Das Heft – Ausgabe Nr. 5 (2021) – Integration – Inklusion

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HEFT PH-Magazin Nr. 5 2021

Integration – Inklusion Ein Heft über Vielfalt und Diversity – und den Umgang damit in Schulen und der Lehrpersonenbildung «Der Kooperationsaspekt ist ganz entscheidend» Expert*innengespräch über Entwicklungen im Bereich der Sonderpädagogik in den letzten 50 Jahren, über Geduld und Ressourcen und über Vielfalt und Offenheit. 8 Ein Schatz, den es zu nutzen gilt. Ein Beispiel aus Basel zeigt, wie Erstsprachen von Schüler*innen im Unterricht gewinnbringend einbezogen werden können. 18


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EDITORIAL

DAS HEFT Integration – Inklusion Dieses Jahr feiert das Institut für Spezielle Pädagogik und Psychologie der PH FHNW, kurz ISP, sein 50-jähriges Bestehen. Das Institut ist das Kompetenzzentrum der PH FHNW im Bereich inklusiver Bildung und individueller Förderung und deckt die Fachgebiete Schulische Heilpädagogik, Heilpädagogische Früherziehung und Logopädie ab.

identitäten in der Schule thematisiert? Welche Rollen spielen weitere Differenzkategorien wie Migration, soziale Herkunft oder Behinderung? Wie gelingt Inklusion im Sportunterricht, was bedeutet multimodal angepasste Kommunikation oder wie kann Begabtenförderung integriert im Klassenverband ermöglicht werden?

Grund genug zu fragen, wie sich die Sonderpädagogik als Disziplin, das Angebot der Studiengänge oder die Verankerung im Schulfeld in den letzten 50 Jahren entwickelt hat: Welche Rolle spielen dabei etwa Ressourcen, Geduld und Offenheit? Was gilt wann als «sonder», oder eben auch nicht? Diese und weitere Fragen diskutieren drei Expert*innen im ausführlichen Gespräch in diesem HEFT. Olga Meier-Popa, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Schweizer Zentrum für Heil- und Sonderpädagogik und Praxisbeirätin der PH FHNW, Marianne Stöckli, Leiterin der Abteilung Sonderpädagogik im Amt für Volksschulen des Kantons Basel-Landschaft und Jan Weisser, Leiter des Instituts Spezielle Pädagogik und Psychologie der PH FHNW thematisieren im Gespräch überdies die zunehmende Wichtigkeit inter- und transdisziplinärer Kooperationen in Schulen.

Reportagen zeigen dabei konkret auf, wie beispielsweise an einer Basler Primarschule die Erstsprachen der Schüler*innen als Ressource genutzt werden und wie Vergleiche zwischen den verschiedenen Sprachen zu fruchtbaren Erkenntnissen führen. Im Projekt «Zugehörigkeit reconsidered» der PH FHNW geht es darum, zusammen mit Partnerschulen, Handreichungen zu erarbeiten, wie in der Schule Migration thematisiert werden kann, ohne dass Jugendliche mit Migrationshintergrund in eine ethnisch-nationale Schublade gesteckt werden. Studierende der PH FHNW wiederum haben im Rahmen ihres Studiums eine Informationsbroschüre für das Schulfeld erarbeitet, die zentrale Aussagen von trans Menschen zusammenfasst und Lehrpersonen aufzeigt, was es für einen genderneutralen Umgang mit Jugendlichen zu berücksichtigen gilt.

Das Thema der interprofessionellen Zusammenarbeit und der inklusiven Bildungsgestaltung in Lerngemeinschaften hat in der Schweiz eine hohe und wachsende Bedeutung gewonnen – das ISP greift deshalb das wichtige Thema in seiner Jubiläumstagung im November 2021 auf und stellt es ins Zentrum der Diskussionen (www.fhnw.ch/ ph/50-jahre-isp). In den weiteren Artikeln öffnet das vorliegende HEFT einen breiten Themenfächer und zeigt damit wie vielfältig, divers und kontrovers die Fragestellungen sind: Wie lassen sich Erstsprachen im Deutsch- und Fremdsprachenunterricht nutzen? Wie werden Geschlechterrollen und Geschlechts-

Ich wünsche Ihnen eine anregende und inspirierende Lektüre dieses vielfältigen HEFTs. Sabina Larcher Direktorin der Pädagogischen Hochschule FHNW

Titelbild: Barbara Keller, Grazile Fragilität – Bild #21

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INHALT

Integration – Inklusion 3 Editorial von Sabina Larcher 6 Nachgefragt Wo erleben Sie Integration - Inklusion,

Diversity - Vielfalt?

FOKUS 8

«Der Kooperationsaspekt ist ganz entscheidend» Gespräch mit Olga Meier-Popa, Marianne Stöckli und Jan Weisser von Marc Fischer

STANDPUNKT 14

16

Bildung an Schule und Hochschule im Kontext gesellschaftlicher Diversität von Susanne Burren Behinderung und Migration in der Sonderpädagogik – einige Anmerkungen zu einem schwierigen Verhältnis von Diana Sahrai

DOSSIER 18

Ein Schatz, den es zu Nutzen gilt von Marc Fischer

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Schulisches Lernen mehrsprachig von Simone Kannengieser

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(Lern-)Beziehungen öffnen Türen von Michael Hunziker

28

In der Schule Geschlechterrollen hinterfragen

von Michael Hunziker

32

Bildessay: Grazile Fragilität von Barbara Keller

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«Der Kooperationsaspekt ist ganz entscheidend» Im Gespräch diskutieren die Expert*innen Olga Meier-Popa, Marianne Stöckli und Jan Weisser über Entwicklungen im Bereich der Sonderpädagogik in den letzten 50 Jahren, über Geduld und Ressourcen und über Vielfalt und Offenheit. Seite 8

Ein Schatz, den es zu nutzen gilt Viele Schüler*innen haben andere Erstsprachen als Deutsch. Emanuel Brito nutzt diese Ressource in seiner 5. Klasse im Deutsch- und Fremdsprachenunterricht und zieht immer wieder Vergleiche zu den Erstsprachen. Seite 18


INHALT

In der Schule Geschlechterrollen hinterfragen Studierende der PH FHNW beschäftigen sich mit Genderthemen. Ihre Arbeiten zeigen, welche Rolle die Schule bei der Ausbildung von Geschlechtsidentitäten einnimmt. Seite 28

AUS DER PH 37

Unterrichtsthema Herkunft – eine Gratwanderung

von Thomas Röthlin

40

Kommunikation baut Brücken von Virginia Nolan

42

Kinder sind Expert*innen ihrer Lernprozesse

von Marc Fischer

44

Kommentar: «Als man Zeugnisse machen musste, vergass man den Vorteil der Mehrsprachigkeit, glaube ich» von Sandra Bucheli

und Katrin Tovote

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Sport- und Bewegungsunterricht für alle

von Karolin Heckemeyer und

Susanne Stoerch Mehring

48

Kommentar: Potenzialorientierte Förderung als Bildungsauftrag

von Salomé Müller-Oppliger

50 Interprofessionelle

Kooperation bereits im Studium etablieren

von Anja Blechschmidt

51 «Unterschiedliche

Erwartungen können zu Spannungen führen» - Astrid Marty über ihre Dissertation von Virginia Nolan

Unterrichtsthema Herkunft - eine Gratwanderung In der Schule über Migration zu reden, soll die Integration fördern. Doch wie verhindert man, dass Lehrpersonen Jugendliche mit Migrationshintergrund in eine ethnisch-nationale Schublade stecken und damit das Gegenteil bewirken? Die PH FHNW entwickelt in enger Zusammenarbeit mit Partnerschulen auf der Sekundarstufe I praktische Handreichungen. Seite 37

52 Ausschluss wegen

«Geistesschwäche» – Nadja Wenger über ihre Dissertation von Virginia Nolan 53 «Ich sehe was, was du nicht

siehst…» – Carole Schreiber über ihre Bachelor-Arbeit

von Marc Fischer

54

Spiel- und Lesetipps

56 Kolumne von Amina Abdulkadir

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NACHGEFRAGT

Wo erleben Sie Integration - Inklusion, Diversity - Vielfalt? Nachgefragt bei Persönlichkeiten aus dem Bildungsraum Nordwestschweiz.

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«Die Vielfalt prägt das Erscheinungsbild unserer individualisierten Gesellschaft. Jede*r ist anders und für jede*n sollte es Raum geben, sowohl im Team wie auch in der Schulklasse. Nirgends kommen so viele unterschiedliche Persönlichkeiten aus verschiedenen Milieus zusammen wie in der Schule, vieles ist davon oft gar nicht sichtbar. Integration ist nicht nur der Umgang mit Schüler*innen, die Leistungsunterschiede zeigen, sondern auch mit ihrer Herkunft, die grossen Einfluss auf eine schulische Entwicklung hat. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit, auch mit inhaltlichen Differenzen, der Lehrpersonen, die dank Toleranz funktioniert, dient als Vorbild für die Schüler*innen.» ADRIAN VAN DER FLOE, Präsident Verband der Schulleiterinnen und Schulleiter des Kantons Solothurn

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«Im Kürzel meines Departements BKS steht das B nicht nur für Bildung, sondern auch für Betreuung – nämlich von Menschen mit Beeinträchtigungen. In meiner Arbeit als zuständiger Regierungsrat treffe ich mich daher immer wieder mit Menschen und Verantwortlichen von und in Institutionen und erlebe dabei, wie Inklusion und Integration von Menschen mit Beeinträchtigung funktioniert und woran man noch arbeiten muss. Dass auch der Kanton Aargau Arbeitsplätze für Menschen mit IV anbietet ist wichtig und fördert, dass uns in unserem Arbeitsalltag Menschen in ihrer ganzen Vielfalt begegnen.» ALEX HÜRZELER, Bildungsdirektor Kanton Aargau

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«Den Diversity-Begriff erlebe ich als omnipräsent. Ich finde, dass er im Schulumfeld jedoch eher als ‹auffangen von gesellschaftlichen Schwierigkeiten aller Art› verstanden wird und nicht hauptsächlich im Zusammenhang mit Integration. Der Anspruch an die Schule bezüglich ‹Umgang mit Vielfalt› – insbesondere im Bereich des sozial-emotionalen Verhaltens – wird überstrapaziert. Innerhalb der Rahmenbedingungen der Schule wirkt sich dies kontraproduktiv für eine gelingende Integration aus.» MARIANNE SCHWEGLER, Vizepräsidentin der Freiwilligen Schulsynode Basel-Stadt


NACHGEFRAGT

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«Safe-Spaces, also Räume die komplett sicher und inklusiv sind, gibt es nicht. Für queere Personen sind solche Räume aber wichtig, um fern von hetero- und cis-Normen Identitäten leben und ausprobieren zu können. Deshalb braucht es SaferSpaces, die alles daran setzen, sich dem Ideal einer normfreien Gesellschaft zu nähern. Wir als lila.-festival und viele andere queere Organisator*innen versuchen solche Räume zu schaffen. Dazu gehört auch den SaferSpace ständig zu hinterfragen und dazu zu lernen.»

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«Meines Erachtens ist es insbesondere die Vielfalt, die meinen Schulalltag spannend und lebhaft macht. Trotz der teils neuen Herausforderungen ist es unter anderem das vielfältige Unbekannte, das meinen Unterricht mitunter persönlich, kreativ und dynamisch macht. Eine kritische Überlegung sei erlaubt: Diversity und Inklusion sind noch immer keine Selbstverständlichkeit, dass wir es erneut thematisieren... Inklusion braucht Mut und Gelassenheit! Ich erlebe in meinem kooperativen Schulprojekt zwischen einer Regel- und meiner Sonderschulklasse wunderbare Momente. Die Kinder spielen miteinander, lachen, weinen und reflektieren gemeinsam und sie lernen voneinander. Sie gestalten ihre Begegnungen aktiv mit. Solch unbeschwerte, freudige Erlebnisse wünsche ich allen und sie sollten zur Selbstverständlichkeit werden.»

DOMINIC SCHIBLI, Student und künstlischer Leiter des lila.-festivals des Vereins Milchjugend

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«Inklusion hätten wir, wenn wir nicht mehr darüber reden müssten. In meinem Umfeld erlebe ich die Vielfalt als Bereicherung. Ob jemand aus einem anderen Land kommt oder ob jemand im Rollstuhl sitzt. Diese Sichtweisen bereichern mein Leben. Durch meinen eigenen Migrationshintergrund und als Kind deutscher Eltern, die den Krieg erlebt haben und vertrieben wurden, bin ich sensibilisiert. Als Geschäftsleiterin einer ‹Behindertenorganisation› prägt mein Verhalten und mein Führungsstil der Wunsch nach Diversität und Inklusion.» SUSANNE HAEDER, Geschäftsleiterin, Procap Nordwestschweiz

MATTHIAS HUBER, Master-Student Sonderpädagogik, PH FHNW

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FOKUS

«Der Kooperationsaspekt ist ganz entscheidend» Das Institut Spezielle Pädagogik und Psychologie der Pädagogischen Hochschule FHNW (ISP) feiert dieses Jahr seinen 50. Geburtstag. Ein Gespräch mit Expert*innen zum Jubiläum. Von Marc Fischer (Text) und Christian Irgl (Fotos)

Das ISP ist das Kompetenzzentrum der PH FHNW im Bereich inklusiver Bildung und individueller Förderung und deckt die Fachgebiete Schulische Heilpädagogik, Heilpädagogische Früherziehung und Logopädie ab. In den 50 Jahren des Bestehens haben sich die Anforderungen an die Fachpersonen im Bereich der Speziellen Pädagogik verändert. Grund genug, mit Expert*innen mit unterschiedlichem Background über diese Entwicklungen zu sprechen. Olga Meier-Popa, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Schweizer Zentrum für Heil- und Sonderpädagogik und Praxisbeirätin der PH FHNW, Marianne Stöckli, Leiterin der Abteilung Sonderpädagogik im Amt für Volksschulen des Kantons Basel-Landschaft und Jan Weisser, Leiter des ISP, diskutieren über Integration und Inklusion, über Geduld und Ressourcen und über Vielfalt und Offenheit. Das Institut Spezielle Pädagogik und Psychologie der Pädagogischen Hochschule FHNW wurde 1971 gegründet und wird dieses Jahr 50 Jahre alt. Solche Jubiläen sind immer auch ein Anlass, um zurückzuschauen. Welche Entwicklungen fanden im Bereich Sonderpädagogik in den letzten 50 Jahren statt? Jan Weisser: Als ich mich auf dieses Gespräch vorbereitet habe, habe ich mir zunächst die gesellschaftlichen Entwicklungen in diesen 50 Jahren angeschaut.

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Das ISP ist gleich alt beziehungsweise jung wie das Frauenstimmrecht in der Schweiz. Das Schulkonkordat der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) war 1971 noch nicht einmal ein Jahr alt. Der Sozialstaat mit dem Bundesamt für Sozialversicherung und der IV-Gesetzgebung war erst im Primarschulalter. Die Schweiz hatte damals noch 6 Millionen Einwohner und ein Autobahnnetz von gerade mal rund 400 Kilometern. Heute sind es über 1500 Kilometer. Das alles zeigt, wie sich die Gesellschaft in den letzten 50 Jahren entwickelt hat. Das ISP ist ein Akteur, bei dem man Entwicklungen im sonderpädagogischen Bereich aufzeigen kann. Die Vorläufer waren pädagogisch-psychologische Fachkurse, die 1966 eingerichtet wurden. 1971 wurde dann das ISP als an die Universität Basel angegliedertes Institut gegründet. Es sollte einen interfakultären und interdisziplinären Geist haben und erhielt den Auftrag, Ausbildungen für Fachpersonen aus dem weiteren Schulfeld anzubieten. Dabei waren Praktika von Anfang an enorm wichtig. Schon damals war das ISP zwischen den beiden Basel interkantonal organisiert. Die Anfänge der Heilpädagogik, wie sie damals hiess, gehen noch weiter zurück. Wie das Wort schon sagt, lag der Fokus damals auf dem medizinischen Aspekt. Ist es eine Hauptentwicklung, dass man sich von diesem rein medizinischen Ansatz wegentwickelte?


FOKUS

auch die Frage, was passiert mit den Menschen mit einer Behinderung, wenn wir nicht mehr separieren wollen. Sie sprechen damit einen wichtigen Punkt an: Von Isolation und Separation kam man mehr und mehr zu Integration und Inklusion. Lassen Sie uns zuerst kurz die beiden Begriffe klären. Olga Meier: Wie viel Zeit haben wir? (alle lachen) Marianne Stöckli: Zur Anwendung und Umsetzung von Massnahmen muss ich mich auf das Bildungsgesetz und das Sonderpädagogikkonkordat beziehen. Dort lautet der Begriff «Integration». Ich verstehe das aber nicht als Gegensatz zur Inklusion. Die Inklusion ist für mich wie eine weitergehende Vision: Wie setzen wir integrative Schulungsformen um und wie kommen wir zu einer Inklusion im gesamtgesellschaftlichen Kontext? Jan Weisser: Die Differenz zwischen Integration und Inklusion ist eher eine historische. Der Integrationsdiskurs kam in der Schweiz in den 1980er-/1990er-Jahren auf und war stets fortschrittlich besetzt – er wurde auch im Umfeld der Frauen-, der Jugend- und der Ökologiebewegung genutzt. Er war ein Zeichen für Aufbruch und Veränderungswillen. Mit dem Jahrtausendwechsel wurde der Begriff weiter gefasst und mit grund- und menschenrechtlichen Verpflichtungen untermauert. So wurde der Diskurs vermehrt zum Inklusionsdiskurs.

Jan Weisser, Leiter des Instituts Spezielle Pädagogik und Psychologie der PH FHNW: «Heute gibt es zwar immer noch ein Exklusionsrisiko bei separativen Massnahmen, doch die Gefahren allfälliger Diskriminierung werden breit diskutiert.»

Marianne Stöckli: Die meisten schulischen Einrichtungen für behinderte Kinder waren früher kirchlich-diakonische, beziehungsweise karitative Einrichtungen und ihre Praxis war daher stark religiös geprägt. Erst ab 1959 wurde über die Invalidenversicherung strukturiert ein Sonderschulanspruch definiert. Olga Meier: Damals stand die Fürsorge im Zentrum. Das Motto war: «Wir machen etwas für diese Menschen. Wir bauen für sie spezielle Institutionen, isolieren sie dort und kümmern uns um sie.» Aber die Bildungsfähigkeit von Menschen mit einer Behinderung wurde sehr lange infrage gestellt. Es war ein grosser Schritt als man anerkannte, dass jeder Mensch bildungsfähig und entwicklungsfähig ist. In den 1960er-Jahren kam das Normalisierungsprinzip auf. Es wurde viel diskutiert, aber bis zur Umsetzung hat es gedauert. Es stellte sich

Olga Meier: Ich würde eine Parallele ziehen zwischen dem Verhältnis Integration-Inklusion und der Sichtweise auf Behinderung. Bei der Integration lag der Fokus auf dem einzelnen Menschen und der Frage, wie er integriert werden kann. Bei Inklusion wird auf das Verhältnis zwischen einem Menschen und seiner Umwelt fokussiert. Wenn wir schauen, dass in jedem Lebensbereich die Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass Teilhabe und Integration möglich sind, dann ist das für mich Inklusion. Marianne Stöckli: Um diese Präzisierung bin ich sehr froh. Tatsächlich stossen wir mit den Bemühungen immer wieder an Grenzen, wenn es über das schulische Umfeld hinaus geht. Auch beim barrierefreien Lernen, das Teil eines inklusiven Systems wäre, sind wir noch nicht soweit. Es müsste selbstverständlich sein, dass sich Menschen mit einer Behinderung überall in unserer Gesellschaft gleichberechtigt einbringen und partizipieren können. Im Schulfeld ist diese Entwicklung also deutlich weiter fortgeschritten. Wie kam sie zustande? Jan Weisser: Aus meiner Sicht geht der erste Entwicklungsschub in der jüngeren Geschichte auf die

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FOKUS

Marianne Stöckli, Leiterin der Abteilung Sonderpädagogik im Amt für Volksschulen des Kantons Basel-Landschaft: «Integration funktioniert, wenn die Ressourcen ausreichend sind und die adäquate Unterstützung erfolgen kann.»

