11-12 Interview.qxp_kloen 26.01.22 12:31 Seite 11
INTERVIEW DES MONATS
Sagen Sie mal …
dem damaligen Umfeld bestehen, ist Gegenstand der laufenden Ermittlungen.
… Mirko Streiber, Chef des Hamburger Landeskriminalamts
„Anhaltend hohe Gefahr“ Im Dezember 2021 vereitelten die Hamburger Sicherheitsbehörden einen terroristischen Anschlag. Das Ereignis ruft Erinnerungen an den 11. September 2001 wach. Was hat sich verändert?
Handgranate zu bestellen.
Gibt es bereits neue Erkenntnisse, die Sie uns zum Fall mitteilen dürfen? Der Verdächtige sitzt weiterhin in Haft. Im Rahmen der noch laufenden Ermittlungsmaßnahmen wird unter anderem das umfangreich sichergestellte Datenmaterial ausgewertet. Es gilt weiterhin zu klären, welches Motiv ihn antrieb und was er konkret beabsichtigte. Ich bitte aber um Verständnis, dass ich vor dem Hintergrund der Wo stehen wir heute, im Vergleich zu damals, noch andauernden Ermittlungen aktuell kei- auch in Hinblick auf die Ermittlungsmöglichkeiten? ne Neuigkeiten präsentieren kann. Wir haben uns im Nachgang der TerroranDer Verdächtige soll aus dem Umfeld der Har- schläge aus 2001 sehr intensiv und selbstkritisch mit den damaligen Ursachen und Zuburger Terrorzelle stammen, die am 11. Sepsammenhängen beschäftigt und dabei tember 2001 beim Anschlag auf das World feststellen müssen, dass dieser PhänomenTrade Center beteiligt war. Ist das korrekt? In der Tat ist es so, dass der Vater des 20-jäh- bereich für die Sicherrigen Verdächtigen ein Mitverantwortlicher heitsbehörden bis dato in der später verbotenen Al-Quds-Moschee in großen Teilen neu und Diese BedroHamburg-Harburg gewesen ist. In dieser ha- unbekannt gewesen war. hung ist zuletzt ben sich vor den Anschlägen am 11. Septem- Die Informationslage war vielleicht ber 2001 die Angehörigen der Hamburger mangelhaft und der Infor- etwas aus dem Terrorzelle um Mohammed Atta getroffen. mationsaustausch mit an- Fokus geraten. Inwieweit heutige Kontakte zu Personen aus deren Institutionen sehr gering. Die technischen Ermittlungsmöglichkeiten für die Verhinderung derartiger Straftaten standen teilweise nicht zur Verfügung, die personelle Besetzung des Staatsschutzes für diesen Phänomenbereich war nicht ausreichend und die in Hamburg relevante Szene wurde durch die Sicherheitsbehörden kaum beobachtet. Es gab also viel zu tun. Wie ging es weiter? Als Folge wurden die personellen Ressourcen in Bund und Land erheblich aufgestockt, die Ermittlungsmöglichkeiten weiterentwickelt und dem aktuellen Stand der Technik angepasst. Beispielsweise verlagern sich die Konversation und Treffen vermehrt in den virtuellen Raum beziehungsweise in die sozialen Medien. Die Sicherheitsbehörden haben dies frühzeitig erkannt und sich entsprechend technisch aufgestellt. Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Sicherheitsbehörden wurde deutlich intensiviert, etwa durch die Einrichtung von gemeinsamen Zentren, in denen Informationen ausgetauscht und abgegli-
Klönschnack 2 · 2022
Der Tatverdächtige versuchte,
im Darknet eine Pistole und eine
Beispiel dafür, dass das mittlerweile etablierte Sicherheitsnetzwerk sehr gut funktioniert.
FOTO: ©_SVEN-VERWEIJ-ON-UNSPLASH
Herr Streiber, es ist nun rund einen Monat her (Stand 14.1.), dass in Hamburg ein Terroranschlag vereitelt wurde. Können Sie uns nähere Informationen dazu geben, wie es den Hamburger Sicherheitsbehörden gelungen ist, den Anschlag zu verhindern? Alles begann damit, dass der damals noch unbekannte Täter im Darknet an einen verdeckten Ermittler der amerikanischen Homeland Security geraten war. Als deutlich wurde, dass der Mann aus Deutschland kam, informierten die amerikanischen Behörden das Bundeskriminalamt (BKA). Da der mutmaßliche Täter aus Hamburg stammt, führte das LKA Hamburg die Ermittlungen in enger Zusammenarbeit mit dem BKA sowie der Generalstaatsanwaltschaft fort. Im Zuge einer fingierten Übergabe konnte der Tatverdächtige festgenommen werden und es erging ein Haftbefehl wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Waffengesetz. Weitere intensive Ermittlungen führten zu einer Wohnung, in der sich der Tatverdächtige zeitweise aufgehalten hatte. Bei der Durchsuchung konnten Chemikalien sichergestellt werden, die für die Herstellung eines Sprengsatzes geeignet sind. Es ist ein gutes
Den Hamburger Sicherheitsbehörden wurden 2001 große Vorwürfe gemacht. Wäre das jetzt auch angebracht – da aus dieser Richtung erneut Terror drohte? Das Gegenteil ist der Fall. Es ist für mich ein gelungenes Beispiel dafür, wie Terrorplanungen durch den mittlerweile hervorragenden nationalen und internationalen Informationsaustausch frühzeitig erkannt und Anschläge durch gemeinsames Zusammenwirken verhindert werden können. Dabei müssen wir uns allerdings vor Augen halten, dass nach wie vor eine abstrakt hohe Terrorgefahr auch für die Bundesrepublik Deutschland besteht. Diese Bedrohung ist zuletzt vielleicht etwas aus dem Fokus der Gesellschaft geraten. Den Hamburgerinnen und Hamburgern kann ich versichern: Ihre Polizei ist wachsam!
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