20 HGV-Zeitung Januar 2022
BETRIEBSFÜHRUNG
Recht: Neue Regeln für die Agrar- und Lebensmittelversorgungskette
Unlautere Handelspraktiken verboten Von Dr. Silvia Winkler
Neue gesetzliche Bestimmungen schützen vor allem Landwirte und kleine und mittlere Lieferanten vor unlauteren Handelspraktiken. Mit der EU-Richtlinie 2019/633 des europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union wurden sogenannte unlautere Handelspraktiken festgelegt, die in den Beziehungen zwischen Lieferanten und Käufern in der Agrarund Lebensmittelversorgungskette verboten sind. Dadurch soll ein Ungleichgewicht in Bezug auf die Verhandlungsmacht von Lieferanten und Käufern von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen vermieden werden. Mit dem Legislativdekret Nr. 198 vom 8. November 2021 hat inzwischen auch Italien die EU-Richtlinie umgesetzt. In Italien sind nun alle Lieferanten und Käufer von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen von den neuen Bestimmungen betroffen und somit auch gastgewerbliche Betriebe, und zwar unabhängig davon, welchen
Umsatz die Unternehmen erzielen. Verträge zwischen Lieferanten und Konsumenten sind hingegen nicht von dieser Bestimmung geregelt.
Merkmale der Lieferverträge Die Verträge zwischen Lieferanten und Käufern von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen müssen gemäß den Grundsätzen der Transparenz, Richtigkeit, Verhältnismäßigkeit und Gegenseitigkeit der Leistungen abgeschlossen werden. Die Lieferverträge müssen in schriftlicher Form vor Lieferung der Ware abgeschlossen werden. Außerdem müssen die Dauer, die Menge, die Eigenschaften des Produktes, der Preis sowie die Liefer- und Zahlungsbedingungen festgelegt werden. Die schriftliche Formpflicht ist auch dann erfüllt, wenn ein schriftlicher Rahmenvertrag abgeschlossen wird und anschließend Transport- und Lieferpapiere sowie Rechnungen und Bestellungen erstellt werden. Grundsätzlich ist für diese Lieferverträge eine Mindestdauer von einem Jahr
vorgesehen. Die Vertragsparteien können jedoch zum Beispiel aufgrund der Saisonalität der verkauften Produkte auch eine kürzere Dauer vereinbaren. Schankund Speisebetriebe sind von dieser Regel ausgenommen und dürfen Lieferverträge mit einer kürzeren Dauer abschließen.
Verbotene Handelspraktiken Zu den Handelspraktiken, die absolut verboten sind, gehören unter anderem: • Der Käufer hält die Zahlungsfristen nicht ein (höchstens 30 Tage für verderbliche Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse). • Der Käufer storniert die Bestellung verderblicher Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse zu kurzfristig (weniger als 30 Tage vorher). • Der Käufer ändert einseitig die Bedingungen einer Liefervereinbarung in Bezug auf Häufigkeit, Methode, Ort, Zeitpunkt oder Umfang der Lieferung, Qualitätsstandards, Zahlungsbedingungen oder Preise.
• Die Auferlegung von übermäßig belastenden Vertragsbedingungen für den Lieferanten, einschließlich des Verkaufs von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln zu Preisen unterhalb der Produktionskosten. • Die Lieferung von Erzeugnissen mit einem zu kurzen Verfallsdatum im Verhältnis zur generellen Haltbarkeit des Erzeugnisses. Zu den Handelspraktiken, die verboten sind, falls diese nicht vorher zwischen dem Lieferanten und dem Käufer klar und eindeutig vereinbart worden sind, gehören unter anderem: • Der Käufer schickt nicht verkaufte Erzeugnisse an den Lieferanten zurück, ohne für die nicht verkauften Erzeugnisse oder für die Beseitigung zu bezahlen. • Der Käufer verlangt eine Zahlung vom Lieferanten, dass die Erzeugnisse gelagert, zum Verkauf angeboten, gelistet oder auf dem Markt bereitgestellt werden. • Der Käufer verlangt vom Lieferanten, dass dieser für die Vermarktung von
den Erzeugnissen durch den Käufer zahlt.