Sozialversicherung zurück. Dieser hat die Schweiz bis in die 1990er-Jahre geprägt. Der zweite Entwicklungsschub wurde anfangs der 2000er-Jahre durch das Behindertengleichstellungsgesetz und die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen ausgelöst, indem man die Sonderschulung in die kantonale Bildungshoheit gegeben hat.

es einen Zusatzteil zur Sonderpädagogik gibt. Man sieht, dass viele Impulse gekommen sind. Doch man ist immer noch daran, herauszufinden, wie man diese am besten umsetzen kann. Seit einigen Jahren hat sich das politische Klima eher wieder abgekühlt. Mit den Herausforderungen der Umsetzung wuchs auch der Widerstand.

Marianne Stöckli: Das Loslösen vom Bund hat unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten zugelassen. Eine Integrationssituation im Wallis oder Tessin ist anders als in Luzern oder in Basel-Landschaft. Im Bildungsauftrag der Kantone und der Gemeinden haben sich unterschiedliche Integrationsformen entwickelt. Im Kanton Basel-Landschaft sind die strukturellen Unterschiede zwischen dem Oberbaselbiet und der stadtnahen Region gross. Da dürfen, sollen und müssen sich unterschiedliche Schulungsformen etablieren.

Was braucht es denn, dass eine integrative Schule oder eine integrative Klasse funktioniert?

Jan Weisser: Zum Start des neuen Jahrtausends gab es generell eine grosse Veränderungsbereitschaft im Bereich Bildung und Integration, etwa mit dem HarmoS-Konkordat oder dem Lehrplan 21, zu dem

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Olga Meier: Die Frage ist: Was braucht das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne besonderem Bildungsbedarf? Es braucht viele Faktoren: gut ausgebildete Lehrer*innen und Fachpersonen der Sonderpädagogik. Es braucht eine gute Absprache und Kooperation, eine gute Planung und differenzierenden Unterricht. Geduld ist ebenfalls nötig und der Wille, Entwicklungen immer wieder zu überprüfen. Auch die Einstellung aller Personen, die mit der Klasse arbeiten, ist wichtig. Es braucht überdies Unterstützung der Schulleitung und den gemeinsamen Willen von Klasse, Schule und Gemeinde. Die Familien und das soziale Umfeld sind


FOKUS

Olga Meier-Popa, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Schweizer Zentrum für Heil- und Sonderpädagogik und Praxisbeirätin der PH FHNW: «Es war ein grosser Schritt als man anerkannte, dass jeder Mensch bildungsfähig und entwicklungsfähig ist.»

ebenfalls wichtige Akteure und müssen unbedingt miteinbezogen werden. Marianne Stöckli: Ich kann all das unterstützen. Es braucht vor allem genügend Zeit, die Motivation der Lehrpersonen und das Engagement der Schulleitungen für die Weiterentwicklung. Im Kanton Basel-Landschaft hat sich die integrative Schulung zuerst im Kindergarten und dann auf der Primarschule durchgesetzt. Jetzt ist die Integration auch auf der Sekundarstufe I gut etabliert. Es braucht Zeit, damit sich das integrative System entwickeln und tragfähig werden kann und es braucht gute Erfahrungen, auf die aufgebaut werden kann. Gibt es Studien, die zeigen, dass die integrative Schulung nicht nur den Kindern mit Behinderungen Vorteile bringt, sondern auch allen andern? Jan Weisser: Ja, die Studien sind eindeutig. Es gibt für alle Schüler*innen einen Lern- und Kompetenzzuwachs. Ein schwieriger Punkt ist das Sich-Willkommen-Fühlen in der Schule. Das schulische Wohlbefinden und die soziale Integration werden durch eine grosse Heterogenität der

Schüler*innen zu einem wichtigen Handlungsfeld. Das bedeutet, dass man auf das Wohlbefinden aller Kinder einer Schule gut Acht geben muss – damit sie sich so gut fühlen, dass sie überhaupt lernen mögen. Marianne Stöckli: Dafür braucht es Ressourcen. Integration funktioniert, wenn die Ressourcen ausreichend sind und die adäquate Unterstützung erfolgen kann. Das Integrationsmodell im Kanton Basel-Landschaft sieht etwa vor, dass Kinder mit einer Behinderung nach Möglichkeit gruppenweise integriert werden. So können sie als Gruppe im Klassenverband auftreten. In Integrationsklassen arbeiten zusätzlich zur Regellehrperson ein*e Heilpädagog*in (100%) und eine Assistenz (100%). Jan Weisser: Ich würde hier gerne noch anknüpfen: Ressourcen und die Frage nach dem Wohlbefinden haben einen Zusammenhang. Wenn der Stresspegel bei Lehrpersonen steigt, dann leiden auch die Fragen nach dem Miteinander und der Schulkultur. Marianne Stöckli: Die Lehr- und Fachpersonen in Integrationsklassen arbeiten trans- und interdisziplinär

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FOKUS

und unterstützten die ganze Klasse. Davon profitieren auch Kinder ohne Behinderung. Arbeitet man überall in der Schweiz nach den gleichen Ansätzen? Und wie sieht es im Bildungsraum Nordwestschweiz aus? Olga Meier: Schweizweit gibt es verschiedene Modelle. In der Romandie wird beispielsweise oft mit multidisziplinären Teams gearbeitet, die von Schule zu Schule gehen. Auch hier geht es um die Bündelung von Ressourcen. Jan Weisser: Im Bildungsbericht Nordwestschweiz, der auf der Website des Bildungsraums Nordwestschweiz zum Download bereit steht, zeigt das Kapitel Sonderpädagogik sehr schön, dass es ganz verschiedene Modelle, ganz verschiedene Begriffe und ganz verschiedene Umsetzungen gibt. Die Grundlinien sind aber natürlich gleich. Olga Meier: Da in den verschiedenen Kantonen unterschiedliche Begriffe verwendet werden, ist es schwierig eine vergleichende Datenerhebung zu machen. Im Sonderpädagogikkonkordat ist etwa der Begriff «verstärkte sonderpädagogische Massnahme» genannt. Was das genau bedeutet ist aber nur allgemein definiert und jeder Kanton interpretiert dies etwas anders. Zudem sind auch nicht alle Kantone dem Konkordat beigetreten, sondern sind das Problem auf Gesetzesebene angegangen. Marianne Stöckli: «Kleinklasse» ist beispielsweise ein unterschiedlich verwendeter Begriff. Im Baselbiet gehört sie als Spezielle Förderung zur Regelschule und ist nicht eine verstärkte Massnahme. Sie ist tatsächlich einfach eine kleinere Klasse, die Schüler*innen ein sehr individuelles Lernmilieu bietet. Eine Kleinklasse kann auch eine Lerninsel für Schüler*innen mit einem punktuellen Förderbedarf sein, die temporär dorthin wechseln und dann wieder in ihre Regelklasse zurückkehren. Jan Weisser: Wichtig ist, den Unterschied zu früher herauszuheben. Damals wurden Kleinklassen bewusst unterhalb der Volksschule eingerichtet und damit die Chancen der betroffenen Jugendlichen weitgehend minimiert. Heute gibt es zwar immer noch ein Exklusionsrisiko bei separativen Massnahmen, doch die Gefahren allfälliger Diskriminierung werden breit diskutiert. Solche Massnahmen müssen sich am Ziel messen lassen, dass alle Schüler*innen eine echte Chance bekommen. Marianne Stöckli: Der Grundsatz «einmal Kleinklasse, immer Kleinklasse» ist tatsächlich aufgehoben. Kleinklassen stützen den Förderbedarf der Schüler*innen, des Schülers. Dieser ist nicht unbedingt ein Schuljahr lang derselbe. Wichtig ist dabei auch, wie der Förderbedarf erhoben wird und welche Instrumente angewendet werden.

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Entsprechend dem Sonderpädagogikkonkordat wird für die Bedarfsabklärung der Sonderschulung, also für die verstärkten Massnahmen, das standardisierte Abklärungsverfahren (SAV) durch die abklärenden Fachstellen angewendet. Der Bedarf in der speziellen Förderung wird mittels schulnaher Diagnostik durch die Schulische Heilpädagogik erhoben. Gerne gebe ich diesbezüglich eine positive Rückmeldung an die Ausbildungsinstitutionen: Die Schulischen Heilpädagog*innen verfügen über gute fachliche Kompetenz, die schulnahe Diagnostik anzuwenden. Sie haben bereits angesprochen, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Fachpersonen – Schulischen Heilpädagog*innen, Logopäd*innen, Regellehrpersonen – ist. Was bedeutet das für die Ausbildung dieser Fachleute? Jan Weisser: Der Kooperationsaspekt ist ganz entscheidend. Er geht auch über die Schule hinaus. Personen, die im Bereich Sonderpädagogik und Logopädie unterwegs sind, sind, mit Ausnahme der Schulischen Heilpädagog*innen, nie ausschliesslich im Schulalter unterwegs. Früherziehung beginnt bei Säuglingen und geht im Vorschulalter weiter. Logopäd*innen arbeiten oft mit älteren Menschen oder Erwachsenen mit sprachlichen Beeinträchtigungen. Wir haben an der PH FHNW das Glück, dass nicht nur Lehrpersonen ausgebildet werden, sondern auch heilpädagogische Früherzieher*innen, Schulische Heilpädagog*innen und Logopäd*innen. Wir sind als Institut gleichzeitig auch in der Lehrpersonenbildung tätig und schauen dort, dass wir angehenden Lehrpersonen, die Wichtigkeit von Kooperation für eine gute Schule vermitteln – nicht zuletzt dadurch, dass wir die Kooperation vorleben. Das Ziel ist die gemeinsame Verantwortung für das Wohlergehen des Kindes. Kurz: Zusammenarbeit ist ein Schlüsselmoment – und sie wird auch das Tagungsthema unserer Jubiläumstagung im November (vgl. Box Seite 13). Olga Meier: Hinzu kommt auch der berufspraktische Teil der Ausbildung, der sehr wichtig ist. Die Praxis in Schulen zeigt den Studierenden, wie die Situation vor Ort aussieht. Wichtig sind auch die sonderpädagogischen Aspekte in der Ausbildung der Regellehrpersonen. Hierzu gibt es Empfehlungen von Swissuniversities an die Ausbildungsinstitutionen von Lehrpersonen, etwa dass bereits in der Ausbildung angehende Regellehrpersonen und Sonderpädagog*innen gemeinsame praktische Erfahrungen machen. Marianne Stöckli: Auch aus meiner Sicht ist das inter- und transdisziplinäre Arbeiten für das prakti-


FOKUS

sche Feld zentral. Im Kanton Basel-Landschaft ist die Sozialpädagogik als ergänzende Disziplin dazu gekommen. Schüler*innen können sich zunehmend weniger strukturieren und organisieren oder haben Probleme auf dem Schulweg und in der Pause. Das sind nicht primär Handlungsfelder für die Schulische Heilpädagogik. Die Unterstützung durch die Sozialpädagogik im Schulfeld dürfte zunehmen. Jan Weisser: Es gibt den Berufsweg von der Sozialpädagogik in die Schulische Heilpädagogik. Diese Passerelle existiert und es gibt einige Studierende, die diesen Weg wählen. Das sind sicherlich enorm spannende Personen fürs Schulfeld. Marianne Stöckli: Was ich in puncto Ausbildung anmerken möchte: Wir erhalten für die integrative Schulpraxis heute viel mehr Fachleute – gerade auch im Bereich der Logopädie – die nicht mehr nur ausschliesslich mit Einzelunterricht oder mit Einzeltherapien arbeiten, sondern die Kinder auch in Gruppen oder in Klassen unterstützen und die mit Präventions- und Screeninggefässen arbeiten. Das Berufsverständnis in der Sonderpädagogik hat sich positiv verändert, hin zu einem integrativen und interdisziplinären Verständnis mit einem hohen Anspruch auf professionelle Fachlichkeit. Oft ist nur die Rede von den Kindern mit Behinderungen. Doch immer mehr spielen auch Migration, Sprachprobleme und Verhaltensauffälligkeiten eine Rolle. Inwiefern beeinflussen diese Aspekte das Feld der Sonderpädagogik? Jan Weisser: Heute stehen weniger die einzelnen Labels im Fokus, sondern die Frage, was ein Kind kann, wenn es in die Schule kommt und was es gemäss Lehrplan in der Schule lernen sollte. Entlang dieser Lern- und Förderthemen wird geschaut, was es in einer Klasse an Unterstützung etwa im Bereich des sprachlichen Ausdrucks, der Bewegung oder des sozialen Lernens braucht. Marianne Stöckli: Rund 40 Prozent der Kinder haben einen Migrationshintergrund. In gewissen Gemeinden sind es noch deutlich mehr. Die bestehenden Gefässe wie «Deutsch als Zweitsprache» funktionieren. Es ist aber eine grosse Herausforderung für die Schulen. Zunehmend sind sie auch mit disziplinarisch auffälligen Schüler*innen oder Schulverweigerer*innen gefordert. Das verlangt neue Interventions- und Handlungsmöglichkeiten.

vorbereitet sein und die Kinder und Jugendlichen ihr Potenzial entfalten lassen. Und wir sollten auf die Vielfalt mit Flexibilität reagieren können. Damit meine ich sowohl Flexibilität in den Beratungssituationen aber auch Flexibilität in puncto Ressourcen. Jan Weisser: Dazu braucht es die Bereitschaft zu Offenheit. Wenn etwa die Schulische Heilpädagogik einem engen Selbstverständnis folgen würde, dürfte sie möglicherweise in der Schule Schiffbruch erleiden. Je nachdem, wie es an einer Schule aussieht, braucht es andere Inputs. Aufgrund ihrer Ausbildung haben die Fachpersonen jedoch gelernt, Lösungen zu entwickeln und mit ihrem Wissen und Können die Praxis vor Ort innovativ zu unterstützen.

50 JAHRE ISP – JUBILÄUMSTAGUNG IM NOVEMBER «Auf dem Weg zu Learning Communities in Frühförderung, Logopädie und Schule»: So lautet der Titel der Tagung, die anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Instituts Spezielle Pädagogik und Psychologie der PH FHNW im kommenden November stattfinden wird. Die Tagung stellt Lerngemeinschaften unter zwei Perspektiven in den Mittelpunkt: Erstens braucht es für das inklusive und das heisst gleichberechtigte und gemeinsame Lernen ausnahmslos aller Kinder und Personen Strukturen und Konzepte. Zweitens arbeiten Teams interprofessionell in den pädagogischen und therapeutischen Institutionen zur Realisierung inklusiver und partizipativer Ziele. Die Tagung gibt Denkanstösse und Forschungseinblicke, vermittelt Handwerkszeug für die professionell Tätigen und schafft die Gelegenheit, sich mit der je eigenen Rolle im beruflichen Alltag auseinanderzusetzen. Zur Zielgruppe gehören denn auch Logopäd*innen, Heilpädagogische Früherzieher*innen, Schulische Heilpädagog*innen, Lehrpersonen und weitere Interessierte. Die Jubiläumstagung wird am Samstag, 13. November 2021, stattfinden. Als Durchführungsort ist der FHNW-Campus Muttenz vorgesehen. Die Anmeldefrist startet Anfang Mai. Das Programm sowie Hinweise zu einer pandemiebedingt alternativen Durchführung finden sich auf der Tagungs-Website. www.fhnw.ch/ph/50-jahre-isp

Olga Meier: Klar ist: Wenn wir an Inklusion denken, denken wir nicht nur an Kinder mit erhöhtem Förderbedarf oder Behinderungen. Wir denken an alle Formen von Diversity und Vielfalt. Wir müssen auf diese Vielfalt

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STANDPUNKT

Bildung an Schule und Hochschule im Kontext gesellschaftlicher Diversität

Pädagogisches Handeln ist stets auch ein Handeln in Differenz- und Ungleichheitsverhältnissen. Dem gilt es sowohl in der Schule als auch bei der Ausbildung von Lehrpersonen und pädagogischen Fachpersonen Rechnung zu tragen. Von Susanne Burren

G

esellschaft ist heute in verschiedener Hinsicht durch Diversität geprägt. Der Begriff der Migrationsgesellschaft verweist darauf, dass die gegenwärtige gesellschaftliche und individuelle Wirklichkeit grundlegend durch Migration beeinflusst ist und Menschen sich zunehmend in transnationalen sozialen Räumen bewegen. In die damit beschriebenen gesellschaftlichen Verhältnisse ist die Schule strukturell eingebunden. Differenzverhältnisse aufgrund von Migration, Geschlecht, sozialer Herkunft, Behinderung und anderen Ungleichheitskategorien wirken auf Bildungsprozesse ein, wobei die jeweiligen Kategorien zueinander in Wechselwirkung stehen und sich gegenseitig verstärken oder allenfalls auch reduzieren können (Intersektionalität). Mit Ungleichheitskategorien sind dabei nicht Verschiedenheiten generell gemeint, sondern solche, die in besonderem Masse Diskriminierungspotenziale und Chancenungleichheit nach sich ziehen. Fachunterricht und Fachdidaktiken im Fokus Die bildungswissenschaftliche Genderforschung zeigt, wie Geschlechtervorstellungen auch unintendiert in den Fachunterricht einfliessen können. Schulisches Lernen ist oftmals nicht geschlechtsneutral, sondern stützt geschlechtsbezogene Normierungen, Hierarchisierungen und Ausschlüsse. Dies beispielsweise, wenn in naturwissenschaftlichen Lehrmitteln weibliche Vorbilder weitgehend fehlen oder wenn Geschlechterstereotypen die Leistungserwartungen im Mathematikunterricht beeinflussen. Ungleichheiten und Differenzvorstellungen prägen demnach sowohl das fachliche Lernen als auch die in der Schule weitervermittelten Wissensbestände und werden auf diese Weise sozialisationsrelevant. Dies steht im Widerspruch zum pädagogischen Gleichstellungsauftrag.

