unterstützen wir diejenigen, die sich für einen Wandel unserer Gesellschaft zum Besseren engagieren. Wir investieren in die Entwicklung neuer digitaler Methoden, in Weiterbildung und Organisationsentwicklung von NGOs und in den Ausbau von Netzwerken nachhaltiger sozialer Unternehmen. Wir wollen Menschen stärken, die den sozialen Herausforderungen unserer Zeit aktiv begegnen.

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UnterstützerInnen unterstützen


Die Sache beginnt in der analogen Welt Das Start-up Two Next unterstützt den Sozialbereich bei der Digitalisierung

Maribel Königer Direktorin Kommunikation, Journalismus und Medien der ERSTE Stiftung

Georg Spiel Obmann der pro mente-Gruppe in ­Kärnten und Geschaftsführer von pro mente: kinder jugend familie GmbH

Nicole Traxler Geschaftsführerin von Two Next

Von den wenigen positiven Effekten der Pandemie des Jahres 2020 wird am häufigsten der Schub genannt, den die Digitalisierung auf allen Ebenen des Arbeits- und Gesellschaftslebens dank ­Abstandsregeln, Telearbeit und Videotelefonie erhalten hat. Doch während in den Inkubatoren und Accelerators der nicht mehr ganz so neuen New Economy schon lange nach skalierbaren digitalen Geschäftsideen gesucht wird, um Wachstumspotenziale zu finden, scheint im Non-Profit-Bereich der Bürocomputer manchmal immer noch das modernste Tool im Werkzeugkasten zu sein. Aber stimmt das wirklich? Initiativen wie die von der ERSTE Stiftung gegründete Two Next GmbH entwickeln gemeinsam mit Partnern digitale Lösungen für soziale Probleme und unterstützen gemeinnützige Organisationen bei der Digitalisierung ihres Angebots. Maribel Königer sprach mit Nicole Traxler, Geschäftsführerin von Two Next, und Georg Spiel, Obmann der pro mente-Gruppe in Kärnten und Geschäftsführer von pro mente: kinder jugend familie GmbH, über die Chancen, die die Digitalisierung im Sozialbereich bietet, und die Hürden, die dabei zu überwinden sind. 50


Lange vor dem Jahr, in dem Homeoffice, Onlineshopping und Telekonferenzen zur täglichen Erfahrung der meisten von uns wurden, 2016, hat die ERSTE Stiftung die erste Initiative für digitale Projekte im Sozialbereich gestartet. Damals noch unter dem Namen BeeTwo. Im Jahr 2020 ist aus BeeTwo dann Two Next geworden. Warum die Umbenennung und wo steht Two Next heute? Nicole Traxler: 2016 waren wir mit der Digitalisierung zur Lösung sozialer Problemstellungen sehr früh dran und mussten uns gemeinsam mit den NGOs erst vortasten: Was ist überhaupt möglich und, vor allem, „wie ist was möglich, damit am Ende die Probleme auch wirklich gelöst werden? In den letzten zwei Jahren haben wir unsere Organisationsstrukturen und unser Angebot professionalisiert. Nach zwei erfolgreich durchgeführten Innovation Labs stand am Ende dieser Entwicklung die inhaltliche Fokussierung auf die Themen Pflege und Finanzinklusion. Jetzt fühlen wir uns in unserem Setting angekommen und wollten dem auch mit einem geschärften Erscheinungsbild Ausdruck verleihen. Herr Spiel, Institution Building haben Sie schon lange hinter sich, die pro mente-Gruppe in Kärnten ist eine Organisation mit einer erfolgreichen Geschichte. Mit welchen Zielgruppen arbeiten Sie und welche Leistungen bieten Sie an?

„Die App soll eine tägliche Begleiterin sein und sowohl die Betroffenen als auch BeraterInnen und TherapeutInnen unterstützen.“

Georg Spiel: Die pro mente-Gruppe in Kärnten besteht aus mehreren Gesundheits- und Sozialdienstleistern, die Menschen mit psychischen Problemen oder Beeinträchtigungen respektive Erkrankungen und deren Angehörigen evidenzGeorg Spiel basierte innovative und individualisierte Dienste anbieten. pro mente kärnten, die älteste Unternehmung, hat vor Kurzem das 40-jährige Bestehen gefeiert, pro mente: kinder jugend familie das 20-jährige. Die Rehaklinik – der jüngste der drei Betriebe – besteht seit 2002. Das Spezifische unserer Angebote – und ich verwende hier bewusst die Mehrzahl – ist, dass wir sehr unterschiedliche Angebote dezentral und gemeindenah anbieten. Wir wenden uns an Kleinstkinder, Kinder und Jugendliche wie auch an Erwachsene und Alte, es gibt Angebote für Menschen mit psychischen Problemen respektive Krankheiten, aber auch Angebote für Menschen mit Behinderungen. Das Spektrum reicht von Beratung, ambulanter Betreuung, Angebote einer Tagesstruktur bis zu vollstationärer Behandlung. Zusammenfassend werden in der pro mente-Gruppe in 56 Einrichtungen in fast allen Bezirken Kärntens unterschiedlichste Betreuungen angeboten. 51


Offensichtlich ist bei so beeindruckend vielfältigen Betreuungsangeboten wie von pro mente und anderen Organisationen der persönliche Kontakt zu den KlientInnen der Kern der Dienstleistung. Was können digitale Anwendungen in diesem Umfeld überhaupt leisten? Nicole Traxler: Digitalisierung ist – wie auch andere Maßnahmen von sozialen Diensten – ein Mittel zum Zweck. Sie kann persönlichen Kontakt nicht ersetzen, aber zum Beispiel Kontakt herstellen, wo sonst keiner möglich wäre. Wir haben während der Pandemie erlebt, dass wir – oft gezwungenermaßen – nur dank Videotelefonie und sozialer Medien mit anderen in Verbindung geblieben sind. Ähnliche Tools werden bereits in der Telemedizin und Telepflege eingesetzt. Digitalisierung kann aber Menschen auch Zugang zu Bereichen eröffnen, die diesen sonst verwehrt bleiben. So haben wir zum Beispiel mit den Lebenshilfen Soziale Dienste Frag Tobi entwickelt. Der Avatar setzt auf bestehenden Suchportalen auf und bietet Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen einen einfachen, niederschwelligen Zugang zu Websuche, indem er sie durch die Eingabe und die Ergebnisse führt. Dann gibt es Menschen, die Unterstützung und Informationen nicht bekommen, weil Themen schlecht aufbereitet und Hilfsangebote unverständlich präsentiert sind. Oft sind diese Themen auch schambesetzt, manche sprechen nur ungern über ihre Probleme und tun sich schwer, Hilfe anzunehmen. Viele Menschen kann man mit Nicole Traxler einer App oder Website niederschwellig erreichen, nämlich daheim in den eigenen vier Wänden. So müssen sie nicht den Schritt in eine Beratungseinrichtung machen, sondern können ein Hilfsangebot – von FreundInnen, NachbarInnen und Familienmitgliedern unbemerkt – ausprobieren. So unterstützt Rat auf Draht überforderte Eltern mit gezielten Informationen auf der Elternseite www.elternseite.at. Aktuell arbeiten wir mit der Caritas Wien und dem Ludwig Boltzmann Institut Digital Health and Patent Safety an einem Projekt zur Entlastung von pflegenden Angehörigen, bei dem ebenfalls die Niederschwelligkeit von digitalen Angeboten der entscheidende Vorteil ist.

„Die meisten Organisationen haben zumindest ein Gespür, für welche Probleme Digitalisierung eine Teillösung darstellen könnte.“

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Was hat pro mente dazu bewogen, am Innovation Lab von Two Next teilzunehmen? Georg Spiel: Wir nutzen schon seit mehreren Jahren die Möglichkeiten der Digitalisierung, um unsere Angebote zu verbessern und effizienter zu gestalten. Eine konkrete Initiative sieht digitale Angebote für PatientInnen und KlientInnen vor. Wir haben uns bei Two Next beworben, um gemeinsam digitale Unterstützungssysteme für Menschen mit psychischen Problemen und Erkrankungen zu entwickeln. Die App, die Sie im Rahmen des Innovation Lab entwickelt haben, heißt Coach yourself. A mental health tracking tool. Was kann diese Anwendung? Wer sind die Menschen, die sie verwenden, und welchen Nutzen bringt sie? Georg Spiel: Wir wissen nicht nur aus Erfahrung, sondern auch durch Studien, dass Menschen mit psychischen Problemen oder Erkrankungen nicht selten spezielle Unterstützung in den Zeiträumen zwischen den einzelnen Therapiesitzungen brauchen. Die App ist so konzipiert, dass deren NutzerInnen einerseits ihre Befindlichkeit einschließlich Stimmungslage und ihre (Alltags-)Aktivitäten monitieren können und Anregungen bekommen, wie sie mit auftauchenden Problemen besser umgehen können. Die App unterstützt auch, wann und wie Betroffene professionelle Hilfe erreichen können, wenn die eigenen Bewältigungsstrategien erschöpft sind. Die App soll eine tägliche Begleiterin sein und sowohl die Betroffenen als auch BeraterInnen und TherapeutInnen unterstützen, die damit ein zuverlässiges Bild von den Lebensvollzügen der Betroffenen bekommen können. Klar ist, dass die Daten unseren KlientInnen und PatientInnen gehören. Wir haben in der App vorgesehen, dass Betroffene und BetreuerInnen gemeinsam Bewältigungsstrategien und Interventionen vereinbaren können, die angewendet werden sollen. Die Sache beginnt also in der analogen Welt. Kommen die meisten Organisationen schon mit so konkreten Ideen für Anwendungen oder ist es auch eine Aufgabe von Two Next, aufzuzeigen, welche Erleichterungen für die KlientInnen oder MitarbeiterInnen einer Organisation durch digitale Anwendungen überhaupt möglich sind?

Screenshots der App Coach Yourself, einer Zusammenarbeit von pro mente research und Two Next; Design und Entwicklung in ­Zusammenarbeit mit v_labs

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Nicole Traxler: So wie pro mente haben die meisten Organisationen sehr wohl eine Vorstellung oder zumindest ein Gespür, für welche Themen und Probleme Digitalisierung eine Teillösung darstellen und wie man sie einsetzen könnte. Wir begleiten sie auf dem Weg von der Problemstellung zu einem ersten digitalen Prototyp als greifbares Lösungskonzept. Dabei stoßen wir weiterhin auf einige Hürden. Das Feld ist relativ jung und in den Organisationen gibt es noch recht wenig Wissen und Erfahrungswerte. Außerdem fehlt der Zugang zu Netzwerken. Wir unterstützen NGOs daher auch beim Aufbau von Wissen und Netzwerken. Ein weiteres großes Hindernis für den Einstieg in die Digitalisierung sind auch die relativ hohen Kosten für Entwicklung und Design. Bei den ersten Schritten können wir diese Kosten durch die Unterstützung der ERSTE Stiftung entlasten und so den Start in das Thema erleichtern. Gleichwohl ist das Interesse an unserer Arbeit groß. In den letzten zwei Jahren waren viele namhafte Non-Profit-Organisationen vor allem aus Österreich im Innovation Lab mit dabei: neben pro mente research etwa Arbeiter-Samariterbund Österreich, Caritas der Erzdiözese Wien, Lebenshilfen Soziale Dienste, SOS Kinderdorf, Lebenshilfe Salzburg, Caritas St. Pölten, NARKO-NE aus Bosnien und Volkshilfe Wien. pro mente plante die Anwendung, die Sie mit Two Next entwickelt haben, ja schon länger, aber rückblickend wäre eine App zum Selbst-Coaching ein Tool gewesen, das wir alle im Lockdown des Pandemiejahrs gut hätten gebrauchen können. Wo stehen Sie gerade, im Frühjahr 2021, mit dem Produkt? Wird es demnächst einsetzbar sein? Georg Spiel: Es war sicher eine besondere Herausforderung, diese App im Jahr 2020 zu entwickeln. Andererseits wurde, wie Sie richtig sagen, die Bedeutung dieses Angebots in Zeiten von verstärkter Isolation umso klarer. Der Prototyp ist fertig und wir planen bereits in diesem Frühjahr, sie in verschiedenen Betreuungssettings einzusetzen, um aus den Erfahrungen zu lernen und die App weiterzuentwickeln. Der Prototyp ist nur der Beginn einer Entwicklung mit viel Potenzial. Es bietet sich an, eine Modifikation für Kinder und Jugendliche zu entwickeln oder für Menschen mit chronischen Erkrankungen.

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„Viele Menschen kann man mit einer App oder Website niederschwellig in den eigenen vier Wänden erreichen.“

Wie ist es Two Next in diesem ungewöhnlichen Jahr gegangen? Womit mussten Sie besonders kämpfen?

Nicole Traxler: 2020 hat uns gefordert, aber auch neue Möglichkeiten eröffnet und uns als Organisation geprägt. Als Team arbeiten wir seit März 2020 größtenteils von zu Hause aus. Wir haben neue Prozesse der Zusammenarbeit Nicole Traxler aufgebaut, zum Beispiel ein tägliches Check-in als Team in der Früh. Jetzt wissen wir, was online alles möglich ist – und wo die Grenzen sind. Unser Innovationsprogramm mussten wir im April unterbrechen, denn einige unserer TeilnehmerInnen gingen in Kurzarbeit oder bauten neue Projekte mit Coronabezug auf. Den Sommer haben wir deshalb zur Einführung eines neuen Formats genutzt: In den Summer Sprints haben wir den NGO-Netzwerken der ERSTE Stiftung Trainings in userzentrierter Innovation, agilem Projektmanagement und Softwareentwicklung angeboten. Im Herbst ging es wieder online weiter. Das war witzigerweise auch für uns eine neue Erfahrung, die unsere Prozesse sicher langfristig beeinflussen wird. So haben wir bereits zwei neue Projekte komplett digital gestartet. Zusätzlich haben die Pandemie und die damit verbundene Krise einige soziale Missstände noch einmal deutlicher aufgezeigt, im Pflegesystem zum Beispiel – ein Grund, um Pflege zu einem Fokusthema zu machen. Wir wollen uns speziell auf den größten Sektor der Pflegekräfte konzentrieren, die pflegenden Angehörigen. Unterstützt durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und gemeinsam mit einem Netzwerk an Non-Profit-Organisationen arbeiten wir bereits an einem Projekt zu ihrer Entlastung. Herr Spiel, wie sehen Sie im Nachhinein die Rolle von Two Next? Was war hilfreich, was könnte aus Ihrer Sicht noch verbessert werden? Georg Spiel: Grundsätzlich wäre die Entwicklung von Coach yourself ohne Two Next nicht möglich gewesen. Wir haben sehr von der Organisations- und Innovationsstrategie von Two Next profitiert sowie von der Softwarekompetenz. Für uns ist es ein Gewinn, dass die Möglichkeiten der App deutlich weiterausgebaut werden könnten bis hin zu digitaler Beratung und digitaler Therapie für verschiedenste Klientengruppen. Für uns war diese Initiative der Einstieg in das, was ich gerne als „E-Mental-Health“ bezeichne.

Beispiele für Apps oder webbasierte ­Anwendungen, die mit U ­ nterstützung von Two Next entwickelt wurden:

Frag Tobi! Die Web-App unterstützt beim Suchen im Internet, schlägt interessante Themen vor und ist barrierefrei. frag-tobi.at Elternseite Hier finden Eltern und alle, die mit Kindern zu tun haben, Österreichs erste Online-Beratung. Die Beratung erfolgt individuell über die Kanäle Video, Audio und Live-Textchat. elternseite.at Coach yourself – A mental health tracking tool ist noch in Entwicklung. www.promente-kaernten.at

two-next.com

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Wir glauben, dass die europäische Idee es wert ist, um sie zu kämpfen. Komplexe Probleme wie die Klimakrise, die negativen Folgen der Globalisierung sowie eine völlig veränderte Präsenz und Nutzung von Medien und Information haben bei vielen Menschen zu Ängsten und Pessimismus geführt. Neue Gräben zwischen Ost und West scheinen sich aufzutun. Einfache Lösungen klingen verführerisch, verschärfen aber die Situation. Wir wollen Netzwerke mit den besten Köpfen mit politischen Entscheidungsträgern zusammenbringen, Qualitätsjournalismus für eine informierte Öffentlichkeit fördern und die Debatte über ein widerstandsfähiges, demokratisches, vereintes Europa mitgestalten.

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Für ein demokratisches Europa


Europas neue Territorialpolitik oder Die ungleichen Räume, die uns zum Leben, Atmen, Bewegen und Sterben bleiben von Niccolò Milanese Europe’s Futures-Stipendiat 2019/2020

Die politische Geografie Europas ist bekanntermaßen ungewiss und umstritten. Der Luxus und die Bürde, der einzige Kontinent zu sein, der sich selbst einen Namen gegeben hat, besteht darin, dass seine Grenzen nicht definiert sind und sich die europäische Geschichte insgesamt – sowohl von „innen“ als auch „außen“ gesehen – als eine berüchtigte Folge von Ereignissen erzählen lässt, bei denen es um die Beanspruchung, Zurückweisung, Verteidigung oder Aufspaltung von Ländern, Wurzeln, Kulturen, Namen und Symbolen geht, die alle mit ihr in Verbindung gebracht werden könnten. Um ihre Geschichte derart zu erzählen, bedarf es freilich mindestens zweier Erzählweisen, einer „europäischen“ und einer „nicht europäischen“, wenn es denn nur möglich wäre, a priori zu bestimmen, welche die eine und welche die andere ist. Mit dieser unentrinnbar gespaltenen Geschichte riskiert ein Handeln im Namen Europas stets, Partei zu ergreifen, aber auch die offensichtliche Fragilität unlösbarer innerer Widersprüche, das Hervortreten abtrünniger Renegaten und Rebellen in den eigenen Reihen. Lässt sich Territorium auch jenseits dieser militärischen Metaphern denken?

oder der Realpolitik war, zu einer administrativen und juristischen Kompetenzstreitigkeit in einer stratifizierten, aber konvergenten Landschaft politischer Autorität gemacht wurde. Die Voraussetzungen für diese Integration waren mannigfaltig: Am Anfang standen das vernichtete Nachkriegseuropa und die Notwendigkeit des Wiederaufbaus, der Zugang zu den europäischen Kolonien und ihren Ressourcen, die weiterhin relativ sicheren Energie- und Industriewerkstoffquellen und die Klimastabilität, der allgemeine militärische Schutz durch die USA, der privilegierte Zugang zu den internationalen Finanzmärkten und lang anhaltende Perioden globalen Wirtschaftswachstums.

Lässt sich Territorium auch jenseits militärischer Metaphern denken?

Als Friedensprojekt erhebt die Europäische Union – jenes gefeierte „nicht identifizierte politische Objekt“ – einen starken und berechtigten Anspruch auf die Überwindung von Grenzkonflikten und weiterreichenden Territorialkonflikten, zumindest in ihren „Kernländern“, allen voran Frankreich und Deutschland. Mittels verschiedener Formen der Integration (funktional, energiepolitisch, juristisch, monetär, bildungspolitisch usw.) hat man die Ursachen dieser Konflikte verdrängt und aus dem Fokus genommen, indem das, was eine Frage der Außenpolitik, der militärischen Macht 58

Stand die Geopolitik in den ersten Jahrzehnten der europäischen Integration bis 1989 im Vordergrund, so ermöglichten es der Zerfall des Sowjetimperiums und die „Wiedervereinigung“ der Europäischen Union, ihre Teleologie als die Verwirklichung einer „immer engeren Union“ zu artikulieren, die zugleich mit der Osterweiterung verbunden war. Die nach wie vor ungelösten Territorialkonflikte, insbesondere an der immer östlicheren Grenze, sollten „später“ behandelt werden. Die grausamen Kriege in Jugoslawien wurden rasch vom Namen „Europa“ abgegrenzt – die Balkanhalbinsel wieder ein Ort, zu dem Europa noch nicht vorgedrungen war, was es den Mehrheiten in Westeuropa ermöglichte, dem makellosen Narrativ des neuen, unberührt und konfliktfrei wiedergeborenen Europas treu zu bleiben. Die „Stunde Europas“ lag in der Zukunft. Die vernachlässigte Geschichte dieser ersten Jahrzehnte der europäischen Integration ist die Verdrängung der kolonialen Interessen Euro-


Niccolò Milanese, Foto: IWM

pas. Die EWG umfasste die Gründungsstaaten einschließlich ihres Kolonialbesitzes, und ein Hauptanliegen vieler an ihrer Förderung Beteiligter waren die Vereinigung und der Erhalt der europäischen Kolonien, vor allem durch das geopolitische Konzept von „Eurafrika“. Wenn die Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten politisch eine Distanz zwischen der Macht Europas und jener Afrikas herstellte, so blieben die von Abhängigkeit und Klientelismus geprägten Wirtschaftsbeziehungen unverändert eng, während die Welt von einer explizit kolonialen Logik zum globalen Kapitalismus und seiner imaginierten flachen und friktionslosen Landschaft gleicher nationaler Unabhängigkeit überging. Unter dem Deckmantel wirtschaftlichen Fortschritts oder humanitärer Hilfe, die an Konzerne und Unternehmen ausgelagert wurde, wurde Europas Beziehung zu seinen Kolonien – geprägt von der der Vergangenheit zugeschriebenen Gewalt und Brutalität, selbst wenn sie noch andauert – in der Öffentlichkeit zu einem von seinen inneren Angelegenheiten unabhängigen Thema, sodass das neue Europa wieder makel- und schuldlos erscheinen konnte. Diese makroräumlichen Transformationen, Reskalierungen und Neuausrichtungen mögen abstrakt oder distanziert erscheinen, hatten aber sehr wohl mit den Orten zu tun, die ein Gefühl von Zugehörigkeit, Zusammengehörigkeit und Heimat vermittelten. Wenn man die Globalisierung bzw. den fortgeschrittenen Kapitalismus als „Vernichtung des Raums durch die Zeit“ verstehen kann, dann ist der politische Raum der widerstandsfähigste und vielschichtigste. Neue Teleologien der europäischen Integration, des Wirtschaftswachstums und der Menschenrechte – auf die nachkommende Generationen ihre Lebensentwürfe und Zukunftsvorstellungen stützen könnten – stießen auf die verbissene Verteidigung von Privilegien, Vorteilen

und Vormachtstellung in verkomplizierten und kulturell aufgeladenen Klassenkämpfen, in denen die untergeordneten Klassen praktisch ausnahmslos durch ihre Heterogenität benachteiligt waren. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde Raum in ganz Europa und an seinen unsicheren Grenzen von verschiedenen Gruppen und Individuen unterschiedlich wahrgenommen, abhängig von ihrem Zugang zu bzw. Ausschluss von Technologien, Rechtssystemen und grenzüberschreitenden Arbeits-, Familien- und sozialen Beziehungen und wie sie sich diese zu eigen machten. Durch die zahlreichen, ineinandergreifenden Krisen im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends wurde die Kluft zwischen der um Ausgleich bemühten rechtlichen Vertretung der europäischen Ordnung und der materiellen, sozialen und kulturellen Unordnung unübersehbar, die Zuordnung dieser Divergenzen jedoch mit jedem Tag komplexer. Um ein einfaches Beispiel zu nennen: Nicht nur begannen sich die europäischen Länder aufgrund der im Jahr 2008 aufkommenden Finanzkrise in sozioökonomischer Hinsicht auseinanderzuentwickeln, auch miteinander verflochtene Bevölkerungen mit grenzüberschreitenden Verbindungen und Abhängigkeiten waren asymmetrisch betroffen, sodass jede „nationalisierte“ Abbildung oder statistische Darstellung unzureichend ist, jedoch auch eine nicht nationale, europaweite Darstellung könnte die wesentlichen Intermediäre der Mitgliedstaaten und ihre individuellen Verbindungen nicht miteinbeziehen. Mit dem Vertrag von Lissabon im Jahr 2007 begann die „geopolitische“ Ambition der Europäischen Union wieder in den Vordergrund zu treten, zunächst verkörpert durch den „Hohen Vertreter“, aber auch durch die Regelungen zur Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen, die später auf59


