Klönschnack August 2022

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11-12 Interview.qxp_kloen 26.07.22 17:07 Seite 11

INTERVIEW DES MONATS

… Alica Huckfeldt, Geschäftsführerin des Bauernverbands Hamburg

„Ackern für Hamburg“ Die Preise für Lebensmittel steigen, manche Nahrungsmittel werden knapp. Im Interview verrät Alica Huckfeldt, was die lokale Landwirtschaft bereits leistet und was sie leisten könnte. Frau Huckfeldt, welcher Art sind die landwirtschaftlichen Betriebe in Hamburg? Zum einen gibt es die klassische Landwirtschaft mit Milchvieh, Ackerbau, Gemüse, Obst, Zierpflanzen, Schweinen, Pferden und Mutterkühen. Außerdem sind wir für Naturschutz zuständig. Von unseren 6.600 Hektar Grünlandflächen sind bereits 4.000 Hektar im Naturschutz integriert und das hebt Hamburg hervor. Wir sorgen um Hamburg herum auch für Kaltluftschneisen, die in der Stadt für Abkühlung sorgen. Außerdem gestalten wir zum großen Teil die Naherholungsgebiete mit. Unsere Landwirtschaft ist multifunktional.

FOTO: BAUERNVERBAND HAMBURG

Könnte die lokale Landwirtschaft die Region Hamburg mit den nötigsten Lebensmitteln versorgen? Nein, definitiv nicht. Was wir decken können, ist der Bedarf an Äpfeln. Diese mögliche Selbstversorgung ist eine absolute Besonderheit. Praktisch ist es aber natürlich so, dass auch Äpfel aus Neuseeland und anderen Staaten in unseren Märkten liegen. Bei der Selbstver-

Alica Huckfeldt: „Wir brauchen Planungssicherheit und Rahmenbedingungen, in denen Landwirte existieren können.“

sorgung mit Milch und Fleisch sind wir in Hamburg im Promillebereich. Man muss aber auch erwähnen, dass im gesamten Bundesgebiet keine Selbstversorgung mit Lebensmitteln möglich ist. Beim Getreide heißt es, dass Deutschland 101 Prozent des Eigenbedarfs decken könnte. Könnte, ja. Aber es existieren nun mal bestimmte Handelsströme. Um ein Beispiel zu nennen: Wir können beim Haferanbau in Deutschland oft keine ausreichenden Qualitäten erzeugen, weil die Witterung häufig zu feucht ist. Den meisten Hafer beziehen wir aus Schweden, wo es diese Qualitäten gibt. Wir exportieren im Gegenzug Molkereiprodukte nach Schweden. Der Ukrainekrieg macht deutlich, wie abhängig wir von einigen Lebensmittelimporten sind, zum Beispiel beim Speiseöl. Warum existiert diese Abhängigkeit? Beim Anbau von Ölsaaten muss man ganz klar sagen, dass er in Deutschland schwierig ist. Das sieht man sehr gut beim Sonnenblumenöl. Unser Klima ist zu nass und zu kalt. Da fühlen sich Sonnenblumen einfach nicht wohl. In Süddeutschland sieht das zwar etwas anders aus, aber das deckt nur einen unbedeutend kleinen Bruchteil des Bedarfs. Raps können wir anbauen, aber es ist eine sehr kostenintensive Frucht beim Anbau und der Ernte. In den vergangenen Jahren hat sich der Anbau nicht rentiert. Daher wurde nicht so viel davon angebaut und man musste es eben auch nicht, weil man Speiseöl zum Beispiel aus der Ukraine einführte. Da sind sie dann wieder, die Handelsströme. So macht jedes Land das, was es gut kann. Hier ist der Anbau von Ölsaaten einfach teurer. Eine Rolle spielt auch die Fruchtfolgebegrenzung: Man kann nicht immer nur Raps anbauen, sondern muss die Fruchtfolgen wechseln. Das begrenzt uns in Deutschland.

sagen dass der Rapsanbau gestiegen ist. Das kann man aktuell auf den Feldern bereits beobachten. Und der Anbau wird noch weiter steigen. Allerdings wächst Raps auch nicht überall und durch die Fruchtfolge sind wir da auch limitiert. Aber wir wollen ja auch einen vielfältigen Anbau und keine Monokulturen. Was sind die unmittelbaren Folgen des Krieges für die Landwirtschaft bei uns? Hervorheben muss man die Kostenexplosion beim Dünger, der sich um das Vierfache verteuert hat. Auch die Verfügbarkeit ist schlechter. Hier gibt es Lieferverträge, die nicht mehr eingehalten werden können. Das liegt daran, dass die Düngerproduktion immer mit hohen Energiekosten verbunden ist, vor allem beim Stickstoffdünger. Stickstoff ist aber von zentraler Bedeutung. Die größten Stickstoffproduzenten finden wir in Norwegen und Russland. Wir sind derzeit natürlich komplett auf Norwegen angewiesen. Hinzu kommt, dass die Futterpreise um das Zweifache gestiegen sind und Diesel fast nicht mehr bezahlbar ist. Außerdem sind Ersatz- „Unsere Landwirtschaft teile kaum verfügbar.

ist multiAuf der Verbraucherseite funktional ...!“ kommen die Kriegsfolgen auch an. Butter hat zum Beispiel einen großen Preissprung vollzogen. Dabei produziert Deutschland mehr Milch, als hier verbraucht wird. Was sind die größten Preistreiber? Da kommen wir wieder zu den Düngerpreisen, den Kraftstoffpreisen, den Futterpreisen – nicht zu vergessen dem anstehenden Mindestlohn von 12 Euro, der ab September gilt. Milch ist zudem am Weltmarkt nicht so reichlich vorhanden. Die Liefermenge im vergangenen Jahr ging zurück, weil die Preise so schlecht waren, dass viele Milchviehbetriebe nicht überleben konnten. Die 44 Prozent Preissteigerung kommen auch nicht beim Bauern an. Der Handel hat einen ganz wesentlichen Anteil an den Preissteigerungen: Logistik, Energie, Lagerhaltung und andere Dinge sind viel teurer geworden. Das sind die größten Faktoren, die hier hineinspielen.

Wie geht ihr Verband damit um? Durch die Kostenexplosion und die schlechte Verfügbarkeit von Produktionsmitteln ist das schwierig. Wir müssen uns aber auch bewusst machen, dass andernorts HunWird sich die Landwirtschaft gerkatastrophen drohen, weil die Ukraine als in Deutschland bei Ölsaaten wichtiger Lieferant derzeit ausscheidet. trotzdem umstellen, um In Deutschland haben wir eine verpflichBedarfe besser zu decken? tende Stilllegung von vier Prozent wertvoller Man kann ganz klar Ackerflächen (zur Erhöhung der Biodiversi-

Klönschnack 8 · 2022

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