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Um hier Veränderungen zu bewirken, wäre auch bei der fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Ausbildung zukünftiger Lehrpersonen anzusetzen. Im Themenfeld Gender und MINT werden zunehmend Überlegungen hierzu angestellt. In anderen Bereichen steht diese Diskussion noch eher in den Anfängen. Die Dozentinnen Karolin Heckemeyer und Susanne Störch Mehring stellen in diesem HEFT eine von ihnen durchgeführte Seminarveranstaltung vor, die dieser Frage für die Sportdidaktik genauer nachging. In Projektarbeiten setzten sich die Studierenden damit auseinander, wie Körperkonzepte und Leistungsvorstellungen im Sportunterricht mit Normalitätsvorstellungen über Geschlecht und Behinderung verbunden sind (vgl. Box Seite 46). Fragen zum pädagogischen Können Wie die Geschlechterforscherin Barbara Rendtorff im Buch «Bildung – Geschlecht – Gesellschaft» bemerkt, birgt Bildung nicht nur die Problematik in sich, traditionelle Rollenbilder weiter zu transportieren, sondern auch die Möglichkeit, diese zu verändern. Um solche Veränderungen bewirken zu können, sei es notwendig, Denkgewohnheiten zu durchbrechen und damit zusammenhängende Routinen der Vereindeutigung in Frage zu stellen. Darüber, was dies für die Lehrpersonenausbildung bedeuten könnte, wird zurzeit aus unterschiedlichen Blickwinkeln diskutiert. Präzisierungen hierzu finden sich beispielsweise im Sammelband «Pädagogisches Können in der Migrationsgesellschaft» von Aysun Doğmuş, Yasemin Karakaşoğlu und Paul Mecheril. Die darin ausgeführten migrationspädagogischen Überlegungen erlauben Einsichten, die auch für die Übertragung auf weitere Ungleichheitskategorien aufschlussreich sind. Zwei Aspekte sind hierbei zentral: Zum einen beurteilen die Autor*innen Ansätze als problematisch, die auf eine Förderung von «Menschen mit Migrationshintergrund» abzielen. Diese seien oftmals auf Defizitkompensation ausgerichtet und würden damit einer elementaren Anforderung nicht gerecht: Veränderung sollte nicht bei der jeweiligen Zielgruppe (beispielsweise Mädchen, Migrant*innen, Kinder mit Behinderungen) ansetzen, sondern alle Beteiligten sowie den jeweiligen institutionellen Rahmen miteinschliessen.


STANDPUNKT

«Ungleichheiten und Differenzvorstellungen prägen sowohl das fachliche Lernen als auch die in der Schule weitervermittelten Wissensbestände.» Zum anderen wird auf die Anforderung verwiesen, Differenzverhältnisse als strukturierende Grösse von Bildungsprozessen zu erkennen. Lehrpersonen sollten über kritisch-reflexive Fähigkeiten verfügen, die es ihnen erlauben, zu rekonstruieren, wie Kinder und Jugendliche in pädagogischen Settings zu «Anderen» gemacht werden. Dies bedeutet auch, zu erkennen, welche Muster den eigenen Unterscheidungen zugrunde liegen und diese immer wieder auf deren Angemessenheit hin zu befragen. Im Kontext von Diversität sind Lehrpersonen dazu aufgefordert, Normalitätsannahmen kritisch zu hinterfragen und daraus zu gewinnende Irritationen für Lern- und Bildungsprozesse fruchtbar zu machen. Solche Perspektiven sowie das damit verbundene pädagogische Können sind elementar für eine am Prinzip der Chancengerechtigkeit ausgerichtete pädagogische Praxis.

SUSANNE BURREN ist Leiterin Fachstelle Gleichstellung und Diversity der PH FHNW.

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STANDPUNKT

Behinderung und Migration in der Sonderpädagogik – einige Anmerkungen zu einem schwierigen Verhältnis Von Diana Sahrai

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as Thema Migration kommt in der Sonderpädagogik in unterschiedlichen Kontexten vor. So ist Mehrsprachigkeit ein wichtiger Arbeitsbereich in der Logopädie und die Kleinklassen für Fremdsprachige fallen in vielen Kantonen in den Verantwortungsbereich der Schulischen Heilpädagogik. Zudem zeigen Studien immer wieder, dass Schüler*innen mit Migrationshintergrund signifikant häufiger die Diagnose «Sonderpädagogischer Förderbedarf» erhalten (etwa in den Bereichen Lernen

oder Verhalten). In den letzten Jahren ist zudem in Folge der neuen Fluchtbewegungen der Zusammenhang von Flucht und Trauma stark in den Vordergrund gerückt. Ein weiterer etwas anders gelagerter Kontext ist die besondere Situation von Schüler*innen mit einer Behinderung, die ebenfalls einen Migrationshintergrund haben, also die Frage der Intersektionalität dieser beiden Dimensionen. Während in den ersten genannten Kontexten Migration selbst als Teil der Sonderpädagogik verstanden wird oder die Kategorien vermengt sind, bildet sie im letztgenannten Kontext also eine zusätzliche Kategorie, die zu Behinderung dazu kommt.

«Intuitiv ist es relativ naheliegend, dass Mehrsprachigkeit keine Störung darstellt und kulturelle Differenz keine Behinderung ist.» 16 DAS HEFT  PH-Magazin Nr. 5 2021


STANDPUNKT

Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind in der Praxis also häufig eine selbstverständliche Zielgruppe der Sonderpädagogik. Häufig wird betont, dass die Sonderpädagogik über die geeigneten Kompetenzen und Unterstützungsmöglichkeiten verfügt, die auch für Kinder mit Migrations- und/oder Fluchterfahrung von Bedeutung sind. Dabei sind aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive die beiden sozialen Gruppen kaum leicht zu definieren. Alleine die Definierung der relevanten Begriffe zur Bestimmung dieser beiden Gruppen ist keine leicht zu bewältigende Aufgabe. Was bedeutet Migration? Wer wird genau zu den Migrant*innen in einem Land gezählt? Und wer zu den Ausländer*innen? Wer zu den Menschen mit Migrationshintergrund oder Migrationserfahrung? Und wer nicht? Wer gilt als «behindert» oder als «Mensch mit einer Behinderung»? Wie wird besonderer Bildungsbedarf definiert und gemessen? Wer kriegt verstärkte Massnahmen? Und warum? Diese Fragen mögen banal klingeln, ihnen liegen aber jeweils komplexe theoretische Konzepte und Konstruktionen zu Grunde. Die jeweilige Bestimmung ist aber zentral für das Verständnis des Zusammenhangs zwischen Migration und Sonderpädagogik. So ist hier wichtig zu erwähnen, dass es sich bei allen genannten Gruppen um sozial konstruierte Gruppen handelt. Die Art der sozialen Konstruiertheit ist bei einer Diagnose «Verhaltensauffälligkeit» jedoch eine andere als bei einer Sehbeeinträchtigung. Bei Menschen mit Migrationshintergrund gehen Überlegungen darüber, wer als «Andere» oder «Fremde» definiert wird, den im Alltag verwendeten Begriffen voraus, teilweise handelt es sich wie beim Begriff Migrationshintergrund um einen wissenschaftlichen Kunstbegriff. Doch worin liegt das Problem, dass Schüler*innen mit Migrationshintergrund signifikant häufiger sonderpädagogische Massnahmen erhalten? Woran liegt es und warum ist es erklärungsbedürftig? Was genau macht sie zur Zielgruppe der Sonderpädagogik? Und welche professionellen Kompetenzen bringen Schulische Heilpädagog*innen mit, dass sie nicht nur den besonderen Bildungsbedürfnissen von Kindern mit einer diagnostizierten Behinderung gerecht werden sollen, sondern ebenfalls jenen mit Migrationshintergrund? Was darf aus einer normativen Perspektive überhaupt miteinander verglichen werden? Dürfen Kategorien so gleichgesetzt werden? Wann könnte ein Vergleich für welche Gruppe als diskriminierend empfunden werden? Eine Person mit Migrationshintergrund etwa kann argumentieren, dass sie lediglich aus einer anderen Kultur komme und sonst keinen besonderen Förderbedarf habe. Eine Person mit einer Beeinträchtigung dagegen könnte argumentieren, dass sie nur einen besonderen Förderbedarf habe und sonst kein*e «Fremde*r» sei.

Intuitiv ist es relativ naheliegend, dass Mehrsprachigkeit keine Störung darstellt und kulturelle Differenz keine Behinderung ist. Doch was tun? Migration als einen Teil der Sonderpädagogik zu betrachten, ist solange problematisch, solange Behinderung oder Sonderpädagogischer Förderbedarf mit Defizitdiagnosen, negativen Zuschreibungen, Ausgrenzung und Benachteiligung einher geht. Eine Vergleichbarkeit der beiden Kategorien ohne Gefahr der Diskriminierung einer Gruppe wird nur dann ermöglicht, wenn eine konsequent differenzorientierte und menschenrechtliche Perspektive, die sowohl kulturelle Differenz als auch Behinderung als Ausdruck menschlicher Vielfalt betrachtet und auf einem allgemeinen Gleichwertigkeitsprinzip beruht, zu Grunde gelegt wird. Die Perspektive, dass alle Menschen gleich geboren und gleich an Rechten auf Teilhabe und Autonomie sind und den gleichberechtigten Zugang zu allen gesellschaftlichen Gütern (z. B. Bildung, Gesundheit, Arbeit etc.) haben dürfen, ist nicht neu, hat aber in Folge der UN-Behindertenrechtskonventionen neuen Schwung erhalten. An Schulen wird eine solche Perspektive unter dem Leitbegriff der Inklusion gefasst. Die in den letzten Jahren auch in der Öffentlichkeit aufkommenden Debatten um Identitäten und Identitätspolitik können dabei an Schulen wichtige Ankerpunkte sein, um das komplexe Verhältnis von Differenzen und Gemeinsamkeiten verschiedener sozialer Gruppen zu thematisieren.

DIANA SAHRAI ist Leiterin der Professur Soziales Lernen unter erschwerten Bedingungen am Institut Spezielle Pädagogik und Psychologie der PH FHNW.

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DOSSIER

Ein Schatz, den es zu nutzen gilt Viele Schüler*innen haben andere Erstsprachen als Deutsch. Emanuel Brito nutzt diese Ressource in seiner 5. Klasse im Deutsch- und Fremdsprachenunterricht. Von Marc Fischer (Text und Foto)

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onnerstagmorgen, erste Lektion. Deutschunterricht in einer 5. Klasse am Basler Gotthelf-Schulhaus. Lehrer Emanuel Brito liest zum Einstieg eine Geschichte vor. Miro der ours kommt darin vor, andere animals des Waldes ebenso. Und es riecht nach printemps. Die Schüler*innen hören aufmerksam zu und zählen anschliessend auf, welche Sprachen sie erkannt haben – neben Englisch und Französisch auch Spanisch, Italienisch und Portugiesisch. Emanuel Brito lässt die Erstsprachen der Kinder – eine kurze Umfrage ergibt eine lange Liste von Schweizerdeutsch und Deutsch über Italienisch und Spanisch hin zu Albanisch, Kreolisch, Kurdisch, Lingala, Polnisch oder Tschechisch – immer wieder im Unterricht einfliessen. «Die Erstsprachen sind ein Schatz, der in den Kindern steckt», sagt er. Aufmerksam wurde er auf den Ansatz, Erstsprachen im Deutsch-, Englisch- oder Französisch-Unterricht sichtbar zu machen im Studium an der PH FHNW. Dort gibt es etwa die Projekte «Sprachenausstellung zur Mehrsprachigkeit in der Schweiz» (SAMS) oder «Français pour les bilingues» (vgl. Seite 20), die diesen Ansatz aufgreifen. «Man muss am sprachlichen (Vor-)Wissen andocken, welches die Kinder mitbringen», betont Katja Schnitzer, Dozentin an der Professur Deutschdidaktik und ihre Disziplinen und Co-Leiterin des SAMS-Projekts. Auch der Lehrplan 21 weise auf die Wichtigkeit der Erstsprachen hin, so Schnitzer. Dort heisst es etwa: «Jedes Kind bringt die

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eigene Sprachbiografie und eigene Voraussetzungen mit, die in der schulischen Bildung berücksichtigt werden sollen. Jede Sprache, die ein Kind mitbringt und dazu lernt, hat ihren Wert. Die Wertschätzung der Erstsprache stärkt die (sprachliche) Identität, die Bewusstheit für weitere Sprachen und das Sprachenlernen.» Allerdings wüssten viele Lehrpersonen noch nicht, wie sie die Erstsprachen in den Unterricht einfliessen lassen könnten, hat Schnitzer beobachtet. «Im Projekt SAMS entwickeln wir deshalb gemeinsam mit den Studierenden Materialien, setzen sie im Unterricht ein und reflektieren darüber. Und wir bauen ein Netzwerk auf, das den Austausch von Erfahrungen ermöglicht.» Vom Vorlesen zum Vergleich Wie die Umsetzung im Deutschunterricht aussehen kann, zeigt Emanuel Brito im weiteren Verlauf seiner Deutschlektion. In «Forscher*innen-Gruppen» erhalten die Schüler*innen eine kurze türkische Geschichte zur Bearbeitung. Die türkischsprechenden Kinder werden damit für den Verlauf dieser Stunde zu Expert*innen – Freude und Stolz darüber sind unverkennbar. Sie übernehmen in den Gruppen sofort die Führung, lesen vor, beantworten Fragen und loben Mitschüler*innen für ihre Vorleseversuche. Schon bald finden die Schüler*innen heraus, dass im Türkischen die Pluralform von Substantiven mit der Endung «-lar» gebildet wird. Im Plenum werden danach


DOSSIER

Vergleiche gezogen zu spanischen und englischen Mehrzahlendungen und zur Pluralbildung in der deutschen Sprache. Nicht alle Kinder können spontan erklären, wie die Pluralform in ihrer Erstsprache gebildet wird. «Das erleben wir immer wieder», sagt Katja Schnitzer später. «Für viele Kinder sind die Sprachen klar getrennt. Die Erstsprache ist für zuhause, Deutsch für die Schule.» So gingen fruchtbare Vergleichsmöglichkeiten verloren, ist sie überzeugt. «Deshalb ist es wichtig, die Sprachen der Schüler*innen immer wieder vergleichend heranzuziehen und Sprachvergleiche als allgemeines didaktisches Prinzip zu verstehen.»

Emanuel Brito bestätigt dies – und erinnert sich an seine Schulzeit. «Meine portugiesische Erstsprache wurde nie thematisiert. Ich habe mich sogar fast dafür geschämt.» Und weiter: «Zwar habe ich schon in der Schule gemerkt, dass mir das Lernen von Sprachen liegt, aber das Potenzial des Vergleichens wurde mir erst während des Studiums bewusst.» Das soll seinen Schüler*innen nicht passieren. «Dass ich in Lektionen so umfangreich auf die Erstsprachen der Kinder eingehe wie heute, kommt nicht oft vor. Aber ich rege sie immer wieder zum Vergleichen an,

Bei einer kurzen Umfrage zeigten die Kinder, wie viele Sprachen sie sprechen.

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DOSSIER

vor allem auch dann, wenn ich merke, dass sie Fehler begehen, die möglicherweise darauf zurückzuführen sind, dass es in ihrer Erstsprache anders gemacht wird.» Diesen Ansatz vertritt auch Marta Oliveira, Dozierende an der Professur Französischdidaktik und ihre Disziplinen. «Es gibt in den verschiedenen Sprachen Ähnlichkeiten in Bezug auf Wortschatz und Grammatik. Man kann sowohl die Gemeinsamkeiten, als auch die Unterschiede herausarbeiten und Lehren daraus ziehen. So kann es sogar vorkommen, dass Kinder im Deutsch-, Französisch- oder Englischunterricht etwas in ihrer Erstsprache lernen.» Geringe Sprachkenntnisse nötig Bleibt die Frage, ob und wie gut man die Erstsprachen der Kinder beherrschen muss, um sie im Unterricht einzubeziehen. «Mir macht es grossen Spass, jeweils ein paar Wörter, etwa Begrüssungsformeln oder Zahlen, zu lernen», sagt Emanuel Brito. Beherrschen müsse man aber die Sprachen nicht, bei einfachen grammatikalischen Regeln helfen etwa spezifische Publikationen, das Internet oder der Austausch mit Lehrpersonen der Kurse «Heimatliche Sprache und Kultur» (HSK). Auch die Schüler*innen und deren Eltern können helfen. «Es braucht höchstens etwas Mut, seinen eigenen Expertenstatus für eine kurze Zeit abzugeben.» Im Gespräch mit den Kindern liessen sich dann viele Regeln herleiten. Katja Schnitzer fügt an, dass es auch immer mehr PH-Studierende oder Lehrpersonen gibt, die andere Erstsprachen als Deutsch sprechen. «Auch für sie gilt es, diese Ressource, diesen Schatz zu nutzen.»

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UNTERRICHTSMATERIALIEN ONLINE Im SAMS-Projekt (www.mehrsprachen.ch) der PH FHNW werden Unterrichtsmaterialien entwickelt, die es ermöglichen, die Erstsprachen der Schüler*innen im Unterricht einzusetzen. So sind fixfertige Materialkisten entstanden, die ausgeliehen werden können. Weiter stehen auf der Website Unterrichtsmaterialien zum Download bereit. Überdies entsteht durch das Projekt ein Netzwerk an Lehrpersonen – bislang zumeist ehemalige Studierende – welche die Erstsprachen ihrer Schüler*innen im Unterricht sichtbar machen und so auf die Vielfalt an sprachlichen Ressourcen eingehen. Auch Schulen und Pädagogische Hochschulen in der Deutschschweiz gehören zum Netzwerk. Seit 2016 steht SAMS Schulen und Schulklassen bei der Planung von Mini-Projekten oder Projektwochen beratend zur Seite und bringt dabei verschiedene Akteure – etwa Bibliotheken, Vereine oder Studierende – zusammen. Im Projekt «Français pour les bilingues» (www.francaispourlesbilingues.ch) liegt der Fokus auf Kindern mit französischer Erstsprache. «Primarschüler*innen, die zuhause Französisch sprechen, sind im Fremdsprachenunterricht oft unterfordert und auch die Lehrpersonen kommen zuweilen an ihre sprachlichen Grenzen», sagt Marta Oliveira. Es sei aber wichtig, dass die Kinder im Unterricht bleiben. «Das ist auch für die anderen Schüler*innen eine Bereicherung.» Im Zusatzangebot «Français pour les bilingues» werden sie altersgerecht gefördert und bald gibt es Zusatzmaterialien, die sie im normalen Unterricht in Phasen der Unterforderung bearbeiten können. Bereits jetzt stehen Unterrichtsmaterialien in Parcoursform zum Download bereit.