Niccolò Milanese, Foto: IWM

gegriffen werden sollten. Barg die Reaktion auf die Terroranschläge auf die Twin Towers zu Beginn des neuen Jahrtausends bereits das Potenzial für eine Divergenz zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und einigen militärischen Großmächten in Europa, so offenbarte das zweite Jahrzehnt der 2000er-Jahre eine sich dramatisch verändernde geopolitische Landschaft: der amerikanische „Schwenk“ in Richtung Asien und zunehmende Ungewissheit im Hinblick auf die Verteidigung Europas durch Amerika, wachsende Unsicherheit bezüglich Energiequellen sowie sich verschärfende Energie- und Ressourcenkonflikte in Nachbarländern, der Sturz nordafrikanischer Diktatoren, die eng mit Europa verbunden waren, größere Migrationsströme, eine radikale Beschleunigung der technologischen Entwicklung und ihre Auswirkungen auf zwischenmenschliche Beziehungen, Wirtschaftsströme und die kulturelle Produktion von Symbolen, kombiniert mit einem Wiederaufleben revisionistischer historischer Narrative, die die Grundfesten einer liberalen Ordnung infrage stellen. Diese und andere Phänomene waren auf Makro- und Mikroebene erkennbare Merkmale des Gesamtbildes und der individuellen gelebten Erfahrung in der Welt. Zusammen untergruben sie viele der Voraussetzungen des europäischen Einigungsprojekts bzw. machten sie zunichte, und ihre Verkettung verlangte nach einer schrittweisen Veränderung der Bedeutung und Intensität des Projekts selbst. Mit ihrer „geopolitischen“ Position in jedem Ressort und ihrem Hauptaugenmerk auf die europäische „Lebensweise“, mit ihrem Green Deal, ihrem Fokus auf die Chancen des digitalen Zeitalters, dem demografischen Wandel und sogar mit einem eigenen Kommissar für „Krisenmanage60

ment“ hat die neue Europäische Kommission viele dieser veränderten Bedingungen erst spät berücksichtigt, auch wenn sie in ihrem Beharren auf der Neuartigkeit ihrer geopolitischen Reichweite auf einem Kontinent, auf dem seit jeher Geopolitik betrieben wurde, dazu beitrug, dass die zugrunde liegenden und seit Langem bestehenden Interaktionen und Wechselbeziehungen zwischen Europa und Nicht-Europa weiterhin in den Hintergrund gedrängt wurden und sie damit ihre Augen vor ihrer historischen und ethischen Verantwortung weiterhin verschloss (erkennbar an der Tendenz, die geopolitische Wende Europas in ihrer Exklusivität, ihrer Abschottung und immer enger gefassteren Definition von Eigeninteresse und Machtprojektion zu unterstreichen). Gerade als die Kommission begann, sich mit dieser Welt im Wandel zu befassen, beschleunigte, verschärfte und untergrub die Coronakrise einige Entwicklungen der sich verändernden globalen Landschaft, auf die sich die europäischen Regierungen gemeinsam vorbereitet hatten. Auch wenn es zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Krise noch verfrüht ist, diese neue Landschaft vollständig zu vermessen, so lassen sich doch einige wesentliche Merkmale erkennen. Das Virus selbst, seine außergewöhnlich hohe Ansteckungsfähigkeit und die Geschwindigkeit seiner Ausbreitung auf dem gesamten Planeten sowie sein unmittelbarer Angriff auf die Schnittstelle zwischen Körper und Umwelt bei jedem Atemzug bewirken eine tiefgreifende Veränderung unserer phänomenologischen Erfahrung von Raum. Ganz abgesehen von vorläufig zu erduldenden Maßnahmen wie Abstandsregeln, Isolierung und das Tragen von Masken geriet die Darstellung unseres Lebensraums stark unter Druck. Auf der einen Seite


intensivieren wir unsere internationalen Kontakte, wohl wissend, dass ein Aufflammen in einem Teil der Welt, bei denen dort, schnell Folgen für uns hier haben kann; wir vergleichen unablässig private Dinge des Alltagslebens in anderen Ländern. (Wie oft dürfen sie nach draußen? Mit wem? Wie lange dürfen die Kinder zur Schule gehen? usw.) Auf der anderen Seite setzen wir uns mit unseren persönlichen Freiräumen auseinander, waschen und desinfizieren unsere Hände, sind gegenüber den kleinsten Anzeichen möglicher Krankheit alarmiert, intensivieren unsere engsten persönlichen Kontakte und denken vermehrt über unsere eigene Sterblichkeit nach.

stellung, die es auch zuvor schon gegeben hat, die aber in der neuen Realität umso akuter geworden sind. Darüber hinaus haben die nunmehr geltenden Abstandsregeln etwas infrage gestellt, das in vielen Kulturen die grundlegende Verbindung zwischen Mensch und Erde ausmacht: die Bestattung der Toten. Bei jenen, von denen angenommen wird, dass sie mit dem Virus gestorben sind, entwickelte es sich eher zu einer Beziehung zwischen dem abgesonderten Individuum und den Behörden als zu einer Beziehung zwischen Familie und Erde. Derartige Erfahrungen erinnern an frühere Epidemien, aber auch an Kriegserfahrungen in Europa in jüngerer Zeit. An einigen Orten wie Mailand durchlaufen Familien nun die in der Nachkriegszeit üblichen Prozeduren der Identifizierung, Exhumierung und Wiederbestattung von Angehörigen, die in anonymen Gräbern beigesetzt waren.

In den ersten Monaten des Jahres 2020 wurde die europäische Raum-ZeitOrdnung vorübergehend auf den Kopf gestellt.

Inwieweit diese angespannte Situation unsere Vorstellungen von unserem Lebensraum nachhaltig prägen wird, bleibt abzusehen und wird unterschiedlich wahrgenommen werden, aber diese Vorstellungen beeinflussen und überschneiden sich bereits jetzt mit anderen Aspekten unseres Lebens. Wohn- und Arbeitsbedingungen wurden unter anderen Risiko- und Sicherheitsaspekten repolitisiert als jenen, die sich aus der Subprime- und Finanzkrise von 2008 ergaben. Generell ist die Frage, wer frei atmen darf und wer erstickt, sei es aufgrund von Krankheit und Umweltverschmutzung oder durch Polizeigewalt, Tränengas oder Fremdenhass, zu einem essenziellen Thema für unsere Gegenwart und Zukunft geworden. Wer ist getestet, an wem wird experimentiert, wer wird isoliert und in seiner Mobilität eingeschränkt und wer kann sich wo und wann frei bewegen? Das sind die entscheidenden politischen Fragen unserer kollektiven Neuauf-

In den ersten Monaten des Jahres 2020 wurde die europäische Raum-Zeit-Ordnung vorübergehend auf den Kopf gestellt: Einige schlummernde Grenzkonflikte taten plötzlich wieder zutage, wenn auch nur kurz (etwa im Elsass an der deutsch-französischen Grenze), europäische Länder entdeckten neue geopolitische Allianzen wieder (etwa der außergewöhnliche Moment, als man in Italien die chinesische Solidarität lobte und die fehlende europäische Solidarität verurteilte), der zeitliche Horizont der europäischen Teleologie verschwand zum Teil, denn niemand weiß, was „danach“ kommt. Ein derartiger Bruch 61


kann vereinzelt positive Auswirkungen haben, wie zum Beispiel das Aufnehmen von Beitrittsverhandlungen für Nordmazedonien und Albanien, was angesichts des Ausmaßes der Coronakrise für die Zukunft von Europa kaum von entscheidender politischer Bedeutung erscheint. Nachdem die ersten Phasen der Pandemie überstanden waren, versuchten die europäischen Behörden, den Entwicklungen einen Schritt voraus zu sein und gleichzeitig eine gewisse „Normalität“ wiederherzustellen. Sie nutzten die jähe Erfahrung einiger Länder, denen plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen wurde, um eine Art Sprung nach vorne vorzuschlagen: das von der Kommission angekündigte europäische Aufbaupaket „Next Generation“. Im Angesicht der Gefahr unterstreicht das europäische Projekt sein teleologisches Versprechen, es bleibt jedoch abzuwarten, wie hoch der Preis für das Vergessen dieses Mal ist. Das Verdrängte oder Vergessene verschwindet nicht und es ist nicht nur Teil der Geschichte, um daraus zu lernen, sondern betrifft auch die bestehenden Beziehungen zwischen Individuen, Ländern und Kontinenten, jede Beziehung mit ihrer unausweichlichen Forderung nach Gerechtigkeit. Die Feststellung, dass die europäische RaumZeit-Ordnung wiederhergestellt oder rückgängig gemacht wurde, wäre zu einfach: Es gibt keine einfache Rückkehr zu einem Status quo ante oder

eine neue alte Nationalisierung, genauso wenig, wie es einen Weg zu einer höheren europäischen Ebene gibt. Die Politik der Vergangenheit und Ideologien wie der Nationalismus sind gezwungen, sich als teleologische Interpretationen des neuen Territoriums der Gegenwart neu anzupassen und neu zu positionieren, und weil sie darin geschickter sind als sozialistische und internationalistische Konzepte, irritieren sie dadurch optimistische Prognosen. Was bleibt, ist eine bunte und subtile Landschaft politischer Auseinandersetzungen um verschiedene Aspekte der europäischen Territorialität, und diese Auseinandersetzungen finden sowohl im formalen Bereich der Politik als auch auf unzähligen „informellen“ Wegen statt und betreffen etwa auch die Frage, ob Menschen mehr oder weniger mobil sind. Um eine Steuerung und Erneuerung der Politik zu bewirken, ist eine umfassende soziale Konzeption der Morphologie Europas notwendig; ohne sie bleibt die europäische Politik nur ein Nebenschauplatz für die grundlegenden Dinge des Lebens: leben, atmen, sich bewegen und sterben zu können, abhängig von den jeweilig vorherrschenden Bedingungen. Die Geschichte lehrt uns, auf welch gefährliche Art und Weise diese spezielle Thematik von faschistischen Agitatoren mit tödlichem Ausgang eingesetzt werden kann, und so gilt es, eine vielschichtige und lebendige Territorialpolitik zu entwickeln, die sich zugleich auf Gerechtigkeit und Diversität stützt.

Europe’s Futures ist eine Kooperation der ERSTE Stiftung mit dem Institut für die Wissenschaften vom Menschen zur Entwicklung neuer Perspektiven für ein wiedererstarktes, vereintes und demokratisches Europa. Liberal-demokratische Stimmen aus Mittel-, Ost- und Südosteuropa führen eine hochrangige akademische, gesellschaftliche und politische Debatte über die Zukunft der Europäischen Union. Denn Europa erlebt eine der dramatischsten und herausforderndsten Zeiten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Das europäische Projekt steht auf dem Spiel und die liberale Demokratie wird sowohl von innen als auch von außen herausgefordert. Staatliche und nicht staatliche AkteurInnen aller Richtungen sehen den dringenden Bedarf, brennende Probleme anzusprechen und zu stabilisieren, was mittels dieses politischen Friedensprojekts mühsam erreicht wurde. Seit 2018 treffen sich jedes Jahr sechs bis acht führende europäische ExpertInnen am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien. Das Stipendienprogramm Europe’s Futures – Ideas for Action stellt eine einzigartige Plattform für Ideen zur Verfügung. Hier werden grundlegende Maßnahmen erörtert, mit deren Hilfe man die gegenwärtige Situation und die Zukunft Europas stärken und weiterentwickeln kann. Europe’s Futures liefert tiefgreifende Untersuchungen und konkrete politische Vorschläge. Das Programm lebt vom Austausch mit staatlichen und zivilgesellschaftlichen AkteurInnen und vom öffentlichen Diskurs. Es wird geleitet von Ivan Vejvoda.

europesfutures.eu

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StipendiatInnen 2019/2020

Isabelle Ioannides ist Senior Associate Researcher am Institut für Europastudien und Wissenschaftlerin am Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Brüssel. Derzeit arbeitet sie als Politikanalystin im Europäischen Parlamentarischen Forschungsdienst des Europäischen Parlaments, wo sie sich mit der Entwicklung und Forschung von Strategien zur Unterstützung der Gesetzgebungsaufsicht befasst, die parlamentarische Ausschüsse und Unterausschüsse für EU-Außenmaßnahmen durchführen. Ihre Veröffentlichungen untersuchen die Friedens- und Staatsbildung der EU in Übergangsgesellschaften einschließlich der Steuerung des Sicherheitssektors und das Krisenmanagement der EU, wobei sie sich auf die Leistung der EU auf dem westlichen Balkan sowie im Nahen Osten und in Nordafrika konzentriert.

Nicole Koenig ist stellvertretende Direktorin des Jacques Delors Instituts Berlin. Sie leitet die Forschung des Instituts zur EU-Außen- und Sicherheitspolitik, Institutionen und Demokratie sowie Migration. Zuvor arbeitete sie für verschiedene europäische Thinktanks und Universitäten, darunter die Trans European Policy Studies Association in Brüssel, das Istituto Affari Internazionali in Rom, das Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam und das King’s College in London.

Leszek Jazdzewski ist ein polnischer Kolumnist und Aktivist. 2008 gründete er LIBERTÉ! – die Zeitschrift, das Webportal und die Stiftung, in der er noch immer als Chefredakteur arbeitet. Als liberaler Gegner nationalistischer und konservativer Tendenzen startete er die Kampagne Świecka Szkoła (Säkulare Schule) mit. Er ist der Gründer des Projekts Igrzyska Wolnosci (Freiheitsspiele) und ein Ratsmitglied des Europäischen Forums für neue Ideen, ein Marshall Memorial Fellow und einer von 25 jungen Führungskräften für die nächsten 25 Jahre, die von der Stiftung Teraz Polska (Polen jetzt) ernannt wurden. 63


Péter Krekó ist Direktor des Political Capital Institute in Budapest, non-resident Stipendiat am Bologna Institut für Politikforschung der Johns Hopkins School of Advanced International Studies und Dozent am Institut für Sozialpsychologie der Eotvos Lorand Universität der Wissenschaften in Budapest. Zu seinen Interessen gehören Verschwörungstheorien und Fake News, der institutionelle Einfluss des Kremls in Europa sowie politischer Populismus und Tribalismus in Europa. Er ist Teammitglied des Projekts Closing Space in Civil Society, das vom in Washington ansässigen Thinktank Center für strategische und internationale Studien (CSIS) geleitet wird. Grigorij Mesežnikov ist Politikwissenschaftler und Präsident des Institute for Public Affairs. Der Experte hat Studien zur Entwicklung von Parteiensystemen und zu politischen Aspekten der Transformation in postkommunistischen Gesellschaften, zu illiberalen und autoritären Tendenzen, zu Populismus, Radikalismus und Nationalismus in verschiedenen Monografien, Sammlungen und Fachzeitschriften in der Slowakei und anderen Ländern veröffentlicht. Er liefert regelmäßig Analysen der politischen Szene der Slowakei an in- und ausländische Medien.

Bernd Marin ist Direktor des Europäischen Büros für Politikberatung und Sozialforschung in Wien. Zwischen 1981 und 2019 war er Gastprofessor und hielt Vorträge an vielen der renommiertesten Universitäten und Forschungszentren weltweit. Er war politischer Berater verschiedener Regierungen, NGOs und zwischenstaatlicher Organisationen. Seine letzten Bücher untersuchten die Zukunft der Wohlfahrt in einem globalen Europa und Wohlfahrt in Ruhestandsgesellschaften.

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Niccolò Milanese ist Direktor von European Alternatives, ein in Paris lebender Poet und Philosoph, der als Sohn italienischer und britischer Eltern in London geboren wurde. Neben European Alternatives war er an der Gründung zahlreicher politischer und kultureller Organisationen, Magazine und Initiativen auf verschiedenen Seiten des Mittelmeers beteiligt, einschließlich von Civil Society Europe, wo er derzeit den Vorsitz der Arbeitsgruppe für zivilgesellschaftlichen Raum und Grundrechte innehat. Er berät regelmäßig Kultur-, Bildungs- und Politikinstitute sowie Aktivistengruppen in den Bereichen kulturelle Vermittlung und künstlerische Innovation, Staatsbürgerschaft und politische Theorie über Grenzen hinweg, Generationentrends und Organisationsdesign.

Alida Vračić ist Politikwissenschaftlerin und Mitbegründerin und Geschäftsführerin von Populari, einer Denkfabrik auf dem westlichen Balkan, die sich auf Demokratisierungsprozesse, gute Regierungsführung und Migration nach Konflikten spezialisiert hat. Sie präsentiert ihre Arbeiten regelmäßig in allen großen europäischen Hauptstädten und wurde als regionale Expertin in zahlreichen südosteuropäischen und westlichen Medien zitiert – u.a. in der New York Times, im Economist, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Neuen Zürcher Zeitung, dem Standard, Reuters und der Deutschen Welle sowie nordamerikanischen Nachrichtenagenturen.

Ivan Vejvoda ist der Leiter von Europe’s Futures am Institut fur die Wissenschaften vom Menschen. Bevor er 2017 als Permanent Fellow zum IWM kam, war er Senior Vice President for Programmes beim German Marshall Fund of the United States (GMF). Von 2003 bis 2010 war er Geschäftsführer des Balkan Trust for Democracy des GMF. Bis 2003 diente er in der serbischen Regierung in hervorgehobener Position den Premierministern Zoran Đinđić und Zoran Živković als leitender Berater für Außenpolitik und europäische Integration. Zuvor war er Geschäftsführer des in Belgrad ansässigen Fund for an Open Society und hatte verschiedene akademische Positionen in den USA und in Großbritannien inne. Ivan Vejvoda war in den 1990erJahren eine Schlüsselfigur der demokratischen Oppositionsbewegung in Jugoslawien und hat zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themen demokratischer Übergang, Totalitarismus und Wiederaufbau nach dem Krieg auf dem Balkan veröffentlicht.

Alle Porträtfotos: IWM

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Pressefreiheit. Wenig Gutes zu berichten

Ein Auszug aus dem Trendbericht zur Medienfreiheit für Reporting ­Democracy Überall in Mittel- und Südosteuropa haben Regierungen während der Pandemie verstärkt Einfluss auf unabhängige Medien ausgeübt, um mit unterschiedlichsten Mitteln die Berichterstattung zu kontrollieren. Dem halten flinke, technisch versierte und oft über Crowdfunding finanzierte Medien-Startups entgegen. Die Plattform Mapping Media Freedom des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) erfasst Einschränkungen, Bedrohungen und Verstöße, denen Medienschaffende in 43 Ländern ausgesetzt sind. Der jüngste Monitoring-Bericht, der sich auf den Zeitraum zwischen Juli und Oktober 2020 bezieht, verzeichnete europaweit 111 Warnungen, davon allein 53 in der Region Mittel- und Südosteuropa. Die meisten Warnungen bezogen sich auf psychische oder körperliche Bedrohungen; weniger häufig, aber dennoch weit verbreitet, waren Klageandrohungen und Zensur. Die Politisierung der öffentlichen und unabhängigen Medien in Mittel- und Südosteuropa ist ein langfristiger Trend, der sich in den vergangenen Jahren verstärkt hat. Laut Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen verzeichnet Ungarn seit 2018 einen dramatischen Rückgang um 16 Plätze. Serbien fiel um 17 Plätze und die Tschechische Republik um sechs Plätze zurück. Bulgarien belegt Rang 111 – das mit Abstand schlechteste Ergebnis innerhalb der EU und das zweitschlechteste in Europa nach Belarus.

„Eine gesunde Demokratie braucht eine gewisse Öffentlichkeit, in der die BürgerInnen und ihre VertreterInnen auf der Grundlage gemeinsamer Fakten einen intensiven Diskurs führen. Diese Öffentlichkeit wiederherzustellen, ist nun zentrale Aufgabe für die Erneuerung der liberalen Demokratie.“

Die Pandemie bot den nationalistisch-populistischen Regierungen in der Region Gelegenheit, mehr Kontrolle über die Medien auszuüben. In Ungarn, dem wohl die eklatantesten Verletzungen der Medienfreiheit in der EU vorgeworfen werden, besteht der Modus Operandi darin, die Medienmacht in den Händen von Regierungsgetreuen zu konzentrieren. Timothy Garton Ash, Historiker, „Die Medienvielfalt ist in Ungarn stark gefährdet. The Guardian, 8. Februar 2021 Unabhängige Medien werden systematisch behindert und eingeschüchtert“, schrieb die Europäische Kommission in ihrem ersten Bericht zur Rechtsstaatlichkeit, der im Oktober 2020 veröffentlicht wurde. Oligarchen und Politik tun sich oft zusammen, um die Berichterstattung und kritische Stimmen zu kontrollieren. Dies gilt insbesondere für mächtige Regierungsparteien, die versuchen, ihre starke politische Position für eine gewogenere Berichterstattung und Medienkontrolle zu nutzen. Politiker und Oligarchen machen sich zunehmend sogenannte SLAPP-Klagen zunutze, um kritische Berichterstattung juristisch anzufechten, was zu kostspieligen und langwierigen Gerichtsverhandlungen führt. Dies fördert letztlich die Selbstzensur von JournalistInnen, die nicht in Schwierigkeiten geraten wollen. Die Übernahme unabhängiger Medien durch regierungstreue Kräfte und staatliche Unternehmen wird ebenso eine abschreckende Wirkung auf eine kritische Berichterstattung haben. Die Forderungen unabhängiger Medienbeobachtungsstellen nach einem Einschreiten der EU und internationaler Organisationen/Regierungen werden immer lauter. Jüngstes Beispiel ist eine Gruppe von 66


Grafik: Reporting Democracy

17 Organisationen, die im Vorfeld einer Debatte über die Medienfreiheit in Polen, Ungarn und Slowenien im Europäischen Parlament am 10. März 2021 in einem offenen Brief an die Europaabgeordneten appellierte, die Europäische Kommission möge handeln. Der erste Bericht der Europäischen Kommission zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Union im Jahr 2020 zeigte große Defizite auf, insbesondere in Polen und Ungarn, aber auch in anderen Ländern der Region. Der für Juli erwartete Bericht für das Jahr 2021 wird einen besseren Einblick in die Entwicklung der Medienfreiheit während der Pandemie liefern. Trotz der relativ schleppenden EU-Prozesse sind Maßnahmen zum Schutz der Medienfreiheit auf den Weg gebracht worden. Es ist jedoch unklar, welche Wirkung sie zeigen werden und ob sie jene Staaten, die die Presse- und Medienfreiheit verletzen, davon abhalten können, ihre Bemühungen zur Zerschlagung unabhängiger Medien fortzusetzen. Während das Internet negative Medieneinflüsse wie Desinformation und Fake News gefördert hat, hat es auch das Aufkommen neuer flinker, technisch versierter und häufig über Crowdfunding finanzierter Recherchemedien ermöglicht, die zunehmend zu den wichtigsten Stimmen zählen, um Regierungen in der Region zur Rechenschaft zu ziehen. Die EU und NGOs bieten immer mehr digitale Initiativen zur Finanzierung von Medien-Start-ups an. Nach Angaben der Europäischen Kommission vom Februar 2021 gibt es derzeit 18 laufende bzw. in Vorbereitung befindliche Projekte, in die knapp 20 Millionen Euro an EU-Finanzmitteln fließen. Die Finanzierung soll nach Wünschen der Kommission erhöht und eine langfristige Unterstützung für diese Art von Projekten im Rahmen des nächsten Mehrjährigen Finanzrahmens sichergestellt werden. Dieser könnte über das Programm „Kreatives Europa“ zum ersten Mal einen eigenen Finanzrahmen für Medienvielfalt, Journalismus und Medienkompetenz in Höhe von mindestens 61 Millionen Euro beinhalten. Dieser Beitrag ist Teil des jüngsten Trendberichts zur Medienfreiheit in Mittel- und Osteuropa von Pavel Hanosek für Reporting Democracy. Den vollständigen Trendreport 2021 finden Sie hier (in englischer Sprache):

balkaninsight.com/2021/04/14/media-freedom-few-good-stories-to-tell/

Die ERSTE Stiftung und das Balkan Investigative Reporting Network (BIRN) haben 2019 eine grenzüberschreitende journalistische Plattform gegründet: Reporting Democracy. Unabhängige JournalistInnen recherchieren und hinterfragen die Themen, Trends und Ereignisse, die die Zukunft der Demokratie in Mittel-, Ost- und Südosteuropa prägen. Reporting Democracy veröffentlicht Berichte, Interviews und Analysen von KorrespondentInnen aus 14 Ländern. JournalistInnen vor Ort erhalten Aufträge und finanzielle Unterstützung für ausführliche Berichte und Recherchen. Jedes Frühjahr identifizieren JournalistInnen und ExpertInnen die großen Trends mit vermutlich nachhaltigen Auswirkungen, indem sie die jüngsten Entwicklungen in der Region analysieren. reportingdemocracy.org

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Gerald Knaus während einer Buchpräsentation am 19. Oktober 2020 in der ERSTE Stiftung. Foto: Marcel Billaudet

Süddeutsche Zeitung

„Ob dieses Buch etwas bewirkt? Es ist viel gewonnen, wenn es alle lesen, die in der Migrationsdebatte mitreden und -denken möchten.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung

„Wer dieses Buch liest, wundert sich nicht mehr, dass Ministerpräsidenten wie Winfried Kretschmann oder Armin Laschet, CDU-Chefin Annegret KrampKarrenbauer und auch die Führung des Bamf [Bundesamt für Migration und Flüchtlinge] die Beratung von Knaus suchen.“

grenzen.eu

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Gerald Knaus: Menschlichkeit und Kontrolle sind kein Widerspruch Der österreichische Migrationsexperte stellte am 19. Oktober 2020 vor Wiener MedienvertreterInnen sein neues Buch Welche ­Grenzen brauchen wir? zu Flucht und Migration vor. 2019 kamen insgesamt etwa 100.000 Menschen irregulär über das Mittelmeer in die Europäische Union. Das sind im Durchschnitt 280 Menschen am Tag. Sind das zu viele? Werden es bald sehr viel mehr sein? Soll man sie stoppen und welche Maßnahmen sind dabei e ­ rlaubt? Wer hat das Recht oder die Pflicht, dies zu entscheiden? Diese grundsätzlichen und doch schon so lange von der Politik unbeantwortet gelassenen Fragen – und noch einige mehr – stellt Gerald Knaus an den Anfang seines im Oktober 2020 bei Piper erschienenen Buchs Welche Grenzen brauchen wir? Zwischen Empathie und Angst – Flucht, Migration und die Zukunft von Asyl. Knaus tritt seit vielen Jahren als Experte zu den Themen Migration und Asyl in den Medien auf. Bei Regierungen und internationalen Institutionen findet er ebenso Gehör und wird vor allem dafür geschätzt, dass er große Sachkenntnis mit einem Verständnis für die Standpunkte auf beiden Seiten einer inzwischen ziemlich verfahrenen Diskussion verbindet. Denn unübersehbar scheinen Mitleid, Empathie und Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtenden in Not im Widerstreit mit dem Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle über das eigene Leben zu stehen – nicht nur innerhalb der europäischen Gesellschaften, sondern oft auch in den Herzen ihrer BürgerInnen. Gerald Knaus ist davon überzeugt, „dass es möglich sein muss, an Europas Grenzen Kontrolle mit Respekt für Menschenwürde zu verbinden“. Das Ziel sei nicht nur: Null Tote im Mittelmeer. „Erfolgreiche Politik muss immer auch Lösungen präsentieren, die Mehrheiten überzeugen“, so Knaus bei der Buchpräsentation am 19. Oktober 2020 vor ausgewählten MedienvertreterInnen in der ERSTE Stiftung in Wien. Welche Grenzen brauchen wir? fasst nicht nur alle Argumente der aktuellen Debatte zusammen und hinterfragt bekannte Glaubenssätze wie etwa den „Pullfaktor“ der Seenotrettung, die Ungerechtigkeit des Dublin-Systems oder den Zusammenhang von Demografie und Klima mit Migration. Knaus erinnert in Kapiteln über die vietnamesischen Boatpeople der 1970er-Jahre oder die kubanischen Balseros der 1990er-Jahre daran, dass weder Flucht noch Abgrenzung, weder kluges noch brachiales Grenzmanagement oder die Debatte um die Universalität des Rechts auf Asyl neu sind. Die Beispiele, von denen man lernen kann, findet er unter anderem in Kanada, Australien, Westafrika, Südostasien, der Ukraine, der Türkei, Libyen und Marokko. Die Frage, warum wir uns für menschliche Grenzen der Europäischen Union einsetzen sollten, wird klar beantwortet. Das Recht auf Asyl und menschenwürdige Formen von Migration seien jeweils ein Pars pro Toto. Knaus weist darauf hin, dass die Menschenrechte als solche keineswegs in Stein gemeißelt seien. „Alle Werte sind vergänglich, wenn sie nicht verteidigt werden.“ Unsere Gesellschaften müssten sich angesichts der Situation im Mittelmeer heute fragen: „Wer sind wir? Wer wollen wir sein?“ Gerald Knaus, der heute in Berlin lebt, ist Gründungsdirektor der Denkfabrik European Stability Initiative (ESI). Er studierte Philosophie, Politik und Wirtschaft in Oxford, Brüssel und Bologna, ist Gründungsmitglied des European Council on Foreign Relations und war für fünf Jahre Associate Fellow am Carr Center for Human Rights Policy der Harvard University Kennedy School of Governance in den USA. 2018/2019 war Gerald Knaus Fellow von Europe’s Futures – Ideas for Action, einem Projekt der ERSTE Stiftung mit dem Institut für die Wissenschaften vom Menschen (siehe S. 62). Die ERSTE Stiftung ist außerdem seit vielen Jahren ein Partner der Europäischen Stabilitätsinitiative.

