Freie Zeit
Lirum Larum Lesespiel
© Privat (3), lirum-larum-lesespiel (2)
Auf Pappbühnen lässt sie Bücher lebendig werden und zieht Kinder in ihren Bann. Petra Forster ist Literaturvermittlerin. Damit ist sie eine von wenigen ihrer Profession in Österreich. Doch wie lassen sich Geschichten am besten vermitteln? Und wozu brauchen wir das überhaupt? von susanne sonnleitner
„Du gehörst mir“, spricht Fausto zur Blume, zum Schaf, zum Berg. Sie alle will er sich untertan machen. Fausto ist, in diesem Fall, eine Frau. Ihr echter Name ist Petra, und sie steht vor einer Klasse von neun- und zehnjährigen Schülerinnen und Schülern. Petra ist in die Hauptfigur aus Oliver Jeffers’ „Die Fabel von Fausto“ geschlüpft und spielt auf einer Pappbühne Theater. Es geht um Besitz, Gier und Machtmissbrauch, eines ihrer „schweren Themen“, das nicht selten zu spannenden Diskussionen führt. Dieses Programm endet mit der Thematisierung der 17 SDGs (Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen, Anm.), bis zum Schluss ist das Publikum konzentriert dabei. Petra Forster ist Literaturvermittlerin. Vor viereinhalb Jahren hat sich die Oberösterreicherin mit ihrem Projekt „lirum-larumlesespiel“ selbstständig gemacht. Zu ihrer Berufung ist sie über ihren Job als Elementarpädagogin gekommen. „Nach der Karenz bin ich als Stützkraft im Kindergarten meiner Heimatgemeinde Gaflenz eingestiegen. In den Gesprächen mit den Kindern habe ich gemerkt, dass ihnen wesentliche Begriffe
links: Bühnenbild-Ausschnitt aus „Dinner für 3“, frei gestaltet nach dem Bilderbuch „Zwei für mich, einer für dich“ von Jörg Mühle (Moritz Verlag); rechts: Petra Forster beim Kinderliteraturfestival im Wiener Palais Auersperg
fehlen“, erzählt die zweifache Mutter, „und Eltern haben mir bestätigt, dass zu Hause eigentlich nur mehr das Notwendigste mit den Kindern gelesen wird.“ Nämlich die Gutenachtgeschichte. Petra Forster ortete Handlungsbedarf und machte sich auf die Suche. Wonach genau, wusste sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Fündig wurde sie schließlich in der Schweiz. Unter dem Begriff „Leseanimation“ hatte sich dort bereits ein Programm für Literaturvermittlung im Früh- und Vorschulbereich etabliert. Einige Jahre später kam die entsprechende Ausbildung auch nach Österreich. Petra Forster nahm an diesem Pilotlehrgang im Kinderbuchhaus „Schneiderhäusl“ in Oberndorf an der Melk teil (zur Ausbildung siehe Kasten S. 103). Doch worum geht es in der Literaturvermittlung? Es sei „etwas Althergebrachtes“,
etwas, das früher ganz selbstverständlich in Familien passiert ist, „wenn die Oma den Enkel zu Kniereiterspielen zu sich geholt hat“, so die Gaflenzerin. Doch Familienstrukturen haben sich geändert, Vorlesen und Geschichtenerzählen finden heute zunehmend in Institutionen wie Kindergarten, Schule und Bibliotheken statt. Mit Literaturvermittlung sind also Pädagoginnen und Pädagogen, Bibliothekspersonal, aber auch Kinderbuchautorinnen und -autoren „von Berufs wegen“ betraut. Mit dem Lehrgang im „Schneiderhäusl“ gibt es allerdings nun eine entsprechende zertifizierte Ausbildung. Bühnen, handgemacht Literaturvermittlung stellt ein Buch oder mehrere Bücher in den Mittelpunkt. Petra Forster greift daraus eine Situation, die Geschichte selber oder das Thema auf und verknüpft verschiedene Gattungen miteinander: Lyrik, Reime, Wortspielereien für die Kleinen, Schattentheater für die Größeren. Literaturvermittlungsprogramme sind immer interaktiv konzipiert; während des Spielens ist Petra Forster stets im Austausch mit
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