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DOSSIER

Schulisches Lernen mehrsprachig

Erste Konzepte für den Einbezug von Erstsprachen in den Unterricht stammen aus der Deutsch- und Sprachendidaktik. Doch es gibt auch den Ansatz, Mehrsprachigkeit in allen Fächern zu fördern. Von Simone Kannengieser

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ass das Lernen einer Sprache nicht auf Kosten einer anderen Sprache geht, ist nicht in allen Kontexten gleichermassen selbstverständlich. Auch wird in manchen bilingualen Konstellationen die personen- oder situationsbezogene Trennung von Sprachen empfohlen, in anderen käme niemand auf diese Idee. Man denke an die Diskussionen um frühe Deutschförderung und zum Vergleich an einen deutsch-französischen Kindergarten. Befürchtungen, der Erwerb zweier oder mehrerer Sprachen könne überfordern, und die gleichzeitige, gemixte oder verschränkte Verwendung zweier oder mehrerer Sprachen richte Schaden an, hegen Laien wie Fachpersonen besonders für Menschen, die als «fremdsprachig» oder als «kognitiv beeinträchtigt» klassifiziert werden. Deshalb stellen Inklusionsbestrebungen eine Mehrsprachigkeitsförderung in den Mittelpunkt, die keinen Unterschied nach dem Prestige der Sprachen oder nach der Begabungsdiagnose macht. Erste Konzepte und Impulse für den Einbezug der Erstsprachen in Unterricht und Schule stammen aus der Deutsch- beziehungsweise Sprachendidaktik. Hier sind die Ansätze der «Language Awareness», der Sprach- und Sprachenbewusstheit, sowie des Sprachenvergleichs herausragend (vgl. Seite 18). Kennzeichnend für diese Ansätze ist, dass die Sprachen zum Gegenstand der Betrachtung gemacht werden. Zielsetzungen im Kompetenzbereich «Sprache(n) im Fokus» – so heisst er im Lehrplan 21 – gehen dabei einher mit pädagogischen Zielsetzungen der Wertschätzung und Präsenz aller ins Klassenzimmer mitgebrachten Sprachen. Mit Sprache nachdenken und arbeiten Das Erkennen von Einzelsprachen, das Entdecken von ähnlichen Lexemen oder die Erforschung grammatikalischer Eigenarten verschiedener Sprachen sind sprachenunterrichtliche Inhalte. Dem lässt sich ein

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Ansatz gegenüberstellen, nach dem Mehrsprachigkeit in allen Fächern gefördert würde, indem sprachliches Handeln in allen individuell verfügbaren Sprachen ermöglicht würde. Über Sprache nachzudenken und zu arbeiten, ist das Eine. Etwas Anderes ist es, mit Sprache nachzudenken und zu arbeiten. Will man verfügbare Sprachen in ihrer vollen Funktion fördern, muss man die Repräsentation und Verarbeitung von Wissen, sprachliches Codieren, Decodieren und Dekontextualisieren, die verbale Herstellung von Vorstellungs- und Gedankenräumen in allen diesen Sprachen zulassen und unterstützen. Mathematisches Denken, Sprechen über Musik, Methoden des Philosophierens, Bildung für nachhaltige Entwicklung oder die Verwendung von Kulturtechniken mehrsprachig zu organisieren, heisst konkret etwa: − Gruppenarbeiten nicht nur, aber auch nach dem Kriterium gemeinsamer Sprachen unter Peers einzuteilen − Kooperatives Lernen unter Sprechenden gleicher und unterschiedlicher Sprachen anzuleiten − A ls mehrsprachige Lehrperson mit Schüler*innen geteilte Sprachen im Unterricht zu verwenden − Mehrsprachige Unterrichtseinheiten im Teamteaching durchzuführen − Verschiedensprachige Texte aller Genres einzusetzen − Sachwissen verschiedensprachig recherchieren zu lassen − M it Schüler*innen mehrsprachige Erklärvideos herzustellen − Ü ber kommunikative Formate wie Interviews, Briefe, Telefonate, Videokonferenzen für die mehrsprachige Verarbeitung von Gelerntem und zu Lernendem sorgen In einem solchen Konzept geht es also um den Gebrauch individueller Mehrsprachigkeit für schulisches Lernen, um Sprache als Instrument. Aber gerade in Bezug auf den instrumentellen Charakter von Sprache entstehen Diskriminierungen. Es werden nämlich nicht allen Sprachen dieselben Funktionen zugestanden. «Familiensprachen» werden auf alltagspraktische Kommunikation reduziert. Erstsprachen werden als «Herzsprachen»


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Sachthemen und Lernbereiche mit mehr als einer Sprache zu durchdringen, entspricht den mehrsprachigen Kompetenzen vieler Schüler*innen. Foto: Marc Fischer

markiert. «Herkunftssprachen» verweisen auf Gewesenes, aber nicht auf Wachsendes. «Bildungssprache» wird dagegen monolingual gedacht. Mit Mehrsprachigkeit wird sogar trotz des offensichtlichen Mehrwerts ein grösserer Bildungsbedarf assoziiert. Und umgekehrt werden «sprachliche Bildung» und Vielsprachigkeit je nach Lernausgangslage – vermeintlich zugunsten von sprachlichem Ausdruck und sprachlicher Verständigung – vorenthalten. Die inklusive Schule hingegen richtet die Bildung aller Schüler*innen an gesamtbiografischer Mehrsprachigkeit, und Mehrsprachigkeitsförderung am gesamten Spektrum der Funktionen von Sprache aus.

SIMONE K ANNENGIESER ist Leiterin der Professur für Berufspraktische Studien und Professionalisierung am Institut Spezielle Pädagogik und Psychologie der PH FHNW.

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DOSSIER

Ziel des Projekts ChaBâle ist es, Schüler*innen, die durch Migrationshintergrund- und sozio-ökonomisch schwierige Verhältnisse einen schwereren Rucksack haben als ihre Mitschüler*innen, zu unterstützen.

(Lern-)Beziehungen öffnen Türen Im Projekt ChâBale engagieren sich Lehrpersonen und Fachleute aus der PH für den Bildungserfolg von benachteiligten Jugendlichen. Eine Beziehungsarbeit, die Erfolge zeigt. Von Michael Hunziker (Text) und Barbara Keller (Fotos)

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orkshopstimmung an der Wirtschaftsmittelschule in Basel: Die Jugendlichen sitzen in Gruppen beisammen, diskutieren, lachen, stehen auf und gehen herum. «Hallo zusammen, was steht an?» sagt Lehrer Stefan Rüegger zur Begrüssung. Was informell tönt und aussieht, ist ein effizientes schulisches Setting, das die Schule zusammen mit der PH FHNW eigens für Schüler*innen konzipiert hat, die durch Migrationshintergrund- und sozio-ökonomisch schwierige Verhältnisse einen schwereren Rucksack haben als ihre Mitschüler*innen.

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«ChaBâle» heisst das Programm – Chancengerechtigkeit in Basel – und ermöglicht den Jugendlichen, drei Stunden pro Woche sowohl an fachlichen Aufgaben wie auch an Lerntechniken zu arbeiten. «Wir helfen ihnen, sich schulisch zu stabilisieren, zeigen ihnen, wie man nachhaltig lernt und stärken ihr Vertrauen in ihre eigene Leistungsfähigkeit», sagt Rüegger, der das Programm leitet und an der Schule seit über zehn Jahren Deutsch und Geschichte unterrichtet. Vertrauen schafft Motivation In einer Runde läuft eine angeregte Diskussion. Sechs Jugendliche reden über Erb- und Familienrecht. Begriffe fliegen durch den Raum, wie in einer Anwaltskanzlei. Mittendrin sitzt Handan Gögen und moderiert: «Was unterscheidet nun das Konkubinat von einer eingetragenen Partnerschaft?» Die Lehrerin unterrichtet Wirtschaft und Recht, hat zehn Jahre als Ökonomin gearbeitet,


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bevor sie den Lehrberuf ergriffen hat. Sie kennt die Hürden ihrer Schüler*innen aus eigener Erfahrung. «Zur Bildungsgerechtigkeit beitragen, ist meine Berufseinstellung. Vielleicht hat mein Engagement auch mit meinem persönlichen Hintergrund zu tun», erzählt Gögen, die damals als Schülerin mit Migrationshintergrund durch ein Übergangsjahr den Sprung ins Gymnasium geschafft hat. «Die Jugendlichen haben alle das Potenzial, die Schule mit Berufsmatur zu meistern. Sie sehen es nur noch nicht – auch weil zusätzliche Schranken bestehen.» Der Umgang zwischen den Schüler*innen und Gögen ist kollegial, auf Augenhöhe. «In den drei Stunden, in denen wir gemeinsam Arbeiten, entsteht eine Vertrauensbeziehung, die viel zur Motivation und damit zum Schulerfolg beiträgt», sagt Gögen. ChaBâle wurde sogar während der Ferien angeboten – «die Jugendlichen merken den Rückhalt, und dass wir an sie glauben.» Familiäre Hürden Im Gespräch mit Aisha* wird deutlich, wie hoch die Schranken und Hindernisse auf dem Weg zu ihrem Ziel, «ein Austauschjahr, Betriebsökonomie oder Jura zu studieren», sein können. Die Siebzehnjährige hat vier jüngere Geschwister, um die sie sich kümmern und für sie kochen muss. Die Eltern haben zwei kleine Geschäfte, die sie zeitlich stark absorbieren. Neben der Schule arbeitet auch Aisha bei den Eltern mit, schreibt Offerten, hilft im Lager. Vor etwa einem halben Jahr wurde noch jemand aus der Familie krank, und Aisha konnte kaum mehr die zusätzlichen Lektionen besuchen, weil sie nun zu Hause noch stärker gefordert war. «Zum Lernen war schlicht keine Zeit», sagt sie. Die Folge: Die schulischen Leistungen sind massiv eingebrochen. Nun stabilisieren sie sich allmählich wieder. Aisha erfährt durch das Programm eine begleitende Struktur und Förderung, dort wo sie sie benötigt. «Ich brauche vor allem in Englisch und Mathe Unterstützung. Bei ChaBâle habe ich Fachlehrpersonen, wenn ich meine Mutter frage, kann sie mir die Sachen nicht erklären.» Die Jugendlichen bestimmen Erziehungswissenschaftlerin Alma Kassis begleitet mit Albert Düggeli (beide PH FHNW) die WMS Basel bei diesem Interventionsprojekt. Kassis interessieren genau solche Perspektiven, wie jene von Aisha. Im Rahmen einer Längsschnittstudie untersucht die PH das Projekt auf seine Wirksamkeit (vgl. Box Seite 27). In Einzelinterviews befragt Kassis die Schüler*innen zu biografischen Hintergründen und zu ihren Wünschen in Bezug auf ihre eigene Förderung. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass das Vorhaben umstrukturiert wird. «Wir legten anfänglich den Fokus auf Deutsch. Doch das erwies sich als Mythos. Die Jugendlichen sagten uns schnell, dass sie Unterstützung in anderen Fächern brauchten. Also änderten wir das Programm», erzählt

Lehrerin Handan Gögen (2.v.r.) moderiert eine Diskussion von Schüler*innen zum Thema Erb- und Familienrecht.

Kassis. Das ist ein wichtiger Aspekt: Die Jugendlichen bestimmen die Themen und die Lehrpersonen sind da, um sie punktuell und individuell zu unterstützen. Während die ChaBâle-Jugendlichen im regulären Unterricht mit seinem ambitionierten, kompetitiven Takt kaum dazu kommen, eigene Fragen zu stellen, haben sie in den extra Stunden, zu denen sie sich freiwillig (aber verbindlich) angemeldet haben, nun Raum und Zeit, die Inhalte zu vertiefen, sie sich anzueignen. Positive Entwicklungen Erste Erkenntnisse aus dem qualitativen Teil der Begleitstudie zeigen positive Effekte. «Wir beobachten, dass sich die Schüler*innen bereits in der erst kurzen Dauer des laufenden Projekts verändern. Sie interagieren anders in ihren Lerngruppen und haben auch andere Selbstzuschreibungen als zu Beginn. Sie entdecken gewissermassen neue Seiten an sich selbst», sagt Kassis erfreut. Den Erfolg des Projekts bestätigt auch Stefan Rüegger: «Durch die Förderung, die sie bei uns erhalten, läuft es ihnen auch im regulären Unterricht leichter und es häuft sich kein Rückstau an.» Oft gelänge es dem Team von Lernbegleiter*innen den Schüler*innen zu zeigen, wie sie mit einer guten Organisation ihr Stresslevel bewältigen können. «Manchmal scheitern wir auch», räumt Rüegger selbstkritisch ein, «doch über die lange Frist betrachtet, kommen wir mit den meisten zum Sek-2-Schulabschluss – das ist der Erfolg.» Und dann öffnen sich den Jugendlichen viele Türen, auch zu einem Betriebsökonomie-Studium. *Name geändert

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DOSSIER

«Jeder Jugendliche, der die Laufbahn nicht abbricht, ist ein Erfolg» Interview mit Patrick Langloh, Rektor des Wirtschaftsgymnasiums und der Wirtschaftsmittelschule Basel Von Michael Hunziker

Warum haben Sie sich mit Ihrer Schule entschieden, das Programm ChaBâle zu starten? Ich habe wiederholt festgestellt, dass viele der Schüler*innen, die unsere Schule abbrechen, das Potenzial hätten, den Schulabschluss zu schaffen. Sie scheitern jedoch an den familiären Verhältnissen. Das sollte nicht sein. Mir hat der individualisierte Ansatz von ChaBâle gefallen. Ich kannte das Konzept bereits von Chagall, dem Zürcher Projekt, und als mich dann die PH FHNW anfragte, war ich sofort dabei. Welche Schwierigkeiten gab es? Das ressourcenintensive Projekt lief für die Lehrpersonen aus finanziellen Gründen teilweise neben der Schule. Ich hatte etwas Bedenken, ob die intrinsische Motivation der engagierten Lehrpersonen nicht in eine Belastungssituation führt. Aber das ist zum Glück nicht geschehen. Was sind die Erfolge des Projekts? Beinahe alle Schüler*innen, die ChaBâle besuchen, schliessen die Schule erfolgreich ab. Für uns ist jeder einzelne Jugendliche, der seine Laufbahn nicht abbricht, ein Erfolg. Zudem hat das Projekt einen Einfluss auf unsere Schulkultur. Wir haben zwar mit unserem Lern- und Förderzentrum ein Walk-in-Angebot, doch durch ChaBâle ist unser Verständnis für die individuelle Förderung weiter gewachsen. Wir bilden Menschen, helfen ihnen Selbstvertrauen zu gewinnen, zeigen ihnen Lerntechniken, individuell und fachübergreifend. Auf der Gymnasialstufe wird dieser Aspekt oft vernachlässigt. Das Programm läuft noch bis 2023. Wie liesse es sich verstetigen? Ich hoffe, dass wir das Projekt auch für andere Sek-2Schulen öffnen und zu einem Kompetenzzentrum werden könnten. Das wäre für das Erziehungsdepartement sicherlich auch interessant. Wirtschaftlich und gesellschaftlich ist diese Investition in die Jugend sinnvoll. Menschlich sowieso.

Patrick Langloh. zVg.

CHABÂLE – EINE WISSENSCHAFTLICH BEGLEITETE INTERVENTION FÜR BILDUNGSGERECHTIGKEIT

«Viele Jugendliche, die an ChaBâle teilnehmen, haben subtile Formen der Ausgrenzung erfahren. Manchmal sind diese gekoppelt mit Brüchen in ihren Bildungsbiografien», sagt Albert Düggeli, Professor für Pädagogische Psychologie an der PH FHNW. «Dadurch sind sie in besonderer Weise von Ausschluss- und Entmündigungserfahrungen betroffen, die zu Resignation und beeinträchtigtem Selbstvertrauen führen können.» Nach Alma Kassis sei es ein erstes Ziel, die Noten der Jugendlichen zu stabilisieren, um zu verhindern, dass sie aus dem System fallen. Erst dann kann der zweite Hauptfokus in den Blick genommen werden. Dieser konzentriert sich auf die Stärkung von psychodynamischen Prozessen: Etwa um die Förderung von Leistungsmotivation, die Vertiefung von Interesse, die Stärkung von Selbstkonzepten und die Steigerung von Vertrauen in die eigene Handlungswirksamkeit. «Dazu braucht es mehr als gute Noten», sagt Düggeli, «der Stärkungsprozess ist kein Sonntagsspaziergang. Erste Befunde zeigen, dass die Interventionen des Projekts eine Stärkung der Teilnehmenden ermöglicht, die aber nicht linear verläuft – die Erkenntnisse integrieren wir laufend in die Lehrpersonenbildung auf den Sekundarstufen I und II.» Weitere Infos: www.chabale.ch

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In der Schule Geschlechterrollen hinterfragen Studierende der PH FHNW beschäftigen sich mit Genderthemen. Ihre Arbeiten zeigen, welche Rolle die Schule bei der Ausbildung von Geschlechtsidentitäten einnimmt. Von Michael Hunziker (Text) und Christian Irgl (Foto)

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Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es»: Simone de Beauvoir, die französische Philosophin und feministische Pionierin benannte vor siebzig Jahren bereits, was heute den aktuellen Diskurs in Schule und Gesellschaft beschäftigt. Ein Spannungsfeld zwischen biologischer Zuordnung und sozialen Geschlechterrollen, und mittendrin das Individuum. Gerade bei andersfühlenden Kindern und Jugendlichen kann hier ein Leidensweg beginnen, bei dem die Schule eine zentrale Rolle einnimmt. «Wenn man in der Schule von der Norm abweicht, wird es schwierig», sagt Bianca Urech, Lehrerin auf der Sek1 und Studentin an der PH. «Die Schule ist für Jugendliche der Dreh- und Angelpunkt, das gesamte soziale Gefüge entsteht hier, gerade deshalb müssen Lehrpersonen eine Sensibilität für Genderthemen haben.» Broschüre mit Tipps Bianca Urech hat zusammen mit ihrer Kollegin Sophia Minikus im Rahmen ihres Studiums eine Informationsbroschüre für die Schule erarbeitet, die zentrale Aussagen von trans Menschen zusammenfasst und Lehrpersonen zeigt, was es für einen genderneutralen Umgang mit Jugendlichen zu berücksichtigen gilt. Die beiden unterstützen die LGBT+-Community und haben in ihrem Umfeld Gespräche mit trans Menschen geführt, die ihnen bestätigten, wie entscheidend die Erfahrungen auf der Sekundarstufe 1 für ihre Persönlichkeitsentwicklung waren. Im Kollegium und in Gesprächen mit anderen Lehrpersonen haben Urech und Minikus eine gewisse Berührungsangst vor dem Thema Gender festgestellt.

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«Wir wollten Lehrpersonen zeigen, dass es gar nicht so komplex ist», sagt Sophia Minikus. Ihre Broschüre hält sprachliche Ratschläge (keine Sätze wie, «ich brauche ein paar starke Jungs...») bereit, definiert gängige Begriffe und führt verschiedene Fachstellen auf, an die Lehrpersonen, Betroffene und Interessierte mit ihren Fragen gelangen können. Lehrperson ist Vertrauensperson Sophia Minikus hat geschlechtliche Rollenstereotypen auch schon mit ihrer Klasse im Fach Ethik/Religion/ Gesellschaft thematisiert. Das Interesse bei den Schüler*innen war gross und das Redebedürfnis auch. «Nach der Stunde wollten manche mit mir noch weiter diskutieren.» Minikus beschäftigt sich selbst mit ihrem eigenen Gender und hinterfragt die binäre Ordnung. Begleitet von einem vorerst nicht zu verbalisierenden Unbehagen hat sie als Zwanzigjährige begonnen, feministische Literatur zu lesen, «Gender Trouble» von Judith Butler etwa. «Da hat sich mir eine Welt eröffnet. Und ich begriff es als Teil der Emanzipation, mich von den binären Vorstellungen, der Rolle, die mir zugeschrieben wurde, zu lösen und sie zu irritieren.» Minikus trägt kurze Haare, weite Kleidung, viele Tattoos. «Das gab mir ein neues Gefühl von ‹Frau› sein.» Bianca Urech sieht es als ihre Aufgabe als Lehrperson, das Thema in der Schule anzusprechen. «Wir tragen nicht nur für die schulische Leistung die Verantwortung. In der Schule geht es auch um Menschenbildung, um liberale Werte.» Zudem seien sie als Lehrer*innen Vertrauensperson für die Jugendlichen, in deren Elternhaus teilweise noch sehr konservative Vorstellungen herrschten. «Falls


DOSSIER

Bianca Urech, Sophia Minikus und Vinko Matanovic (v.l.) beschäftigen sich in Arbeiten an der PH FHNW mit Genderthemen.

das Thema bei Jugendlichen akut wird, und das Gespräch gesucht wird, ist es wichtig, zuzuhören und Diskretion zu garantieren», sagt Urech. «Um die Eltern oder andere Personen hinzuzuziehen, braucht es erst das Okay der Jugendlichen.» Man dürfe nicht vergessen, dass trans Jugendliche öfters von Suizidalität betroffen seien, als andere Jugendliche. Geschlechtsidentität und Bildungsverlauf Vinko Matanovic schreibt derzeit an seiner Bachelorarbeit. Dabei untersucht er die Frage, wie trans Menschen ihre Schulzeit wahrnehmen und wie sich die Geschlechtsidentität im Bildungsverlauf ausgewirkt hat. Er erzählt von einem öffentlichen Coming-out, das er miterlebt hatte. Die Person wurde bei einem feierlichen Anlass als Mann verabschiedet und als Frau begrüsst. «Ich war berührt von dieser Aktion», sagt er, «die Leute applaudierten und haben sofort den neuen Namen und das Pronomen berücksichtigt.» Dass diese gesellschaftlichen Prozesse nicht immer so offen ablaufen, haben ihm die drei trans

Personen bestätigt, mit denen er qualitative Interviews geführt hat. Diese blicken mit sehr ambivalenten Gefühlen auf ihre Schullaufbahn zurück. «Sie hatten bereits auf Primarstufe gemerkt, dass etwas mit ihnen anders ist», sagt Matanovic. «Doch ihnen wurde von der Schule und vom Elternhaus eingetrichtert, sie seien das Geschlecht, was sie biologisch sind.» Hinzu seien dann auch die Gruppendynamiken gekommen, die ihnen ebenfalls eine Geschlechterrolle aufzwangen, in der sie sich nicht wohl fühlten. Weil sie sich in der Primarschule noch geschlechtsneutral kleiden konnten, wurde das Problem erst auf der Sekundarstufe akut. «In der Pubertät sind sie ins Kreuzfeuer gekommen,» sagt Matanovic. Beleidigungen, Pöbeleien, systematisches Mobbing, gehörten zu ihren täglichen Erfahrungen. «Aufgrund dieser Diskriminierungen weisen die Befragten eine Zäsur in der Biografie auf – gesundheitliche Brüche, psychische Probleme. Sie hätten vielleicht vermieden werden können, wenn ihre Lehrpersonen auf das Thema eingegangen wären.»