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Wir glauben, dass Kultur ein zentraler Bestandteil unserer Identität ist. Jede Gesellschaft braucht Kultur: als Labor, in dem die Vergangenheit reflektiert, die Gegenwart kritisiert und die Zukunft imaginiert wird. Kultur stärkt komplexe Identitäten in den Gesellschaften Osteuropas. Wir möchten daher, dass wichtige künstlerische Praktiken der jüngeren osteuropäischen Geschichte erforscht werden. Das kulturelle Erbe der Dissidentengeschichte muss gesichert und einem internationalen Publikum zugänglich gemacht werden. KünstlerInnen brauchen (Frei-)Räume für ihre Produktion, TheoretikerInnen internationale Anerkennung für ihre Arbeit; und beides, Werk und Interpretation, sollte zugänglich sein.

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Freiräume für zeitgenössische Kultur


Edi Hila: A Tent on the Roof of a Car

Wir leben in einer Zeit der Migration vom Süden in den Norden. Die Abwanderung ist ein Indikator für die großen Widersprüche und Unterschiede, die zwischen diesen beiden Welten bestehen. Die Serie „A Tent on the Roof of a Car“ ist eine Reflexion über das Zelt als älteste Behausung der Welt, als Inbegriff einer beweglichen Architektur. Ähnlich einem Auto ist auch das Zelt ein Objekt in Bewegung. Um dieser funktionalen Ähnlichkeit willen bleibt die Metapher des Zeltes auf dem Auto organisch mit der Idee der Wanderungsbewegung verbunden. Während das Zelt als eine Form des „poetischen“ Denkens bis in die Antike zurückreicht, kann die neue Ästhetik nichts anderes sein als die des Autos. Im Streben nach höchster Perfektion stellte Le Corbusier den Parthenon einem Sportwagen von 1921 gegenüber. In der neuen migratorischen Realität hingegen wird das Zelt zum Ausdruck einer neuen Lebensweise, als temporäre, nicht nachhaltige Lösung, die immer in Bewegung ist. EDI HILA aus: Edi Hila, hrsg. von Joanna Mytkowska, Kathrin Rhomberg, Erzen Shkololli, Berlin: Sternberg Press, 2020

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A Tent on the Roof of a Car, 2017 aus der Serie „A Tent on the Roof of a Car“, Öl auf Leinwand, 125 × 220 cm

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Icy Tent, 2017 aus der Serie „A Tent on the Roof of a Car“, Öl auf Leinwand, 110 × 210 cm

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Awakening, 2017 aus der Serie „A Tent on the Roof of a Car“, Öl auf Leinwand, 114,5 × 208 cm

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Open Door, 2017 aus der Serie „A Tent on the Roof of a Car“, Öl auf Leinwand, 148 × 200 cm

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Witness, 2016–2017 aus der Serie „A Tent on the Roof of a Car“, Öl auf Leinwand, 147 × 196 cm

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Newcomers, 2017 aus der Serie „A Tent on the Roof of a Car“, Öl auf Leinwand, 135 × 238 cm

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Discovery, 2017 aus der Serie „A Tent on the Roof of a Car“, Öl auf Leinwand, 139 × 212 cm

Edi Hila ist einer der wichtigsten osteuropäischen Künstler seiner Generation. Geboren 1944 in Shkodra, lebt und arbeitet er heute in Tirana. 1972 wurde Hila für sein Werk Planting of Trees mit einem Berufsverbot belegt und zur Arbeit auf einer Geflügelfarm verpflichtet. Heimlich dokumentierte er dort seine Beobachtungen anhand von Zeichnungen. Ab den 1990er-Jahren widmete sich Hila wieder vermehrt der Malerei, die stark von seinen Aufenthalten in Florenz und seiner Auseinandersetzung mit der Kunst der italienischen Renaissance beeinflusst wurde. Er arbeitet vorwiegend in Form von Serien, deren Themen er sorgfältig auswählt und die oftmals die gesellschaftspolitischen Transformationen in Albanien nach dem Sturz des Regimes von Enver Hoxha darstellen. Die Serie „A Tent on the Roof of a Car“ aus der Kontakt Sammlung war Teil der monografischen Ausstellung von Edi Hila, die vom 2. März bis 6. Mai 2018 im Museum Moderner Kunst in Warschau und vom 24. Mai bis 29. Juli 2018 in der Nationalgalerie der Künste in ­Tirana gezeigt wurde, sowie der Edi Hila-Ausstellung Der Klang der Tuba vom 18. September 2020 bis 7. Februar 2021 in der W ­ iener ­Secession.

kontakt-collection.org

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Zdenka Badovinac bei der Verleihung des Igor Zabel Award for Culture and Theory 2020, Foto: Nada Žgank


Der Igor Zabel Award for Culture and Theory 2020 ging nach Ljubljana! Zdenka Badovinac, einst Kollegin von Igor Zabel, ­wurde unter anderem für ihre herausragende Leistung als langjährige Leiterin der Moderna galerija geehrt.

Der Igor Zabel Award for Culture and Theory 2020 ging am 4. Dezember 2020 an Zdenka Badovinac, Kuratorin, Kunsthistorikerin, Autorin und langjährige Direktorin der Moderna galerija in Ljubljana. Die Jury verlieh den Preis an Zdenka Badovinac „für die herausragende Leitung einer Institution als Direktorin der Moderna galerija/Museum für moderne Kunst und des Museums für zeitgenössische Kunst Metelkova (+ MSUM) in Ljubljana sowie für ihre radikale kuratorische Arbeit und bedeutende Beiträge als Autorin und Herausgeberin zur zeitgenössischen Kunst in Osteuropa und zur globalen Kunstgeschichte. Zdenka Badovinac zählt zu den wichtigsten slowenischen und international vernetzten Fachleuten auf dem Gebiet der kulturellen Produktion.“ Diese Auszeichnung wird seit 2008 alle zwei Jahre verliehen und gilt als einer der höchstdotierten und renommiertesten Kulturpreise der Region. Ausgezeichnet wird die herausragende Arbeit von KuratorInnen, KunsthistorikerInnen oder -theoretikerInnen, SchriftstellerInnen oder KritikerInnen, die sich mit zeitgenössischer Kultur und Kunst in Zentral-, Ost- und Südosteuropa beschäftigen. Der Preis ist auf Initiative der ERSTE Stiftung entstanden und wird von der Igor Zabel Association for Culture and Theory (Ljubljana) verliehen. Er ist nach dem renommierten slowenischen Kurator und Kunsthistoriker Igor Zabel (1958–2005) benannt. Für den Preis kann man sich nicht bewerben. Der Preisträger oder die Preisträgerin wird von einer internationalen Jury ausgewählt, basierend auf Vorschlägen von zehn NominatorInnen. Der Gewinner/Die Gewinnerin erhält 40.000 Euro. Zusätzlich werden drei Stipendien zu jeweils 12.000 Euro vergeben. Mit einem Gesamtpreisgeld von 76.000 Euro ist der Igor Zabel Award eine der bestdotierten Auszeichnungen für kulturelle Aktivitäten in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Zwei Stipendien werden von der Jury und eines vom Preisträger/von der Preisträgerin vergeben. Am 27. November 2020 war der Auftakt für das Begleitprogramm der Preisverleihung mit einer Diskussion zur Europäischen Biennale für zeitgenössische Kunst – Manifesta 3, die vor zwanzig Jahren mit Igor Zabel als künstlerischem Koordinator in Ljubljana stattfand. Die Kuratorinnen Šejla Kamerić, Renata Salecl und Kathrin Rhomberg befassten sich noch einmal mit dem damaligen Leitgedanken „Borderline Syndrome and Energies of Defence“. Am 3. und 4. Dezember 2020 wurde in Zusammenarbeit mit der Moderna galerija Ljubljana die international besetzte Konferenz „The Entire World as Our World“ abgehalten. Es nahmen T. J. Demos, Boris Groys, Ade Darmawan/ruangrupa, Apolonija Šušteršič, Alberto Toscano und Alenka Zupančič teil. Am Abend des 4. Dezember fand schließlich – erstmals online – die Verleihung des Igor Zabel Award for Culture and Theory 2020 statt. Die Jury bestand aus Šejla Kamerič (Künstlerin, Sarajewo), Antony Gardner (Kunsthistoriker, Oxford) und Franciska Zólyom (Kuratorin und Direktorin der GfZK – Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig). 81


Moderatorin Ksenija Horvat, Zdenka Badovinac und Urška Jurman von der Igor Zabel Association for Culture and Theory bei der Preisverleihung, Foto: Nada Žgank

NominatorInnen 2020 waren: Pawel Althamer (Künstler, Warschau), Nataša Petrešin-Bachelez (Kuratorin, Autorin, Herausgeberin, Paris/Ljubljana), Vjera Borozan (Kunsthistorikerin, Kuratorin, Prag), Mira Gakjina (Kuratorin, Direktorin des Museum of Contemporary Art, Skopje), Herwig Höller (Kunstautor, Moskau/Graz), Eva Khachatryan (Kuratorin, Eriwan), József Mélyi (Kunsthistoriker, Kritiker, Budapest), Deimantas Narkevičius (Künstler, Vilnius), Sven Spieker (Herausgeber, ARTMargins) und Raluca Voinea (Kuratorin, Bukarest).

StipendiatInnen 2020 Die Jury vergab neben dem Hauptpreis zwei Stipendien; ein drittes Stipendium wird von der Preisträgerin vergeben. Die 2020 von der Jury ausgewählten StipendiatInnen des Igor Zabel Award waren: Slavcho Dimitrov (Skopje), Aktivist, Kulturtheoretiker und Kurator Ein Igor Zabel Stipendium 2020 wurde an Slavcho Dimitrov verliehen, der einen außergewöhnlichen Beitrag zur LGBTQIA+-Bewegung leistet. Angesichts der zunehmenden Unterdrückung und Gewalt an marginalisierten Gemeinschaften zeigt Slavcho Dimitrovs Arbeit zu Kunst und Aktivismus, wie die Gesellschaft produktiv und effektiv auf die Situation reagieren kann. Foto: Slavcho Dimitrov

Foto: Katalin Erdődi

Katalin Erdődi (Wien/Budapest), Kuratorin, Dramaturgin und Kulturarbeiterin Das zweite Igor Zabel Stipendium 2020 wurde an Katalin Erdődi für ihre lokal eingebettete und integrative kuratorische Praxis verliehen, die sich durch ihren Umfang sowie durch kritisch-reflexive Eigenschaften auszeichnet. Erdödis Arbeit basiert auf einer Vielzahl von künstlerischen und aktivistischen Methoden und zielt darauf ab, die soziale Teilhabe aller und die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu verbessern, Demokratisierungsprozesse anzustoßen und das ökologische Bewusstsein zu schärfen.

Die von der Preisträgerin Zdenka Badovinac ausgewählte Stipendiatin war: Ivana Bago (Zagreb), Kuratorin, Kunsthistorikerin und Autorin Ivana Bago wurde für ihre Exzellenz in der kunsthistorischen Forschung und für Ausstellungen jugoslawischer und osteuropäischer Kunst im letzten Jahrzehnt sowie für ihren bemerkenswerten Beitrag zu innovativen Ansätzen beim Schreiben über Kunst und das Kuratieren in dieser Region geehrt. Foto: Ivana Bago

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Bisherige PreisträgerInnen Die erste Auszeichnung wurde 2008 in Ljubljana verliehen, der Stadt, in der Igor Zabel lebte und arbeitete. Sie ging an das kroatische Kuratorinnenkollektiv What, How & for Whom (WHW), das derzeit die künstlerische Leitung der Kunsthalle Wien innehat. Der Kunsthistoriker Piotr Piotrowski (1952–2015) erhielt den Preis 2010, die mazedonische Kunsthistorikerin und Kuratorin Suzana Milevska 2012. 2014 wurde der russischen Kuratorin und Autorin Ekaterina Degot, derzeit Direktorin und Chefkuratorin des steirischen herbst in Graz, die Auszeichnung verliehen. Der russische Kurator und Autor Viktor Misiano war im Jahr 2016 Preisträger. Joanna Mytkowska, die polnische Kunsthistorikerin, Kuratorin und Direktorin des Museums für moderne Kunst in Warschau, erhielt den Igor Zabel Award 2018. Über Igor Zabel Igor Zabel (1958–2005) war während seines gesamten Berufslebens in vielen Bereichen der Theorie und Kultur aktiv – als Kunsthistoriker, Kurator für moderne und zeitgenössische Kunst, als Schriftsteller, Literatur- und Kunstkritiker, Kolumnist und Essayist, Übersetzer und Mentor für nachfolgende Generationen von KuratorInnen und KritikerInnen zeitgenössischer Kunst. Als Kunsthistoriker und Kurator der Moderna galerija in Ljubljana trug Zabel maßgeblich zur Positionierung der historischen Avantgarden und Neo-Avantgarden sowie zu zeitgenössischen künstlerischen Praktiken in Slowenien und der gesamten Region bei. Seine Schriften sind wesentliche Beiträge zu Diskursen über die Geopolitik der Kunst in Osteuropa.

igorzabel.org

Die Verleihung des Igor Zabel Award for Culture and Theory 2020 wurde aufgrund der Pandemie online übertragen. Foto: Nada Žgank

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ERSTE Stiftung Netzwerk


Was war 2020 im Netzwerk der ERSTE Stiftung los?

Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl, Foto: Flickr_Foto: HBF/Trippolt

JÄNNER

FEBRUAR

Maribel Königer und ­Dragana Crvenica erhalten PRO PR­Globe Award 2020 Am 13. Jänner wurden die GewinnerInnen der über Südosteuropa hinausreichenden PRO PR Globe Awards 2020 bekannt gegeben. Zu den insgesamt 27 PreisträgerInnen gehört Maribel Königer, Direktorin Kommunikation, Journalismus und Medien der ERSTE Stiftung. Unter den weiteren Ausgezeichneten finden sich Kommunikations- und PR-Verantwortliche der Europäischen Kommission, der EU-Delegation in Serbien, der Regierung Montenegros, des Prado-Museums in Madrid, von Microsoft, Al Jazeera Balkans und der Universität Mostar. Ebenfalls ausgezeichnet wurde Dragana Crvenica, die Leiterin der Kommunikationsabteilung der Erste Bank AD Podgorica. Die PRO PR GLOBE AWARDS ehren Personen, die „durch ihre Arbeit zu einer besseren Wahrnehmung und Positionierung der Berufe im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit auf lokaler und globaler Ebene beitragen“. Anders als branchenübliche Preise werden sie nicht für Projekte, sondern an Einzelpersonen vergeben. PreisträgerInnen werden von früher Ausgezeichneten nominiert, die Jury besteht aus renommierten europäischen und regionalen PR-ExpertInnen und es gibt keine Teilnahmegebühren. Die für Ende März vorgesehene Preisverleihung wurde pandemiebedingt auf 2021 verschoben. Wir gratulieren herzlich!

Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl ­­vertreten 2022 Österreich auf der 59. Kunstbiennale von Venedig Am 25. Februar gab die damalige Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek bekannt, dass Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl 2021 gemeinsam den österreichischen Pavillon auf der 59. Kunstbiennale in Venedig bespielen werden. Wegen der Coronapandemie wurde die Biennale später auf das Jahr 2022 verschoben. Kuratiert wird der Beitrag von mumok-Direktorin Karola Kraus. Die Auswahl fand nach einem neuen Prozedere statt: Eine Fachjury wählte aus insgesamt 60 Einreichungen aus. Die Arbeiten von Ashley Hans Scheirl sind spielerisch, schrill und lustvoll. Sie verknüpfen Ausdrucksformen abstrakter und gegenständlicher Kunst mit queerer Sexualität und Textfragmenten aus Philosophie und Ökonomie. Ihre Werke erweisen sich damit innerhalb der österreichischen Kunst als eine neue und bedeutende Entwicklung am Schnittpunkt von Malerei, Performance und Film. Nach Jahren in New York und London lebt die 1956 in Salzburg geborene Künstlerin in Wien, wo sie die Professur für Kontextuelle Malerei an der Akademie der bildenden Künste innehat. 2012 war Scheirl auf der weltweit wichtigsten Ausstellung zeitgenössischer Kunst, der documenta 14 in Kassel und Athen, vertreten. Ashley Hans Scheirl ist mit einigen Werken in der Kontakt Sammlung der Erste Group und ERSTE Stiftung vertreten. Für den Erste Campus hat Scheirl ihr erstes Kunst-am-Bau-Projekt realisiert. 2019 erhielt sie den Österreichischen Kunstpreis für Bildende Kunst.

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APRIL

Rosa Balfour wird Direktorin von Carnegie Europe

und „Meisterleistung“. Dem Credo von Igrić folgend, trete das BIRN zugleich für Menschenrechte, Demokratie und Gerechtigkeit für die Opfer von Kriegsverbrechen in der Balkanregion ein. „Das ist demokratiepolitischer Journalismus im besten Sinne des Wortes.“ Der seit 2002 jährlich ausgeschriebene Press Freedom Award ist mit 4.000 Euro dotiert und wurde in diesem Jahr pandemiebedingt online verleihen. Laudator war neben RSF Österreich-Präsidentin Rubina Möhring der Außenpolitik-Experte mit Schwerpunkt Süd-Ost-Europa Wolfgang Petritsch. Wir gratulieren Gordana Igrić und dem gesamten Team von BIRN herzlich!

Foto: Rosa Balfour

Im April 2020 übernahm Rosa Balfour, Europe’s Futures Fellow 2018/2019, die Leitung des europäischen Chapters des Carnegie Endowment for International Peace in Brüssel, einer Organisation, die häufig als die weltweit führende Denkfabrik eingestuft wird. Als ERSTE Stiftung- und IWMStipendiatin analysierte Rosa Balfour, wie sich der Abbau von Demokratie auf Europas Stellung in der Welt und auf seine Allianzen auswirkt. Balfours Fachgebiete sind vor allem europäische Politik, Institutionen sowie Außen- und Sicherheitspolitik. Mit ihrer Expertise identifiziert sie jene Herausforderungen für die EU, die sich durch die Pandemie nochmals verstärkten. In dieser wichtigen Position kann sie sich nun auf institutioneller Ebene für eine starke europäische Zukunft einsetzen.

MAI

Gordana Igrić und BIRN erhalten Press Freedom Award – A Signal for Europe Für ihren „couragierten Journalismus“ erhielten ein langjähriger Partner der ERSTE Stiftung, das Balkan Investigative Reporting Network BIRN, und dessen Gründerin Gordana Igrić den Press Freedom Award – A Signal for Europe. Die Auszeichnung wird von Reporter ohne Grenzen Österreich jährlich am 3. Mai, dem Welttag der Pressefreiheit bekannt gegeben. Igrić, die über Kriegsverbrechen während der blutigen Konflikte beim Zerfall Jugoslawiens in den 1990er-Jahren berichtet hatte, gründete das Balkan-Netzwerk für Investigativjournalismus 2004. Es hat seinen Sitz in Sarajewo. Mittlerweile gibt es BIRN-Büros in Albanien, Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo, Nordmazedonien, Rumänien sowie Serbien. Mit der ERSTE Stiftung hat BIRN die Journalismusplattform Reporting Democracy (S. 66) gegründet. Reporter ohne Grenzen Österreich sehen in Igrićs Tätigkeit eine „unglaubliche Pionierarbeit“

DOM.ov gewinnt SozialMarie 2020 Eine international besetzte Expertenjury zeichnete am 1. Mai in einer online übertragenen Preisverleihung das im Rahmen des Social Banking-Programms der Erste Group von der ­ERSTE Stiftung mitunterstützte slowakische Project Home mit dem 15.000 Euro dotierten Hauptpreis der SozialMarie 2020 aus: Die NGO DOM.ov managt ein Selbsthilfeprogramm, das mit dem Bau eines eigenen Hauses die soziale und berufliche Integration von Roma-Familien stärkt; Das Besondere an diesem Projekt ist eine Kooperation der lokalen Gemeinden mit der Erste Group-Tochter Slovenská Sporiteľňa. Wir gratulieren Marián Zeman von DOM.ov und unseren KollegInnen vom Social Banking der Slovenská Sporiteľňa um Rasto Blazej sehr herzlich!

Von links: Marián Zeman, Direktor DOM.ov, Wanda MoserHeidl, Gründerin Unruhe Privatstiftung, Jana Pleuková, Projektmanagerin DOM.ov. Foto: Igor Kocian

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OFF-Biennale Budapest-Team und Farid Rakun von ruangrupa in Budapest, Foto: Barnabás Neogrády-Kiss

JUNI

OFF-Biennale Budapest wird in den lumbung der documenta fifteen berufen Am 19. Juni gab die von der ERSTE Stiftung geförderte OFF-Biennale Budapest bekannt, dass sie zur Teilnahme an der documenta fifteen eingeladen wurde. Die documenta fifteen findet vom 18. Juni bis 25. September 2022 in Kassel statt und wird vom Kollektiv ruangrupa aus Jakarta kuratiert. Ihr Konzept sieht ein internationales Netzwerk aus lokalen, gemeinschaftsorientierten Organisationen aus der Kunst und anderen kulturellen Kontexten vor und lässt sich mit dem indonesischen Wort lumbung umschreiben, dem indonesischen Begriff für die Reisscheune, in der die Ernte einer Gemeinde als gemeinsame Ressource verwahrt wird. Das Konzept beruht auf den Grundsätzen von Kollektivität, Ressourcenaufbau und gerechter Verteilung. Die OFF-Biennale gehört zusammen mit 13 weiteren Organisationen zum Startteam des internationalen lumbung der documenta fifteen.

Ivan Vejvoda seit 4. Juni Vorsitzender des Verwaltungsrats des Instituts für Philosophie ­ und Gesellschaftstheorie in Belgrad Das Institut für Philosophie und Gesellschaftstheorie in Belgrad, Serbiens führendes sozialwissenschaftliches Institut, muss sich seit Anfang 2019 gegen Vereinnahmungsversuche durch die serbische Regierung wehren. Es steht für die Tradition eines freiheitlichen Denkens, das auf die 68er-Bewegung im ehemaligen Jugoslawien zurückgeht. Seine klare Positionierung als internationaler Gesprächspartner ist nationalistischen Kräften und der Regierungspartei um den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić ein Dorn im Auge. Im Sommer 2020 eskalierte die Situation, als der Vorsitzende des Verwaltungsrats des Instituts per De88

kret vom Premierminister ernannt werden sollte. Vorgesehen war ein Kandidat ohne Qualifikation, aber mit Nähe zur Fortschrittspartei. Das Institut drohte zu einer Zweigstelle der Regierungspartei degradiert zu werden. Schließlich unterzeichneten über 400 weltweit führende AkademikerInnen einen Brief zur Unterstützung des Instituts, um die Aufmerksamkeit der Weltmedien zu gewinnen. Zu den UnterzeichnerInnen gehörten unter anderen Jürgen Habermas, Noam Chomsky, Axel Honneth, Judith Butler, Étienne Balibar, Antonio Negri und Yanis Varoufakis. Angesichts des zunehmenden internationalen Protests gab die serbische Regierung schließlich nach. Am 4. Juni 2020 ernannte sie Ivan Vejvoda, den Leiter des Projekts Europe’s Futures (S. 65) am Institut für die Wissenschaften vom Menschen, zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats, den Wunschkandidaten der MitarbeiterInnen des Instituts.

