Magazin Museum.de Nr. 43

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Gedenktopographie Creglingen Erinnerungskultur in einer tauberfränkischen Landgemeinde Autor: JMC

In Anerkennung der historischen Verantwortung und zur Erinnerung an die Jüdische Gemeinde wurde das Projekt „Gedenktopographie Creglingen“ ins Leben gerufen. Es basiert auf drei Säulen: Dem Jüdischen Museum Creglingen, der Gedenkstätte 25. März 1933 und dem Jüdischen Friedhof Creglingen. Vom Stall zum Museum Die Badgasse 3 war seit 1618 für mehr als 200 Jahre der Lebensplatz einer jüdischen Familie. Am 15. Juli 1618 erwarb Simson zu Reinßbronn das alte dreistöckige Wohnhaus und durfte als erster Jude dauerhaft in Creglingen sesshaft werden. In dem Gebäude befand sich auch der erste Schul- und Betsaal der Jüdischen Gemeinde Creglingen (1659 erstmals urkundlich erwähnt). Das alte Fachwerkhaus musste im späten 19. Jahrhundert wegen Baufälligkeit abgerissen werden. Das neue Haus wurde 1880 als Stallgebäude und Getreide- und Mehlspeicher von einem örtlichen Bäckermeister erbaut. Der letzte jüdische Besitzer war der Pferdehändler Hermann Stern, der das Haus im Jahr 1903 zur Hälfte und 1910 ganz übernahm. Nach seinem gewaltsamen Tod im März 1933 und der folgenden Vertreibung der jüdischen Familien durch das Nazi-Regime verkaufte Sterns Sohn Emil, der im Jahr 1939 als letzter Jude Creglingen verließ, das väterliche Erbe an eine Creglinger Bauernfamilie, die es bis zur Aussiedlung im Jahr 1998 als Stall und Scheune nutzte.

Im Oberen Taubertal, zwischen Rothenburg ob der Tauber und Bad Mergentheim, liegt das kleine beschauliche Städtchen Creglingen. Hier entwickelte sich seit Anfang des 17. Jahrhunderts eine Jüdische Gemeinde, die bis in das Jahr 1939 fortbestand. Am 25. März 1933 schlug in Creglingen die von der NS-Propaganda verbreitete rassistische Hetze in mörderi-

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sche Gewalt um. Nahezu alle jüdischen Männer Creglingens wurden in einer gezielten Aktion der SA Heilbronn gegen die jüdische Gemeinde brutal misshandelt; zwei von ihnen, Hermann Stern und Arnold Rosenfeld, starben an den Folgen ihrer Verletzungen. Sie gelten heute als die ersten Todesopfer organisierter Ausschreitungen der Nationalsozialisten in Württemberg.

Somit ist der Lebensplatz „Badgasse 3“ auf des engste mit dem Beginn und dem Ende der Jüdischen Gemeinde Creglingen verknüpft. 1998 erfuhr der amerikanische Geschäfts­ mann Dr. Arthur Sinsheimer Obermayer – ein Nachfahre des Simson in der 12. Ge­ neration – von der Creglinger Stadtarchi­ varin Claudia Heuwinkel, dass das Haus am Lebensplatz seiner Vorfahren zum Verkauf stand. Er entwickelte die Idee, an diesem


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