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DOSSIER

«Es tut allen Kindern gut, wenn sie merken, dass sie in Bezug auf Geschlecht nicht einer fixen Vorstellung gerecht werden müssen.» Diego Valsecchi

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DOSSIER

«Kinder müssen keinen Geschlechtsvorstellungen gerecht werden» Interview mit Diego Valsecchi von der Beratungsstelle Transgender Network Switzerland (TNGS). Von Michael Hunziker

Hat die Schule Nachholbedarf punkto Inklusion von trans und intergeschlechtlichen Schüler*innen? Ja, es existieren im Bereich Schule wie auch in der Gesellschaft viele Gerüchte und Unsicherheiten zum Thema. Bereits diese Frage zeigt das. Trans und intergeschlechtlich meint nicht dasselbe. Trans Kinder fühlen sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identisch, das ihnen bei Geburt zugeordnet wurde und wenn jemand intergeschlechtlich ist, dann sind biologisch beide Geschlechtsmerkmale vorhanden. Wichtig ist, dass man, wie im Englischen, Sex und Gender auseinanderhält. Sex ist eine biologische, Gender eine soziale Kategorie, was nicht heisst, dass es in Einzelfällen Überschneidungen dieser Themen geben kann. Das gängige Verständnis von Gender ist oft auch binär... Genau. Trans Menschen möchten oft gar keine binäre Zuordnung. Sie sagen, ich bin weder das eine noch das andere. Mit diesem Gefühl bestätigen sie ein anthropologisches Bild, das den Menschen als offenes Wesen sieht und Geschlecht als etwas sozial konstruiertes. Dieses binäre Raster ist ein modernes Phänomen. Nordamerikanische indigene Gesellschaften etwa kannten fünf Geschlechter. Inwiefern sollte eine Lehrperson zum Thema Gender informiert sein? Eine Sensibilität für soziale Rollen- und damit auch für Geschlechtsbilder steht jeder Lehrperson gut an. Es geht darum Chancengleichheit herzustellen, nicht nur für trans Menschen, sondern für alle. Wenn die gegeben ist, spielt das Thema Trans gar keine Rolle mehr. Das ist natürlich eine Wunschvorstellung. Soweit sind wir nicht. Welche konkreten Probleme haben trans Kinder in der Schule? Weil sie nicht der Norm entsprechen, ist Mobbing ein grosses Thema. Sie haben das Gefühl, nicht akzeptiert zu sein und erfahren oft starke Ablehnung. Die Probleme gehen nicht nur von Mitschüler*innen aus, sondern oft von deren Eltern. Meistens haben Kinder gar keine Probleme mit dem Anderssein. Die kommen erst, wenn die Erwachsenenwelt antizipiert wird. Die Kinder werden neben dem Elternhaus auch durch den Markt gegendert. Gewisse Spielsachen, aber auch gewisse Lehrmittel transportieren noch ein Rollenbild der 1950er-Jahre.

Diego Valsecchi. zVg.

Was kann die Schule konkret dagegen unternehmen? Wichtig ist es, die gängigen Geschlechterbilder nicht weiter zu reproduzieren. Eben keine gesonderten Jungs-/Mädchen-Programme zu machen. Es tut allen Kindern gut, wenn sie merken, dass sie in Bezug auf Geschlecht nicht einer fixen Vorstellung gerecht werden müssen. Hat man als Lehrperson ein trans Kind in der Klasse, so ist es wichtig, das Kind in seinem Befinden und seinen Wünschen ernst zu nehmen. Wenn es auf Ablehnung stösst, verschliesst es sich und versucht, sich konform zu verhalten. Das führt über die Dauer zu psychischen Problemen, schlechteren Leistungen und im schlimmsten Fall gar zum Suizid. Dieses Risiko ist bei trans Menschen höher. Wir möchten das viel früher auffangen und Schulen können dabei eine wesentliche Hilfe sein. Diego Valsecchi ist in der Beratungsgruppe kinder@tgns. ch des Transgender Network Switzerland. Die Organisation ist erste Anlaufstelle für Eltern, Lehrpersonen und Schulsozialarbeitende in Fragen zum Thema Trans www.tgns.ch

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BILDESSAY

Grazile Fragilität

Barbara Keller ist seit vielen Jahren als selbstständige Fotografin und als Dozentin für Fotografie an der Schule für Gestaltung Zürich tätig. Sie arbeitet sowohl in der Portrait-, Reportage- und Produktefotografie als auch im künstlerischen Bereich. Für «das HEFT» zeigt sie eine Serie von Mohn, entstanden Anfang März 2021 in ihrem Studio. Barbara Keller fotografiert Metamorphose, Leichtigkeit, Bewegung, Beseeltheit, Tanz, Leuchtkraft, Sanftmut - Mohn. Das Weglassen eines konkreten Hintergrundes und der grosse Weissanteil verleihen dieser Blume die grazile Fragilität einerseits, bringen aber auch die Dichte und Sattheit ihrer Farben zum Leuchten.

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AUS DER PH

Unterrichtsthema Herkunft – eine Gratwanderung In der Schule über Migration zu reden, soll die Integration fördern. Doch wie verhindert man, dass Lehrpersonen Jugendliche mit Migrationshintergrund in eine ethnischnationale Schublade stecken und damit das Gegenteil bewirken? Die PH FHNW entwickelt in enger Zusammenarbeit mit Partnerschulen auf der Sekundarstufe I praktische Handreichungen. Von Thomas Röthlin

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ehrpersonen sind im Schulalltag mit dem «Dilemma der Differenz» konfrontiert, wie es der Erziehungswissenschaftler Doron Kiesel 1996 nannte: Sie sind einerseits angehalten, alle Schüler*innen gleichwertig zu behandeln. Andererseits sollen sie deren unterschiedliche Lebensrealitäten, Familiengeschichten und Sprachbiografien berücksichtigen. In diesem Spannungsfeld spielt sich auch der Umgang mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund ab. Diesbezüglich ist die Schule der Ort der Integration und Chancengleichheit. Weil für die gezielte Förderung aber eben auch die individuelle Herkunft eine Rolle spielt, besteht das Risiko, das Gegenteil zu bewirken: Ausgrenzung statt Teilhabe. Dies wegen «stereotypen Kulturalisierungen, rassistischen Diskriminierungen und exkludierenden Zuschreibungen». So steht es im Beschrieb von «Zugehörigkeit Reconsidered», einem Projekt des Instituts Forschung und Entwicklung der PH FHNW. Bereits im Vorgängerprojekt «Doing/Undoing Difference in Politischer Bildung» haben die Forschenden anhand von Unterrichtsvideos herausgearbeitet, dass die beschriebene Gefahr real ist – nicht zuletzt, weil fachdidaktische Konzepte fehlen. Das Anschlussprojekt soll sich dieser Lücke annehmen. Es hat zum Ziel, Unterrichtsmaterialien und Weiterbildungsangebote zu entwickeln, und zwar in enger Zusammenarbeit mit Lehrpersonen und Schüler*innen auf der Sekundarstufe I. «Behutsame Annäherung» Eine Partnerschule des Projekts ist die Oberstufe Pratteln. Lehrerin Susanne Grubenmann unterrichtet hier seit zwanzig Jahren unter anderem Geschichte, ein Fach, in dem sie Migration thematisiert. «Das Thema liegt auf der Hand, denn der Grossteil meiner Schüler*innen oder ihre Eltern haben Migration selber erlebt.» Deshalb behandle sie nicht nur die Auswanderungen in die USA

im späten 19. Jahrhundert und die Immigration aus Italien und Jugoslawien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, welche die Schweiz prägten. Platz haben soll auch Persönliches – allerdings nicht unbedingt vor versammelter Klasse. «Wenn die Jugendlichen über ihre eigene Herkunft sprechen, dann fällt ihnen das leichter in einer Gruppenarbeit und wenn es freiwillig ist.» Auch in Einzelgesprächen versucht Grubenmann herauszufinden, was ihre Schüler*innen umtreibt, unter welchen (elterlichen) Zwängen sie vielleicht stehen. Und sie zeigt ihnen auf, wie sich diese Erwartungen mit den hiesigen gesellschaftlichen Verhältnissen vereinbaren lassen. «Es ist eine behutsame Annäherung mit klarem Ziel: volle Inklusion», sagt Grubenmann. Das Forschungsprojekt leiten Simon Affolter und Vera Sperisen. Sie haben den Unterricht von Susanne Grubenmann beobachtet und ausgewertet. «Das Feedback war ein wissenschaftlicher Hammer, wenn auch sehr aufschlussreich», sagt Grubenmann. Anteil zu nehmen an einer Migrationsgeschichte und nicht in Zuschreibungen von «typischen» Haltungen und Verhaltensweise zu verfallen, sei eine Gratwanderung. «Es genau richtig zu machen, ist schwierig», findet Grubenmann. Unterschiedliche Perspektiven Dessen ist sich Vera Sperisen bewusst: «Solche Zuschreibungen sind nicht abwertend gemeint, sondern prägen das Denken von uns allen – auch von mir.» Deshalb brauche es den Dialog zwischen Forschung und Praxis, mit gegenseitigem Respekt vor der jeweiligen Expertise. Und indem auch die Perspektive der Schüler*innen einbezogen werde. Nach der Unterrichtsanalyse haben Affolter und Sperisen einen Workshop mit Grubenmanns Klasse durchgeführt und dort verschiedene Fragen rund ums Thema Rassismus erörtert. «Dabei zeigte sich, dass die Jugendlichen selbst identitäre Bezüge herstellen. Zum Beispiel ist die eigene Religion ein wichtiges Thema. Diese Selbstzuschreibung muss man ernst nehmen», sagt Sperisen. Jugendliche leiden nicht automatisch unter Zuschreibungen, nur weil Erwachsene diese als Klischee entlarven (vgl. Box Seite 39). Zum permanenten Aushandeln eines praxistauglichen Zugehörigkeitsmodells gehört, mit möglichst unterschiedlichen Fallbeispielen zu arbeiten. Neben der Agglomerationsgemeinde Pratteln vor den Toren Basels mit ihrer stark durchmischten Sozialstruktur macht

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AUS DER PH

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AUS DER PH

Gerda Bächli

Linard Bardill

Andrew Bond

Stephanie Jakobi-Murer

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r edetern i L es 00 uerörtert. 0Rassismus d gFoto: In einem Workshop wurden mit Pratteler Schüler*innen verschiedene Fragen rund um das 3 Thema Vera Sperisen. n ute he von

deshalb auch eine ländliche Schule beim Projekt mit, jene von Rapperswil im Berner Seeland. Hier steht der Workshop mit der Klasse erst noch an. Erste handfeste Erkenntnisse und davon abgeleitete Handreichungen für Oberstufen-Lehrpersonen gedenken Sperisen und Affolter im Magazin für politische Bildung Polis kommenden Herbst zu veröffentlichen.

DAS INTERKULTURELLE FRÜHSTÜCK – «KULTURALISIERUNGSFALLE» ODER NICHT? Im Workshop der Forschenden mit der Oberstufenklasse in Pratteln wurde unter anderem über das sogenannte interkulturelle Frühstück diskutiert. Dabei werden Schüler*innen aufgefordert, das in ihren Herkunftsländern typische Zmorge mitzubringen. Beim gemeinsamen Frühstücken soll ungezwungen über die Essgewohnheiten in diesen Ländern gesprochen werden. Die Pratteler Jugendlichen wurden gefragt, was

Roland Schwab

Roland Zoss

Béatrice Gründler

sie von diesem Setting halten. «Einige fanden es übertrieben, darin ein Ausgrenzungsmanöver zu sehen», sagt Lehrerin Susanne Grubenmann. Für Erziehungswissenschafterin Annita Kalpaka hingegen beinhaltet das interkulturelle Frühstück problematische Zuschreibungen. Ihre 2006 publizierte Analyse einer solchen Schulveranstaltung ergab, dass gewisse Kinder das mitgebrachte Frühstück gar nicht oder nur aus den Ferien kannten und andere überhaupt nie frühstücken. Trotzdem hatten sie etwas dabei, um nicht mit leeren Händen da zu stehen. «Die Kinder antizipieren die an sie gestellten Erwartungen und lernen mit Fremddefinitionen umzugehen, allerdings manchmal in Form von/um den Preis der Unterwerfung unter diese», folgert Kalpaka. Das interkulturelle Frühstück als «Kulturalisierungsfalle». Angemessener wäre gewesen, den Auftrag so zu formulieren: «Was frühstückt ihr zu Hause? Bringt morgen etwas davon in die Schule mit. Durch einen solchen Auftrag würde das angesprochen, was sie tatsächlich tun und nicht das, was sie als Vertreter*innen einer Nation erwartungsgemäss tun sollten.»

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und viele mehr…


AUS DER PH

Zur Unterstützung der mündlichen Kommunikation können Symbole helfen. Foto: André Albrecht.

Kommunikation baut Brücken Die inklusive Schule will Kindern möglichst barrierefreies Lernen ermöglichen. Für Lehrpersonen bedeutet dies, Kommunikation so anzupassen, dass sie den unterschiedlichen Voraussetzungen der Empfänger*innen gerecht wird. Ein Blick in Regel- und Sonderschule zeigt, wie das aussehen kann. Von Virginia Nolan

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prachliche Handlungen prägen unseren Alltag: In allen Lebenslagen kommunizieren wir miteinander. Mündlichkeit und Schriftlichkeit sind die zwei zentralen Dimensionen von Sprachhandlungen. Die Wissenschaft unterscheidet dabei zwischen produktiven Kompetenzen – Sprechen und Schreiben – und den rezeptiven Fähigkeiten Zuhören und Lesen. Kommunikation beschränkt sich aber nicht nur

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auf Verbalsprachliches: Wir sprechen und empfangen auch mittels Gestik und Mimik, lesen in Zeichen und Bildern oder machen uns durch solche verständlich. «So passen wir unsere Mündlichkeit und Schriftlichkeit je nach Situation an, um andere an gemeinsamen Sprachhandlungen teilhaben zu lassen», sagt Anja Blechschmidt, Leiterin der Professur für Kommunikationspartizipation und Sprachtherapie an der PH FHNW. Wirken unterschiedliche Kommunikationsarten zusammen, die über die Laut- oder Schriftsprache hinausgehen, ist von multimodal angepasster Kommunikation die Rede. Den Tagesablauf visualisieren «Die integrative Schule hat den Auftrag, allen Kindern möglichst barrierefreies Lernen zu ermöglichen», sagt Blechschmidt, «in diesem Kontext ist eine multimodal angepasste Kommunikation von zentraler Bedeutung.» Ob Kinder vom Unterricht profitieren, hänge massgeblich


AUS DER PH

davon ab, wie gut es Lehrpersonen in der Kommunikation gelinge, Barrieren auszuräumen oder abzufedern. «Ganz gleich», sagt Blechschmidt, «ob wir es mit Mehrsprachigkeit, Hochbegabung oder körperlichen Beeinträchtigungen zu tun haben.» Lehrpersonen haben unterschiedliche Möglichkeiten, Inhalte so zu gestalten, dass sie von allen Schüler*innen verstanden werden. «Das beginnt beispielsweise damit, dass man den Tagesablauf nicht nur mündlich erläutert, sondern ihn auch mit Symbolen dokumentiert, die Orientierung bieten», sagt Blechschmidt. «So nutze ich die Schriftlichkeit der Symbole, um meine Mündlichkeit zu unterstützen.» Visualisierungen sind in der Arbeit von Philomena Endner zentral. Sie unterrichtet auf der Unterstufe der Aargauischen Sprachheilschule normalbegabte Schüler*innen, die eine Spracherwerbsstörung haben. «In meiner Klasse werden sämtliche Abläufe bildlich dargestellt», sagt Endner. Auch kürzere Anweisungen, beispielsweise, das Arbeitsmaterial bereitzumachen, visualisiert Endner zusätzlich mit Symbolkärtchen, komplexere, etwa zu einem Arbeitsauftrag, zeichnet sie parallel via Big-Point auf. Das sind kleine, elektronische Geräte, welche die Kinder mit an den Platz nehmen können, um sich bei Bedarf die Wiedergabe anzuhören. «So muss ich nicht alles mehrfach erklären», sagt Endner, «was mehr Ruhe in den Ablauf bringt, die Kinder aber auch im Zuhören schult.»

Bildern ergänzt oder in einfacher Sprache aufbereitet. Oder dass Kinder, die mit schriftlichen Aufträgen Mühe haben, sich Inhalte auch mal in Form einer Theatersequenz erarbeiten. Damit Schüler*innen mit sprachlichen Schwierigkeiten sich einbringen können, nutzt Stephani verschiedene Strukturierungshilfen. Beispielsweise, indem sie modellierte Antwortvorschläge anbietet, bei denen Kinder Lückensätze vervollständigen können. «Auch Mehrsprachigkeit nutzen wir als Ressource», sagt Stephani. «Üben wir etwa Adjektive, benennen die Kinder sie zusätzlich in der jeweiligen Muttersprache. Das hilft ihnen, Inhalte zu festigen und ist für die Klasse spannend anzuhören.» Rhythmische Sprachspiele gehören ebenso zum Unterricht. «Davon profitieren gerade Kinder mit Sprechstörungen», weiss Stephani. «Zum Beispiel durch Sprechen bei gleichzeitigem Rhythmustrommeln, oder durch Reime, die mit bestimmten Körperbewegungen verbunden sind.» Integratives Arbeiten habe stets die Lerngemeinschaft im Blick, betont Anja Blechschmidt. «Sicher bedeutet es Aufwand, Kommunikation so anzupassen, dass sie den unterschiedlichen Voraussetzungen der Beteiligten gerecht wird», sagt sie, «doch ohne Verständigung erfolgt kein Lernen. Zudem profitiert von diesen Lösungen nie nur ein Kind allein: Vielmehr erweitert jede einzelne das Instrumentarium der Schule, auf das bei Bedarf alle zurückgreifen können. Dies setzt jedoch voraus, dass pädagogische Teams es als ihren gemeinsamen Auftrag sehen, Lernangebote zu gestalten, die allen Kindern zugänglich sind.»

