Wiens coole
Schwester
Vom Mauerblümchen zur bunten Wohlfühlstadt: Graz ist erwachsen geworden. Steirische Bodenständigkeit, mediterrane Leichtigkeit, anarchische Kulturfeste – Österreichs zweitgrößte Stadt zeigt mit Selbstbewusstsein ihre attraktiven Gegensätze.
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WERNER RINGHOFER TEXT STEIERMARK TOURISMUS/HARRY SCHIFFER, IKARUS.CC , ZEPP-CAM, WERNER KRUG, PAUL STAJAN, MARKUS SPENGER, ALEXKRISCHNER.COM FOTOS
ervus! Lange nicht gesehen.“ – „Ja, wirklich. Lust auf einen Kaffee?“ – „Was, schon 15 Uhr? Jetzt muss ich aber los. Aber wir sehen uns bald wieder. Nächstes Wochenende im Stadtpark oder auf der Südsteirischen Weinstraße.“ Man sollte Zeit mitnehmen, wenn man auf einen Grazer Bauernmarkt geht. Auf 15 Märkten kann man in ein buntes Universum eintauchen. Spargel, Salat, Rhabarber, Karotten, Nüsse, Bauernbrot, Forellen, Speck türmen sich. Und natürlich typische regionale Gewächse: Käferbohnen, Kürbisse, Kernöl. Eine sinnlich pralle Melange aus grün, rot, gelb, violett und verführerischen Düften. Wir besuchen den Lendplatzmarkt, nach dem Kaiser-Josef-Markt vor der Oper der zweitgrößte der Stadt, ein bisschen hipper, ein bisschen jünger ist er. Früher war das Lendviertel ein herunter-
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alpe adria magazin | graz
gekommenes Grätzel, heute ist es der Platz der Bobos, Start-ups, Kreativen, der steirischen Originale. Der Urvater der Lokalszene am Markt ist Johannes Messner mit seinem Macello-Standl. Beim Italienfan verführen guter Kaffee, Antipasti, Fischsuppe und Prosciutto. Eine Institution ist auch der Marktgraf, man sieht es an der wartenden Menschenmenge. Traumhaftes Gulasch, Eierspeisen mit Trüffel oder Kernöl gehören zu den Fixbestellungen. Und wenn dann noch ein paar Skateboarder Tricks üben, kommt einem zwar nicht das Wort großstädtisch wie in Wien in den Sinn, aber immerhin urban.
Höhenluft und Schloßbergblick Wenig später schnuppern wir Höhenluft auf der Dachterrasse des prächtigen histo-
rischen Kaufhauses Kastner & Öhler. Im Café Freiblick trauen wir uns auf den Skywalk. Der Balkon schwebt wagemutig über der Altstadt: über uns der Schloßberg, unter uns acht Stockwerke Luft. In diesem Viertel war die Macht zu Hause. Im 15. Jahrhundert war Graz sogar Habsburgerresidenz und von 1564 bis 1619, das zeigen noch die stattlichen Palais. Um uns herum koexistieren Sonnenbrillen, Markentäschchen, Designerkleid und Steirersakko mit Jeans friedlich nebeneinander. Am Samstag schweben clubtaugliche DJ-Sounds. Nur 15 Gehminuten vom bodenständigen Markt entfernt und wir inhalieren einen Mix aus New-YorkFeeling und imperialer Pracht. Dieser schnelle Wechsel von einer Welt in die andere, in Graz gelingt er ganz geschmeidig. Wir wollen uns diese harmonischen Gegensätze noch genauer ansehen. Am besten oben vom Schloßberg. Der Weg