GELD-Magazin, July 2021

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INTERVIEW . Ulrich Kaffarnik, DJE Kapital AG

„Gutes Umfeld für reale Werte“ Die Wirtschaft boomt, die Zentralbanken bleiben expansiv. Dennoch dürfte die Inflation für die Aktienmärkte kaum ein Problem werden, meint Ulrich Kaffarnik von DJE Kapital AG. Aktien bleiben die favorisierte Anlage. MARIO FRANZIN

schaut ebenso wie die Fed einfach durch –

wicklung vor allem am langen Ende – und

sowohl in den USA als auch in Europa.

die Zinserwartungen sind auch die Inflationserwartungen. Wir hatten ja mit einer

die Aktienmärkte steigen auf im-

Bei den Realzinsen haben wir natürlich eine

mer neue Allzeithochs, nachdem sie sich

desolate Situation – sie liegen in den USA

Double Dip Recession in Deutschland eine

seit der Krise bereits mehr als verdoppelt

bei minus 3,5 Prozent, in Deutschland bei

ganz schlechte Ausgangssituation – aber da hat der Markt auch hindurchgeschaut. Die

haben. Vor allem in den USA ist die Inflati-

minus 2,5 Prozent. Aber die Märkte sagen

on stark angestiegen – im April um 4,2 Pro-

auch: Wenn die Inflation vorübergehend ist

Dynamik, die wir jetzt in der Wirtschaft se-

zent, im Mai um 5,0 Prozent –, dennoch zei-

und die Notenbanken auch erst später

hen, kommt natürlich auch aus den Basisef-

gen sich die Renditen an den Anleihenmär-

bremsen, dann wird die Konjunktur auch

fekten. Auch wenn die konjunkturellen Er-

kten in den USA mit derzeit rund 1,5 Pro-

nicht durch eine frühzeitige Zinsanhebung

zent im Zehnjahresbereich und in Europa

abgewürgt. Deshalb sehen wir derzeit stabi-

wartungen für dieses Jahr noch etwas herab­ gestuft werden, weil man die Nach-

unter 1,0 Prozent (Italien) bzw. minus 0,3

le Aktien- und Bondmärkte.

wirkungen der Pandemie unterschätzt hat, wird das im nächsten Jahr aufgeholt, selbst

Prozent (Deutschland) sehr verhalten. Der Trigger für die Aktienmärkte sind

wenn die Entwicklung etwas abflachen

Herr Dr. Kaffarnik, wie sehen Sie die wei­

vor allem die niedrigen Zinsen. Mögli­

sollte. Das ist eine Beobachtung, die auch

tere Entwicklung bezüglich der Inflation

cherweise wird die Inflation im zweiten

für die Börsen ganz gut ist. Mit dem Vorbe-

und möglicher Reduzierungen der Unter­

Quartal durch Basiseffekte noch eine über­schießen­de Reaktion zeigen. Wie

halt, dass es keine negative Überraschung

stützungen der Zentralbanken? Der Markt geht davon aus, dass bereits vor 2023 eine Zinserhöhung kommen könnte.

auf der Corona-Seite gibt.

wird das von den Märkten aufgenommen werden?

Im Fundmanager-Survey wurde schon im

Aber ist das nicht eine Überstimulierung, wenn die Zentralbanken weiter Anleihen

Mai von rund der Hälfte der Befragten für

kaufen, die Zinsen bei Null halten und

2022 eine erste erwartet. Das hat den Markt

das bei einer kräftigen Wirtschaft? Ja, das ist absolut richtig. Aus dieser Per-

aber nicht wirklich berührt. D.h. die Aktienmärkte steigen weiter – aber wir haben ja auch ein gutes Umfeld dafür. Die Fed liegt mit ihrer im Juni geäußerten Zinserhöhungserwartung ohnehin hinter dem Markt. Das ist deshalb so, weil sie bereits letztes

Wir haben eine extrem hohe Inflation – aber wir sehen diese hauptsächlich als Assetpreis-Inflation.

spektive erleben wir eine extreme Inflation – aber eben eine Assetpreis-Inflation. Die erste sahen wir bei den Staatsanleihen, die zweite bei den Investment Grade (IG)Bonds und die nächste bei den Aktien sowie Immobilien. Natürlich haben wir hier eine

Jahr klargemacht hatte, dass sie bei der Inflation einen Mittelwert nehmen will und

Die Frage ist, wo die Grenze liegt. Wenn bei

Überstimulierung. Sie passiert aber nicht

durchaus auch Raten von mehr als zwei

der Inflation Zahlen kommen, die deutlich

überall. China macht z.B. eine ganz andere

Prozent für einige Monate oder Quartale to-

über sechs Prozent sind, dann dürfte das

Politik – dort gibt es mit fast drei Prozent ei-

lerieren wird. Damit nimmt die Fed eine

eine negative Überraschung sein. Der Markt

nen hohen Realzins, in Japan ist der Real-

sehr vorausschauende Position ein. Was

hat etwa fünf bis sechs Prozent eingepreist.

zins übrigens auch positiv. Und wenn Sie

jetzt inflationstreibend ist, sind sowohl

Aber stellen Sie sich vor, es kommt wieder

die Börsenentwicklung dieses Jahr an-

Nachfrageeffekte als auch Beschränkungen

eine Vier – dann wird der Markt wahr-

schauen, dann ist sie in China enttäuschend

auf der Angebotsseite, die noch nicht ganz

scheinlich den nächsten Move nach oben

gewesen. Ich bin der erste, der in den USA

reibungslosen Lieferketten und die Chip-

machen. Im Grunde folgen die Märkte der

und in Europa eine Überstimulierung sieht.

Problematik. Beides gibt jetzt eine Doppel-

Ansicht der Notenbank. Wenn es nicht so

In Europa wird sie durch eine Allianz der

geschichte bei der Inflation. Aber der Markt

wäre, hätten wir eine ganz andere Zinsent-

Südländer gemeinsam mit Frankreich ange-

8 . GELD-MAGAZIN – Juli/August 2021

Credit: beigestellt

D

ie Wirtschaft läuft extrem gut, die Notenbanken stimulieren weiter,


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