Ebenso achtet Endner auf leichte Sprache, und sie spricht deutlich, damit Kinder, denen das hilft, Laute mit Lippenbewegungen in Verbindung bringen können. «Auch beim Singen setzen wir Symbole und Wortgebärden ein, um die Kinder multimodal zu erreichen», sagt Endner. Lernen durch Körpereinsatz Der Körper als Eselsbrücke ist ein probates Mittel, um Lerninhalte besser erfassen zu können, weiss auch Claudia Stephani. Als schulische Heilpädagogin begleitet sie eine dritte und eine vierte Klasse der Regelschule. «Vokale», sagt sie, «lassen sich beispielsweise gut mit Bewegungen trainieren: Bei den kurzen springen wir in die Luft, bei den langen dehnen wir uns mit dem Oberkörper nach hinten, als lägen wir im Liegestuhl.» Solche Übungen macht Stephani nicht nur mit den ihr zugewiesenen Kindern, vielmehr profitierten alle Klassenmitglieder davon. «Die Regellehrperson und ich arbeiten gemeinsam integrativ», sagt sie, «das heisst, es gibt kein separates Setting, alles vollzieht sich im Klassenverband.» In diesem Fall bedeutet multimodal angepasste Kommunikation beispielsweise, dass das pädagogische Team Texte aus dem Sprachlehrmittel je nach Kind kürzt, mit

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AUS DER PH

Kinder sind Expert*innen ihrer Lernprozesse Mit Smartphones und der Photovoice-Methode und mit Lerntagebüchern erhalten Schüler*innen die Möglichkeit ihre schulischen und sozialen Lernprozesse zu reflektieren. Von Marc Fischer

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er noch nie einen Zirkel in der Hand hatte, dem fällt es möglicherweise schwer, auf Anhieb schöne Kreise zu zeichnen. Wie stark darf man drücken? Welche Unterlage eignet sich am besten? Und wie kann man allenfalls sogar ausgeklügelte Muster zu Papier bringen? Solche Fragen beschäftigen aktuell die Schüler*innen einer 5.Klasse in Basel. Raphael Zahnd und Franziska Oberholzer von der Professur Inklusive Didaktik und Heterogenität am Institut Spezielle Pädagogik und Psychologie der PH FHNW erfahren dies im Rahmen eines grossen Forschungsprojekts zur integrativen Praxis an Schulen, das vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert wird. Fotos, Sprachaufnahmen, Tagebucheinträge Allwöchentlich trifft sich Franziska Oberholzer abwechselnd mit einer Kleingruppe von Schüler*innen, die im Gespräch Aufsteller und Probleme aus ihrem Schulalltag mitteilen können. Als Gedächtnisstütze dienen dabei entweder ein Lerntagebuch mit Notizen – oder ein Smartphone. Dieses haben alle Schüler*innen der Klasse in ihrem persönlichen Kästli und können

bei Bedarf die Photovoice-Methode nutzen. Sprich: Sie können etwa während des Unterrichts ein missglücktes oder besonders gelungenes Kreismuster fotografieren und eine kurze Sprachnachricht dazu aufnehmen. Die Photovoice-Methode wird in der partizipativen Forschung oft genutzt, um Menschen eine Stimme zu geben und Partizipation zu ermöglichen, die sich schriftlich nicht gut ausdrücken können. «Im Sinne eines breit gefassten Inklusionsverständnis, versuchen wir einerseits Barrieren in den Lernprozessen aller Kinder gemeinsam mit diesen zu identifizieren und andererseits festzuhalten, wo sich Kinder auf sozialer Ebene ausgeschlossen fühlen», so Raphael Zahnd. Die Klasse nütze sowohl die schriftliche als auch die Photovoice-Methode regelmässig, sagt Franziska Oberholzer. «Muster sind dabei schwierig auszumachen.» Wichtiger ist im Projekt aber ohnehin, dass die Kinder über ihr eigenes Lernen nachdenken. «Wir möchten sie miteinbeziehen. Sie sind schliesslich die Expert*innen ihrer eigenen Lernprozesse», so Zahnd. Tatsächlich äussern sich die Schüler*innen im Gespräch mit Franziska Oberholzer differenziert und reflektiert über ihr eigenes Lernen. Die einen wünschen sich, dass die Lehrperson sich Zeit nimmt und neue Themen schrittweise erklärt, andere probieren nach einem kurzen Input lieber selber aus. Im Gespräch führt Franziska Oberholzer die Kinder dann von ihren konkreten Inputs zu allgemeineren

«Es zeigt sich bereits, dass der soziale Aspekt einen grossen Einfluss aufs Lernverhalten der Kinder hat.» Franziska Oberholzer, Professur Inklusive Didaktik und Heterogenität, Institut Spezielle Pädagogik und Psychologie der PH FHNW

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AUS DER PH

Die Schüler*innen können während des Unterrichts mit den Photovoice-Smartphones Dinge fotografisch festhalten und mit einer Sprachnachricht versehen, die sie in ihren Lernprozessen beeinflussen. Foto: Raphael Zahnd.

Fragestellungen. Der Transfer gelingt – die Kinder geben sich gegenseitig Lerntipps und führen etwa aus, wie sie auf Prüfungen lernen. Soziale Aspekte spielen eine grosse Rolle Es bleibt jedoch nicht nur bei den konkreten Lernproblemen. Im Gespräch wird deutlich, dass soziale Aspekte die Kinder beschäftigen. Manchmal reicht es schon aus, dass sich ein*e Schüler*in unwohl fühlt, wenn Kamerad*innen am Morgen nicht grüssen. Oder dass es in der Pause zu Streitereien mit Schüler*innen aus anderen Klassen kommt. Die Kinder beschäftigt aber auch, wenn sie das Gefühl haben, eine Lehrperson oder ein*e Mitschüler*in werde ungerecht behandelt. Franziska Oberholzer bündelt und filtert die Inputs der Schüler*innen und bringt sie dann, bei Bedarf auch in anonymisierter Form, bei der Klassenlehrperson ein – verbunden mit Ideen, wie ein Problem angegangen werden könnte. Manchmal ist dies auch gar nicht mehr nötig, weil von den Kindern direkt schon praktikable Lösungsvorschläge gemacht wurden.

Das Forschungsprojekt läuft erst seit dem vergangenen Herbst und ist noch im Gang. «Es zeigt sich aber bereits, dass der soziale Aspekt einen grossen Einfluss aufs Lernverhalten der Kinder hat», sagt Franziska Oberholzer. Beeindruckend sei auch die Entwicklung der Kinder, denen es mittlerweile schon deutlicher leichter falle, konkrete Punkte zu benennen und die sich auch nicht davor scheuen würden, über negative Aspekte vor ihren Klassenkamerad*innen zu sprechen.

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KOMMENTAR

«Als man Zeugnisse machen musste, vergass man den Vorteil der Mehrsprachigkeit, glaube ich»

In einer Studie wurden Erfahrungen von mehrsprachigen Studierenden in ihren Praktika untersucht. Von Sandra Bucheli und Katrin Tovote

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eltweit gibt es mehr mehrsprachige als einsprachige Menschen. Als mehrsprachig gilt, wer in einem natürlichen Kontext mindestens eine weitere Kommunikationssprache erworben hat und diese sprechen, verstehen, schreiben und/oder lesen kann. Anstatt Mehrsprachigkeit als Regelfall zu betrachten, wird sie aber im Bildungskontext häufig noch problematisiert und unterbunden. Bereits in den 1990er-Jahren kam die Forderung auf, dass die Schulen anerkennen, dass ihre monolinguale Ausrichtung in Bezug auf die mehrsprachige Schülerschaft dysfunktional geworden ist. Ingrid Gogolin propagierte etwa bereits 1994, dass sich die Schulen an ihre mehrsprachige Schülerschaft anpassen und dass Schüler*innen verschiedenen Sprachen zur Wissensaneignung nutzen dürfen sollen.

Unterricht einzubringen, wurde jedoch nicht berichtet. Die Studierenden erlebten in den Schulen keine direkte Diskriminierung bezüglich ihrer Mehrsprachigkeit. Im Lehrerzimmer hörten sie allerdings vereinzelt abwertende Äusserungen gegenüber Schüler*innen mit noch geringen Deutschkenntnissen und deren Eltern. Dabei ging es etwa darum, dass man eine*n Übersetzer*in für die Kontaktaufnahme mit den Eltern brauchte und nicht einfach kurz anrufen konnte. Oder man äusserte sich dahingehend, dass die Eltern nach rund zehn Jahren in der Schweiz schon langsam Deutsch sprechen können sollten. Eine Studierende berichtete von der Zusammenarbeit mit einer Lehrperson, welche die Mehrsprachigkeit ihrer Schüler*innen grundsätzlich wertschätzte und unterstützte. Dennoch hatte diese Wertschätzung ihre Grenzen, wie sie lachend sagte: «Ende Jahr als man Zeugnisse machen musste, vergass man den Vorteil der Mehrsprachigkeit, glaube ich.»

In einer Studie behandelten wir deshalb die Frage, welche Erfahrungen mehrsprachige Studierende des Studiengangs Primarstufe der PH FHNW mit ihrer Mehrsprachigkeit im Deutschschweizer Kontext in der eigenen Schullaufbahn, an der Hochschule und in den Praktika gemacht haben. Die Daten wurden durch leitfadengestützte Interviews erhoben und mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Die weiteren Ausführungen fokussieren zunächst auf die Erfahrungen in den Praktika.

Ressource in der Elternarbeit Solche und andere Bemerkungen zeigen, dass zumindest an einigen Schulen, die Mehrsprachigkeit als Belastung erlebt wurde. Befragte man die Studierenden zu ihren Einstellungen und Erfahrungen in der Elternarbeit, berichteten diese von einer hohen Bereitschaft ihre nicht-deutschen Sprachkenntnisse einzubringen. Wenn die nicht-deutschen Sprachkenntnisse im Praktikum verwendet wurden, erfuhren sie von den Eltern viel Wertschätzung und Vertrauen. Allerdings waren solche Begegnungen eher zufälliger Natur. Die vorhandene Mehrsprachigkeit der Praktikant*innen blieb für die Zusammenarbeit mit den Eltern vorwiegend ungenutzt.

Grenzen der Wertschätzung Die Studierenden berichteten, dass sie in den Praktika auf Lehrpersonen trafen, die sich entweder vereinzelt für ihre Mehrsprachigkeit interessierten oder diese neutral zur Kenntnis nahmen. Von einer Ermunterung, die sprachlichen Fähigkeiten systematisch im

Beim Blick auf die Interaktionen der mehrsprachigen Studierenden mit den Schüler*innen, zeigte sich folgendes Bild: Schüler*innen mit denselben nicht-deutschen Sprachkenntnissen wie die Studierenden, reagierten sehr unterschiedlich auf diesen Umstand. Einige freuten sich, waren stolz, andere reagierten schüchtern bis

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KOMMENTAR

schamhaft. Der Nachname der Studierenden führte zu Diskussionen in Bezug auf die Aussprache und diente auch vereinzelt für Verunglimpfungen von Seiten der Schüler*innen. Die Studierenden schätzten es, einzelnen Kindern etwas auch in einer anderen Sprache als Deutsch erklären zu können, um dadurch das Verständnis zu erhöhen. Sie zeigten aber auch deutliche Unsicherheiten, ob und wann sie eine andere Sprache als das Deutsche einsetzen durften. Alle Befragten erlebten an ihren Schulen die Pflicht, die deutsche Standardsprache zu sprechen. Sie wurde jedoch mit unterschiedlicher Konsequenz eingefordert. Generell bestand bei den Studierenden eine grosse Akzeptanz gegenüber diesem Obligatorium, wodurch sie selbst zur Reproduktion der eingangs erwähnten Einsprachigkeit der Schule beitrugen. Themenfelder verknüpfen Insgesamt zeigen unsere Daten, dass die Mehrsprachigkeit der Schülerschaft und die Mehrsprachigkeit der Lehrpersonen zwei bisher noch wenig miteinander gedachte und verknüpfte Themenfelder darstellen und nicht selten mit Unsicherheiten verbunden sind. Dieses Phänomen zeigt sich keineswegs nur im Berufsfeld, sondern auch an der Hochschule. So berichteten die Studierenden, dass sie vereinzelt, aber nicht systematisch, im Rahmen ihrer Lehrveranstaltungen an der PH FHNW mit der Thematik mehrsprachiges Lernen in Berührung gekommen sind. Ähnlich wie in der Schule ist an der Hochschule bisher das Bewusstsein für die mehrsprachige Studierendenschaft noch nicht ausgeprägt. Zukünftig sollte vermehrt bereits im Studium die sprachliche Heterogenität der angehenden Lehrpersonen berücksichtigt, als Ressource erfasst und in didaktische Diskussionen einbezogen werden. Zukünftigen Lehrpersonen, egal ob ein- oder mehrsprachig, sollten in den Lehrveranstaltungen und in ihren Praktika Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie sie Schüler*innen Wissensaneignung in allen Sprachen zugestehen können.

SANDRA BUCHELI ist Dozentin in der Professur für Kommunikationspartizipation und Sprachtherapie am Institut Spezielle Pädagogik und Psychologie der PH FHNW. KATRIN TOVOTE ist Dozentin in der Professur Entwicklungspsychologie am Institut Primarstufe der PH FHNW.

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AUS DER PH

Sport- und Bewegungsunterricht für alle

Rückblick auf ein Lehrinnovationsseminar zum reflexiven Umgang mit Vielfalt und Heterogenität Von Susanne Störch Mehring und Karolin Heckemeyer

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in Ziel schulischer Unterrichtspraxis ist der produktive und wertschätzende Umgang mit Heterogenität. Lehrpersonen sollen und wollen Schüler*innen in all ihrer Vielfalt gerecht werden und sie individuell und bestmöglich fördern. Dieses genuin (sport-)pädagogische Anliegen wurde auch im Rahmen des Projekts «Lehrinnovationen zu Diversität» der PH FHNW in einem Projektseminar der Professur für Bewegungsförderung und Sportdidaktik aufgegriffen. Die Leitfrage war: Wie lässt sich Sportund Bewegungsunterricht differenziert und inklusiv gestalten? Die Auseinandersetzung mit dieser Frage erfolgte im Seminar in Form einer Projektarbeit, die theoretische und unterrichtspraktische Perspektiven eng miteinander verknüpft. Ziel war die Planung, Durchführung und Auswertung eines inklusiven und heterogenitätsgerechten Sport- und Bewegungstages an einer Primarschule. Im Frühlingssemester 2019 konnte dies mit grossem Erfolg an der Primarschule Bünzmatt in Wohlen umgesetzt

LEHRENTWICKLUNGSPROJEKT UND AUDIOPODCAST Unter dem Titel «Lehrinnovationen zu Diversität» wurde an der PH FHNW in den letzten Jahren ein Projekt mit der Zielsetzung realisiert, sowohl inhaltlich als auch auf der Vermittlungsebene neue Impulse für die Hochschullehre zu setzen. Die beteiligten Dozierenden arbeiteten eine ihrer regulären Lehrveranstaltungen dahingehend weiter aus, dass diese neu ein relevantes Thema im Kontext von Diversität, Antidiskriminierung und Bildungsgerechtigkeit aufnahm und vertiefte. Mit Start ab Herbstsemester 2018 wurden 13 Lehrveranstaltungen entwickelt und zweimal durchgeführt, dies unter Beteiligung

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werden, im Frühlingssemester 2020 erforderte die Covid19-Situation eine alternative Umsetzung. Die Seminarteilnehmenden entwickelten schliesslich ein umfassendes Dokument mit «Sport- und Bewegungschallenges für Zuhause», das an die Schule weitergeleitet wurde. Körpernormierungen reflektieren und didaktische Konsequenzen ziehen Die Lehrveranstaltung setzte sich aus drei Teilen zusammen: Die ersten Seminartermine zielten auf eine kritisch-reflexive Auseinandersetzung mit Fragen der (motorischen) Leistungsfähigkeit im Sport- und Bewegungsunterricht und im Zuge dessen mit dem eigenen Körper- und Selbstkonzept. Was bedeutet es für mich als Lehrperson, motorisch leistungsfähig zu sein und welche individuellen Vorstellungen, Erfahrungen und Selbstverständlichkeiten sind damit verbunden? Die Diskussion dieser und ähnlicher Fragen bildete die Basis für den zweiten Teil des Seminars, der den Studierenden einen Einblick in sozialwissenschaftlich-theoretische Debatten zum Thema Umgang mit Vielfalt und Differenz(en) gab. Er zeigte auf, dass und wie Körper- und Selbstkonzepte sowie Annahmen über (motorische) Leistungsfähigkeit mit gesellschaftlichen Normalitätsvorstellungen beispielsweise über Geschlecht

der Studiengänge Kindergarten-/Unterstufe, Primarstufe, Sekundarstufe 1 und Logopädie. Ein Grossteil der Veranstaltungen setzte einen fachdidaktischen Fokus. Vertreten waren die Bereiche Mathematikdidaktik, Bewegung und Sport, Sachunterricht, Englisch, Deutsch und Musikdidaktik. In vielen Fällen verfolgten die Veranstaltungen eine interdisziplinäre Perspektive und wurden in professur- respektive institutsübergreifender Zusammenarbeit umgesetzt. Thematisch beleuchteten die Lehrveranstaltungen etwa Fragen zur inklusiven und differenzierenden Unterrichtsgestaltung, setzten sich mit migrationsbedingter Mehrsprachigkeit


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und Behinderung verbunden sind. Was und wer gilt im Sport- und Bewegungsunterricht als «normal»? Vor diesem Hintergrund ging es im dritten Schritt um die sportdidaktisch fundierte Planung und Durchführung des inklusiven Sport- und Bewegungstages respektive der «Sport- und Bewegungschallenges für Zuhause». Wie lässt sich eine Veranstaltung gestalten, die allen Kindern positive Bewegungserfahrungen und Erfolgserlebnisse ermöglicht? In besonderer Weise gewinnbringend war es, diese Frage im Rahmen des Projektseminars in unmittelbarem Bezug zur Schul- und Unterrichtspraxis zu diskutieren und die Ergebnisse anhand der didaktischen Umsetzungen gemeinsam auswerten zu können. Theoretisch-didaktische Reflexionen unterrichtspraktisch greifbar machen Ohne Zweifel war die Verknüpfung theoretisch-didaktischer Reflexionen mit unterrichts- und schulpraktischen Umsetzungen ein wesentlicher Gewinn des Seminars. Abstrakte Auseinandersetzungen mit sport- und körperbezogenen Normalitätsvorstellungen wurden so greifbar(er) und ihre Relevanz im Berufsfeld Schule und insbesondere im Sport- und Bewegungsunterricht konnte verdeutlicht werden. Dazu trugen auch die positiven Rückmeldungen der Lehrpersonen und vor allem der Schüler*innen bei. Denn sie verdeutlichten den Studierenden unter anderem, dass ein Sporttag auch dann ein Erfolg sein kann, wenn nicht allein der Wettkampf gegeneinander, sondern das gemeinsame Bewältigen von Herausforderungen im Fokus steht. Aus hochschuldidaktischer Perspektive bleibt anzumerken, dass der in nur 28 Semesterwochenstunden aufgespannte Bogen von der theoretisch-didaktischen

in hochschulischen und schulischen Bildungsprozessen auseinander oder beschäftigten sich mit sprachlicher Diskriminierung beziehungsweise mit Kunstvermittlung im Sinne einer «Critical Diversity Literacy». Die Beiträge von Sandra Bucheli und Katrin Tovote (vgl. Seite 44) sowie von Karolin Heckemeyer und Susanne Störch Mehring (vgl. Artikel oben) in diesem HEFT erlauben einen detaillierteren Einblick in zwei Lehrveranstaltungen, die im Projektrahmen durchgeführt worden sind. Als Medium zur Projektkommunikation dient der Audiopodcast «Bildung Macht Diversity». Er stellt

Fundierung zur unterrichtspraktischen Umsetzung eine Herausforderung ist. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Diversitätsdimensionen und deren Verschränkungen ist in diesem Zeitrahmen nur bedingt möglich. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die Verzahnung mit der Schulpraxis und die Struktur des Team-Teaching ein produktives, gemeinsames Arbeiten von Studierenden und Dozierenden ermöglicht, das die Lehrpersonenbildung generell bereichert.