Ivan Vejvoda, Foto: Christian Fischer/IWM


JULI

Felwine Sarr übernimmt Professur an der DukeUniversität Felwine Sarr, Gastredner der ERSTE Foundation Tipping Point Talks 2019, wechselte zum 1. Juli 2020 von der Gaston-Berger-Universität im Senegal ans Trinity College of Arts and Sciences der Duke-Universität in North Carolina/USA. Er übernahm dort die außerordentliche Anne-MarieBryan-Professur für Romanistik.

Übergabe der Urkunde an Ivan Krastev durch die Geschäftsführerin der Allianz Kulturstiftung, Esra Küçük; weiters im Bild: die Laudatorin Shalini Randeria. Foto: David Ausserhofer/Allianz Kulturstiftung

SEPTEMBER

Felwine Sarr bei den ERSTE Foundation Tipping Point Talks, Foto: APA-Fotoservice/Jacqueline Godany

Come Closer – Biennale Matter of Art Prag Die erste Biennale Ve věci umění/Matter of Art fand vom 22. Juli bis 15. November 2020 in Prag statt. Diese neue Biennale für zeitgenössische Kunst wurde von tranzit.cz als große internationale öffentliche Plattform für Avantgardekunst konzipiert und umgesetzt. Auch wenn die Schau von den Einschränkungen durch die Covid19-Pandemie stark betroffen war, fand ein umfangreiches Rahmenprogramm mit zahlreichen Veranstaltungen statt. Über 45 KünstlerInnen waren beteiligt, über 100 Kunstwerke – davon 13 neue Auftragsarbeiten – an fünf Standorten zu sehen: in der Stadtgalerie Prag, auf dem Prager Markt, im Panorama-Hotel Prag, im DBK-Einkaufszentrum und der U-Bahn-Station Nádraží Holešovice. Der Katalog Come Closer: The Biennale Reader erschien bei Sternberg Press.

Ivan Krastev erhielt den Jean-Améry-Preis für europäische Essayistik 2020 Die Allianz Kulturstiftung und der Verlag KlettCotta verliehen den Jean-Améry-Preis für europäische Essayistik 2020 an den bedeutenden Denker und Publizisten Ivan Krastev. Die Jury – unter Vorsitz von Robert Menasse – begründet ihre Entscheidung für die Vergabe des mit 15.000 Euro dotierten Preises wie folgt: „Die Klarheit des Denkens gegen die Verabredungen der Zeit: Das ist es unter anderem, was Ivan Krastev mit Jean Améry gemeinsam hat. Krastev untergräbt in seinen Annäherungen an unsere Gegenwart diskursive Oberflächen, um ganz im Sinne des Jean Améry’schen Aufklärungsbegriffs das Augenmerk darauf zu richten, was verdrängt wird und nicht wiedergutzumachen ist, umso mehr aber bedacht gehört. Er untersucht in seinem Werk akribisch die Frage, was Demokratie und Liberalismus jenseits des Phrasenhaften bedeuten, und macht deutlich, dass ihre Tragfähigkeit nur dann gegeben ist, wenn immer wieder aufs Neue verstanden wird, dass Freiheit immer die Freiheit der Andersdenkenden ist.“ Die weiteren Jurymitglieder waren der Autor und Historiker Philipp Blom, die Schriftstellerin Ulrike Draesner, die Literaturkritikerin Katja Gasser, der Verleger und Lyriker Michael Krüger sowie der Literaturwissenschaftler Thomas Strässle. Die ursprünglich für den Mai geplante Preisverleihung musste pandemiebedingt entfallen, dafür fand am 17. September eine feierliche Preisübergabe an den Erfinder von Europe’s Futures, dessen Beiratsmitglied Ivan Krastev auch ist, in Berlin statt. Dieser Geschäftsbericht verdankt ihm in diesem Jahr außerdem sein Motto. Wir gratulieren Ivan Krastev sehr herzlich!

Atelier of Mothers Artlovers – temporärer Community Space im Rahmen der Biennale auf dem Prager Markt in Holešovice, Foto: Tereza Havlínková

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O K TO B E R

Reagan-Fascell Democracy Fellowship für Péter Krekó Der Direktor des Budapester Thinktanks Political Capital, Péter Krekó, trat im Herbst 2020 eines der weltweit führenden Stipendien für angewandte Politikwissenschaften an, das Reagan-Fascell 2020 Fellowship des US-amerikanischen National Endowment for Democracy. Als Europe’s Futures-Fellow 2019/20 (siehe auch S. 64 und S. 94 – The Call) hatte er ein Konzept der Theorie und Praxis des Tribalismus in der modernen Politik entwickelt. Wie Gerald Knaus wurde auch Péter Krekó 2020 von ungarischen Medien ob seiner kritischen Statements massiv angegriffen und diffamiert. Der Professor für Sozialpsychologie und einer der führenden politischen Analysten des Landes stellte während der Pandemie öffentlich die Politik der ungarischen Regierung und ihre Aussetzung rechtsstaatlicher Regeln infrage. Im Dezember 2020 erreichte die Schmutzkampagne ihren Höhepunkt und führte zu einer Reaktion der internationalen Öffentlichkeit, der Medien und von PolitikerInnen zu seiner Verteidigung. Über hundert renommierte AkademikerInnen aus Europa und den USA bekundeten öffentlich ihre Solidarität.

Péter Krekó, Foto: IWM

Gerald Knaus veröffentlicht Welche Grenzen brauchen wir? Gerald Knaus, Gründer der Europäischen Stabilitätsinitiative, langjähriger Projektpartner der ERSTE Stiftung und Europe’s Futures Fellow ­ 2018/19, hat seine Gedanken zu Migration veröffentlicht: Welche Grenzen brauchen wir? Zwischen Empathie und Angst – Flucht, Migration und die Zukunft von Asyl (München: Piper, 2020). Am 19. Oktober 2020 stellte er das Buch in Wien in der ERSTE Stiftung österreichischen Medien vor (siehe auch S. 68) und überreichte im Anschluss daran in der Hofburg ein Exemplar Bundespräsident A ­ lexander van der Bellen. 90

In Ungarn lancierten regierungsnahe Medien 2020 eine Hetzkampagne gegen Knaus. Er vertrat in einem mit Piotr Buras im Rahmen des Europe’s Futures Fellowship 2018/2019 erarbeiteten Papiers einen Vorschlag, wie Rechtsstaatlichkeit in Ländern der Europäischen Union mithilfe der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bewahrt werden könne (siehe auch S. 97 – The Call).

NOVEMBER

BIELA ​​KOCKA⁴-Preis für KERES KULTURA!/WE CREATE CULTURE! und Golden Times Der BIELA KOCKA⁴-Preis ​​ ist eine Auszeichnung des Rats der Galerien der Slowakei. Am 5. November 2020 wurden die GewinnerInnen zum vierten Mal bekannt gegeben. Ausgezeichnet wurden Aktivitäten von Galerien im Jahr 2019 in fünf Wettbewerbskategorien. In der Kategorie „Kuratorische Projekte“ gewann die von der ERSTE Stiftung geförderte Ausstellung KERES KULTURA!/WE CREATE CULTURE! Zeitgenössische Kunst und Roma-Identität, kuratiert von Petra Hanáková und Emília Rigová von der Zentralslowakischen Galerie. In der Kategorie „Unabhängiges Projekt“ für Galerien und Kulturzentren, die nicht dem Rat der Galerien der Slowakei angehören, gewann die Ausstellung Golden Times in der Jozef Kollár Galerie. Die Kuratorin Lucia Tkáčová (HIT-Galerie in der GaJK) kuratierte dieses Projekt gemeinsam mit Mária Janušová. Janušová war im Jänner und Februar 2020 Teilnehmerin des Artist-inResi­ dence-Programms von tranzit und ERSTE Stiftung im Q21/MuseumsQuartier Wien. Außerdem war Mária Janušová an der von der ERSTE Stiftung geförderten Ausstellung IT’S NOT OVER TILL IT’S OVER (25. 1.– 11. 4. 2021) im Kunstverein Eisenstadt beteiligt, die sie gemeinsam mit Barbara Horvath kuratierte. Wir gratulieren allen Gewinnerinnen herzlich!

Ausstellung KERES KULTURA!/WE CREATE CULTURE! Zeitgenössische Kunst und Roma-Identität, Foto: Martin Deko


DEZEMBER

Staffelübergabe: Andreas Treichl und Franz Fischler, Foto: Europäisches Forum Alpbach/Luiza Puiu

Andreas Treichl wird Präsident des Europäischen Forums Alpbach Am 12. November wurde der Aufsichtsratspräsident der ERSTE Stiftung zum Präsidenten des Europäischen Forums Alpbach gewählt. Die Generalversammlung des Europäischen Forums Alpbach sprach sich für Andreas Treichl und ein aus internationalen Expertinnen bestehendes Vorstandsteam aus. Er folgte damit Franz Fischler als Präsident des Europäischen Forums Alpbach nach. „Im Jahr 2020 müssen wir alle in Sorge um die Zukunft der Europäischen Union sein. Vor 20 Jahren wuchsen die EU und ihre Bedeutung in der Welt. Heute schrumpft sie und genauso nimmt ihr Einfluss ab. Daher müssen wir in unserem eigenen Interesse die Energie und den Mut finden, diesen Prozess umzukehren und Europas Platz in der Welt wieder zu festigen“, sagte der neue EFAPräsident Andreas Treichl.

Peter Vandor, Rosa Bergmann und Ali Mahlodji sind „Nachhaltige GestalterInnen 2020“ Am 24. November wurden die „Nachhaltigen GestalterInnen 2020“ bekannt gegeben. Zu ihnen gehören Peter Vandor vom Social Entrepreneurship Center der WU Wien für die Gründung und Weiterentwicklung des Social Impact Award. Vendor ist außerdem Mitgründer der NGO Academy, beides von der ERSTE Stiftung unterstützte bzw. mitgegründete Projekte. Ebenfalls zu den „Nachhaltigen GestalterInnen 2020“ zählen dürfen sich Rosa Bergmann, die Gründerin von Vienna Hobby Lobby und Gewinnerin des Social Impact Award 2019, sowie Ali Mahlodji, Trendforscher, Jugendbotschafter, Gründer von whatchado und damit Gewinner des Social Impact Award 2011. Die Auszeichnung wurde 2009 vom Lebensart Verlag/ Magazin BUSINESSART ins Leben gerufen, um Menschen vor den Vorhang zu holen, die etwas Außergewöhnliches im Sinne der Nachhaltigkeit geleistet haben. Wir gratulieren allen Ausgezeichneten herzlich!

Die letzte Grenze von Kapka Kassabova gewinnt den Prix Nicolas Bouvier 2020 Kapka Kassabovas Buch Border: A Journey to the Edge of Europe, in der deutschen Übersetzung Die letzte Grenze: Am Rand Europas, in der Mitte der Welt, gewann den renommierten Prix Nicolas Bouvier. Die französische Ausgabe trägt den Titel Lisière, Voyage aux confins de l’Europe. Das Buch erhielt außerdem eine besondere Erwähnung der Jury des Prix du Livre Européen. Kapka Kassabova wurde 1973 in Sofia geboren und lebt heute in den schottischen Highlands. Für Die letzte Grenze (Zsolnay 2018) wurde sie bereits mit dem Nayef Al-Rodhan Prize der British Academy ausgezeichnet. Sie ist derzeit Europe’s Futures Fellow (September 2020 – Juni 2021, zum Projekt siehe S. 62) am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien.

DOM.ov erhält den Roma Spirit Award 2020 in der Slowakei Und noch einmal – nach der SozialMarie im Mai – gewinnt in diesem Jahr die Social-Housing- und Social-Bank-Initiative Project Home einen Preis! In der Slowakei wird dem Projekt am 9. Dezember der Roma Spirit Award zuerkannt. Wir gratulieren Marián Zeman von DOM.ov und unseren KollegInnen vom Social Banking der Slovenská Sporiteľňa um Rasto Blazej noch einmal sehr herzlich!

igorzabel.org

Igor Zabel Award 2020 gewinnt renommierten Designpreis für Visual Identity Die von Anja Delbello und Aljaž Vesel / AA entworfene Visual Identity des Igor Zabel Award for Culture and Theory 2020 wurde beim TDC67 Communication Design-Wettbewerb mit dem Zertifikat für typografische Exzellenz ausgezeichnet – Glückwunsch an das Team! Die Visual Identity baut die Störung ein, für die 2020 steht, und bespielt die erneuerte Webumgebung des Igor Zabel Award mit Animationen. Wenn man die Typografie als Bild einsetzt, wird sie verzerrt und verpixelt und auf der Website sogar interaktiv: Auf igorzabel.org kann man das Muster der Verzerrung mit dem Cursor verändern. 91


Illustrationen: Norma Nardi


Die Covid-19-Pandemie hat unser Leben grundlegend verändert, Gesellschaftsverträge und internationale Beziehungen auf die Probe gestellt und die Wirtschaft erschüttert. Regierungen, ob demokratisch oder autoritär, wirken hilflos. Auf nationaler Ebene erleben wir die Rückkehr des starken Staates, der wiederum die Europäische Union vor neue Herausforderungen stellt. Gleichzeitig stößt die Coronakrise Diskussionen an und bietet die Chance für neue Denkweisen und Ansätze. Wie grundlegend und nachhaltig sind diese Entwicklungen? Wird die Gesellschaft nach Corona eine andere sein? Die Videoreihe The Call ist ein Versuch, die politischen, kulturellen und sozialen Auswirkungen der Pandemie im Gespräch mit DenkerInnen und MacherInnen der ERSTE Stiftung Community besser zu verstehen und einen Blick in Richtung Zukunft zu wagen. 93


Ungarns Ausbau der Macht in der Pandemie: Und nun? The Call mit Péter Krekó Am 30. März 2020 wurde Ungarn als erste Demokratie Opfer des Coronavirus. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit verabschiedete das ungarische Parlament ein Notstandsgesetz, das dem Ministerpräsidenten Viktor Orbán auf unbestimmte Zeit außerordentliche Befugnisse einräumte und die politischen Freiheiten im Land stark einschränkte. Zu diesem Zeitpunkt war zu befürchten, dass einige der umstrittenen Vorschriften – etwa in den kritischen Bereichen wie der Medienfreiheit, der Freiheit der Lehre, der Unabhängigkeit der Justiz, der Einwanderungspolitik und der Terrorismusbekämpfung - bestehen bleiben würden. Um mehr darüber zu erfahren, was es mit Ungarns Machtausbau während der Pandemie auf sich habe und welche langfristigen Folgen zu erwarten seien, sprach Jovana Trifunović in The Call mit dem Direktor des Political Capital Institute in Ungarn und Europe’s Futures Fellow Péter Krekó.

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Autoritäre Führer profitieren nicht von der Coronakrise The Call mit Ivan Krastev „Viele Menschen sind fälschlicherweise davon überzeugt, dass autoritäre Führer die Hauptgewinner der Coronakrise sein werden. Das stimmt nicht und das aus einem einfachen Grund: Die wichtigste Freiheit, die jedem autoritären Führer am Herzen liegt, ist die Freiheit, sich selbst die Krise auszusuchen, auf die er reagiert. Denn jeder Diktator träumt davon, Gott zu sein. Und Gott löst niemals Probleme, die er nicht selbst erschaffen hat.“ Boris Marte sprach in The Call mit dem renommierten Politikwissenschaftler und IWM Permanent Fellow Ivan Krastev über seine Rolle als öffentlicher Intellektueller in Krisenzeiten, die Autorität der Wissenschaft, das Aufgeben von Freiheit für Sicherheit und die Gefahr, die darin liegt, kein Risiko einzugehen.

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Die Rache der Wildnis an der Menschheit The Call mit Rosa Balfour „Wir Menschen haben vergessen, dass auch wir Teil der Natur sind. Ironischerweise scheint diese Pandemie eine Art Rache der Wildnis an der Menschheit zu sein.“ Hedvig Morvai sprach in The Call mit Rosa Balfour, der Direktorin von Carnegie Europe, über die Auswirkungen der Pandemie auf die Menschen und die Natur. Wir müssten uns bewusst sein, meint sie, dass uns eventuell schlimme Zeiten bevorstehen, gleichzeitig sei aber eine enorme Kraft entstanden, um die Dinge anders zu machen. Die Europäische Union könne diese Pandemie nutzen, um mit Investitionen die grüne und die digitale Wirtschaft zu fördern und die bestehenden Kooperationsmechanismen zu stärken.

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Geldhahn zu! The Call mit Gerald Knaus „In Polen gibt es eine existenzielle Bedrohung, da die polnische Regierung ein Rechtssystem wie in Venezuela eingeführt hat. Um dagegenzuhalten, haben wir einen Mechanismus, der aber gestärkt werden muss: den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Dort wird es Urteile geben. Das Problem ist aber, dass sich Polen nicht um diese Urteile scheren wird. Das ist jetzt schon der Fall. Und dann wird die EU zerfallen. Was also sollen wir tun? Meine Empfehlung war und ist noch immer: Wenn ein Land die Urteile des Europäischen Gerichtshofs über die Rechtsstaatlichkeit ignoriert, dann wird das ganze Geld gestrichen, bis das Land die Urteile respektiert.“ Boris Marte sprach in The Call mit dem Migrationsexperten und Präsidenten der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI) Gerald Knaus darüber, wie es sich anfühlt, in einem europäischen Land zum Staatsfeind erklärt zu werden, über den Generalmythos Massenmigration, Fehler und Herausforderungen bei der Integration, das in seinem neuen Buch vorgestellte Konzept humaner Grenzen sowie die aktuelle Rechtsstaatlichkeitskrise in der EU.

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Eine Auswahl interessanter Neuzugänge der ERSTE Stiftung Bibliothek im Jahr 2020, zusammengestellt von Bibliotheksleiterin Jutta Braidt

ANNE APPLEBAUM Twilight of Democracy. The Seductive Lure of ­Authoritarianism New York, Doubleday 2020, 206 Seiten In Twilight of Democracy argumentiert Applebaum, dass wir uns nicht über den Aufstieg verschiedener Formen des Autoritarismus wundern sollten: Politische Systeme mit radikal einfachen Überzeugungen scheinen von Natur aus ansprechend, insbesondere wenn die Loyalen von ihnen profitieren, weil sie zugleich alle anderen ausschließen. Menschen verhalten sich nicht nur ideologisch, behauptet sie in diesem fesselnden, ausführlichen Essay, sie sind auch praktisch, pragmatisch und opportunistisch veranlagt. Applebaum zeigt, wie Verschwörungstheorien, politische Polarisierung, soziale Medien und die Sehnsucht nach einer Vergangenheit, in der alles besser schien, instrumentalisiert werden, um Gesellschaften in Großbritannien, den USA, Spanien, Polen und Ungarn zu verändern.

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RUTGER BREGMAN Im Grunde gut. Eine neue Geschichte der Menschheit Aus dem Niederländischen von Ulrich F ­ aure und Gerd Busse, Reinbeck bei Hamburg, ­Rowohlt 2020, 480 Seiten Der Historiker und Journalist Rutger Bregman setzt sich in seinem neuen Buch mit nichts weniger als dem Wesen des Menschen auseinander. Anders als in der westlichen Denktradition angenommen ist der Mensch, so Bregmans Prämisse, nicht böse per se, sondern im Gegenteil von Grund auf gut. Auf dieser Folie scheint es möglich, die Welt und den Menschen in ihr komplett neu und grundoptimistisch zu denken – zumindest legt Bregman dies nahe.


HEINZ WIESBAUER Wilde Bienen: Biologie, L ­ ebensraumdynamik und ­Gefährdung. Artenporträts von über 470 Wildbienen Mitteleuropas 2. Aufl., Stuttgart, Verlag ­Eugen Ulmer 2020, 480 Seiten Als Stiftung mit einer Biene im Logo sind uns auch die lebenden Tiere wichtig. In diesem prachtvollen Buch werden über 470 in Mitteleuropa verbreitete Arten aus allen Gattungen in Bildern und Kurzporträts vorgestellt, mit einem Einblick in die Biologie und Lebensraumansprüche der Wildbienen. Darüber hinaus geht es auch um die dramatischen Lebensraumveränderungen und die daraus resultierende Gefährdung der Wildbienen. Das Buch soll aufzeigen, wie wir Wildbienen in unserer Kulturlandschaft und im öffentlichen Raum schützen und fördern können.

ANDREAS ROSTEK, THOMAS WEILER, NINA WELLER, TINA WÜNSCHMANN BELARUS! Das weibliche ­Gesicht der Revolution Berlin, Edition.foto TAPETA 2020, 272 Seiten Der Krieg hat kein weibliches Gesicht, hatte Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch in ihrem wohl bekanntesten Buch festgestellt. Die Revolution dagegen, folgt man dem vorliegenden Reader zur prekären Lage in Belarus, scheint sehr wohl ein „weibliches“ Gesicht zu haben – zumindest legt das diese Anthologie mit zahlreichen Originalbeiträgen, mit Gedichten, einer Chronik und vielen weiteren Dokumenten aus dem Land nahe.

erstestiftung.org/library

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Eine Auswahl interessanter Neuzugänge der ERSTE Stiftung Bibliothek im Jahr 2020, zusammengestellt von Jutta Braidt

GERALD KNAUS Welche Grenzen brauchen wir? Zwischen Empathie und Angst – Flucht, Migration und die Zukunft von Asyl München, Piper 2020, 336 S ­ eiten

HANS-WERNER GRUNOW, CHRISTOPH ZENDER Green Finance. Erfolgreiche Schritte zur grünen Unternehmensfinanzierung Wiesbaden, Springer Fachmedien 2020, VIII, 68 Seiten

Kein anderes Thema hat die europäische Politik in den letzten Jahren so beeinflusst wie die Debatte um Geflüchtete, Asyl und Migration. Gerald Knaus erklärt, worum es tatsächlich geht, und zeigt, dass humane Grenzen möglich sind. Der Migrationsexperte erläutert, warum wir in dieser Sache oft mit widersprüchlichen Emotionen ringen – hier Empathie, da Angst vor Kontrollverlust – und wie eine Politik, die Fakten und Emotionen ernst nimmt, möglich wird. Ein wichtiges Buch auch vor dem Hintergrund gegenwärtiger Abschiebepolitik in Österreich.

Der Autor skizziert die Entstehung von Green Finance und zeigt Unterschiede zu konventionellen Finanzierungen auf. Er beschreibt, in welchen Fällen Green Finance eingesetzt wird, welche Instrumente infrage kommen und welche Prozesse durchlaufen werden. Behandelt werden außerdem die Green-Finance-Pläne der Europäischen Union. Ein kurzer und knackiger Überblick zur nachhaltigen Unternehmensfinanzierung.

100


MARIANA BOZESAN Integral Investing: From Profit to Prosperity Cham, Springer Nature 2020, 265 Seiten Early-stage-InvestorInnen und UnternehmerInnen befinden sich heute in einem Dilemma, in dem sie zwischen Gewinn und Wirkung wählen müssen, zwischen traditionellen, rein gewinnorientierten Modellen einerseits und Strukturen mit multiplen Grundsätzen, die sich positiv auf die Gesellschaft oder die Umwelt auswirken, auf der anderen Seite. Um ihnen zu helfen und als Reaktion auf eine Zeit, in der der Klimawandel, exponentiell wachsende Technologien und Covid-19 die Prioritäten der Menschheit infrage stellen, schlägt Mariana Bozesan ein neues Anlageparadigma vor, nämlich Integral Investing, das die bewährten Methoden von traditionellem Risikokapital und Impact Investing verbindet und überwindet.

PETER FERGUSON Post-growth Politics. A Critical Theoretical and Policy Framework for Decarbonisation Cham, Springer 2018, XIII, 197 Seiten Peter Ferguson verwendet einen kritischen Ansatz der politischen Ökonomie, um einen Satz historisch und politisch fundierter Strategien für Staaten zu entwickeln, um zu einer Wachstum hinter sich lassenden, de-karbonisierten Weltwirtschaft zu gelangen. Er untersucht die sozialen und ökologischen Kosten und die Grenzen des Wirtschaftswachstums und stellt fest, dass eine signifikante Dekarbonisierung der Weltwirtschaft nur erreicht werden kann, wenn konventionelle wachstumsbasierte Volkswirtschaften durch eine alternative Post-Wachstums-Wirtschaft ersetzt werden.