Wer die Verbote überwacht Das sogenannte „Ispettorato centrale della tutela della qualità e della repressione frodi dei prodotti agroalimentari (ICQRF)“ des Ministeriums für Landwirtschafts-, Ernährungsund Forstpolitik ist als Behörde für die Untersuchung von Verstößen gegen die Bestimmungen und die Verhängung der entsprechenden Verwaltungssanktionen zuständig. Die neuen Bestimmungen sind am 15. Dezember 2021 in Kraft getreten und gelten für Lieferverträge von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen, die ab diesem Datum abgeschlossen werden. Laufende Verträge müssen innerhalb von sechs Monaten mit diesen Bestimmungen in Einklang gebracht werden. Weitere Informationen erteilt die HGV-Rechtsabteilung. Tel. 0471 317 760 recht@hgv.it
Recht: Was sich ab 14. Januar 2022 ändert — Lagerbestände weiterhin verwendbar
Produkte aus Einwegplastik sind nicht mehr erlaubt Von Dr. Astrid De Zordo Mit 14. Januar 2022 treten, in Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie, die neuen Regeln zur Reduzierung von Plastikmüll und zum Schutz der Gesundheit, der Umwelt und der Meere in Kraft. Die Bestimmung sieht vor, dass ab 14. Januar 2022 Einwegplastikprodukte wie Besteck, Teller, Trinkhalme, Rührstäbchen, Becher und Lebensmittelbehälter aus expandiertem Polystyrol und Oxo abbaubarem Plastik nicht mehr auf den Markt gebracht werden dürfen. Die Lagerbestände dieser Einwegplastikprodukte dürfen aufgebraucht werden, so-
fern der Nachweis erbracht wird, dass diese erstmals vor dem 14. Januar 2022 auf dem Markt gebracht wurden. In der Praxis ist es daher ratsam, sich vom Lieferanten einen Nachweis aushändigen zu lassen, wenn Lagerbestände aufgebraucht werden. Vom Verbot der Verwendung ausgenommen sind biologisch abbaubare und kompostierbare Einwegprodukte, die laut UNI EN 13432 oder UNI EN 14995 zertifiziert sind und einen Anteil an erneuerbarem Rohmaterial von gleich oder höher als 40 Prozent (ab 1. Januar 2024 ab 60 Prozent) haben, für jene Fälle, wo es nicht möglich ist, wiederverwendbare Pro-
dukte zu benutzen. Tassen und Becher, die aus weiterhin zugelassenem Einwegplastik bestehen, müssen ab 14. Januar 2022 die gesetzlich vorgesehene CE-Markierung tragen. Auch in diesem Fall gilt, dass Lagerbestände aufgebraucht werden können. Für die Verletzung dieser gesetzlichen Bestimmungen sind Geldstrafen zwischen 2.500 Euro und 25.000 Euro vorgesehen.
Steuerguthaben Um das angestrebte Ziel, die Reduzierung des Plastikmülls zu erreichen, führt der Gesetzgeber ein Steuerguthaben für den Kauf von wiederverwendbaren
Trinkhalme aus Plastik dürfen nicht mehr verwendet werden. Foto: pixabay
oder biologisch abbaubaren oder kompostierbaren Produkten wie Besteck, Teller, Trinkhalme, Rührstäbchen, Tassen, Becher und Lebensmittelbehälter ein, die mit UNI EN 13432:2002 zertifiziert sind. Das Steuerguthaben ist für die Jahre 2022, 2023 und 2024 vorgesehen, und zwar im Ausmaß von bis zu 20 Prozent der getra-
genen Kosten und bis zu einem Höchstbetrag von 10.000 Euro pro Empfänger. Die Details für die Inanspruchnahme dieses Steuerguthabens sind vom Gesetzgeber noch zu definieren. Weitere Infos erteilt die HGV-Rechtsabteilung. Tel. 0471 317 760 recht@hgv.it