SUSANNE STÖRCH MEHRING ist Dozentin für Fachwissenschaft und Fachdidaktik im Institut Kindergarten-/Unterstufe der PH FHNW. KAROLIN HECKEMEYER ist Dozentin für Fachwissenschaft und Fachdidaktik am Institut Primarstufe der PH FHNW im Bereich Bewegung und Sport. Beide sind Teil der Forscher*innengruppe der Professur Bewegungsförderung und Sportdidaktik im Kindesalter.

in moderierten Gesprächen mit Dozierenden und Studierenden drei im Projektrahmen umgesetzte Lehrveranstaltungen in den Bereichen Sport/ Bewegung, Sprachunterricht und Musik vor. In den von Serena Dankwa produzierten und moderierten Beiträgen wird ein Imaginationsund Reflexionsraum für den diskriminierungskritischen Umgang mit Diversität im Unterricht und an der Hochschule eröffnet. Dies aus jeweils unterschiedlichen pädagogischen und fachdidaktischen Blickwinkeln. Den Podcast «Bildung Macht Diversity» finden Sie auf der Webseite der PH FHNW unter www.fhnw.ch/ph/bmd

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KOMMENTAR

Potenzialorientierte Förderung als Bildungsauftrag Seit den 1990er-Jahren tauchen die Begriffe Begabungs- und Begabtenförderung vermehrt in Weiterbildungsveranstaltungen an Schulen auf. Inzwischen hat sich die gezielte Förderung von Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und überdurchschnittlichen Begabungen an etlichen Schulen etabliert. Von Salomé Müller-Oppliger

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egenwärtige Konzepte der Begabungsförderung stellen Schulstrukturen vor, die es ermöglichen individuelle Begabungspotenziale und Leistungsprofile der Schüler*innen zu erkennen und entsprechende individualisierte Lernaufgaben, Lernorte und massgeschneiderte Lernangebote anzubieten. Basierend auf den Anforderungen des Lehr-

plans 21, werden Unterrichtspraktiken angepasst, um die Lernenden beim Aufbau von persönlichen Interessen, dem Vertiefen von individuellen Begabungen und in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu ermutigen, zu unterstützen und zu begleiten. Dieser Bildungsanspruch ist zentral für ein gesundes Lernen. Eine über längere Zeit dauernde Unterforderung kann zu ernsthaften Beeinträchtigungen des Wohlbefindens führen und negative Auswirkungen auf die Persönlichkeits- und Leistungsentwicklung haben. Die Begabungsförderung hat zum Ziel, dass alle Schüler*innen ihre persönlichen Stärken und Schwächen erkennen und unter Berücksichtigung ihrer individuellen Möglichkeiten und Begabungen optimal gefördert werden. Darüber hinaus nimmt sich die Begabtenförderung explizit den teilweise besonderen Bedürfnissen über-

Als speziell wirkungsvolle begabungsfördernde Massnahme gilt das Mentoring durch eine qualifizierte Fachperson. Foto: Adriana Bella.

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KOMMENTAR

durchschnittlich begabter Kinder an und unterstützt sie in der Entwicklung ihrer Potenziale und weiterführender Kompetenzerwerbung, um ihnen in ihren Begabungsdomänen Hochleistungen zu ermöglichen. Fördermöglichkeiten sind vielfältig In den Anfängen beschränkten sich die Begabtenförderungsangebote vor allem auf Lern- und Forschungsateliers, sogenannte Pullout-Programme, um den im regulären Unterricht unterforderten Kindern individuelle Förderung zu ermöglichen. Inzwischen wird in den Schulen versucht, solche Kinder auch integriert im Klassenverband zu fördern. Dabei geht es nicht darum, lediglich mehr desselben Unterrichtsmaterials bereit zu halten für diejenigen Lernenden, die die geforderten Arbeiten innert kürzester Zeit erledigen, sondern auch darum, divergentes und problemlösungs-orientiertes Denken anzuregen. Zudem ist wichtig, dass (hoch-)begabte Schüler*innen anhand vertiefter und weiterführender Aufgabenstellungen Lernstrategien entwickeln und lernen, sich anzustrengen und durchzuhalten, auch wenn einmal etwas nicht so leicht von der Hand geht, wie sie es sich sonst gewöhnt sind (Aufbau von Frustrationstoleranz). Die Möglichkeiten der Begabungsförderung sind vielfältig. Sie reichen von der Straffung des Lehrplans und Vermeidung unnötiger Übungszeit bis zu Lernumgebungen, die Raum schaffen für das selbstgesteuerte Lernen. Ergänzende Enrichment-Angebote bereichern den Unterricht und bieten Gelegenheit, an interessenbezogenen Projekten zu arbeiten. Auch das Überspringen einer Klasse oder die Zulassung zu höheren Leistungskursen kann nach sorgfältiger Erwägung in Betracht gezogen werden.

Kompetenzen sowie motivationale Lern- und Leistungseinstellungen. Sie fördern exekutive Fähigkeiten wie Planungs- und Handlungsfähigkeiten, Lernpraktiken und Selbstregulationsfähigkeiten (Selbstmotivation, Impuls- und Emotionskontrolle). Um einen stärken- und ressourcenorientierten Unterricht zu bieten, können die Aufgabenstellungen differenziert werden nach Schwierigkeitsgrad, Interessen, Methoden der Bearbeitung, selbstgesteuertem Lernen, nach individuellem Lerntempo und kooperativen Lernformen. Letztlich dienen der Ansatz des entdeckenden und forschenden Lernens, aber auch verschiedene Leistungsbeurteilungspraktiken und der Aufbau von Reflexionskompetenzen der persönlichen Entwicklung eines Lernenden. Zentral ist, dass begabungsfördernde Lernaufgaben in kognitiv verschieden anspruchsvollen Vertiefungsniveaus angeboten werden und den Schüler*innen unterschiedliche Zugänge und erweiterte Ausdrucksformen von Leistung ermöglichen. Darüber hinaus ist ein wesentliches Merkmal begabungsfördernder Aufgaben die Offenheit der Lösungswege. Somit wird dem Ausprobieren und Finden von Lösungen Raum gegeben, kreative Produkte und innovative Ideen dürfen realisiert werden. Letztendlich sollen die Schüler*innen befähigt werden, ihre Stärken zu erkennen und ihre Potenziale umzusetzen. Dazu ist es erforderlich, dass metakognitive Kompetenzen aufgebaut werden. Durch die in den Aufgabenstellungen eingebundene explizite Aufforderung, die eigenen Denk- und Vorgehensweisen zu analysieren, reflektieren die Kinder ihre Lernwege, ihre fachlichen wie überfachlichen Erkenntnisse und besprechen diese mit den Lehrpersonen.

Als speziell wirkungsvolle begabungsfördernde Massnahme gilt das Mentoring durch eine qualifizierte Fachperson. Beispielsweise möchte ein musikalisch begabtes Kind, einen eigenen Groove auf dem Schlagzeug komponieren. Es kann sich dank dem Internet und dort zu findenden Tutorials die erforderliche Theorie selber erarbeiten und weiss auch, in welchem Stil und Rhythmus das neue Stück ertönen soll. Nur mit der konkreten Umsetzung hapert es noch. Eine Musiklehrperson kann das Kind darin unterstützen, die Schwierigkeiten zu überwinden und ihm Anregungen geben, wie es seinen eigenen Stil entwickeln und umsetzen kann. Kriterien begabungsfördernder Lernaufgaben Für die Wirksamkeit von Lernprozessen ist neben der didaktischen Kompetenz von Lehrpersonen und der Beziehungsgestaltung zu den Lernenden die Qualität der Lernaufgaben entscheidend. Begabungsfördernde Lernaufgaben verbinden fachliche und überfachliche

SALOMÉ MÜLLER-OPPLIGER ist Dozentin am Institut Weiterbildung und Beratung der PH FHNW und Studienleiterin des internationalen Masterstudiengangs «Integrative Begabungs- und Begabtenförderung».

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AUS DER PH

Interprofessionelle Kooperation bereits im Studium etablieren Das forschungsbasierte Lehrentwicklungsprojekt KoLeh bringt angehende Lehrer*innen und pädagogische Fachpersonen bereits im Studium im digitalen Raum zusammen und steigert so das Bewusstsein, wie wichtig Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen in der inklusiven Bildung ist. Von Anja Blechschmidt

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ie Zusammenarbeit von Lehrpersonen und weiteren pädagogischen Fachpersonen, also die interprofessionelle Kooperation in multiprofessionellen Teams, ist zwingend für gelingende Inklusionsbemühungen im schulischen Kontext. Mit dem Verständnis schulischer Bildung als gemeinsame Entwicklungsaufgabe aller beteiligten Professionspartner sollte Kooperation bereits im Studium etabliert werden. Eine strukturelle Herausforderung für die interprofessionelle Kooperation im Schulkontext liegt in eingeschränkten Möglichkeiten zur direkten Interaktion, die sich etwa aus der Verantwortung der pädagogischen Fachpersonen für mehrere Klassen und Schulhäuser oder Teilzeitanstellungen ergibt. Einen Lösungsansatz bietet die fortschreitende Digitalisierung, durch die die Zusammenarbeit inhaltlich vertieft, erweitert und adaptiv gestaltet werden kann. Das forschungsbasierte Lehrentwicklungsprojekt KoLeh – digitale Kooperation von Lehrpersonen und pädagogischen Fachpersonen schon in der Hochschullehre – verfolgt deshalb das Ziel, bereits im Studium die digitale, interprofessionelle Kooperation zu etablieren. Zwei Kohorten von Studierenden der Pädagogischen Hochschule FHNW aus Studiengängen mit unterschiedlichem Berufsziel (Lehrpersonen, Sonderpädagog*innen, Logopäd*innen) und gemeinsamem Arbeitsort Schule nahmen im Herbstsemester 2019 und im Frühjahrssemester 2020 am Projekt teil. Die Studierenden jeweils zweier Lehrveranstaltungen verschiedener Studiengänge lösten anhand von Videovignetten (kurze Filme zu Lernsituationen verschiedener Schüler*innen) digital kooperative Reflexionsaufgaben zum Thema inklusive Schulung. Ziel des Projektes ist es, den Studierenden neben den fachlichen Kompetenzen ihrer jeweiligen Lehrveranstal-

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tung digitale Fertigkeiten für den spezifischen Kontext «interprofessionelle Kooperation in multiprofessionellen Teams» zu vermitteln. Dazu denken parallel rund 250 Studierende aus vier Studiengängen über Videoreflexion und Onlinebefragungen unter anderem darüber nach, inwieweit die digitale Bewältigung kooperativer Arbeitsaufträge zu einem wahrgenommenen Anstieg der digitalen Kompetenz und der Online-Selbstwirksamkeit führt. Die Ergebnisse zeigen Effekte der durchgeführten Lehrentwicklungen im Bereich kooperatives onlinegestütztes Lernen zwischen Professionsgruppen im Studium auf. Besonders erfreulich ist, dass den Studierenden vermehrt sowohl die Bedeutsamkeit der digitalen als auch der interprofessionellen Kooperation für die spätere Praxis in multiprofessionellen Teams bewusst wird. Sie nehmen die studiengangsübergreifende Zusammenarbeit im Rahmen des KoLeh-Projektes als eine besondere und nachhaltige Lernerfahrung wahr, die in ihrem derzeitigen offiziellen Studienplan im direkten Kontakt noch keine Rolle spielt. Die digitale Kooperation wird von Studierenden weiterhin kritisch wahrgenommen. Sie bevorzugen mehrheitlich das Face-to-Face Setting und räumen zusätzlich die Notwendigkeit und das Potenzial digitaler Kooperationsangebote ein, durchaus katalysiert durch die aktuelle Pandemiesituation. Die Studierenden betonen, dass sie sich die Zusammenarbeit mit den anderen Berufsgruppen nun konkreter vorstellen können, da sie schon Beteiligte kennen gelernt haben. Zudem betonen auch die Dozierenden der unterschiedlichen Studiengänge, dass sie motiviert in weitere Kooperationsformate einsteigen möchten. Gespräche für längerfristige curriculäre Einbettungen werden aufgenommen.

ANJA BLECHSCHMIDT ist Leiterin der Professur für Kommunikationspartizipation und Sprachtheorie am Institut Spezielle Pädagogik und Psychologie der PH FHNW. Sie leitet das Projekt KoLeh.


AUS DER PH

«Unterschiedliche Erwartungen können zu Spannungen führen» Astrid Marty, Dozentin für Erziehungswissenschaften an der PH FHNW, hat in ihrer Dissertation die Zusammenarbeit von Regellehrpersonen und Sonderpädagog*innen erforscht. Aufgezeichnet von Virginia Nolan

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Bereits in meiner früheren Tätigkeit als Kindergärtnerin stellte ich fest, dass eine gelungene Zusammenarbeit im Team von ganz unterschiedlichen und oft sehr persönlichen Faktoren abhängt. Welches Potenzial die Kooperation unter Lehrpersonen hat, speziell für den integrativen Unterricht, wurde mir während der Arbeit an meiner Dissertation bewusst. Mein Forschungsprojekt untersucht subjektive Theorien – stark vereinfacht gesagt: das Mindset – von 14 Regellehrpersonen und Sonderpädagog*innen über ihre gemeinsame Zusammenarbeit. Im Zentrum steht die Frage, welche persönlichen Überzeugungen und Vorstellungen, Ziele und Motive die Befragten im Hinblick auf ihre Kooperation entwickelt haben, wie sie diese wahrnehmen und welche Faktoren aus ihrer Sicht eine gelungene Zusammenarbeit fördern oder hemmen. Oft wird Kooperation lediglich unter dem Aspekt ihres zeitlichen Aufwands oder ihrer inhaltlichen Komplexität gemessen. Demgegenüber werden die Relevanz von individuellen Denkmustern und Motiven der Beteiligten sowie von teamspezifischen Aspekten, die sich daraus ergeben, zu wenig berücksichtigt. Aber: Die Forschung zeigt, dass Lehrpersonen ihr berufliches Handeln meist mit subjektiven Theorien begründen, aus denen sie ihre Herangehensweisen ableiten. Meine Untersuchung legt nahe, dass Regellehrpersonen und Sonderpädagog*innen differenzierte Vorstellungen von ihrer Kooperation haben. Ich greife an dieser Stelle einen Aspekt heraus, zu dem sich bis auf zwei Personen alle Befragten geäussert haben: den Nutzen ihrer Kooperation. Viele gaben an, ihre Zusammenarbeit als sinnstiftend zu erleben, ein Faktor, der, wie wir wissen, eine Burnout-Prophylaxe darstellen kann. Das dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn Kooperation als Entlastung wahrgenommen wird. In meiner Studie trifft dies insbesondere auf Regellehrpersonen zu, während sich bei den Sonderpädagog*innen nur wenige Hinweise dafür finden. Regellehrpersonen äusserten im Vergleich zu den Sonderpädagog*innen klarere Erwartungen an die Arbeit

des anderen. So erwarten sie von Sonderpädagog*innen zusätzliche Fachinformationen, die sie ihnen entweder durch den gemeinsamen Unterricht oder im Gespräch vermitteln sollen. Aus ihrer Sicht ist es das Ziel, dass Sonderpädagog*innen sie anleiten, mit herausfordernden Situationen besser umgehen zu können. Viele Sonderpädagog*innen hingegen halten sich explizit zurück mit Beratungen und erwarten, dass die Regellehrperson sich bei Bedarf meldet. Sie sehen sich in der unterstützenden Rolle und möchten nicht als belehrend wahrgenommen werden. Solche unterschiedlichen Erwartungen können zu Spannungen führen – vor allem, wenn sie nicht explizit adressiert werden. Meine Befunde weisen darauf hin, dass in den meisten pädagogischen Teams die Aufgaben klar aufgeteilt sind. Sonderpädagog*innen fühlen sich für ‹ihre› Kinder zuständig, trotzdem übernehmen sie regelmässig Aufgaben innerhalb der ganzen Klasse. Sie möchten sich aber nicht aufdrängen, während Regellehrpersonen demgegenüber verunsichert sind, wie stark sie ‹ihre› Sonderpädagogin oder ‹ihren› Sonderpädagogen beanspruchen dürfen. Die Regelung der gemeinsamen Klassenverantwortung würde ich als diffus bezeichnen. Was mich überraschte: Die Auffassung, dass Kinder mit besonderen Bildungsbedürfnissen in den dafür eigenplanten Wochenstunden am besten separat gefördert werden, also nicht im Klassenverband, war in beiden Berufsgruppen stark vertreten. Da liegt die Crux wohl auch in der Ausbildung: Sonderpädagog*innen werden nach wie vor darin geschult, das Besondere zu sehen und orientieren sich an integrativen oder inklusiven Modellen, während Regellehrpersonen zwar über einzelne Herausforderungen und Störungsbilder unterrichtet werden, sich aber mehrheitlich an allgemeinen didaktischen Prinzipien orientieren. Dies stützt das Bild von Regellehrpersonen, die den Wald, und Sonderpädagogen, die den einzelnen Baum im Blick haben.»

Astrid Marty. Foto: zVg.