101


Eine Auswahl interessanter Neuzugänge der ERSTE Stiftung Bibliothek im Jahr 2020, zusammengestellt von Jutta Braidt

MAJA GÖPEL Unsere Welt neu denken. Eine Einladung Berlin, Ullstein 2020, 208 Seiten Unsere Welt steht an einem Kipp-Punkt und wir spüren es. Einerseits geht es uns so gut wie nie, andererseits zeigen sich Verwerfungen, Zerstörung und Krise, wohin wir sehen. Ob Umwelt oder Gesellschaft – scheinbar gleichzeitig sind unsere Systeme unter Stress geraten. Wir ahnen: So wie es ist, wird und kann es nicht bleiben. Wie finden wir zu einer Lebensweise, die das Wohlergehen des Planeten mit dem der Menschheit versöhnt? Wo liegt der Weg zwischen Verbotsregime und Schuldfragen auf der einen und Wachstumswahn und Technikversprechen auf der anderen Seite? Diese Zukunft neu und ganz anders in den Blick zu nehmen – darin besteht die Einladung, die Maja Göpel ausspricht.

102

GEERT MAK Große Erwartungen: Auf den Spuren des europäischen Traums (1999–2019) Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke, 2. Aufl. München, Siedler 2020, 640 Seiten Von den Küsten Lampedusas bis zu Putins Moskau, vom „störrischen“ Katalonien bis zu den muslimischen Vororten Kopenhagens: Unser Kontinent ist zum Zerreißen gespannt. Was ist 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges aus dem alten europäischen Traum – Frieden, Freiheit und Wohlstand – geworden, der immer mehr zum Albtraum wird? Geert Mak knüpft an seinen Klassiker In Europa von 2005 an, um beinahe 20 Jahre später zu ergründen, was aus den großen Erwartungen von damals geworden ist.


KIM STANLEY ROBINSON The Ministry for the Future London, Orbit 2020, 563 Seiten

MAJA AND REUBEN FOWKES Central and Eastern European Art since 1950 London, New York, Thames & Hudson 2020, 224 Seiten

Der Science-Fiction-Autor Kim Stanley widmet sich den Themen Klimawandel, Technologie, Politik und dem menschlichen Verhalten, das diese Kräfte antreibt. Aber seine Kulisse ist keine trostlose, postapokalyptische Welt, er stellt sich vielmehr eine Zukunft voller Hoffnung vor, in der es der Menschheit gelungen sein wird, unsere Herausforderungen zu meistern und sich zu entfalten.

Maja und Reuben Fowkes stellen herausragende Kunstwerke und bedeutende Persönlichkeiten aus ganz Mittel- und Osteuropa vor, um die Bewegungen, Theorien und Stile aufzuzeigen, die die künstlerische Praxis seit 1950 geprägt haben. Das Autorenduo spürt den kunsthistorischen Umbrüchen nach – vom kurzlebigen Gleichklang der Periode des Sozialistischen Realismus bis zur unglaublichen Diversität der Kunst in der postkommunistischen Ära. Sie untersuchen die Auswirkungen politischer Ereignisse auf das künstlerische Leben – insbesondere die Aufstände in Ungarn und der Tschechoslowakei, die Solidarność-Bewegung in Polen und den Zusammenbruch des kommunistischen Blocks. Ihr Hauptinteresse gilt jedoch der experimentellen Kunst der Neo-Avantgarde, die sich offiziellen Agenden widersetzte und sich mit globalen Strömungen wie Performance-Kunst, Video, Multimedia und Netzkunst beschäftigte.

103



DIE ERSTE österreichische Spar-Casse Privatstiftung JAHRESABSCHLUSS 2020

105


Bilanz zum 31. 12. 2020 DIE ERSTE österreichische Spar-Casse Privatstiftung

AKTIVA 1.

Kassenbestand, Guthaben bei Zentralnotenbanken und Postgiroämtern

2.

Schuldtitel öffentlicher Stellen und Wechsel, die zur Refinanzierung bei der Zentralnotenbank zugelassen sind a) Schuldtitel öffentlicher Stellen und ähnliche Wertpapiere b) zur Refinanzierung bei Zentralnotenbanken zugelassene Wechsel

3.

b) sonstige Forderungen 4.

Forderungen an Kunden

5.

Schuldverschreibungen und andere festverzinsliche Wertpapiere a) von öffentlichen Emittenten b) von anderen Emittenten darunter: eigene Schuldverschreibungen

6.

Aktien und andere nicht festverzinsliche Wertpapiere

7.

Beteiligungen darunter: an Kreditinstituten

9.

Immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens

10.

Sachanlagen darunter: Grundstücke und Bauten, die vom Kreditinstitut im Rahmen seiner eigenen Tätigkeit genutzt werden

11.

12.

Sonstige Vermögensgegenstände

13.

Gezeichnetes Kapital, das eingefordert, aber noch nicht eingezahlt ist

14.

Rechnungsabgrenzungsposten

15.

Aktive latente Steuern

SUMME DER AKTIVA

0

0,00

0

0,00

0

0,00

0 10.686.238,14

8.181

10.686.238,14

8.181

0,00

0 306.125,00

0

6.633.291,67

6.634

0,00

0

6.633.291,67

6.634

0,00

0 0,00

0

313.158.667,32 311.354.467,69

326.415 324.594

327.630.028,78 0,00

314.355 0

35.350,00

106

615.177,00

542

0,00

Anteile an einer herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Gesellschaft darunter: Nennwert

TEUR 31. 12. 2019

0,00

Anteile an verbundenen Unternehmen darunter: an Kreditinstituten

TEUR 31. 12. 2019

EUR

Forderungen an Kreditinstitute a) täglich fällig

8.

EUR

0 0,00

0,00

0 0

4.847.733,59

4.692

0,00

0

46.188,13

42

0,00

0

663.958.799,63

660.967

0,00

0

Posten unter der Bilanz 1.

106

Auslandsaktiva


Bilanz zum 31. 12. 2020 DIE ERSTE österreichische Spar-Casse Privatstiftung

PASSIVA 1.

b) mit vereinbarter Laufzeit oder Kündigungsfrist

TEUR 31. 12. 2019

20.042.777,77

0

0,00

0

20.042.777,77

0

Verbindlichkeiten gegenüber Kunden a) Spareinlagen

TEUR 31. 12. 2019

EUR

Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten a) täglich fällig

2.

EUR

0,00

0

0,00

0

aa) täglich fällig

0,00

0

bb) mit vereinbarter Laufzeit oder Kündigungsfrist

0,00

0

b) sonstige Verbindlichkeiten

0,00

0

aa) täglich fällig

0,00

0

bb) mit vereinbarter Laufzeit oder Kündigungsfrist

0,00

0

darunter:

darunter:

3.

Verbriefte Verbindlichkeiten a) begebene Schuldverschreibungen b) andere verbriefte Verbindlichkeiten

4.

Sonstige Verbindlichkeiten

5.

Rechnungsabgrenzungsposten

6.

Rückstellungen a) Rückstellungen für Abfertigungen b) Rückstellungen für Pensionen

205.674.666,70

205.675

0,00

0

205.674.666,70

205.675 3.617.382,99

4.483

0,00

0

687.095,40 0,00

517 0

0,00

0

c) Steuerrückstellungen

329.978,40

312

d) sonstige

357.117,00

205

6a.

Fonds für allgemeine Bankrisiken

0,00

0

7.

Ergänzungskapital gemäß Teil 2 Titel I Kapitel 4 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013

0,00

0

8.

Zusätzliches Kernkapital gemäß Teil 2 Titel I Kapitel 3 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013

0,00

0

darunter: Pflichtwandelschuldverschreibungen gemäß § 26 BWG 8b.

Instrumente ohne Stimmrecht gemäß § 26a BWG

9.

Gezeichnetes Kapital

10.

Kapitalrücklagen a) gebundene

0,00

0 0,00

0

0,00

0

79.147.249,86

79.147

79.147.249,86

79.147

b) nicht gebundene

0,00

0

c) Rücklage für eigene Aktien

0,00

0

Übertrag

309.169.172,72

289.821

107


Bilanz zum 31. 12. 2020 DIE ERSTE österreichische Spar-Casse Privatstiftung

PASSIVA

11.

EUR

TEUR 31. 12. 2019

EUR

Übertrag

309.169.172,72

Gewinnrücklagen

354.789.626,91

a) gesetzliche Rücklage b) satzungsmäßige Rücklagen c) andere Rücklagen d) Rücklage für eigene Aktien

145.228.257,23

TEUR 31. 12. 2019 289.821 371.145

145.228

0,00

0

209.561.369,68

225.917

0,00

0

12.

Haftrücklage gemäß § 57 Abs. 5 BWG

0,00

0

13.

Bilanzgewinn

0,00

0

663.958.799,63

660.967

0,00

0

SUMME DER PASSIVA Posten unter der Bilanz 1.

Eventualverbindlichkeiten darunter:

2.

a) Akzepte und Indossamentverbindlichkeiten aus weitergegebenen Wechseln

0,00

0

b) Verbindlichkeiten aus Bürgschaften und Haftung aus der Bestellung von Sicherheiten

0,00

0

Kreditrisiken darunter: Verbindlichkeiten aus Pensionsgeschäften

0,00 0,00

0 0

3.

Verbindlichkeiten aus Treuhandgeschäften

0,00

0

4.

Anrechenbare Eigenmittel gemäß Teil 2 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013

0,00

0

darunter Ergänzungskapital gemäß Teil 2 Titel I Kapitel 4 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 5.

0,00

Eigenmittelanforderungen gemäß Art. 92 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013

0 0,00

0

darunter: Eigenmittelanforderungen gemäß Art. 92 Abs. 1 lit. a bis c der Verordnung (EU) Nr. 575/2013

6.

108

a) harte Kernkapitalquote

0,00

b) Kernkapitalquote

0,00

0

c) Gesamtkapitalquote

0,00

0

Auslandspassiva

0

0,00

0


Gewinn-und-Verlust-Rechnung 2020 DIE ERSTE österreichische Spar-Casse Privatstiftung EUR 1.

Zinsen und ähnliche Erträge darunter: aus festverzinslichen Wertpapieren

2.

Zinsen und ähnliche Aufwendungen

I.

NETTOZINSERTRAG

3.

Erträge aus Wertpapieren und Beteiligungen

TEUR Vorjahr

EUR

TEUR Vorjahr

299.774,26 215.916,67

372 304

6.257.519,47

6.387

–5.957.745,21

–6.015

0,00

67.497

a) Erträge aus Aktien, anderen Anteilsrechten und nicht festverzinslichen Wertpapieren

0,00

0

b) Erträge aus Beteiligungen

0,00

38.097

c) Erträge aus Anteilen an verbundenen Unternehmen

0,00

29.400

4.

Provisionserträge

5.

Provisionsaufwendungen

6.

Aufwände aus Finanzgeschäften

7.

Sonstige betriebliche Erträge

II.

BETRIEBSERTRÄGE

8.

Allgemeine Verwaltungsaufwendungen a) Personalaufwand

0,66

0

39.768,84

46

183,49

0

4.823,09

0

–5.992.506,81

61.436

3.859.852,41

5.003

1.666.005,09

1.472

1.251.677,23

1.101

darunter: aa) Löhne und Gehälter bb) Aufwand für gesetzlich vorgeschriebene soziale Abgaben und vom Entgelt abhängige Abgaben und Pflichtbeiträge

322.274,43

275

cc) sonstiger Sozialaufwand

14.559,33

36

dd) Aufwendungen für Altersversorgung und Unterstützung

55.803,16

48

0,00

0

21.690,94

12

2.193.847,32

3.531

ee) Dotierung der Pensionsrückstellung ff) Aufwendungen für Abfertigungen und Leistungen an betriebliche Mitarbeitervorsorgekassen b) sonstige Verwaltungsaufwendungen (Sachaufwand) 9.

Wertberichtigungen auf die in den Aktivposten 9 und 10 enthaltenen Vermögensgegenstände

10.

Sonstige betriebliche Aufwendungen

III.

BETRIEBSAUFWENDUNGEN

IV.

BETRIEBSERGEBNIS

155.432,02

140

204,00

0

4.015.488,43

5.143

–10.007.995,24

56.293

109


Gewinn-und-Verlust-Rechnung 2020 DIE ERSTE österreichische Spar-Casse Privatstiftung EUR

EUR

Übertrag (IV. Betriebsergebnis)

TEUR Vorjahr

TEUR Vorjahr

–10.007.995,24

56.293

Wertberichtigungen auf Forderungen und Zuführungen zu Rückstellungen für Eventualverbindlichkeiten und für Kreditrisiken

0,00

0

Erträge aus der Auflösung von Wertberichtigungen auf Forderungen und aus Rückstellungen für Eventualverbindlichkeiten und für Kreditrisiken

0,00

0

13.

Wertberichtigungen auf Wertpapiere, die wie Finanzanlagen bewertet werden, sowie auf Beteiligungen und Anteile an verbundenen Unternehmen

516.800,00

146

14.

Erträge aus Wertberichtigungen auf Wertpapiere, die wie Finanzanlagen bewertet werden, sowie auf Beteiligungen und Anteile an verbundenen Unternehmen

0,00

0

–10.524.795,24

56.147

0,00

0

11.

12.

V. 15.

ERGEBNIS DER GEWÖHNLICHEN GESCHÄFTSTÄTIGKEIT Außerordentliche Erträge darunter: Entnahmen aus dem Fonds für allgemeine Bankrisiken

16.

0,00

Außerordentliche Aufwendungen darunter: Zuweisungen zum Fonds für allgemeine Bankrisiken

17.

Außerordentliches Ergebnis (Zwischensumme aus Posten 15 und 16)

18.

Steuern vom Einkommen und Ertrag darunter: Ertrag aus latenten Steuern

0 0,00

0,00

0 0

0,00

0

17.642,46 17.642,46

0 0

19.

Sonstige Steuern, soweit nicht in Posten 18 auszuweisen

0,00

0

19a.

Ergebnis aus Spaltungen

0,00

0

VI.

JAHRESFEHLBETRAG/JAHRESÜBERSCHUSS (Vj)

–10.542.437,70

56.147

20.

Rücklagenbewegung

–10.542.437,70

56.147

darunter: D otierung der Haftrücklage

0,00

0

Auflösung der Haftrücklage

0,00

0

VII.

JAHRESGEWINN

0,00

0

21.

Gewinnvortrag

0,00

0

22.

Aufgrund eines Gewinnabführungsvertrages abgeführte Gewinne

0,00

0

VIII.

BILANZGEWINN

0,00

0

110


Anhang zum Jahresabschluss 2020 DIE ERSTE österreichische Spar-Casse Privatstiftung

111


1 1.1 1.2 1.3

Allgemeine Angaben Einleitung Gliederung des Jahresabschlusses Haftung der Privatstiftung für die Sparkassen AG

113 113 113 113

2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6 2.2.7

Angaben zu Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden Generalnorm Bewertungsmethoden Fremdwährungsforderungen und -verbindlichkeiten Beteiligungen und Anteile an verbundenen Unternehmen Forderungen Wertpapiere Immaterielle Vermögensgegenstände und Sachanlagen Verbindlichkeiten Rückstellungen

113 113 113 113 114 114 114 114 114 114

3

Änderungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden

115

4 Angaben zur Bilanz 4.1 Fristengliederung Forderungen und Verpflichtungen 4.2 Forderungen an und Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen und gegenüber Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht 4.3 Beziehungen zu verbundenen Unternehmen 4.4 Beteiligungen und Anteile an verbundenen Unternehmen 4.5 Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen 4.6 Wertpapiere 4.7 Unterschiedsbeträge bei Schuldverschreibungen und anderen festverzinslichen Wertpapieren 4.8 Finanzinstrumente des Anlagevermögens 4.9 Im Folgejahr fällig werdende Schuldverschreibungen 4.10 Nachrangige Vermögensgegenstände 4.11 Anlagevermögen 4.12 Zwischenkörperschaftsteuer gemäß § 22 Abs. 2 KStG 4.13 Verpflichtungen gegenüber verbundenen Unternehmen 4.14 Leasing- und Mietverpflichtungen 4.15 Sonstige Verbindlichkeiten 4.16 Aufgeschobene Steuer aus der formwechselnden Umwandlung der Anteilsverwaltungssparkasse in die Privatstiftung 4.17 Rückstellungen für Steuern 4.18 Sonstige Rückstellungen 4.19 Aufgliederung der Kapital- und Gewinnrücklagen 4.20 Sonstige außerbilanzielle Geschäfte

115 115

5

Kapitalflussrechnung

122

6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6

Angaben zur Gewinn-und-Verlust-Rechnung Erträge aus Wertpapieren und Beteiligungen Zinsen und ähnliche Aufwendungen Erträge aus Wertpapieren und Beteiligungen Aufwendungen für den Abschlussprüfer Rücklagenzuführung Entwicklung des Stiftungsvermögens

122 122 122 123 123 123 123

7 Ereignisse nach dem Abschlussstichtag

123

8

Liquidität

123

9 9.1 9.2 9.3 9.4

Angaben zu Organen und Arbeitnehmern Anzahl der Arbeitnehmer Kredite an Vorstand und Aufsichtsrat Organbezüge Namen der Organmitglieder

124 124 124 124 124

112

115 115 115 116 117 117 117 117 117 117 120 120 120 120 120 121 121 121 121


1 Allgemeine Angaben 1.1

Einleitung

Die Aufstellung des Jahresabschlusses 2020 erfolgte gemäß § 18 Privatstiftungsgesetz (PSG) unter sinngemäßer Anwendung der diesbezüglichen Bestimmungen des Unternehmens­gesetzbuches (UGB) sowie unter Berücksichtigung der einschlägigen Bestimmungen des Bankwesengesetzes (BWG) in der jeweils geltenden Fassung. Angaben und Erläuterungen, welche sich durch die Änderungen in den anzuwendenden Rechnungslegungsbestimmungen ergaben, sind Kapitel 3 (Änderungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden) zu entnehmen. Zudem ist auf die im Vergleich zum Jahresabschluss 2019 geänderten Rahmenbedingungen aufgrund der Covid-19-Pandemie hinzuweisen. Die WHO hat am 11. März 2020 im Zusammenhang mit der Ausbreitung von Covid-19 einen öffentlichen Gesundheitsnotstand von globalem Ausmaß erklärt, der erhebliche Auswirkungen auf die Menschen und Unternehmen in der ganzen Welt nach sich zieht. Für die Privatstiftung ergaben sich aus der Covid-19-Pandemie Auswirkungen aufgrund fehlender Erträge aus der Beteiligung an der Erste Group Bank AG, dies in Anwendung der Empfehlung der EZB, keine Dividendenausschüttungen vorzunehmen (EZB 2020/35). Im Jahr 2020 beliefen sich die Dividendenerträge auf EUR 0,00 (Vorjahr: TEUR 67.497). Die Annahme der Going-Concern-Prämisse wird durch diese Auswirkungen jedoch nicht berührt und ist weiterhin angemessen. 1.2

Gliederung des Jahresabschlusses

Durch die formwechselnde Umwandlung der Anteilsverwaltungssparkasse „DIE ERSTE österreichische Spar-Casse Anteilsverwaltungssparkasse“ in „DIE ERSTE österreichische Spar-Casse Privatstiftung“ (in der Folge die ERSTE Stiftung) und die damit verbundene Buchwertfortführung ergibt sich hinsichtlich der Gliederung des Jahresabschlusses der Privatstiftung eine Fortführung der BWG-mäßigen Gliederung. 1.3

Haftung der Privatstiftung für die Sparkassen AG

Mit der Eintragung im Firmenbuch entstand gemäß § 7 Abs. 1 PSG die ERSTE Stiftung. Die Anteilsverwaltungssparkasse besteht gemäß § 27b Abs. 1 SpG als Privatstiftung weiter. Die Privatstiftung ist seit 19. Dezember 2003 im Firmenbuch beim Handelsgericht Wien unter der FN 072984f und der Firma „DIE ERSTE österreichische Spar-Casse Privatstiftung“ eingetragen.

2 Angaben zu Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden 2.1

Generalnorm

Der Jahresabschluss wurde unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sowie der Generalnorm, ein möglichst getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Privatstiftung zu vermitteln, aufgestellt. Bei der Bewertung der Vermögensgegenstände und Schulden wurden der Grundsatz der Einzelbewertung beachtet und eine Fortführung der Privatstiftung unterstellt. Dem Vorsichtsprinzip wurde Rechnung getragen. 2.2 Bewertungsmethoden 2.2.1 Fremdwährungsforderungen und -verbindlichkeiten Fremdwährungsforderungen und -verbindlichkeiten, Valuten und Fremdwährungsschecks wurden mit dem Referenzkurs der EZB bewertet. Erträge aus der Währungsumrechnung wurden in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung berücksichtigt. 113


2.2.2 Beteiligungen und Anteile an verbundenen Unternehmen Beteiligungen und Anteile an verbundenen Unternehmen wurden mit Anschaffungskosten bewertet, soweit nicht aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung eine Abwertung erforderlich war (bzw. wurden mit einem niedrigeren beizulegenden Wert angesetzt). 2.2.3 Forderungen Forderungen an Kreditinstitute und sonstige Forderungen wurden nach den Vorschriften des § 207 UGB bewertet. Erkennbaren Risiken wurde durch ent­sprechende Wertberichtigung Rechnung getragen. 2.2.4 Wertpapiere Wertpapiere (Schuldverschreibungen und andere festverzinsliche Wertpapiere, Aktien und andere nicht festverzinsliche Wertpapiere) werden entsprechend ihrer Zuordnung zu den Finanzanlagen zu fortgeführten Anschaffungskosten und bei voraussichtlich dauernder Wertminderung zum niedrigeren Börsenkurs oder Marktpreis (beizulegender Zeitwert) („gemildertes Niederstwertprinzip“) bewertet. Die Zuordnung der Wertpapiere zum Umlaufvermögen oder zu den Finanzanlagen erfolgt entsprechend den vom Stiftungsvorstand beschlossenen Organisationsrichtlinien. Sind bei festverzinslichen Wertpapieren, welche die Eigenschaft von Finanzanlagen haben, die Anschaffungskosten höher als der Rückzahlungsbetrag, dann wird der Unterschiedsbetrag gemäß § 56 Abs. 2 BWG zeitanteilig abgeschrieben. Eine gemäß § 56 Abs. 3 BWG mögliche zeitanteilige Zuschreibung von Unterschiedsbeträgen erfolgt nicht. Stellt sich in einem späteren Geschäftsjahr heraus, dass die Gründe für die Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Zeitwert nicht mehr bestehen, wird der Betrag wieder zugeschrieben. Der beizulegende Zeitwert ist gemäß § 189a Z 4 UGB der Börsenkurs oder Marktpreis; im Fall von Finanzinstrumenten, deren Marktpreis sich als Ganzes nicht ohne Weiteres ermitteln lässt, der aus den Marktpreisen der einzelnen Bestandteile des Finanzinstruments oder dem Marktpreis für ein gleichartiges Finanzinstrument abgeleitete Wert; falls sich bei Finanzinstrumenten ein verlässlicher Markt nicht ohne Weiteres ermitteln lässt, der mithilfe anerkannter Bewertungsmodelle und ‑methoden bestimmte Wert, sofern diese Modelle und Methoden eine angemessene Annäherung an den Marktpreis gewährleisten. 2.2.5 Immaterielle Vermögensgegenstände und Sachanlagen Immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und Sachanlagen wurden zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um planmäßige lineare Abschreibungen, bewertet. Die Abschreibungsdauern blieben im Berichtsjahr unverändert. Die Abschreibungsdauer beträgt für • immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens 4 Jahre (25 %), • sonstige Sachanlagen zwischen 4 und 15 Jahre (zwischen 25 % und 6,67 %). Geringwertige Vermögensgegenstände wurden im Zugangsjahr voll abgeschrieben und als Abgänge erfasst. 2.2.6 Verbindlichkeiten Verbindlichkeiten wurden mit dem Erfüllungsbetrag angesetzt. 2.2.7 Rückstellungen Die Rückstellungen wurden in Höhe des Erfüllungsbetrages gebildet, der bestmöglich zu schätzen war. Sonstige Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr wurden mit einem marktüblichen Zinssatz abgezinst. Als marktüblicher Zinssatz wurde jener Zinssatz gewählt, zu dem sich Unternehmen mit hochklassiger Bonitätseinstufung entsprechendes Fremdkapital beschaffen können. 114


3 Änderungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden Gegenüber dem Vorjahr wurden im Berichtsjahr folgende Änderungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden vorgenommen: Rückstellungen für nicht konsumierte Urlaube werden aus Gründen eines sektoreinheitlichen Ausweises im Gegensatz zu den Vorjahren nicht mehr in den sonstigen Verbindlichkeiten (Passivposten 4), sondern in den sonstigen Rückstellungen (Passivposten 6) ausgewiesen.

4 Angaben zur Bilanz In der Bilanz werden die einzelnen Bilanzposten gemäß Kapitel 2 bewertet und ausgewiesen. In den folgenden Anhangsangaben werden die Buchwerte jedoch ohne die zeitanteiligen Zinsen ausgewiesen. 4.1 Fristengliederung Forderungen und Verpflichtungen Fristengliederung der nicht täglich fälligen Forderungen und Guthaben und der nicht täglich fälligen Verpflichtungen gegenüber Kreditinstituten und Nichtbanken (nach Restlaufzeiten):

nicht täglich fällige Verpflichtungen mehr als 1 Jahr bis 5 Jahre

31. 12. 2020

31. 12. 2020

EUR

TEUR

200.000.000,00

200.000

4.2 Forderungen an und Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen und gegenüber Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht verbundene Unternehmen

Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht

31. 12. 2020

31. 12. 2019

31. 12. 2020

31. 12. 2019

EUR

TEUR

EUR

TEUR

Forderungen an Kunden

0,00

0

300.000,00

0

Schuldverschreibungen

0,00

0

6.597.025,00

6.597

84.524,13

0

0,00

0

sonstige Forderungen

4.3 Beziehungen zu verbundenen Unternehmen Die Geschäftsbeziehungen zu verbundenen Unternehmen wurden im branchenüblichen Rahmen abgewickelt. 4.4 Beteiligungen und Anteile an verbundenen Unternehmen Beteiligungen und Anteile an verbundenen Unternehmen enthalten Anteile an folgenden wesentlichen Unternehmen und weisen nach den letzten uns vorliegenden Jahresabschlüssen Eigenkapital und Ergebnis wie folgt aus: Firma und Sitz der Gesellschaft

Erste Group Bank AG, Wien Erste Social Finance Holding GmbH, Wien Fund of Excellence Förderungs GmbH, Wien

Anteil am Kapital gesamt (davon indirekt)

Eigenkapital

letztes Ergebnis

Jahresabschluss per Jahr

in %

EUR

EUR

11,25 % (5,35 %)

8.213.283.594,81

-118.354.832,91

31. 12. 2020

40 %

4.702.783,45

67.536,91

31. 12. 2019 31. 12. 2019

42 %

74.711,69

-174.484,99

50,50 %

853.650.671,80

-280.553.556,08

30. 6. 2020

Sparkassen Beteiligungs GmbH, Wien

100 %

60.750,57

-1.565,71

31. 12. 2019

Two Next GmbH, Wien

100 %

313.997,56

-221.002,44

31. 12. 2020

Sparkassen Beteiligungs GmbH & Co KG, Wien

115


Der Buchwert der Beteiligungen in Höhe von EUR 313.158.667,32 (Vorjahr: TEUR 326.415) betrifft mit EUR 1.804.199,63 (Vorjahr: TEUR 1.804) die 40 %-ige Beteiligung an der Erste Social Finance Holding GmbH und mit EUR 311.354.467,69 (Vorjahr: TEUR 324.594), reduziert durch eine weitere Einlage von 2.000.000 Stk. Aktien mit einem Buchwert von EUR 13.240.000,00 in die Sparkassen Beteiligungs GmbH & Co KG, die Beteiligung an der Erste Group Bank AG. Dieser Buchwert repräsentiert insgesamt einen Bestand von 25.361.956 Stk. Erste Group Bank-Stammaktien, die – je nach Anschaffungsperiode – auf drei verschiedenen Depots mit unterschiedlichen Anschaffungskosten geführt werden und die per 31. 12. 2020 einen Anteil am Grundkapital von 5,90 % (Vorjahr: 6,37 %) darstellen. Der Marktwert dieser Beteiligung, berechnet auf Basis des Schlusskurses der Wiener Börse von EUR 24,94, lag per Jahresultimo bei EUR 632.527.182,64. Bei der ERSTE Stiftung handelt es sich im Verhältnis zur Erste Group Bank AG um kein übergeordnetes Kreditinstitut (Kreditinstitut oder Finanz-Holdinggesellschaft), das eine Kreditinstitutsgruppe im Sinne des § 30 Abs. 1 BWG begründet, weshalb die Einbeziehung der ERSTE Stiftung in den Konsolidierungskreis gemäß BWG nicht erforderlich ist. Auch unternehmensrechtlich ist gemäß § 244 UGB kein Konzernabschluss zu erstellen. Die 42 %-ige Beteiligung an der Fund of Excellence Förderungs GmbH wurde im Jahr 2020 auf EUR 0,00 (Vorjahr: TEUR 17) abgeschrieben, da diese ihre Geschäftstätigkeit nur mehr auf die Abwicklung der bestehenden Verträge beschränkt und keine neuen Geschäftsabschlüsse tätigt. Unter dem Bilanzposten „Anteile an verbundenen Unternehmen“ ist die Sparkassen BeteiligungsGmbH & Co KG mit einem Buchwert von EUR 327.560.028,78 (Vorjahr: TEUR 314.320), erhöht um eine weitere Einlage von 2.000.000 Stk. Erste Group Bank AG-Aktien mit einem Buchwert von EUR 13.240.000,00 aus der Einbringung von insgesamt 23 Mio. Stück EGB-Aktien (Vorjahr: 21 Mio. Stk.), ausgewiesen. Der Anteil, der von der ERSTE Stiftung indirekt über die Sparkassen Beteiligungs GmbH & Co KG am Grundkapital der Erste Group Bank AG gehalten wird, liegt bei 5,35 % (Vorjahr: 4,89 %). Der durch die ERSTE Stiftung direkt kontrollierte Anteil beträgt somit per 31. 12. 2020 insgesamt 11,25 % (Vorjahr: 11,25 %). Am 15. Dezember 2014 wurde die seit 2009 bestehende Aktionärsvereinbarung (Preferred Partnership Agreement) zwischen der Caixabank S. A. und der ERSTE Stiftung erneuert. Demzufolge ist die Caixabank S. A. dem Bündnis von Kernaktionären beigetreten, dem neben der ERSTE Stiftung auch die Sparkassen, deren Stiftungen und der Wiener Städtische Wechselseitige Versicherungsverein – Vermögensverwaltung – Vienna Insurance Group angehört. Per 31. 12. 2020 hielt die Caixabank S. A. mit Firmensitz in Spanien 42.634.248 Stück (Vorjahr: 42.634.248 Stück) Erste Group Bank AG-Aktien, was einem Anteil von 9,92 % (Vorjahr: 9,92 %) am Grundkapital der Erste Group Bank AG entspricht. Gemeinsam mit den Syndikatspartnern kontrollierte die ERSTE Stiftung direkt und indirekt 31,16 % (Vorjahr: 30,39 %) am Grundkapital der Erste Group Bank AG. Der durchschnittliche Bewertungskurs je Erste Group-Aktie für die von der ERSTE Stiftung direkt sowie indirekt in Form ihres Anteils an der Sparkassen Beteiligungs GmbH & Co KG gehaltenen Erste Group-Aktien lag per 31. 12. 2020 bei EUR 13,21. Mit einem Buchwert von EUR 35.000,00 besteht ein Anteil von 100 % an der im Jahr 2011 gegründeten Sparkassen Beteiligungs GmbH. Durch die Errichtungserklärung vom 19. 2. 2020 wurde die Two Next GmbH durch die ERSTE Stiftung gegründet und am 5. 3. 2020 ins Firmenbuch eingetragen. Die ERSTE Stiftung hält 100 % an dieser Gesellschaft. Im Jahr 2020 wurde ein Gesellschafterzuschuss in Höhe von EUR 500.000,00 gewährt, welcher per 31. 12. 2020 voll abgeschrieben wurde. 4.5 Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen Es bestehen keine Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen, welche wesentlich und marktunüblich sind.

116


4.6 Wertpapiere Die in Aktiva 5 enthaltenen, zum Börsehandel zugelassenen Wertpapiere, Beteiligungen und Anteile an verbundenen Unternehmen gliedern sich wie folgt: zum Börsehandel zugelassen, börsenotiert

Schuldverschreibungen und andere festverzinsliche Wertpapiere

nicht börsenotiert

davon bewertet wie Anlagevermögen

andere Bewertung

EUR

EUR

EUR

EUR

6.597.025,00

0,00

6.597.025,00

0,00

4.7 Unterschiedsbeträge bei Schuldverschreibungen und anderen festverzinslichen Wertpapieren Die Anschaffungskosten bei Schuldverschreibungen und anderen festverzinslichen Wertpapieren waren teilweise niedriger als der Rückzahlungsbetrag, der verbleibende Unterschiedsbetrag betrug EUR 552.975,00 (Vorjahr: TEUR 553). 4.8 Finanzinstrumente des Anlagevermögens 31. 12. 2020 Schuldverschreibungen und andere festverzinsliche Wertpapiere

31. 12. 2019

Buchwert EUR

Zeitwert EUR

6.597.025,00

7.173.565,00

Buchwert TEUR

Zeitwert TEUR

6.597

7.263

Schuldverschreibungen und andere festverzinsliche Wertpapiere

Stille Lasten EUR

Stille Reserven EUR 576.540,00

Stille Lasten TEUR

Stille Reserven TEUR 666

Der beizulegende Zeitwert (Fair Value) ist derjenige Betrag, der in einem aktiven Markt aus dem Verkauf eines Finanzinstruments erzielt werden könnte oder der für einen entsprechenden Erwerb zu zahlen wäre. Sofern Marktpreise verfügbar waren, werden diese zur Bewertung herangezogen. 4.9 Im Folgejahr fällig werdende Schuldverschreibungen Im Folgejahr werden von den Schuldverschreibungen und anderen festverzinslichen Wertpapieren EUR 6.451.900,00 (Vorjahr: TEUR 0) fällig. 4.10 Nachrangige Vermögensgegenstände

Schuldverschreibungen

31. 12. 2020

31. 12. 2019

EUR

TEUR

6.597.025,00

6.597

Gegenüber verbundenen Unternehmen oder Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht, waren folgende Vermögensgegenstände nachrangig:

Schuldverschreibungen

31. 12. 2020

31. 12. 2019

EUR

TEUR

6.597.025,00

6.597

4.11 Anlagevermögen Die Entwicklung des Anlagevermögens (Anlagenspiegel) findet sich auf den folgenden Seiten.

117


Anlagenspiegel (Teil 1 – Anschaffungskosten) Bezeichnung

Anschaffungskosten

Sonstiges

per 1. 1. 2020

2020

EUR

EUR

Wertpapiere d) Schuldverschreibungen

6.597.025,00

0,00

Summe

6.597.025,00

0,00

Beteiligungen

326.808.167,69

0,00

Anteile an verbundenen Unternehmen

314.355.028,78

0,00

b) Sonstige

520.447,90

0,00

Summe

520.447,90

0,00

b) Betriebs- und Geschäftsausstattung

771.736,20

0,00

Summe

771.736,20

0,00

649.052.405,57

0,00

Immaterielle Vermögensgegenstände

Sachanlagen

Summe Anlagevermögen

(Teil 2 – Kumulierte Abschreibungen und Buchwerte) Bezeichnung

Kumulierte Abschreibung

Abschreibung

Zuschreibungen

per 1. 1. 2020

2020

2020

EUR

EUR

EUR

Wertpapiere d) Schuldverschreibungen

0,00

0,00

0,00

Summe

0,00

0,00

0,00

392.700,37

16.800,00

0,00

0,00

500.000,00

0,00

b) Sonstige

414.396,90

70.701,00

0,00

Summe

414.396,90

70.701,00

0,00

b) Betriebs- und Geschäftsausstattung

229.653,20

84.731,02

0,00

Summe

229.653,20

84.731,02

0,00

1.036.750,47

672.232,02

0,00

Beteiligungen

Anteile an verbundenen Unternehmen

Immaterielle Vermögensgegenstände

Sachanlagen

Summe Anlagevermögen

118


Zugänge

Abgänge

Umbuchungen

Anschaffungskosten

2020

2020

2020

per 31. 12. 2020

EUR

EUR

EUR

EUR

0,00

0,00

0,00

6.597.025,00

0,00

0,00

0,00

6.597.025,00

0,00

0,00

-13.240.000,00

313.568.167,69

535.000,00

0,00

13.240.000,00

328.130.028,78

0,00

0,00

0,00

520.447,90

0,00

0,00

0,00

520.447,90

158.029,02

19.957,87

0,00

909.807,35

158.029,02

19.957,87

0,00

909.807,35

693.029,02

19.957,87

0,00

649.725.476,72

Kum. Abschr. Abgänge

Kum. Abschr. Umbuchungen

Kumulierte Abschreibung

Buchwert

Buchwert

per 31. 12. 2020

per 31. 12. 2020

per 31. 12. 2020

per 31. 12. 2020

per 31. 12. 2019

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

0,00

0,00

0,00

6.597.025,00

6.597.025,00

0,00

0,00

0,00

6.597.025,00

6.597.025,00

0,00

0,00

409.500,37

313.158.667,32

326.415.467,32

0,00

0,00

500.000,00

327.630.028,78

314.355.028,78

0,00

0,00

485.097,90

35.350,00

106.051,00

0,00

0,00

485.097,90

35.350,00

106.051,00

19.753,87

0,00

294.630,35

615.177,00

542.083,00

19.753,87

0,00

294.630,35

615.177,00

542.083,00

19.753,87

0,00

1.689.228,62

648.036.248,10

648.015.655,10

119


4.12 Zwischenkörperschaftsteuer gemäß § 22 Abs. 2 KStG Es besteht eine Forderung gegenüber der Republik Österreich aus der Verrechnung der Zwischenkörperschaftsteuer in Höhe von EUR 7.992.656,11. Es ist im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses nicht absehbar, ob beziehungsweise wann die unverzinste Forderung an die Republik Österreich aus der Vorauszahlung der Zwischenkörperschaftsteuer mit Kapitalertragsteuer auf Zuwendungen verrechnet werden kann. Aus diesem Grund wurde sie in Höhe von 50 % wertberichtigt. Der Nennbetrag der Forderung aufgrund der noch nicht verrechneten Zahlungen der Zwischenkörperschaftsteuer beträgt EUR 142.630,88 (Vorjahr: TEUR 119). 4.13 Verpflichtungen gegenüber verbundenen Unternehmen Gegenüber verbundenen Unternehmen bestanden keine wesentlichen, nicht in der Bilanz ausgewiesenen Verpflichtungen. 4.14 Leasing- und Mietverpflichtungen Für das folgende Geschäftsjahr bestehen Verpflichtungen aus den in der Bilanz nicht ausgewiesenen geleasten oder gemieteten Sachanlagen von EUR 295.312,89 (Vorjahr: TEUR 290); die Summe dieser Verpflichtungen für die folgenden fünf Jahre beläuft sich auf EUR 1.476.564,45 (Vorjahr: TEUR 1.451). 4.15 Sonstige Verbindlichkeiten In den sonstigen Verbindlichkeiten waren folgende wesentliche Einzelposten enthalten:

Verbindlichkeiten offene Rechnungen Verbindlichkeiten Zuwendungen

31. 12. 2020

31. 12. 2020

EUR

TEUR

150.101,21

299

3.362.346,42

4.024

4.16 Aufgeschobene Steuer aus der formwechselnden Umwandlung der Anteilsverwal­ tungssparkasse in die Privatstiftung Die formwechselnde Umwandlung der Anteilsverwaltungssparkasse in die ERSTE Stiftung gilt gemäß § 13 Abs. 5 Z 1 KStG mit Ablauf des Umwandlungsstichtages, somit 1. April 2003, als bewirkt. Umwandlungsstichtag ist der Tag, zu dem die Schlussbilanz der Anteilsverwaltungssparkasse gemäß § 27a Abs. 6 SpG aufgestellt wurde. Die aus der Umwandlung entstehende Steuerpflicht (der auf die einzelnen Wirtschaftsgüter der Schlussbilanz der Anteilsverwaltungssparkasse entfallenden Unterschiedsbeträge zwischen den steuerlich maßgebenden Buchwerten und den Teilwerten) verschiebt sich aufgrund eines Antrages gemäß § 13 Abs. 5 Z 2 KStG teilweise bis zur Veräußerung oder dem sonstigen Ausscheiden der Wirtschaftsgüter aus der ERSTE Stiftung. Dieser Antrag wurde im Rahmen der Abgabe der Steuererklärung 2003 gestellt. Der in Evidenz genommene Unterschiedsbetrag resultiert aus der Differenz zwischen dem Verkehrswert und dem Steuerwert der Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG (nunmehr Erste Group Bank AG)-Stammaktien vor Umwandlung und wurde wie folgt ermittelt: Der Steuerwert der Aktien der Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG betrug vor Umwandlung EUR 31,48 (nach Aktiensplit EUR 7,87) pro Aktie. Der Verkehrswert der Aktien wurde als Sechs-Monats-Durchschnitt von Oktober 2002 bis März 2003 ermittelt und belief sich auf EUR 61,10 (nach Aktiensplit EUR 15,28). Die Differenz von EUR 29,62 (nach Aktiensplit EUR 7,41) wurde für 19.831.809 Stück Aktien (somit EUR 587.418.182,58) als Unterschiedsbetrag in Evidenz genommen. Durch Verkäufe in den Jahren 2004, 2005, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014 und 2015 verringerte er sich auf EUR 294.895.657,74. Der Unterschiedsbetrag für 1.500.000 Stück Aktien wurde bereits 2003 versteuert.

120


Die ERSTE Stiftung erzielt vor allem Einkünfte aus Kapitalvermögen und sonstige Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen, die gemäß § 13 Abs. 3 KStG bis einschließlich 2010 einer Zwischensteuer von 12,5 % und ab dem Jahr 2011 einer Zwischensteuer von 25 % (Vorjahr: 25 %) unterliegen. Die Erhebung der Zwischensteuer unterbleibt insoweit, als von der Stiftung Zuwendungen erfolgen und hierfür tatsächlich Kapitalertragsteuer entrichtet wird. Über die entrichtete und allenfalls wieder gutgeschriebene Zwischensteuer ist ein Evidenzkonto zu führen; der dort erfasste Betrag beläuft sich per 31. Dezember 2020 auf EUR 7.992.656,11. 4.17 Rückstellungen für Steuern Die passive Steuerabgrenzung aus dem Jahr 2018 in Höhe von EUR 312.253,00 wurde für die in den Jahren 2013 bis 2015 nachträglich geltend gemachten Betriebsausgaben, welche bereits bei der Betriebsprüfung 2008 bis 2012 (abgeschlossen im Jahr 2015) aberkannt wurden, gebildet. Sich daraus ergebende etwaige Nachzahlungen wurden im Jahr 2018 als Rückstellung zugeführt. Der Rechtsansicht der Betriebsprüfung wurde somit bei der Berechnung des Steueraufwandes gefolgt, inhaltlich wird sie aber von der ERSTE Stiftung nicht geteilt und durch ein Rechtsmittel bekämpft. Die latenten Steuern beruhen auf temporären Differenzen im Bereich der Abgrenzung von sonstigen betrieblichen Erträgen, die nach § 29 EStG zu versteuern sind. Die Rückstellung für latente Steuern weist zum 31. 12. 2020 einen Buchwert in Höhe von EUR 17.725,40 (Vorjahr: EUR 82,94) aus. 4.18 Sonstige Rückstellungen

Steuerrückstellung Personalrückstellungen Prüfungskosten Sachaufwand

EUR

EUR

EUR

EUR

EUR

31. 12. 2019

Verbrauch

Auflösung

Dotationen

31. 12. 2020 329.978,40

312.335,94

0,00

0,00

17.642,46

0,00

0,00

0,00

58.117,00

58.117,00

13.000,00

12.213,50

786,50

13.000,00

13.000,00

192.085,27

94.281,52

17.803,75

206.000,00

286.000,00

517.421,21

106.495,02

18.590,25

294.759,46

687.095,40

4.19 Aufgliederung der Kapital- und Gewinnrücklagen In den Kapitalrücklagen ist die gebundene Kapitalrücklage im Zuge der formwechselnden Umwandlung im Jahr 2003 dotiert worden. Diese Kapitalrücklage resultiert aus den ursprünglich der Privatstiftung gewidmeten Vermögensgegenständen und ist gemäß § 27a Abs. 4 Z 4 des SpG grundsätzlich zu erhalten. Sie kann zur Deckung von im Zusammenhang mit den ursprünglich gewidmeten Vermögensgegenständen entstehenden Veräußerungsverlusten oder der Ertrag­steuer auf Umwandlungsoder Veräußerungsgewinne auf dieselben Vermögensgegenstände geschmälert werden. 4.20 Sonstige außerbilanzielle Geschäfte Es bestehen keine nicht in der Bilanz und auch nicht gemäß § 237 Abs. 1 Z 2 UGB anzugebenden außerbilanziellen Geschäfte, welche für die Beurteilung der Finanzlage der Gesellschaft notwendig sind.

121


5 Kapitalflussrechnung

Jahresfehlbetrag/Jahresüberschuss

2020 EUR

2019 EUR

-10.542.437,70

56.147.089,25

Gewinne/Verluste aus Wertpapieren

0,00

12.116,61

+

Wertberichtigungen auf Forderung an Kunden

0,00

0,00

+

Wertberichtigungen auf Finanzanlagevermögen

516.800,00

134.248,57

+/-

+

Abschreibung (operativ)

155.636,02

140.265,70

+

Zunahme der langfristigen Rückstellungen

0,00

0,00

+

Steueraufwand

0,00

0,00

=

Geldflüsse aus operativer Tätigkeit

-9.870.001,68

56.433.720,13

-466.661,33

-91.368,27

-1.222.909,48

1.995.155,80

+/-

Zunahme/Abnahme der Vorräte, der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie anderer Aktiva

+/-

Zunahme/Abnahme der Verbindlichkeiten (ohne Bank- und Wechselverbindlichkeiten) sowie anderer Passiva

+/-

Zunahme/Abnahme der kurzfristigen Rückstellungen

=

Mittelzufluss/Mittelabfluss aus der laufenden Geschäftstätigkeit

-

Auszahlungen für Investitionen in das Anlagevermögen

-

Investition Aktien und andere nicht festverzinsliche Wertpapiere

+/-

Kauf/Verkauf bzw. Einbringung von EGB-Aktien Einbringung Sparkassen Beteiligungs GmbH & Co KG Kauf/Verkauf von EBG-Aktien

169.674,19

-45.389,24

-11.389.898,30

58.292.118,42

-158.029,02

-160.100,70

0,00

2.500.000,00

13.240.000,00

-8.382.354,58

13.240.000,00

6.630.000,00

0,00

-15.012.354,58

0,00

-102.900,00

Gewinne aus dem Verkauf von EBG-Aktien +

Investitionen in Beteiligungen Erste Social Finance Holding GmbH (vormals good.bee Holding GmbH) Fund of Excellence Förderungs GmbH

+/-

Investitionen in Anteile an verbundenen Unternehmen

0,00

-102.900,00

-13.775.000,00

-6.630.000,00

-13.240.000,00

-6.630.000,00

Sparkassen Beteiligungs GmbH Sparkassen Beteiligungs GmbH & Co KG Two Next GmbH =

Mittelzufluss/Mittelabfluss aus der Investitionstätigkeit

-693.029,02

-12.775.355,28

20.000.000,00

-25.000.000,00

0,00

-30.000.000,00

Mittelzufluss/Mittelabfluss aus der Finanzierungstätigkeit

20.000.000,00

-55.000.000,00

Zuwendungen

-5.412.073,47

-7.716.787,95

2.504.999,21

-17.200.024,81

8.181.238,93

25.381.263,74

+/-

Einzahlung/Auszahlungen aus der Tilgung/Aufnahme von Bankverbindlichkeiten

+/-

verbriefte Verbindlichkeiten

=

-535.000,00

Zahlungswirksame Veränderung des Finanzmittelbestandes -

Stand der flüssigen Mittel am Anfang der Periode

+

Stand der flüssigen Mittel am Ende der Periode Gesamtveränderung des Finanzmittelbestandes

10.686.238,14

8.181.238,93

2.504.999,21

-17.200.024,81

6 Angaben zur Gewinn-und-Verlust-Rechnung 6.1

Zinsen und ähnliche Erträge

Die Zinserträge in Höhe von EUR 299.774,26 (Vorjahr: TEUR 372) resultieren im Wesentlichen aus den Erträgen aus festverzinslichen Wertpapieren. 6.2 Zinsen und ähnliche Aufwendungen Die Zinsaufwendungen betragen insgesamt EUR 6.257.519,47 (Vorjahr: TEUR 6.387) und betreffen zur Gänze Zinsaufwände für Kreditaufnahmen bei Kreditinstituten und für die emittierten Anleihen.

122


6.3 Erträge aus Wertpapieren und Beteiligungen Die Erste Group Bank AG hat aufgrund der Empfehlung der EZB, keine Dividendenausschüttungen vorzunehmen (EZB 2020/35), keine Ausschüttung im Jahr 2020 vorgenommen. Im Vorjahr beliefen sich die Dividendenerträge aus den direkt gehaltenen Anteilen auf TEUR 38.097 (EUR 1,4 pro Aktie) und den indirekt gehaltenen Anteilen durch die Beteiligung an der Sparkassen Beteiligungs GmbH & Co KG auf TEUR 29.400. 6.4 Aufwendungen für den Abschlussprüfer Die Aufwendungen für den Abschlussprüfer betrugen für die Prüfung des Jahresabschlusses 2019 EUR 12.213,50 (Vorjahr: TEUR 11). Für das Geschäftsjahr 2020 wurden EUR 13.000,00 rückgestellt (Vorjahr: TEUR 13). Andere Leistungen wurden nicht erbracht. 6.5 Rücklagenzuführung Der Jahresfehlbetrag von EUR 10.542.437,70 (Vorjahr: Jahresüberschuss: TEUR 56.147) wurde im Jahresabschluss zur Gänze durch Rücklagen gedeckt. 6.6 Entwicklung des Stiftungsvermögens 31. 12. 2020 Gebundenes Widmungskapital per 1. 4. 2003 Gebundene Gewinnrücklage per 31.1 2. 2019 (bzw. 2018)

31. 12. 2019

EUR

TEUR

79.147.249,86

79.147

72.508.808,00

72.509

zuzüglich Dotierungen 2003 bis 2019 (bzw. 2018)

396.401.858,93

340.255

abzüglich Zuwendungen 2005 bis 2019 (bzw. 2018)

- 97.765.224,13

- 91.209

Stiftungsvermögen per 1. 1.