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Ausschluss wegen «Geistesschwäche»

Nadja Wenger, Dozentin am Institut Primarstufe der PH FHNW, untersucht in ihrer Dissertation die Entstehung und Funktion schulpsychologischer Dienste in der Schweiz. Die Arbeit ist Teil eines Forschungsprojekts der Professur für Allgemeine und Historische Pädagogik an der PH, das vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt wurde. Aufgezeichnet von Virginia Nolan

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Schulpsychologische Dienste sind mittlerweile zentraler Bestandteil einer integrativen Schule. Sie entscheiden unter anderem mit, welchen zusätzlichen Förderbedarf Kinder erhalten, damit möglichst viele Schüler*innen die Regelschule besuchen können. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Ausschluss von Kindern aus Regelklassen wegen ‹Geistesschwäche› gängige Praxis. Konsens war, dass ‹anormale› oder ‹schwachsinnige› Kindern nicht in die Regelschule gehörten. Diese Kategorisierung spiegelt die Entwicklung einer zunehmenden Pathologisierung der Gesellschaft, die Ende des 19. Jahrhunderts zum Ausbau von sozialen Unterstützungsangeboten führte. Auch Schulpsychologische Dienste waren Teil jener Einrichtungen, ‹die das Leben der Heranwachsenden helfend, schützend und fördernd umgeben› sollten. Dazu gehörte, dass Schulkinder von Psycholog*innen untersucht wurden, die entschieden, welche Hilfe ihnen zuteilwerden sollte. Meine Dissertation zeigt zudem auf, dass Schulpsycholog*innen in der Geschichte von Fremdplatzierungen eine bisher kaum beachtete Rolle spielen: Kinder wurden in Anstalten und Heimen ‹versorgt›. Im Zentrum meiner Forschung steht die 1939 eröffnete kantonale Fürsorgestelle für Anormale in St. Gallen, aus der der heutige Schulpsychologische Dienst hervorging. Die Institution hatte drei Hauptaufgaben: Die ‹Ermittlung und Begutachtung› abnormer Kinder, die ‹Versorgung solcher Kinder in heilpädagogische Anstalten› sowie eine ‹Fürsorgetätigkeit im Dienste des geistesschwachen Kindes›. Leiterin war die junge Psychologin Bärbel Inhelder, die später Piagets Lehrstuhl in Genf übernahm. Im Rahmen meiner Arbeit wertete ich unter anderem 41 Gutachten aus, die Inhelder und ihr Nachfolger, Ernst Eduard Boesch von 1942 bis 1951 verfasst hatten. Die Analyse zeigt, dass keine Intelligenztests eingesetzt

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wurden, wie sie in der psychologischen Diagnostik Standard waren, sondern Experimente, die Inhelder bei Piaget erlernt hatte. So sollten Kinder beantworten, was passiert, wenn man Zucker ins Wasser gibt. Aus den Antworten leitete man den Stand ihrer Entwicklung ab. Die Gutachten der ‹anormalen› Kinder beziehen sich zwar auf Aspekte wie ‹Schulleistung›, ‹den geistigen Entwicklungszustand› oder ‹Begabung› – explizite Diagnosen wurden nicht gestellt. Beinahe die Hälfte aller Kinder, über die ein Gutachten vorliegt, wurde in Heimen und Anstalten ‹versorgt›, da in ländlichen Gegenden kaum Spezialklassen existierten. Zwar geschah dies mit dem Einverständnis der Eltern, zumindest formal. Ein Blick auf die dokumentierten Berufe der Väter zeigt, dass vor allem Kinder aus der sozialen Unterschicht ‹platziert› wurden. Die historischen Dokumente zeigen die Ambivalenz des Sozialstaates: Da waren Kinder, die im Heim Schutz fanden vor Gewalt und Vernachlässigung, aber auch solche, die man aus einer wohlwollenden familiären Umgebung entfernt hatte. Was den einen half, war für die anderen ein tragischer Bruch im Leben.»

Nadja Wenger. Foto: Barbara Keller.


«Ich sehe was, was du nicht siehst…»

In ihrer Bachelor-Arbeit hat Carole Schreiber, basierend auf einem literaturbasierten Theorieteil, ein Kartenset entwickelt. Es dient dazu durch theaterpädagogische Mittel bereits im Kindergarten die Perspektivübernahmefähigkeit zu fördern. Eine Fähigkeit, die sich während des Schreibens der Arbeit als Grundkompetenz für eine antidiskriminierende Haltung herauskristallisierte. Aufgezeichnet von Marc Fischer

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Mir war es von Anfang an wichtig, eine praxisorientierte Bachelorarbeit zu schreiben. Den Ausschlag für die Themenwahl haben schliesslich mehrere Dinge gegeben. Einerseits habe ich als Schwerpunktfach Kulturvermittlung und Theaterpädagogik gewählt und kam so immer wieder in Kontakt mit dem Ansatz der Critical Diversity Literacy. Anderseits interessiert mich persönlich, wie Differenzkategorien entstehen und in der Gesellschaft thematisiert werden. Passend dazu hatte ich ein Erlebnis in einem Praktikum: Als Vorbereitung für eine Themenwoche, musste jedes Kindergartenkind ein Fähnlein mit der Fahne seiner Nationalität bemalen, um damit die grosse Heterogenität der Schule nach aussen zu tragen – und ich glaubte zu beobachten, dass viele gar nicht wussten, weshalb sie nun nicht einen roten Wimpel mit weissem Kreuz malen durften. Basierend auf diesen Prämissen entschied ich mich, die Thematik ‹Wir und Andere› aufzugreifen, zu hinterfragen und eine möglichst partizipative Antwort zu finden, wie damit bereits auf Kindergartenstufe eine offene und antidiskriminierende Haltung gefördert werden kann. Im Theorieteil meiner Arbeit ist der Critical-DiversityLiteracy-Ansatz der rote Faden. Er hilft die Entstehung von Differenzkategorien durch eine kritische Brille zu lesen. Den Kindergarten denke ich dabei als Kontaktzone, als gemeinsam erstellten Raum in einer Migrationsgesellschaft, in dem das alltägliche Zusammentreffen stets neu und gemeinsam ausgehandelt wird. Als Schlüsselkompetenz zeigte sich dabei die Fähigkeit zur Perspektivübernahme, um bereits auf Kindergartenstufe eine Gemeinschaft mit offener Haltung zu entwickeln. Diese Fähigkeit gehört zu den überfachlichen Kompetenzen, die mit dem Lehrplan 21 vermehrt in den Fokus rücken. Während in den

Erziehungswissenschaften davon ausgegangen wird, dass die Fähigkeit zur Übernahme der Perspektive von Drittpersonen erst im Alter von sieben bis zehn Jahren entwickelt wird, beschreibt die Theaterpädagogik mimetische Vorgänge, etwa das Nachahmen von Gesten, die schon unbewusst im Kleinkindesalter stattfinden. Die Idee ist daher, mit einem theaterpädagogischen Ansatz die Perspektivübernahmefähigkeit bereits in einem früheren Alter trainieren zu können. Darauf habe ich mich im praktischen Teil der Arbeit gestützt und ein Kartenset mit dem Titel ‹Ich sehe was, was du nicht siehst…› entwickelt. Es bietet diverse Umsetzungsideen für die Kindergartenstufe von Erzähl- und Figurentheater über Pantomime bis zu musikalischer Darstellung von Emotionen. Die Karten sind mit Bilderbuchvorschlägen, Kreis- und Freispielen sowie anderen Aktivitäten auf den Kindergartenalltag ausgerichtet. Die Kinder können vergleichen und andere Sichtweisen einnehmen, ohne dass Wertungen vorgenommen oder Differenzkategorien benannt werden. Ausgangspunkt war für mich die Thematik Rassismus und ich bin überzeugt, dass das Kartenset zur Rassismus-Prävention eingesetzt werden kann, sich jedoch auch allgemein für einen Unterricht im Diversity-Kontext eignet. Ich freue mich darauf, es in unterschiedlichen Klassen auszuprobieren und möchte es auch möglichst vielen anderen Lehrpersonen zugänglich machen, um einen partizipativen Austausch darüber zu generieren. Deshalb werde ich das Kartenset wohl beim Programm ‹Neues Wir› der Eidgenössischen Migrationskommission einreichen. Darin werden partizipative Projekte gefördert, die Diskurse, Bilder, Geschichten und Räume von ‹Wir und die Anderen› hinterfragen und Alternativen dazu entwickeln.»

Carole Schreiber. zVg.

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SPIEL- UND LESETIPPS

ERGREIFENDE LEKTION IN SACHEN MENSCHLICHKEIT Maria Riss, Zentrum Lesen

Mason ist zu dick und zu gross, er ist dauernd verschwitzt und er kann kaum lesen und schreiben. Dafür hat Mason ein riesengrosses Herz. Natürlich ist er eine willkommene Zielscheibe für den Spott und die Aggressionen anderer Kinder. Hätte er nicht den viel zu kleinen, aber superschlauen Calvin an seiner Seite, wäre das Leben kaum auszuhalten. Aber dann, nach einem Streit mit der Dorfbande, verschwindet Calvin plötzlich, ist wie vom Erdboden verschluckt. Schon einmal wurde

so vieles auszudrücken vermag. Er kann Dinge in Worte fassen, für die es im Grunde eigentlich keine Worte gibt. Wenn es ein lesenswertes Buch über Diversität, über Integration und gegenseitigen Respekt gibt, ist es ist wohl diese «ganze Wahrheit» von Mason Buttle. Man könnte den Inhalt dieses Buches auch als ergreifende Lektion in Sachen Menschlichkeit bezeichnen. Für Jugendliche und Erwachsene. Leslie Connor: «Die ganze Wahrheit (wie Mason Buttle sie erzählt)», Übersetzt von André Mumot, Hanser 2021 Weitere Lese-Empfehlungen gibt es unter: www.zentrumlesen.ch

KLEINE KUNST, GROSSES SPIEL

Beim Zuschauen ist es so leicht verstanden und von den Materialsets her so einladend, dass man extrem leicht ins Spiel kommt – für Spieleinsteiger*innen und mit kreativem Ausdruck Fremdelnde eine absolute Integrationsleistung. Gewinnen wird dann zur Nebensache, wenn lustige Gespräche aufklären, anhand welcher Muster jede*r gestaltet hat, ob man eher Details oder abstraktere Strukturen der Vorlage genutzt hat, wie man mit der Herausforderung von zugewiesenem Foto und Materialart fertig wurde. Die Materialien wechseln in jeder Runde durch, so dass alle mit allen Materialsets im Spiel einmal ein Foto nachgestalten müssen. Es gibt keine Wartezeiten, da man nach Fertigstellung des eigenen die anderen Werke schon zu interpretieren beginnen kann.

Mark Weisshaupt, Lernwerkstatt SPIEL

in der Gegend ein Junge vermisst, schon einmal war dieser Junge der beste Freund von Mason. Und damals, da hat man den Jungen tot unter einem Apfelbaum gefunden. Wie im Untertitel erwähnt, erzählt Mason seine Geschichte selber und aus seiner Perspektive. Er mag nicht lesen und schreiben können, aber erzählen, das kann er unsäglich gut. Er berichtet von all diesen schönen und schrecklichen Ereignissen in kurzen Abschnitten und in einfacher Sprache, die doch

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16 Fotos aus dem Stapel, fünf verschiedene Materialsets (farbige Würfelchen, Bauklötze, Stöcke mit Steinen, Schnürsenkel, Symbolkarten) und los geht’s: Jede*r gestaltet mit seinem aktuell vorliegenden Materialset ein ihm zufällig und geheim zugeordnetes Foto nach, wobei alle Spielenden alle 16 Fotos sehen können. Einer muss nun beispielsweise ein Boot auf dem Meer so mit neun Farbwürfelchen in einem kleinen Rahmen nachlegen, dass es von den anderen Spielenden unter den 16 Fotos wiedererkannt wird. Eine Andere muss zeitgleich ein Foto von einem Rad in Schneelandschaft mit Schnürsenkeln nachgestalten. Ein Dritter hat die Aufgabe, mit einer Auswahl aus Symbolkarten eine Staude Trauben den Mitspielenden anzudeuten, wobei alle immer darauf achten, dass die Nachgestaltung von den anderen möglichst eindeutig nur dem einzig richtigen, eigenen Foto zugeordnet werden kann – dann gibt es Punkte für die richtig Ratenden und die Gestalter*innen. Kreative und logische Kompetenzen werden so auf geniale Weise zugleich angesprochen - das ist «Pictures».

Das Spiel wird ab acht Jahren empfohlen (es geht eventuell auch früher) und kann (wegen der fünf Materialsets) mit drei bis fünf Personen gespielt werden. Fortgeschrittene könnten mit dem geistigen Vorläufer «Was’n das» viel Spass haben, wo noch seltsamere, lustige Materialien benutzt werden. «Pictures», ab acht Jahren, von Daniela und Christian Stöhr, PD-Verlag («Was’n das?», ab 14 Jahren, von Philippe des Paillères, Ravensburger)


SPIEL- UND LESETIPPS

AUDIOGAMES: SPIELEN MIT DEN OHREN

ab Schulalter und Erwachsene. Es ist auf deutsch verfügbar.

Judith Mathez, Beratungsstelle Digitale Medien in Schule und Unterricht – imedias

Games ohne Bilder? Ja, das gibt es, so genannte «Audiogames». Im Fall von «Sound of Magic» sieht das folgendermassen aus: Die Hauptfigur kommt in einem Kerker zu sich. Die Umgebung wird wie in einem Hörspiel detailliert beschrieben, aber im Gegensatz dazu lässt sich die Spielhandlung interaktiv steuern: Versuche ich erst die Kerkertür zu öffnen oder untersuche ich die Kerkerzelle? Nach und nach entfaltet sich durch die Beschreibungen, Geräusche und Dialoge eine Fantasy-Welt, mit Zauberern, seltsamen Wesen und verwunschenen Orten.

Noch tiefer tauchen die Spieler*innen bei einem anderen Audiogame ein: Die Hauptfigur von «A Blind Legend» ist der blinde Ritter Edward Blake, dessen Frau von den Wachen des Königs entführt wird. In Begleitung seiner Tochter Louise macht er sich auf den Weg, sie zu befreien. Das Actiongame bedient sich binauraler Klangtechnologie, wodurch eine eindrückliche dreidimensionale Klangwelt entsteht. Folgt man beispielsweise auf einem schmalen Felsgrat Louise, hört man die unten abbröckelnden Steine, aber auch die Stimme von Louise, die einmal von vorn, dann wieder von links oder rechts ruft, um den Vater über den Grat zu führen. Die Game-App ist ab 12 beziehungsweise 13 Jahren freigegeben und auf englisch und französisch verfügbar.

IMPRESSUM «das HEFT» – das Magazin der Pädagogischen Hochschule FHNW – erscheint zweimal jährlich, 3. Jahrgang, Nr. 5, Mai 2021, www.fhnw.ch/ph Herausgeberin: Pädagogische Hochschule FHNW Verantwortlicher Redaktor: Marc Fischer Autor*innen dieser Ausgabe: Amina Abdulkadir, Anja Blechschmidt, Sandra Bucheli, Susanne Burren, Marc Fischer, Karolin Heckemeyer, Michael Hunziker, Simone Kannengieser, Sabina Larcher, Judith Mathez, Salomé MüllerOppliger, Virginia Nolan, Diana Sahrai, Susanne Stoerch Mehring, Katrin Tovote, Maria Riss, Thomas Röthlin, Mark Weisshaupt Bildessay: Barbara Keller Fotograf*innen dieser Ausgabe: André Albrecht, Adriana Bella, Marc Fischer, Christian Irgl, Barbara Keller, Vera Sperisen, Raphael Zahnd Gestaltung: HinderSchlatterFeuz, Zürich

Audiogames eignen sich gleichermassen für blinde, sehbehinderte und sehende Personen. Die Spiele sind nicht nur unterhaltsam, sondern können auch das Bewusstsein Sehender dafür schärfen, was es bedeutet, sich stark auf sein Gehör zu verlassen.

Druck: Sprüngli Druck AG, Villmergen Inserate: print-ad kretz gmbh, Austrasse 2, 8646 Wagen, Tel. 044 924 20 70, Fax 044 924 20 79, E-Mail: info@kretzgmbh.ch Abonnement: «das HEFT» kann kostenlos abonniert werden: dasheft.ph@fhnw.ch

«Sound of Magic», Everbite Postadresse: Pädagogische Hochschule FHNW, Kommunikation, Bahnhofstrasse 6, 5201 Windisch, 056 202 72 60

«A Blind Legend», Dowino

Auflage: 7000 Exemplare Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck von Artikeln nur mit Genehmigung der Redaktion. ISSN 2624-8824 (Print)

Die Hauptfigur durchwandert diese Welt und versucht das Geheimnis ihrer Vergangenheit zu lüften. Um voranzukommen, löst sie Rätsel im Stil eines klassischen Adventure-Games. Die witzigen Dialoge und die Soundkulisse sind sorgfältig gestaltet. Die Game-App ist ab null beziehungsweise vier Jahren freigegeben und eignet sich für Kinder

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KOLUMNE

Alles nur im Kopf

Sie waren in einem Zug und Sie waren in Ihrem Kopf. Und während Sie in Ihrem Kopf waren, waren die Leute um Sie herum in ihrem eigenen Kopf und haben Sie betrachtet, und eingestuft. Nach Kleidung. Nach Beschäftigung. Nach Begleitung. Was die sich wohl gedacht haben? Wahrscheinlich etwas, das Sie selbst nicht gelten lassen würden. So, wie mir das einmal sehr deutlich passierte. Da sass ich im Unterricht und habe geweint. Und die Leute um mich herum haben sich gewundert. Wenn sie gewusst hätten, dass grad meine Grossmutter gestorben ist, hätten sie sich vielleicht gar nicht erst gewundert. Sie hätten vielleicht an ihre eigene Grossmutter gedacht. Sie hätten mich vielleicht getröstet. Aber sie wussten’s halt nicht und so blieb ihnen nur das Wundern. Wir wissen sowieso ganz selten etwas über die Leute, die mit uns zur Schule gehen. Oder mit uns einkaufen. Oder mit uns arbeiten. Oder mit uns Zug fahren. Weil wir mit diesen Menschen erstmal nichts gemein haben. Weil wir sie erstmal nicht kennen. Wir haben zwar dasselbe Ziel: Wir wollen wo hin kommen. Aber dass das am selben Ort passiert, ist reiner Zufall. Und wenn dann jemand auf einem Stuhl sitzt und mitten in der Heimatkunde weint, dann ist das erstmal einfach nur zum Wundern. Und dieses Wundern hat viel mehr mit den Betrachtenden zu tun als mit der weinenden Person. Weil der Mensch nun mal immer zuerst im eigenen Kopf ist. Und im eigenen Kopf wird selten gefragt.

Autorin Amina Abdulkadir schreibt über Beobachtungen im Zug und die Zeit, die wir im eigenen Kopf verbringen. Von Amina Abdulkadir

Wir verbringen die meiste Zeit im eigenen Kopf. Da bietet sich Zugfahren ganz fantastisch an, um mit der Gesellschaft in Kontakt zu kommen. Da ist die Chefin, die per Headset ihre Praktikantin mikromanaget; der Jugendliche, der seine Musik halt unbedingt braucht, «sorry, d’Chofhörer händ ke Pfuus meh»; der Vater, der zu den vier wippenden Rädern blickt; der zweite Jugendliche, der seine Musik halt auch unbedingt braucht und sicher nicht die von dem anderen, «wenigschtens händ mini Chopfhörer no Strom»; die Auszubildende, die während der Arbeit kaum Zeit hatte, um bei den Notifications recht nachzukommen und deshalb ein Update per Telefon braucht; die Frau mit dem Buch in der Hand; der Mann mit dem Podcast in den Ohren; und Sie. Ja, Sie sind auch da! Irgendwann waren auch Sie mal in einem Zug.

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Das können wir nicht ändern, aber vielleicht ein bisschen abschwächen. Deshalb frage ich meine ehemaligen Schulfreund*innen jetzt, was ich damals verpasst habe, weil ich zu sehr im eigenen Kopf war: Als du begonnen hast, deine Homosexualität zu zeigen, war ich dir da eine gute Kollegin? Hat es dich verletzt, dass ich dich als Italienerin nie ganz so ausländisch gesehen habe, wie mich selbst? Hast du dir gewünscht, dass ich deine nonbinäre Geschlechtsidentität so wirklich richtig verstehe? Hat dich mein Ärger genervt, wenn du deine Privilegien nicht sehen konntest? Hattest du das Gefühl, du müsstest mit mir irgendwie vorsichtiger umgehen? Denkst du, wir schaffen das?

AMINA ABDULK ADIR ist Autorin, Bühnenküstlerin und Beraterin bso


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Kolumne von Amina Abdulkadir

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pages 56-60

Ich sehe was, was du nicht siehst…» – Carole Schreiber über ihre Bachelor-Arbeit

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Spiel- und Lesetipps

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Kommentar: Potenzialorientierte Förderung als Bildungsauftrag

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In der Schule Geschlechterrollen hinterfragen

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