450.292.696,66

400.702

- 5.813.378,19

- 6.556

abzüglich Zuwendungen 2020 (bzw. 2019) zuzüglich Auflösung 2020 (bzw. Dotierung 2019)

- 10.542.437,70

56.147

Stiftungsvermögen per 31. 12.

433.936.876,77

450.293

davon gebundene Rücklage per 31. 12. :

224.375.507,09

224.376

davon freie Rücklage per 31. 12:

209.561.369,68

225.917

Zum Bilanzstichtag 31. 12. 2020 beträgt das buchmäßige Vermögen der ERSTE Stiftung, wie oben ersichtlich, ohne stille Reserven bzw. stille Lasten EUR 433.936.876,77 (Vorjahr: TEUR 450.293). Diese Veränderung des Stiftungsvermögens resultiert einerseits aus der Auflösung der freien Rücklagen für den Jahresfehlbetrag 2020 in Höhe von EUR 10.542.437,70 und andererseits aus der Rücklagenverwendung durch Zuwendungen an Begünstige gemäß § 3 der Stiftungserklärung in Höhe von EUR 5.813.378,19.

7 Ereignisse nach dem Abschlussstichtag Im ersten Quartal 2021 wurden die Verhandlungen über eine teilweise Verlängerung der bestehenden, im Jahr 2022 fälligen Refinanzierung der Stiftung bis in das Jahr 2027 erfolgreich abgeschlossen.

8 Liquidität Aufgrund der Empfehlung der EZB, keine Dividendenausschüttungen vorzunehmen (EZB 2020/35), wurden im Jahr 2020 keine Dividendenerträge durch die Erste Group Bank AG vereinnahmt. Es wurde daher ein Kredit in Höhe von EUR 20 Mio. mit einer Laufzeit von einem Jahr bei einer österreichischen Großbank aufgenommen. In einer überarbeiteten Empfehlung der EZB vom 15. Dezember 2020 hat diese nun alle Banken aufgefordert, von Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufen bis 30. September 2021 abzusehen oder solche Ausschüttungen zu begrenzen. Damit wird die bislang geltende Empfehlung ECB/2020/35 ersetzt. Es soll maximal der niedrigere Betrag aus 15 % des kumulierten Gewinns für 2019 und 2020 oder ein Betrag von 20 Basispunkten der CET1-Quote ausgeschüttet werden. Die Erste Group Bank AG hat daher entsprechend dieser Empfehlung angekündigt, der Hauptversammlung eine Dividende in Höhe von max. EUR 0,50 pro Aktie vorzuschlagen. 123


Die ERSTE Stiftung konnte in den letzten Jahren aufgrund der erfolgten Ausschüttungen freie Rücklagen von über EUR 200 Mio. aufbauen. Die geplanten und bereits zugesagten Zuwendungen an Begünstigte können daher wie geplant ausgeschüttet werden. Zur Sicherstellung von ausreichender Liquidität steht der Stiftung ein jederzeit ausnutzbarer Rahmenkredit einer österreichischen Großbank von bis zu EUR 35 Mio. zur Verfügung. Es ist somit das gesamte Geschäftsjahr 2021 ausreichend Liquidität vorhanden, um sämtliche Verbindlichkeiten zu bedienen und die geplanten Aktivitäten durchzuführen.

9 Angaben zu Organen und Arbeitnehmern 9.1 Anzahl der Arbeitnehmer Die durchschnittliche Anzahl der Arbeitnehmer betrug 18,5 Angestellte (Vorjahr: 15,68). Insgesamt sind dies 24 Arbeitnehmer (Vorjahr: 20). Davon waren in anderen Unternehmen gegen Ersatz der Aufwendungen 3 Angestellte (Vorjahr: 0) tätig. Der Kostenersatz wurde in der GuV 8 ausgewiesen. 9.2 Kredite an Vorstand und Aufsichtsrat An die Mitglieder des Vorstands bzw. Aufsichtsrats hafteten keine Kredite oder Vorschüsse aus. 9.3 Organbezüge Entsprechend § 13 Stiftungserklärung erhalten die Mitglieder des Stiftungsvorstands für ihre Tätigkeit eine mit ihren Aufgaben und mit der Lage der ERSTE Stiftung in Einklang stehende, vom Aufsichtsrat festzulegende Vergütung, es sei denn, das Mitglied des Stiftungsvorstands erhält regelmäßige Bezüge von der Erste Group Bank AG oder einer von ihr beherrschten Gesellschaft. Die Gesamtbezüge der Mitglieder des Vorstands beliefen sich auf EUR 309.038,97 (Vorjahr: TEUR 197). An ehemalige Mitglieder des Vorstands und deren Hinterbliebene wurden keine Bezüge verausgabt. An die Mitglieder des Aufsichtsrats wurde für das Jahr 2019 keine Vergütung ausbezahlt (Vorjahr: TEUR 78). Für das Jahr 2019 und 2020 besteht eine Rückstellung in Höhe von EUR 190.000,00 (Vorjahr: TEUR 80). 9.4 Namen der Organmitglieder Folgende Personen waren als Mitglieder des Vorstands tätig: Mag. Dr. Mario Catasta, Vorsitzender des Vorstands Mag. Boris Marte, stellvertretender Vorsitzender des Vorstands Mag. Franz Portisch Dr. med. Eva Höltl ab 1. 4. 2020 Folgende Personen waren als Mitglieder des Aufsichtsrats tätig: Mag. Andreas Treichl, Vorsitzender des Aufsichtsrats Dr. Manfred Wimmer, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats GD Dr. Johanna Rachinger Mag. Bettina Breitender Ilse Fetik Barbara Pichler Dipl.-Ing. Maximilian Hardegg Dr. Markus Trauttmansdorff Dr. Peter Pichler bis 8. 11. 2020 Mag. Philipp Thurn und Taxis ab 1. 12. 2020 Die Vereinsversammlung bestand aus 112 Mitgliedern (Vorjahr: 117) und 36 Ehrenmitgliedern (Vorjahr: 35). Vereinsvorsteher: Mag. Andreas Treichl ab 1. 7. 2020 Geschäftsführender Vereinsvorsteher: Dipl.-Ing. Maximilian Hardegg bis 30. 6. 2020 124


LAGEBERICHT 2020 1 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen Covid-19 löste 2020 die seit Jahrzehnten stärkste globale Rezession aus. Die pandemiebedingte Krise mit dramatischen Auswirkungen auf Industrie- und Schwellenländer hatte einen beispiellosen Konjunktureinbruch zur Folge. In mehr als 85 % aller Staaten sank die Wirtschaftsleistung. Zum Schutz der Menschen und der nationalen Gesundheitssysteme, der Wirtschaft und des Finanzsystems wurden seitens der Politik außerordentliche Maßnahmen ergriffen. Um eine unkontrollierte Ausbreitung des Virus zu verhindern, verfügten die meisten Staaten im ersten Halbjahr einen strengen Lockdown, auf den im letzten Quartal des Jahrs angesichts der im Herbst und Winter wieder gestiegenen Infektionsraten weitere Lockdowns folgten. Zur Begrenzung des unmittelbaren wirtschaftlichen Schadens setzten die Regierungen auf Maßnahmen wie staatlich garantierte Kredite, Zahlungsaufschübe für Privatpersonen und Unternehmen sowie Unterstützungsleistungen aus Härtefonds. Weltweit lockerten Zentralbanken ihre Geldpolitik und weiteten in den G10-Ländern ihre Bilanzen um nahezu EUR 6,5 Billionen1 aus. Mehr als 20 Schwellenländer-Zentralbanken führten erstmals Anleihenkäufe durch. Darüber hinaus wurden durch finanzpolitische Maßnahmen Privathaushalte und Unternehmen weltweit mit insgesamt EUR 10,5 Billionen2 unterstützt. In den meisten Ländern brach die Wirtschaftstätigkeit stark ein. Mit einem Rückgang des realen BIP um 3,4 %3 bewältigten die Vereinigten Staaten die Krise besser als Japan oder die Europäische Union. Bedeutende europäische Volkswirtschaften wie Italien und Frankreich verzeichneten einen Rückgang des BIP im zweistelligen Prozentbereich. Von den Schwellen- und Entwicklungsregionen entwickelte sich China besser als andere große Volkswirtschaften. Nach einem Einbruch im ersten Quartal 2020 erholte sich die chinesische Wirtschaft nach der Lockerung des ersten Lockdowns stärker als jene der meisten anderen Länder. Insgesamt legte das BIP in China um 2,3 %4 zu. Alle anderen großen Schwellenländer wie Indien, Brasilien, Russland oder die Türkei mussten deutliche Einbußen hinnehmen. Besonders schwer betroffen war die Wirtschaft Indiens, die die erste Rezession seit 40 Jahren erlebte. Die russische Wirtschaft litt neben der Covid-19-Krise zusätzlich unter den niedrigen Ölpreisen. Die Volkswirtschaften Zentral- und Osteuropas wurden von der durch das Virus ausgelösten Krise ähnlich stark in Mitleidenschaft gezogen. Insgesamt ging das reale BIP weltweit um 3,54 %5 zurück. In den Vereinigten Staaten stand die wirtschaftliche Entwicklung vor allem im Zeichen von Covid-19, den zunehmenden Spannungen zwischen den USA und China und den im November abgehaltenen Präsidentschaftswahlen. Im April und Mai sackte die Wirtschaftsleistung aufgrund der Coronaviruskrise ab, was die Arbeitslosenquote vorübergehend deutlich ansteigen ließ. Im April erreichte sie mit über 14 % ihren Höchstwert6. Dank der robusten Inlandsnachfrage, des anziehenden Arbeitsmarktes, einer sehr lockeren Geldpolitik und starker finanzpolitischer Impulse setzte jedoch rasch wieder eine wirtschaftliche Erholung ein. Zum Jahresende lag die Arbeitslosenquote bei 6,7 %7. Die Kerninflation blieb unter dem Zielwert der US-Zentralbank (Fed) von 2 %. Im März 2020 senkte die Fed ihren Leitzins auf null und startete eine neue Runde quantitativer Lockerungen. Diese beinhalteten als Reaktion auf die nachlassende Konjunktur Käufe von Staatsanleihen und Hypothekenpapieren (MBS) im Volumen von USD 700 Mrd. Insgesamt schrumpfte die US-Wirtschaft 2020 um 3,4 %8. Auch im Euroraum war die Krise deutlich zu spüren. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung fiel mit 7,2 %9 markanter aus als in anderen entwickelten Regionen der Welt. Die aufgrund der Covid-19-Pandemie ergriffenen Maßnahmen – nationale Lockdowns, Schulschließungen und Einreisebeschränkungen – hatten schwerwiegende Verwerfungen des Wirtschaftslebens zur Folge. Besonders betroffen war der Tourismus, der während des Jahrs monatelang praktisch zur Gänze schließen musste. In Italien, Frankreich und Spanien, wo der Fremdenverkehr eine sehr bedeutende Rolle spielt, führte die verschlechterte Wirtschaftslage zu einem Rückgang des realen BIP im zweistelligen Bereich. Deutschland, die größte Volkswirtschaft der Eurozone, verzeichnete hingegen hauptsächlich dank des strikten Krisenmanagements und der stärkeren Produktionsleistung eine 1 2 3 4 5 6 7 8 9

I MF: https://www.imf.org/-/media/Files/Publications/GFSR/2020/October/English/foreword.ashx (Download am 19. Februar 2021, angewendeter Umrechnungskurs 1 EUR=1,147 USD IMF: https://www.imf.org/-/media/Files/Publications/GFSR/2020/October/English/foreword.ashx (Download am 19. Februar 2021, angewendeter Umrechnungskurs 1 EUR=1,147 USD) IMF: https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2021/01/26/2021-world-economic-outlook-update (Download am 19. Februar 2021) IMF: https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2021/01/26/2021-world-economic-outlook-update (Download am 19. Februar 2021) IMF: https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2021/01/26/2021-world-economic-outlook-update (Download am 19. Februar 2021) US Labor Statistics: https://www.bls.gov/news.release/pdf/empsit.pdf (Download am 19. Februar 2021), Seite 1 US Bureau of Labor Statistics: https://www.bls.gov/news.release/pdf/empsit.pdf (Download am 19. Februar 2021), Seite 9 IMF: https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2021/01/26/2021-world-economic-outlook-update (Download am 19. Februar 2021) IMF: https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2021/01/26/2021-world-economic-outlook-update (Download am 19. Februar 2021)

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deutlich bessere Entwicklung. Die Arbeitslosenquoten stiegen in den europäischen Ländern. In den meisten Staaten des Euroraums starteten die Regierungen umfangreiche Programme mit staatlichen Kreditgarantien, um den Unternehmen den Zugang zu Bankkrediten offen zu halten. Die Europäische Zentralbank (EZB) stellte ein neues Pandemie-Notfallankaufsprogramm (PEPP) vor, um einer Gefährdung der Transmission der Geldpolitik und dem negativen Ausblick für den Euroraum entgegenzuwirken. Das Programm mit einem Volumen von EUR 1,85 Billionen10 wurde bis März 2022 verlängert. Zusätzlich erhöhte die EZB ihre gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTROs, targeted longer-term refinancing operations), um den Kreditinstituten niedrig verzinste Kredite zur Verfügung stellen zu können. 388 Banken haben insgesamt EUR 1,7 Billionen11 in Anspruch genommen. Die EZB beließ ihren Diskontsatz bei null. Vor diesem Hintergrund musste auch die österreichische Wirtschaft schwere Einbußen hinnehmen. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und der Lockdown im Frühjahr führten zu einem starken Einbruch des Privatkonsums und damit zu einem Rückgang des BIP. Auch die Investitionstätigkeit sank deutlich. Im dritten Quartal setzte ein starker wirtschaftlicher Aufschwung ein. Die Lockerung der Reisebeschränkungen, insbesondere aber ein überdurchschnittlich guter Inlandstourismus im Sommer führten zu einer teilweisen Erholung des wirtschaftlich bedeutenden Tourismussektors. Die Zahl der Übernachtungen lag im Juli und August um 15 % unter dem Niveau von 2019, nachdem im Mai und Juni ein Minus von 60 % bis 90 % zu verzeichnen war. Die Arbeitslosenquote stieg im ersten Halbjahr deutlich und lag im Juni bei 6,2 %, für das Gesamtjahr 2020 bei durchschnittlich 5,3 %12. Kurzarbeitsregelungen halfen die Auswirkungen des Wirtschaftsabschwungs auf den Arbeitsmarkt abzumildern. Die durch Covid-19 ausgelöste Krise hat die günstige Entwicklung der österreichischen Staatsfinanzen abrupt beendet. Im März wurde der Covid-19-Krisenbewältigungsfonds aufgelegt, aus dem finanzielle Unterstützung etwa zur Stärkung des Gesundheitswesens, zur Subventionierung von Fixkosten und für Kurzarbeit geleistet wurde. Steuerstundungen und staatliche Garantien für Kredite trugen ebenfalls dazu bei, Liquiditätsengpässe von Unternehmen zu vermeiden. Das gesamtstaatliche Defizit belief sich auf 8,9 %13 des BIP. Die Staatsverschuldung in Prozent des BIP erhöhte sich deutlich auf 84,4 %14. Infolge des starken Wirtschaftsabschwungs und des Rückgangs der Energiepreise sank die Inflation von über 2 % zu Beginn des Jahrs auf 1,2 %15 zum Jahresende. Insgesamt lag die Inflation 2020 bei durchschnittlich 1,4 %16. Das reale BIP verringerte sich um 7,2 %17, das BIP pro Kopf reduzierte sich zum Jahresende auf EUR 42.00018. Auch in Zentral- und Osteuropa war die wirtschaftliche Lage herausfordernd. Der Konsum und Investitionstätigkeiten gingen deutlich zurück, Exporte und Importe schrumpften im zweistelligen Prozentbereich. Der hohe Anteil der Sachgütererzeugung und der Exporte in den Ländern Zentralund Osteuropas hatte wesentlich zur Talfahrt der Wirtschaft während der Lockdowns im Frühjahr beigetragen. Nach einem beispiellosen Rückgang der Wirtschaftstätigkeit erlebte die CEE-Region eine sehr rasche wirtschaftliche Erholung. Die zweite Welle an Lockdowns beeinträchtigte die Volkswirtschaften der Region dank der Widerstandsfähigkeit der Industrieproduktion in einem deutlich geringeren Ausmaß. Das war darauf zurückzuführen, dass die Produktionstätigkeit nicht eingestellt wurde und die ausländische Nachfrage stark blieb. Am besten entwickelte sich Serbien, dessen BIP 2020 nur moderat sank. In Kroatien brach das BIP aufgrund der hohen Abhängigkeit des Landes vom Tourismus am stärksten ein. Die Arbeitslosenquoten stiegen in CEE, blieben im Vergleich mit vielen westeuropäischen Ländern aber niedrig. Die Arbeitsmärkte profitierten auch hier insbesondere von staatlichen Unterstützungsprogrammen und der vielfach genutzten Kurzarbeit. Aufgrund niedrigerer Einnahmen und höherer Ausgaben weiteten sich die staatlichen Defizite in der Region aus. Die CEE-Währungen blieben das gesamte Jahr hindurch schwach, wobei der ungarische Forint immer wieder nahe seinen Tiefstständen war. Trotz der Währungseffekte blieb die Inflation relativ moderat. Zahlreiche Zentralbanken der Region senkten im Lauf des Jahres ihre Leitzinsen. Die stärksten Zinssenkungen führte die Tschechische Nationalbank durch. Ungarn, Rumänien und Serbien

10 11 12 13 14 15 16 17 18

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ECB: https://www.ecb.europa.eu/mopo/implement/pepp/html/index.en.html (Download am 19. Februar 2021) Euromoney: https://www.euromoney.com/article/280nvn47uuu2gasjb5534/banking/european-banks-head-for-a-funding-cliff-thanks-to-tltro-iii (Download am 19. Februar 2021) Statistik Austria: http://www.statistik.at/wcm/idc/idcplg?IdcService=GET_PDF_FILE&RevisionSelectionMethod=LatestReleased&dDocName=055370 (Download am 19. Februar 2021) OeNB: https://www.oenb.at/dam/jcr:370f2792-c563-4471-93d7-f6530d6c29e0/facts-on-austria_oct-2020.pdf (Download am 19. Februar 2021), Seite 4 OeNB: https://www.oenb.at/dam/jcr:370f2792-c563-4471-93d7-f6530d6c29e0/facts-on-austria_oct-2020.pdf (Download am 19. Februar 2021), Seite 4 Statistik Austria: http://www.statistik.at/wcm/idc/idcplg?IdcService=GET_PDF_FILE&RevisionSelectionMethod=LatestReleased&dDocName=022832 (Download am 19. Februar 2021) Statistik Austria: http://www.statistik.at/wcm/idc/idcplg?IdcService=GET_PDF_FILE&RevisionSelectionMethod=LatestReleased&dDocName=022832 (Download am 19. Februar 2021), Seite 4 OeNB: https://www.oenb.at/dam/jcr:370f2792-c563-4471-93d7-f6530d6c29e0/facts-on-austria_oct-2020.pdf (Download am 19. Februar 2021), Seite 4 OeNB: https://www.oenb.at/dam/jcr:370f2792-c563-4471-93d7-f6530d6c29e0/facts-on-austria_oct-2020.pdf (Download am 19. Februar 2021) und Statistik Austria: https://statcube.at/statistik.at/ext/statcube/jsf/tableView/tableView.xhtml (Download am 19. Februar 2021)


reduzierten ebenfalls ihre Leitzinsen. Insgesamt schrumpften die Volkswirtschaften der CEE-Region 2020 zwischen 8,8 %19 in Kroatien und 1,1 %20 in Serbien.

2 Stiftungszweck: gemeinnützige Tätigkeit Die ERSTE Stiftung ist im Jahr 2003 aus der Ersten Österreichischen Spar-Casse Anteilsverwaltung hervorgegangen, dem Rechtsnachfolger der Ersten Österreichischen Spar-Casse. 1819 eröffnete dieser Sparkassenverein in Wien die erste Bank für Menschen, die bisher keine Möglichkeit hatten, selbst für ihre Zukunft vorzusorgen. Von den Gründern hat die Stiftung den Einsatz für die Menschen geerbt. Die ERSTE Stiftung investiert Teile ihrer Dividende in die Region, in der die Erste Group tätig ist. Ihre Ziele sind die Unterstützung jener, die sich um gesellschaftlich benachteiligte Gruppen kümmern, finanzielle Gesundheit für alle, die Bewahrung der Demokratie in Europa und die Schaffung von Freiräumen für zeitgenössische Kultur. Die Stiftung agiert dabei als innovativer Motor, vernetzt Stakeholder und unterstützt Wissensvermittlung in den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas unter der Prämisse, dass möglichst viele Menschen an der öffentlichen Debatte über den richtigen Kurs für notwendige gesellschaftliche Veränderungen teilnehmen und Argumente allen verständlich sein sollen. Die Stiftung stärkt Initiativen für den Wandel und trägt zur Weiterentwicklung der Zivilgesellschaft und zum Fortschritt in der Region bei. Als Hauptaktionärin der Erste Group schützt sie deren Aktionärsstruktur und gewährleistet damit auch, dass das Stiftungsvermögen in ausreichendem Maße für ihre Förderziele zur Verfügung steht. Das Jahr 2020 war ab März von den Auswirkungen der Coronapandemie geprägt. Die Arbeit der Stiftung war davon in mehrfacher Hinsicht stark betroffen. Viele Projekte konnten ihre Programme nicht wie geplant durchführen. So wurden zum Beispiel Kulturstätten in vielen europäischen Ländern über Monate geschlossen, um Infektionszahlen in der Bevölkerung zu senken. KünstlerInnen, ProjektmanagerInnen, JournalistInnen und andere an Programmen beteiligte Personen konnten nur sehr eingeschränkt reisen. Konferenzen, Ausstellungen, Seminare und ähnliche Veranstaltungen konnten gar nicht oder nur online stattfinden. Gleichzeitig war der NGO-Sektor von ähnlichen wirtschaftlichen Problemen betroffen wie der For-Profit-Bereich, bekam aber in etlichen Ländern wesentlich weniger oder keine staatlichen Ausgleichshilfen angeboten. Im sozialen Bereich verschärften sich Ungleichheit, prekäre Lebensverhältnisse, die Ursachen für Bildungsarmut etc. Das heißt, dass die Bedürfnisse von (potenziellen) KlientInnen bei viele NGOs gewachsen sind. Als direkte Reaktion auf diese Lage hat die Stiftung noch im Frühjahr 2020 drei Maßnahmen umgesetzt, die speziell auf Akteure der Zivilgesellschaft während der Pandemie zugeschnitten waren. Im April 2020 setzte die ERSTE Stiftung den CEE Solidarity Fund als unbürokratischen Härtefallfonds für kleine bis mittelgroße NPOs in Mittel- und Südosteuropa auf. Weiters stellte eine umfassende Social-Banking-Initiative der Erste Group und ERSTE Stiftung insgesamt rund 25 Millionen Euro an Liquidität für gemeinnützige Organisationen in Kroatien, Österreich, Rumänien, Serbien, der Slowakei, Tschechien und Ungarn zur Verfügung. Die Erste Group ermöglichte dabei über ihre Tochterbanken besonders vorteilhafte Kredite zur Liquiditätsüberbrückung. Die ERSTE Stiftung übernahm die für das Jahr 2020 fälligen Zinszahlungen. Reporting Democracy (RD) ist eine von der ERSTE Stiftung finanzierte, grenzüberschreitende journalistische Plattform, die sich der Frage widmet, wohin sich die Demokratie in weiten Teilen Europas entwickelt. Im April 2020 rief RD dazu auf, Artikel einzureichen, die zeigen, wie die Pandemie Politik und Gesellschaft in Mittel-, Ost- und Südosteuropa verändert. UnterstützerInnen unterstützen In der NGO Academy wurde 2020 ein neues Programm konzipiert: Der Professional Master Social Innovation & Management wird an der Executive Academy der Wirtschaftsuniversität Wien verankert. Er wird eng mit den Programmen und Inhalten der NGO Academy verknüpft sein und ermöglicht den TeilnehmerInnen erstmals einen universitären Abschluss. Damit wird die NGO Academy ab 2021 neben dem niederschwelligen Regional-Programm und dem Social-Innovation-and-ManagementProgramm ein weiteres Weiterbildungsformat für den dritten Sektor anbieten. Aufbauend auf den Erfahrungen der vergangenen vier Jahre hat die ERSTE Stiftung 2020 Two Next ins Leben gerufen. Die GmbH bietet gemeinnützigen Organisationen Zugang zu Lernerfahrungen, um digitale Produkte 19 20

uropäische Kommission: https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/NAMQ_10_GDP__custom_589433/default/table?lang=en E (Download am 19. Februar 2019), Berechnung auf Basis Q1-Q3 2020 Zahlen Statistical Office of the Republic of Serbia: https://www.stat.gov.rs/en-US/vesti/20201230-ekonomska-kretanja-2020 (Download am 19. Februar 2021)

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und Services anzubieten, und initiiert so in engen Kooperationen digitale Lösungsansätze für relevante gesellschaftliche Problemstellungen. Der Fokus ist dabei auf die Bereiche Pflege und pflegende Angehörige sowie finanzielle Inklusion gerichtet. Finanzielle Gesundheit für alle Die drastischen Maßnahmen vieler europäischer Regierungen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus haben sowohl die Bedeutung von physischer und mentaler Gesundheit wie auch finanzieller Gesundheit zum Thema Nummer eins der Politik und der öffentlichen Debatte werden lassen. Die dank Projekten wie der Zweite Sparkasse, des Erste Financial Lifeparks und verschiedener Social-Banking-Projekte großen Erfahrungen der ERSTE Stiftung flossen in das Vorhaben ein, Wirtschaftsbildung als zentralen Bildungsinhalt in Österreich zu verankern. Um dies zu erreichen, wurde am 15. Dezember 2020 die Stiftung für Wirtschaftsbildung gegründet. In einem noch nie dagewesenen Schulterschluss mobilisierten und bündelten die Arbeiterkammer, die ERSTE Stiftung, die Industriellenvereinigung, die Innovationsstiftung für Bildung, die MEGA Bildungsstiftung, die Oesterreichische Nationalbank sowie die Wirtschaftskammer Österreich ihre Ressourcen zur Stärkung einer breiten wirtschaftlichen Allgemeinbildung in Österreich. Ein demokratisches Europa bewahren Europe’s Futures, eine Kooperation mit dem Institut für die Wissenschaften vom Menschen zur Erforschung der wichtigsten Risiken und Probleme, vor denen Europa und seine liberale demokratische Ordnung stehen, hat 2020 die dritte Generation StipendtiatInnen begrüßt. Gerald Knaus, Stipendiat des ersten Jahrgangs, stellte im Herbst sein Buch Welche Grenzen wollen wir? den Medien in der ERSTE Stiftung und persönlich Bundespräsident Alexander van der Bellen vor. Die internationale Stiftungsinitiative für Demokratie und Solidarität in Europa, Civitates, an der die ERSTE Stiftung von Beginn an beteiligt ist, hat die erste Ausschreibung ihres dritten und vorerst letzten Subfonds zur Unterstützung von „Public Interest Journalism“ erfolgreich abgeschlossen. Freiräume für zeitgenössische Kultur Der Igor Zabel Award for Culture and Theory wurde 2020 zum siebten Mal vergeben. Die Preisverleihung fand in Ljubljana statt, das Publikum war online zugeschaltet. Der Preis ging an Zdenka Badovinac, die langjährige Direktorin der Moderna Galerija in Ljubljana. In Prag fand mit großen, pandemiebedingten Einschränkungen die erste Biennale Ve věci umění/Matter of Art statt, die von tranzit.cz organisiert wurde. Zum Jahreswechsel folgten zwei KünstlerInnen und zwei Kuratorinnen aus dem von Demonstrationen gegen die Regierung erschütterten Minsk der Einladung von ERSTE Stiftung und tranzit.at und verbrachten zwei Monate in Wien dank des kurzfristig aufgelegten Residency-Programms Solidarity Belarus.

3 Finanzinstrumente und Risikomanagementziele Die für die ERSTE Stiftung relevanten Risiken aus Finanzinstrumenten sind: Das Kursrisiko aus der Beteiligung an der Erste Group Bank AG: Im Stiftungszweck ist das Halten einer qualifizierten Beteiligung an der Erste Group Bank AG definiert. Der wesentliche Vermögenswert der ERSTE Stiftung wird durch die Beteiligung an der Erste Group Bank AG repräsentiert. Daraus besteht eine ertragsmäßige Abhängigkeit von den Dividendenerträgen der Erste Group Bank AG und damit einhergehendes Risiko in fehlenden Ausschüttungen. Dieses Risiko hat sich im Geschäftsjahr 2020 verwirklicht, da aufgrund der Empfehlung der EZB an Kreditinstitute zu Dividendenausschüttungen keine Dividende an die Privatstiftung ausgeschüttet wurde. Das Zinsänderungsrisiko aus aufgenommenen Krediten und begebenen Anleihen: Sämtliche begebenen Anleihen sind fix verzinst. Die übrigen Refinanzierungen in Form von Krediten haben eine Laufzeit von maximal einem Jahr. Das Liquiditätsrisiko: Die Zinszahlungen für aufgenommene Verbindlichkeiten sowie deren Tilgung sollen langfristig durch den Dividendenertrag aus der Beteiligung an der Erste Group Bank AG finanziert werden. Für die Überbrückung allfälliger kurzfristiger Liquiditätsengpässe bis zur Zahlung einer Dividende steht ein ausreichender Rahmen in Form einer Barvorlage zur Verfügung. Es besteht kein Fremdwährungsrisiko und kein Ausfallrisiko aus Forderungen.

128


4 Bilanzentwicklung Das sich aus der Umwandlungsbilanz der „DIE ERSTE österreichische Spar-Casse Anteilsverwaltungssparkasse“ ergebende Vermögen bleibt der ERSTE Stiftung auf Dauer gewidmet und ist dieser zu erhalten. Begünstigungen dürfen nur aus Erträgen der ERSTE Stiftung zugewendet werden. Das Vermögen resultiert im Wesentlichen aus den Dividendenerträgen der Beteiligung an der Erste Group Bank AG.

4.1

BILANZ

Die Bilanzsumme hat sich im Berichtsjahr um TEUR 2.992 von TEUR 660.967 auf TEUR 663.959 erhöht.

4.1.1 AKTIVA Forderungen an Kreditinstitute Das Giroguthaben von TEUR 10.686 (Vorjahr: TEUR 8.181) wird bei der Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG gehalten. Forderungen an Kunden Im Jahr 2020 wurde der Erste Social Finance Holding GmbH, mit der ein Beteiligungsverhältnis besteht, für die Durchführung des vom Sozialministerium vergebenen „Social Impact Bond – Perspektive: DIGITALISIERUNG“ ein Darlehen in Höhe von TEUR 306 (inklusive Zinsabgrenzungen) (Vorjahr: TEUR 0) gewährt. Wertpapiere Dieser Posten in Höhe von TEUR 6.634 (Vorjahr: TEUR 6.634) enthält Schuldverschreibungen (Veranlagung) der Erste Group Bank AG. Beteiligungen Diese Position verringert sich um TEUR 13.257 und steht mit TEUR 313.159 (Vorjahr: TEUR 326.415) zu Buche. Dieser Effekt lässt sich durch die Bewertungen an der Fund of Excellence Förderungs GmbH sowie der Einbringung von 2 Mio. Stück Erste Group Bank-Aktien in die Sparkassen Beteiligungs GmbH & Co KG erklären. Die ERSTE Stiftung hält zum Bilanzstichtag direkt 25.361.956 Stück Aktien (Vorjahr: 27.361.956 Stück) an der Erste Group Bank AG mit einem Buchwert von TEUR 311.354 (Vorjahr: TEUR 324.594). Gemeinsam mit den Syndikatspartnern und der Sparkassen Beteiligungs GmbH & Co KG kontrollierte die Stiftung direkt und indirekt 31,16 % (Vorjahr: 30,39 %) am Grundkapital der Erste Group Bank AG. Der durchschnittliche Buchwert pro Aktie der direkt gehaltenen Anteile errechnet sich auf EUR 12,28 pro Aktie (Vorjahr: EUR 11,86). Die Beteiligungsposition beinhaltet des Weiteren die Beteiligung an der Erste Social Finance Holding GmbH (Anteil 40 %), deren Buchwert mit TEUR 1.804 (Vorjahr: TEUR 1.804) zu Buche steht, und der Beteiligung an der Fund of Excellence Förderungs GmbH (Anteil 42 %) mit einem Buchwert von TEUR 0 (Vorjahr: TEUR 17). Anteile an verbundenen Unternehmen Die ERSTE Stiftung hat in die Sparkassen Beteiligungs GmbH & Co KG 23 Mio. Stück (Vorjahr: 21 Mio. Stück) ihrer Erste Group Bank-Aktien bzw. 5,35 % (vormals 4,89 %) am Grundkapital der Erste Group Bank AG eingelegt, welche mit TEUR 327.560 (Vorjahr: TEUR 314.320) zu Buche stehen. Des Weiteren enthält diese Position Anteile an der Sparkassen Beteiligungs GmbH mit einem Buchwert von TEUR 35 (Vorjahr: TEUR 35) sowie an der Two Next GmbH mit einem Buchwert von TEUR 35 (Vorjahr: TEUR 0), welche im Jahr 2020 von der ERSTE Stiftung neu gegründet wurde.

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Sonstige Vermögensgegenstände Dieser Posten in der Höhe von TEUR 4.848 (Vorjahr: TEUR 4.691) enthält hauptsächlich Forderungen gegenüber dem Finanzamt, die im Wesentlichen aus dem Evidenzkonto der Zwischensteuer mit TEUR 3.996 (Vorjahr: TEUR 4.068) bestehen.

4.1.2 PASSIVA Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten Per 31. 12. 2020 weist dieser Posten einen Buchwert von TEUR 20.043 aus (Vorjahr: TEUR 0). Der jederzeit ausnutzbare Rahmenkredit einer österreichischen Großbank von bis zu TEUR 35.000 wurde im Frühjahr 2020 wieder auf ein weiteres Jahr verlängert. Ebenfalls in dieser Position ausgewiesen sind Zinsabgrenzungen in Höhe von TEUR 43. Verbriefte Verbindlichkeiten Der Stand dieser Bilanzposition ist unverändert gegenüber dem Vorjahr und weist einen Buchwert von TEUR 205.675 (Vorjahr: TEUR 205.675) auf. Ebenfalls in dieser Position ausgewiesen sind Zinsabgrenzungen in Höhe von TEUR 5.675. Sonstige Verbindlichkeiten Dieser Posten in der Höhe von TEUR 3.617 (Vorjahr: TEUR 4.482) enthält Verbindlichkeiten aus bereits zugesagten, jedoch noch nicht ausgezahlten Zuwendungen im Ausmaß von TEUR 3.362 (Vorjahr: TEUR 4.024) sowie sonstige TEUR 255 (Vorjahr: TEUR 458). Rückstellungen Rückstellungen von TEUR 687 (Vorjahr: TEUR 517) wurden für Steuern in Höhe von TEUR 330 (Vorjahr: TEUR 312) sowie Personal- und sonstige Aufwendungen in Höhe von TEUR 357 (Vorjahr: TEUR 205) gebildet. Rücklagen Das Stiftungsvermögen (Kapital- und Gewinnrücklagen) beläuft sich nach Zuwendungen an Begünstigte im Ausmaß von TEUR 5.813 (Vorjahr: TEUR 6.557) und nach Auflösung von Rücklagen für den Jahresfehlbetrag 2020 in Höhe von TEUR 10.542 (Vorjahr: Zuführung von Rücklagen: TEUR 56.147) per 31. 12. 2020 auf TEUR 433.937 (Vorjahr: TEUR 450.293). Die freie Rücklage beinhaltet dabei zum Bilanzstichtag EUR 3.015.886,41 noch nicht ausgenützte Mittel aus dem Zuwendungsbudget der Vorjahre. Diese stehen 2021 – zusätzlich zum laufenden Budget 2021 – für Zuwendungen zur Verfügung.

4.2 GEWINN-UND-VERLUST-RECHNUNG Im abgelaufenen Geschäftsjahr resultierten die wesentlichen Erträge der ERSTE Stiftung aus den Zinsen aus der Veranlagung des Stiftungsvermögens. Konkret wurden im Geschäftsjahr 2020 TEUR 299 an Zinserträgen erwirtschaftet. Die Erste Group Bank AG hat aufgrund der Empfehlung der EZB keine Dividendenausschüttungen im Jahr 2020 vorgenommen (Vorjahr: TEUR 67.497). Nettozinsertrag Die Position Nettozinsertrag weist einen Überhang der Zinsaufwendungen über die Zinserträge in Höhe von TEUR 5.958 (Vorjahr: TEUR 6.015) aus. Betriebserträge Dieser Posten (einschließlich des o. a. Nettozinsertrags) weist einen negativen Saldo in Höhe von insgesamt TEUR 5.993 (Vorjahr: positiv TEUR 61.436) auf. Betriebsaufwendungen Dieser Posten von TEUR 4.015 (Vorjahr: TEUR 5.143) setzt sich aus Personalaufwand in Höhe von TEUR 1.666 (Vorjahr: TEUR 1.472), dem Sachaufwand in Höhe von TEUR 2.194 (Vorjahr: TEUR 3.531) und Abschreibungen von TEUR 155 (Vorjahr: TEUR 140) zusammen.

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Wertberichtigungen auf Wertpapiere, die wie Finanzanlagen bewertet sind, sowie auf Beteiligungen und Anteile an verbundenen Unternehmen Dieser Posten weist ein Ergebnis von TEUR 517 (Vorjahr: TEUR 146) aufgrund der Abschreibung der Fund of Excellence Förderungs GmbH und der Two Next GmbH auf. Steuern Dieser Posten enthält Ertragsteuern in Höhe von TEUR 18 (Vorjahr: TEUR 0). Jahresfehlbetrag Zur Abdeckung des Jahresfehlbetrages von TEUR 10.542 wurden freie Gewinnrücklagen aufgelöst.

5 Ausblick auf 2021 und Ereignisse nach dem Bilanzstichtag Das Kernaktionärssyndikat, bestehend aus der ERSTE Stiftung, den Sparkassen und deren gemeinsamer Tochter, der Sparkassen Beteiligungs GmbH & Co KG, der Erste Mitarbeiterbeteiligung Privatstiftung sowie der CaixaBank S. A. und dem Wiener Städtischer Wechselseitiger Versicherungsverein, hat seinen Anteil an der Erste Group Bank AG durch weitere Einbringung von Erste Group-Aktien der Sparkassen und der ERSTE Stiftung in die Sparkassen Beteiligungs GmbH & Co KG auch 2020 leicht erhöht und beläuft sich nunmehr auf knapp über 30 %. Der überwiegende Teil der Verbindlichkeiten ist langfristig (Restlaufzeit 1 Jahr, Ursprungslaufzeit 5 Jahre); eine Verlängerung der Verbindlichkeit ist derzeit in Verhandlung. Aufgrund der weiterhin bestehenden Covid-19-Krise hat die EZB eine überarbeitete Empfehlung herausgebracht und dazu aufgefordert, Dividendenausschüttungen bis 30. September 2021 zu begrenzen. Es soll maximal der niedrigere Betrag aus 15 % des kumulierten Gewinns für 2019 und 2020 oder ein Betrag von 20 Basispunkten der CET1-Quote ausgeschüttet werden. Die Erste Group Bank AG hat angekündigt, die Dividende auf EUR 0,50 je Aktie zu reduzieren. Die Auszahlung der Dividende ist für das erste Halbjahr 2021 geplant, ist jedoch von der Zustimmung der EZB abhängig. Für 2021 ist das Zuwendungsbudget mit EUR 7,5 Mio. unverändert gegenüber 2020 beschlossen worden, um verstärkt die Fokussierung auf Projekte mit hoher und langfristiger Wirkung im internationalen gemeinnützigen Bereich fortzusetzen. Beim Sach- und Personalaufwand ist eine moderate Steigerung geplant. .

Wien, 26. 4. 2021 Der Vorstand

Mag. Dr. Mario Catasta Vorsitzender

Mag. Boris Marte stv. Vorsitzender

Dr. med. Eva Höltl Vorstandsmitglied

Mag. Franz Portisch Vorstandsmitglied

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Mitglieder des Vereins „DIE ERSTE österreichische Spar-Casse Privatstiftung“

(Stand 31. 12. 2020) ANGYAN Dr. Thomas ATTEMS Mag. Dr. Johannes ATTENSAM Ing. Oliver BADELT Univ.-Prof. Dr. Christoph * BARTENSTEIN MA MMag. Dr. Ilse * BERCHTOLD-OSTERMANN Mag. Dr. Eleonore * BLAHUT Mag. (FH) Stephan BLEYLEBEN-KOREN Dr. Elisabeth BOLLMANN Dkfm. Harald BREITENEDER Mag. Bettina BRETSCHNEIDER Dr. Rudolf BURGER Dr. Ernst * CATASTA Mag. Dr. Christine CATASTA Dr. Mario CLARY UND ALDRINGEN MBA Dkfm. Maximilian DOLEZAL-BRANDENBERGER Dkfm. Dr. Franz (verstorben am 25. 2. 2020) DRAXLER Mag. Christiane DÜKER Dipl.-Bw. Gabriele EBERLE Doraja EGERTH-STADLHUBER Mag. Dr. Henrietta EISELSBERG Dr. Maximilian ERSEK Mag. Hikmet FEYL Dr. Peter * FÖLSS Mag. Herwig GATNAR Anton GEIGER Ing. Franz * GEYER Dr. Günter GLATZ-KREMSNER Mag. Bettina GLAUNACH Dr. Ulrich GRUSZKIEWICZ Mag. LL. M. Jan GÜRTLER Dkfm. Elisabeth GÜRTLER Dr. Rudolf GUTSCHELHOFER Univ.-Prof. Dr. Alfred HAFFNER Dr. Thomas M. HARDEGG Dipl.-Ing. Maximilian HAUSER Dr. Wulf Gordian HEINISCH Dr. Michael HIMMELFREUNDPOINTNER Friedrich HÖLTL Dr. Eva HOLZINGER-BURGSTALLER MMag. Gerda HOMAN Mag. Jan HUMER Rudolf KALSS Univ.-Prof. Dr. Susanne KANTA Mag. Helene KAPSCH Mag. Georg * KLEINITZER Dr. Peter KNECHTEL Dr. LL. M. Gerhard KOLLMANN Mag. Dagmar KRAINER-SENGER-WEISS LL. M. Dr. Elisabeth KRISTEN Dkfm. Dr. Walter KUCSKO-STADLMAYER Univ.-Prof. Dr. Gabriele * KÜHNEL MA Mag. Mariana 132

KUHNERT Dr. Caroline KWIZDA Dkfm. Dr. Johann F. LAMEZAN-SALINS Dr. Dominik LANDAU DDr. Michael LASSHOFER Mag. Robert VON LATTORFF MBA Philipp LIEBEN-SEUTTER Christoph * LOUDON Dr. Ernst-Gideon MANG Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Dr. h. c. mult. Herbert MARENZI Dr. Stefan MARTE Mag. Boris MECHTLER Mag. Bernhard MITTERBAUER Dipl.-Ing. Dr. Dr. h. c. Peter MÜLLER Univ.-Prof. Dr. Markus NEUNTEUFEL Ing. Johann NISS MBA Dr. Therese OBERHAMMER Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Paul PICHLER Dr. Peter (verstorben am 8. 11. 2020) PIRKER DDr. Horst PLACHUTTA Mario * POLSTERER-KATTUS Dr. Ernst * PORTISCH Mag. Franz PRÜLLER MSc Franz Karl RACHINGER Dr. Johanna RAIDL Dkfm. Dr. Claus J. * RATH Mag. Philipp RETTER Dkfm. Herbert F. * REUTTER Dr. Geor ROBATHIN Dr. Heinz RÖDLER Dipl.-Ing. Mag. Friedrich SALM-REIFFERSCHEIDT Dr. Franz SCHELLHORN Dr. Franz SCHNEIDER Dr. Graham Paul * SCHÜSSEL Dr. Wolfgang * SENGER-WEISS Dkfm. Heidegunde SENGER-WEISS Dipl.-Ing. Paul SPALLART Dr. Michael SPALT Mag. Bernhard * STEIN-PRESSL Mag. Susanne STICKLER Dipl.-Ing. Friedrich STIMPFL-ABELE Dr. Alfons STRADIOT Georg SUTTER-RÜDISSER Prof. Dr. oec. Michèle F. SZCZEPANSKI Valerie TAPPEINER Univ.-Prof. Dr. Gerhard THEISS Mag. Johannes THURN UND TAXIS MBA Mag. Philipp TRAUTTMANSDORFF Dr. Markus TREICHL Mag. Andreas TUMA Zdenek UHER Dr. Thomas * UNTERBERGER Dr. Andreas WALDSTEIN Georg WEINZIERL Mag. Christine WENCKHEIM Christiane


WIMMER Dr. Manfred WINCKLER Univ.-Prof. Dr. Georg WOHLMUTH Mag. Martin WOLF Dr. Richard ZERDIK Dr. Michael ZIMPFER MBA Univ.-Prof. Dr. Michael ZUNA-KRATKY Dr. Gabriele *

Ehrungen 2020 45-jährige Vereinsmitgliedschaft (Beitritt 25. 4. 1975) BENISEK Walter SCHNEIDER Dr. Georg-Jörg

* Mitgliedschaft ruhend gestellt 40-jährige Vereinsmitgliedschaft (Beitritt 8. 5. 1980) EHRENMITGLIEDER BENISEK Walter BLAHUT Dkfm. Dr. Dietrich CESKA Dr. Franz DORALT em. Univ.-Prof. Dr. Peter ESSL Prof. Karlheinz FUCHS Dkfm. Dr. Konrad GALLE Dr. Klaus GEIECKER Dkfm. Otto GLEISSNER Dr. Friedrich HARMER Dr. Gustav HAUMER Dr. Hans HIMMER Dr. Hans (verstorben am 1. 2. 2020) HUTSCHINSKI Dipl.-Ing. Werner JONAK Friedrich KARNER Dr. Dietrich KESSLER Dr. Heinz KURZ Dr. Otto LÖWENTHAL-MAROICIC Dr. Franz MARENZI Dr. Heinrich MARSONER Dkfm. Dr. Helmut NETTIG Walter NIEDERSÜSS Rudolf PAMMER Dr. Ernst PASCHKE em. Univ.-Prof. DI Dr. Dr. h. c. Fritz RAUCH Franz ROBATHIN Ing. Heinz RUSTLER Dr. Peter SCHIMETSCHEK Herbert SCHMITZ Dr. Richard SCHNEIDER Dr. Georg-Jörg SCHWARZENBERG Karl Fürst zu STREISSLER Dr. Erich TAUS Dr. Josef TUPPY em. Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Hans ULRICH Dr. Wolfgang WIESMÜLLER Dr. Heinrich WOLFSBERGER Dr. Walter (verstorben am 14. 9. 2020) ZEIDLER Mag. Dr. Franz

GEIECKER Dkfm. Otto KWIZDA Dkfm. Dr. Johann F. ROBATHIN Ing. Heinz

35-jährige Vereinsmitgliedschaft (Beitritt 3. 10. 1985) ESSL Prof. Karlheinz FÖLSS Mag. Herwig LOUDON Dr. Ernst-Gideon SCHIMETSCHEK Herbert SENGER-WEISS Dipl.-Ing. Paul ZEIDLER Mag. Dr. Franz

30-jährige Vereinsmitgliedschaft (Beitritt 27. 9. 1990) RUSTLER Dr. Peter SCHNEIDER Dr. Graham Paul SCHWARZENBERG Karl Fürst zu

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ERSTE Stiftung Gremien und Team (Stand 31. 12. 2020)

Aufsichtsrat Andreas Treichl, Vorsitzender Manfred Wimmer, stellv. Vorsitzender Bettina Breiteneder Ilse Fetik Maximilian Hardegg Barbara Pichler Peter Pichler (verstorben am 8. 11. 2020) Johanna Rachinger Philipp Thurn und Taxis Markus Trauttmansdorff Barbara Kampits, Assistentin des Vorsitzenden des Aufsichtsrats Vorstand Mario Catasta, CEO Boris Marte, stellv. CEO Eva Höltl Franz Portisch Franz Karl Prüller, Berater des Vorstands Susanne Schaller, Assistentin des Vorstands

Projektmanagement Ursula Dechant, Grant-Managerin Hedvig Morvai, Direktorin Strategie und Europa Barbora Orlíková, Projektkoordinatorin Marianne Schlögl, Managerin Strategische Partnerschaften Nicole Traxler, Projektmanagerin Heide Wihrheim, Projektmanagerin

ERSTE Stiftung Bibliothek Jutta Braidt, Leiterin

Kommunikation Maribel Königer, Direktorin Kommunikation, Journalismus und Medien Miroslava Holečková, Kommunikationsspezialistin Gerald Radinger, Kommunikationsexperte Jovana Trifunović, Kommunikationsexpertin

Finanzen, Recht & Organisation Martin Wohlmuth, Generalsekretär, Leiter Finanzen und Organisation Josefa Anfang, Controllerin (verstorben am 16. 4. 2020) Ivo Reinprecht, Officemanager Simona Rhomberg, Juristin Johannes Steiner, Officemanager Ľubica Vopičková, IT-Koordinatorin und Sachbearbeiterin Buchhaltung Elias Wyschata, Officemanager Eva Zalesky, Organsitzungsmanagerin 134



Impressum Herausgeber DIE ERSTE österreichische Spar-Casse Privatstiftung Am Belvedere 1, 1100 Wien office@erstestiftung.org www.erstestiftung.org Redaktion Maribel Königer (verantw.), Miroslava Holečková, Gerald Radinger, Jovana Trifunović AutorInnen Mario Catasta, Pavel Hanosek, Edi Hila, Maribel Königer, Boris Marte, Michael Meyer, Niccolò Milanese, Ulyana Nevzorova, Dejan Petrović, Franz Karl Prüller, Martin Wohlmuth, Andreas Treichl, Jovana Trifunović Visuelles Konzept EnGarde: Thomas Kloyber, Lini Taschner Illustrationen Thomas Kloyber, Norma Nardi, Reporting Democracy Lektorat Elisabeth Schöberl Übersetzungen Barbara Maya, Douglas Fox © ERSTE Stiftung, Wien 2021 Fotos, soweit nicht anders vermerkt: Copyright © ERSTE Stiftung

136



www.erstestiftung.org


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